Tag: Marius von Mayenburg

  • Theaterpremiere: „Plastik“ von Marius von Mayenburg in Bukarest inszeniert

    Theaterpremiere: „Plastik“ von Marius von Mayenburg in Bukarest inszeniert

    Auf der Suche nach einem klaren und unkomplizierten Stil, der zwischen seinen Aufführungen und dem Publikum eine vertraute Atmosphäre schafft, hat der Theaterregisseur Theodor-Cristian Popescu im Bukarester Kulturzentrum ARCUB das Stück Plastik“ von Marius von Mayenburg inszeniert. ARCUB hat vor kurzem ein Programm gestartet, das sich zum Ziel setzt, dem Bukarester Publikum die zeitgenössische Theaterkunst näher zu bringen, indem es Themen von allgemeinem Interesse anspricht, die die heutige Gesellschaft widerspiegeln.



    Das gesellschaftskritische Stück Plastik“ kreist um ein aktuelles Thema: wie die heutige Gesellschaft mit ihren Schönheitsidealen die Menschen unter Druck setzt. Das Stück erzählt die Geschichte eines modernen, politisch hyperkorrekten und biofanatischen Elternpaares. Er ist Arzt und zeigt sich jedes Mal bereit, alles zu tun, um vor seiner Frau an Bedeutung zu gewinnen. Sie ist die Assistentin eines berühmten Künstlers. Jenseits der Karriere gibt es das Familienleben mit seinem Alltag, mit den typischen Problemen eines pubertären Sohns. Das Paar holt sich die Putzfrau Jessica ins Haus, die putzt, wäscht und sich um den Sohn kümmert.



    Theodor-Cristian Popescu hat ungefähr zehn Jahre in den USA und Kanada als Regisseur gearbeitet. Plastik“ ist bereits das sechste Stück von Marius von Mayenburg, das er auf die Bühne bringt, erzählt der Regisseur:



    In meiner Karriere habe ich bereits eine Phase beendet, in der ich fünf Stücke zu einem bestimmten Thema inszenierte. Ich habe mich dem Einfluss gewidmet, den der Kapitalismus heute auf unser Leben nimmt. Das Stück »Plastik« kann jedoch auch in diese Kategorie eingeordnet werden, denn es handelt sich um eine wohlhabende Mittelschichtfamilie, die mit keinem ernsthaften Problem konfrontiert wird, jedoch geben sich die Familienmitglieder selbst die Schuld für alles Mögliche und fühlen sich auch für ihr gutes Leben schuldig. Von nun an versuche ich, eine gewisse Vertrautheit zwischen meinen Aufführungen und den Zuschauern zu schaffen, etwas Ähnliches wie in der Beziehung zwischen dem Autor und seinen Lesern. Der Leser pflegt eine Beziehung zu dem Autor, die wenig oder überhaupt nicht mediatisiert wird und gar nicht unter dem Druck der Unterhaltungswelt und deren Suche nach dem ‚Spektakulären‘ steht. Deswegen gelingt es dem Leser, ein vertrautes und direktes Verhältnis mit dem Werk und mit dem Autor zu schaffen. Wenn man ein Buch liest, hat man den Eindruck, dass der Autor einem direkt vorliest. Man betritt ein anderes Universum, das Universum des Autors, man bewegt sich dort frei und man lässt sich vom Autor selbst führen.“




    Aus diesem Grund hat der Regisseur den Darstellern vorgeschlagen, ihre Rollen weniger explizit zu interpretieren:



    Ich wollte, dass nicht alles zum Ausdruck gebracht wird, sei es wörtlich oder Körpersprache, sondern einige Worte im Gespräch eher ungesagt bleiben. Sie sind eigentlich gute Menschen, die keine Konflikte auslösen und trotzdem ihren Weg nicht finden können. Warum? Das steht in den Sternen geschrieben. Sicher ist, dass sie deswegen unglücklich sind. Eine wichtige Rolle spielt Jessica, eine Gestalt, die die chemische Reaktion inmitten dieser Unglückseligkeit ans Licht bringt. Sie ist wie eine Bombe, die nie explodiert. Sie besitzt jedoch das Potenzial, schlie‎ßlich zu explodieren, wenn man mehrmals darauf tritt. Das war meine Suche. Irgendwie habe ich versucht, diese Situation mit dem komischen Gefühl nach dem Feiern zu vergleichen, wenn man nach dem letzten Abend Kater hat, weil man zu viel mit den Freunden getrunken hat und irgendwie der Abend schlecht endete, selbst wenn keine Konflikte entstanden. Etwas bleibt jedoch, ähnlich mit dem Gefühl eines Lebens, das seinen Sinn nicht gefunden hat.“




    ARCUB ist ein Projektzentrum, das sowohl mit Darstellern der Staatstheater als auch mit unabhängigen Darstellern zusammenarbeitet. Beide Kategorien waren auch in der Inszenierung des Regisseurs Theodor-Cristian Popescu vertreten. Die Rolle des Vaters verkörpert Bogdan Dumitrache. Der Schauspieler spielt seit 10 Jahren nur in Filmen, seine Bekanntheit erlangte er allerdings mit der Rolle in der rumänischen Produktion Die Stellung des Kindes“ (Titel in deutschen Kinos: Mutter und Sohn“), die auf der 63. Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Bogdan Dumitrache gab sein Theaterdebüt vor 14 Jahren, ebenfalls in einer Inszenierung des Regisseurs Theodor-Cristian Popescu, der Belgrader Trilogie“ von Biljana Srbljanović.

  • Junge Theaterautorin im Rampenlicht: Elise Wilk

    Junge Theaterautorin im Rampenlicht: Elise Wilk

    Der jungen Theaterautorin Elise Wilk gelang der Durchbruch in der rumänischen Theaterszene. Mittlerweile werden ihre Stücke auch im Ausland inszeniert und sie wurde vielfach ausgezeichnet. Im gro‎ßen Teil ihrer Stücke setzt sich die Kronstädter Dramatikerin mit den Problemen der Jugendlichen auseinander und spricht somit aktuelle Themen an, die in Rumänien und im Ausland eine gute Resonanz beim Publikum finden.



    Mit ihrem Stück Die grüne Katze“ (Pisica verde“) ist die Dramatikerin Elise Wilk im deutschsprachigen Raum ins Rampenlicht getreten. 2014 hatte das Stück eine szenische Lesung in Berlin, im kommenden Jahr wurde es in Zürich von Enrico Beeler beim Jungen Schauspielhaus inszeniert. In Rumänien erhielt Die grüne Katze“ 2013 den Preis für Nachwuchsdramatiker der Irischen Botschaft in Bukarest und wurde insgesamt in sechs Sprachen übersetzt. Im Stück, das die Kronstädter Theaterautorin 2012 für ein Projekt des Theaters 74 in Târgu Mureş schrieb, setzt sie sich mit dem Problem der orientierungslosen Jugendlichen auseinander, die dem Alltag nichts abgewinnen können, und spricht somit universelle Themen an. Elise Wilk:



    Das erste Mal, als ich sehen konnte, dass die Probleme wirklich universell sind, war es in Rom, als das Stück eine szenische Lesung hatte, und die Schauspieler haben mir gesagt, dass sie sich in meinen Figuren wiedererkennen. In Berlin erlebte ich das Gleiche, auch in Russland, wo es zweimal von verschiedenen Ensembles aufgeführt wurde. Ich dachte, es ist leicht verständlich, wenn mein Stück dem russischen Publikum gefällt, weil die Situation sie auch ansprechen könnte… Diese Welt mit Plattenbauvierteln und mit Wodka, den sie in Clubs trinken, aber als ich erfahren habe, dass das Stück in der Schweiz aufgeführt werden sollte, hätte ich nie gedacht, dass Jugendliche aus der Schweiz sich mit denselben Problemen identifizieren können. In der Schweiz war ich bei vielen Publikumsgesprächen dabei, konnte direkt Feedback bekommen. Im Stück geht es um Roxana, deren Eltern in Spanien sind, im Text steht es aber einfach: ‚Meine Eltern sind in Spanien und ich wohne mit meiner Gro‎ßmutter‘. Wenn man das in Rumänien sagt, dann verstehen alle, dass die Eltern nach Spanien gezogen sind, um dort zu arbeiten, aber in der Schweiz dachten sowohl die Schauspieler als auch der Regisseur, dass die Eltern in die Rente gegangen sind und sich ein Ferienhaus auf Mallorca oder auf Ibiza gekauft hätten, also für sie bedeutete das: ‚Meine Eltern machen Urlaub oder sind langfristig hingezogen.‘ Das wichtigste: Meine Eltern sind nicht da und das ist in Rumänien und in der Schweiz dasselbe Problem.“




    In ihrem Stück lässt die Theaterautorin eine Welt entstehen, in der jede der sechs Figuren, drei junge Frauen und drei junge Männer, auf ihre eigene Art und Weise nach Sicherheit und Halt in ihrem Leben suchen, in einem Leben, in dem ihnen die Eltern als Bezugspunkt fehlen. Die grüne Katze wird von der Gestalt Dani immer wieder, bei jeder Gelegenheit erwähnt. Das Fantasietier spielt eine zentrale Rolle in der Handlung, die bis zuletzt ein tragisches Ende nimmt. Elise Wilk:



    Es wird viel über Fantasie und unsere Einbildungskraft geredet. Oft hilft uns die Fantasie, den grauen Alltag zu vergessen. Zum Beispiel Dani, der sich diese grüne Katze einbildet, die gar nicht existiert. Die grüne Katze steht für die Kraft der Fantasie. Viele Leute versuchen mithilfe der Fantasie ihre Probleme zu überwinden und sich Sachen einzubilden, die eigentlich gar nicht existieren. Diese Träume helfen ihnen, aber die Kraft der Fantasie kann auch zerstören.“



    Auszug aus der Grünen Katze“:









    In Rumänien werden nur wenige Stücke für Jugendliche geschrieben. Elise Wilk erhielt nach dem Stück Die grüne Katze“ ein positives Feedback. So ist sie auf die Idee gekommen, eine Trilogie zu schreiben. Das zweite Stück, Papierflugzeuge“ (Avioane de hârtie“), hat voriges Jahr den Nationalen Dramenwettbewerb gewonnen. Was die beiden Stücke gemeinsam haben, sei der Ort, wo sich die Handlung abspielt, eine kleine rumänische Provinzstadt, und die Situation der Kinder, die ohne Eltern aufwachsen, weil sie im Ausland arbeiten, sagt die Theaterautorin. Derzeit arbeitet Elise Wilk am dritten Teil der Trilogie. In dem Stück Papierflugzeuge“, setzt sich die Dramatikerin jedoch mit einem anderen Thema im Universum der Jugendlichen auseinander, das in Rumänien selten angesprochen wird: das Mobbing in der Schule.



    In Rumänien ist der Anteil der Inszenierungen nach ausländischen Autoren höher als jener der Inszenierungen einheimischer Autoren. Elise Wilk hat jedoch als junge Dramatikerin den Durchbruch in der rumänischen Theaterszene geschafft. Der Weg vom ersten Versuch bis zum ersten Erfolg sei weder kurz noch leicht gewesen, sagt die Theaterautorin. Elise Wilk:



    Ich schrieb Theater, aber ich war nicht so begeistert von dem, was ich geschrieben hatte. Dann habe ich die Ausschreibung eines Wettbewerbs von DramAcum gesehen, sie haben junge Talente gesucht, unter 26-Jährige, die Theater schreiben. Ich habe damals mein Stück »Es geschah an einem Donnerstag« (»S-a întâmplat într-o joi«), das aus Monologen bestand, die alle an einem Donnerstag passieren, hingeschickt. Ich war unter den Gewinnern, es gab auch eine Lesung in Bukarest und damals war es zum ersten Mal, dass professionelle Schauspieler mein Stück vorgetragen haben. Das Stück hätte man in Bukarest aufführen sollen, aber es geschah nicht mehr, weil die Regisseurin nach Amerika ausgewandert ist. Von Theaterhaus zu Theaterhaus ist es irgendwann an jemanden gekommen, der es auch inszeniert hat, aber erst nach zwei Jahren.“




    Mit dem ersten Erfolg, den Elise Wilk dem Theaterstück Die grüne Katze“ verdankt, kam auch die grö‎ßte Herausforderung: der Leistungsdruck. Mit der Angst, dass ihr nächstes Stück, die Komödie Zimmer 701“ (Camera 701“), den Geschmack des Publikums nicht treffen könnte, hat sich auch die Dramatikerin konfrontiert. Alle sieben Texte, die sie geschrieben hat, wurden mittlerweile inszeniert. Die grö‎ßte Freude, die einem Dramatiker die erfolgreichen Inszenierungen bringen, sei laut der rumänischen Theaterautorin die positive Resonanz beim Publikum, die sogar wichtiger als eine positive Rezension über das Theaterstück sei.



    Die 1981 geborene Theaterautorin hat mehrere Studiengänge abgeschlossen: Journalismus, Literatur und Kommunikation, szenisches Schreiben. Elise Wilk ist auch Journalistin bei der Allgemeinen Deutschen Zeitung“ in Kronstadt und Chefredakteurin der Wochenzeitung Karpatenrundschau“. Einer der zwei Berufe liegt ihr doch näher am Herzen:



    Ich habe gerade gestern darüber nachgedacht — das ist interessant: Ich schreibe, seitdem ich ein Kind bin, mein erster Versuch galt den Kurzgeschichten. Ich wollte Journalistin werden, weil ich dachte, ein Journalist ist eine Art Schriftsteller, aber vor der ganzen Erfahrung im Theater gefiel mir der Journalismus, glaube ich, mehr als jetzt. Jetzt denke ich, dass ich erstens Theaterautorin bin und dann Journalistin. Man kann nicht beides auf einmal mit derselben Freude machen, man kann nicht zwei Sachen auf einmal gleich viel lieben, aber ich liebe meine Jobs, weil sie starke Ähnlichkeiten aufweisen.“




    Am Jahresanfang feierte ihr Stück Sprengstoff“ (Exploziv“) in der Regie von Andrei Măjeri seine Premiere beim Nationaltheater Marin Sorescu“ im südrumänischen Craiova. Es handelt sich um eine moderne Inszenierung von Euripides Drama Die Bakchen“. Die Autorin mit Einzelheiten:



    Es war meine erste Erfahrung, einen Klassiker neu zu interpretieren, das ist eigentlich keine getreue Neuadaption von Euripides, ich habe nur einige Ideen und Figuren vom ursprünglichen Text beibehalten. Die Handlung ist ganz anders, also es ist nicht eine klassische Neuinterpretation. Es hat mir Spa‎ß gemacht und ich glaube, dass ich vielleicht später nochmals versuche, einen Klassiker neu zu adaptieren.“




    Der Regisseur Bobi Pricop wurde für seine moderne Inszenierung des Stückes Die grüne Katze“ beim Kinder- und Jugendtheater in Iaşi für die Preise des Rumänischen Theaterverbands UNITER nominiert. Zum ersten Mal in Rumänien wurde das Stück im System Silent Disco inszeniert. Die Zuschauer werden dabei eingeladen, die clubähnlich ausgestattete Bühne zu betreten und die Geschichte der sechs Gestalten live mitzuerleben, indem sie den Dialog über drahtlose Kopfhörer hören.



    Mit Märtyrer“ von Marius von Mayenburg hatte Elise Wilk vor ein paar Jahren angefangen, deutsche Dramaturgie aus dem Deutschen ins Rumänische zu übersetzen. Die Theaterautorin zählt zudem zu den zehn rumänischen Dramatiker/Innen, die ins internationale Programm Fabulamundi. Playwriting Europe“ 2015-2016 aufgenommen wurden.




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