Tag: Marxismus-Leninismus

  • Bruderländer: Kommunistisches Rumänien und Nordkorea im Schulterschluss

    Bruderländer: Kommunistisches Rumänien und Nordkorea im Schulterschluss

    Die rumänisch-nordkoreanischen Beziehungen waren Anfang der siebziger Jahre sehr intensiv. Nicolae Ceauşescu und Kim Il-Sung haben sich mehrmals gegenseitig besucht, eine gro‎ße gegenseitige Sympathie entwickelt und daher versucht, auch ihre Länder näher aneinander zu bringen und durch gegenseitige Interessen zu verbinden. Die rumänisch-nordkoreanischen Beziehungen beruhten auf der Ideologie des Marxismus-Leninismus in eigener Auslegung sowie auf dem Wunsch, sich dem sowjetischen bzw. chinesischen Einflussbereich zu entziehen. Infolgedessen fanden Rumänien und Nordkorea den Weg zum Dialog und zur Kooperation.



    Im Jahr 1970 wurde der Oberst Emil Burghelea zum Militärattaché Rumäniens in Pjöngjang ernannt. Burgehlea erzählte in Jahr 2000 dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks über die Umstände, die zu seiner Ernennung führten, selbst wenn er die koreanische Sprache nicht kannte und für den Posten nicht vorbereitet war.



    Meine Ernennung wurde dadurch begründet, dass ich Offizier war und dass Offiziere sich schnell den bestehenden Umständen anpassen würden. Bei dem Beschluss der Behörden galten zudem die guten Russischkenntnisse, die ich hatte, sie sagten, die Koreaner würden auch Russisch sprechen, also sprach alles dafür, dass ich die richtige Person für den besagten Posten war. Alle koreanischen Militärattachés in Rumänien sprachen Rumänisch. Wenn Sie mir erlauben, einen Witz darüber zu machen: Bei einem unserer offiziellen Besuche in Nordkorea wurde die Delegation von Emil Bodnăraş von der ganzen koreanischen Partei- und Staatsführung empfangen. Dem Delegationschef Bodnăraş, Offizier von Beruf, haben die Koreaner einen Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Bodnăraş wollte herausfinden, wieviele von den Koreanern Rumänisch konnten. Das Geleit war sehr zahlreich, es umfasste allerhand Personal, vom Schneider bis zum Schuster. An einem Ruhetag während des Besuches machte Bodnăraş einen dreckigen Witz. Zu seiner gro‎ßen Überraschung brauchte der Dolmetscher den Witz nicht mehr zu übersetzen, weil 10 von ihnen gleich ins Lachen ausbrachen. Sie radebrechten auf Rumänisch, sie sagten beispielsweise ‚unser elterlicher Vater‘. Ich sagte dann: Ein Vater ist ein Elternteil, also wieso ‚elterlicher Vater‘? Mir wurde dann klar, dass sie diesen Ausdruck benutzten, um die Verwechslung mit dem Führer Nordkoreas zu vermeiden, der auch als Vater bezeichnet wurde.“




    Mit der Zeit wurden die bilateralen Beziehungen sehr eng, man konnte sogar von privilegierten Beziehungen sprechen, erinnerte sich Oberst Emil Burghelea weiter:



    Die Beziehungen zwischen unseren Staaten waren ausgezeichnet, weil das Verhältnis zwischen unseren Landespräsidenten und Parteivorsitzenden ausgezeichnet war. Ich war selber auch ein privilegierter Militärattaché in Nordkorea. Ich hatte Zugang dort, wo er anderen Militärattachés, sei es jener Russlands oder Chinas gewesen, verweigert wurde. Die Nordkoreaner zeigten eine gewisse Zurückhaltung den Gro‎ßmächten der Weltpolitik gegenüber, selbst wenn rund 2 Millionen Chinesen im Koreakrieg ihr Leben verloren hatten. Rumänische Delegationen besuchten Nordkorea mit dem Zweck, die bilaterale Zusammenarbeit zu verstärken.“




    Rumänien exportierte nach Nordkorea Lastkraftwagen, Fahrzeuge und zahlreiche Produkte für die Industrie. Emil Burghelea mit weiteren Einzelheiten:



    Die Nordkoreaner waren immer sehr offen und hilfsbereit den Rumänen gegenüber. Auch im Privatbereich zeigten sie sich jederzeit hilfsbereit. Meine Familie wurde einmal mit einer schweren Situation konfrontiert: Eines meiner Kinder, das in Rumänien geblieben war, brauchte dringend unsere Hilfe. Es ist schlie‎ßlich dazu gekommen, dass ein nordkoreanischer Minister im letzten Moment auf seinen Flug verzichtete, damit meine Ehefrau umgehend nach Rumänien fliegen konnte. Ich stellte üblicherweise keine Forderungen an die nordkoreanischen Behörden, damals handelte es sich aber um eine äu‎ßerst heikle Situation. Das Ziel der Nordkoreaner war es, eine sehr gute Rüstungsindustrie aufzubauen. Sie arbeiteten unter schlechten Bedingungen, sie setzten aber alle Kräfte dafür ein, um dieses Ziel zu erreichen. Es gab auch ein zweites Problem: die Mobilmachung der Nordkoreaner, die sich von vier Gro‎ßmächten eingekesselt wähnten — Russland, China, Japan und die USA. Wir exportierten automatische Drehbänke nach Nordkorea, die im westrumänischen Arad und in Kronstadt hergestellt wurden. Die Nordkoreaner entfernten die Etiketten, auf denen ‚Hergestellt in…‘ stand und klebten darauf Etiketten, auf denen als Herstellungsland Nordkorea angegeben wurde, sie exportierten die Drehbänke dann nach Süden und sagten, sie seien in Nordkorea hergestellt worden. Wir haben das herausgefunden, haben aber die Information verschwiegen. Dasselbe machten sie auch mit Produkten, die in anderen Ländern hergestellt wurden.“




    Die rumänisch-nordkoreanische Freundschaft konnte man als legendär bezeichnen. Viele Historiker sind der Ansicht, dass Nicolae Ceauşescu sich von dem nordkoreanischen Arbeits- und Lebensstil beeinflussen lie‎ß. Nach der Wende hat sich das bilaterale Verhältnis grundlegend verändert.

  • Größenwahn in der Ceauşescu-Ära: Der Hochstraßenbau

    Größenwahn in der Ceauşescu-Ära: Der Hochstraßenbau

    Zwischen der Ortschaft Bascov im Landkreis Argeş und Cârţişoara im Landkreis Sibiu erstreckt sich auf einer Lange von 90 Kilometern eine der spektakulärsten Stra‎ßen Rumäniens: die Transfogarascher Hochstra‎ße. Sie stellt das Wahrzeichen einer Idee, die die Wirtschaftsvorstellungen von Nicolae Ceauşescu in den 1970er Jahren geprägt hat. Das waren die Bergstra‎ßen. In der Praxis erwiesen sich die Bergstra‎ßen, so wie viele Projekte der kommunistischen Wirtschaft, nur als gute Ideen mit schlechten Ergebnissen. Die Kosten waren riesig und der erzielte Profit klein.



    Nicolae Ceauşescu entwickelte die Idee der Transfogarascher Hochstra‎ße am Ende der 1960er Jahre, nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei. Bis 1974 wurde die Stra‎ße gebaut. Ceauşescu glaubte, die schon existierenden Stra‎ßen durch die Südkarpaten seien leicht zu blockieren. Er hatte Angst vor einer sowjetischen Invasion und gab den Bau einer Stra‎ße durch das Fogarasch-Gebirge in Auftrag. Diese erreicht eine Höhe von 2042 Metern beim Bâlea-See. Die Pioniertruppen der rumänischen Armee wurden mit dem Bau dieser sehr komplizierten Stra‎ße beauftragt.



    Während des Baus der Transfogarascher Hochstra‎ße war Maxim Berghianu Chef des Staatsplanungs-Ausschusses, einer zentralen Institution in der kommunistischen Planwirtschaft. Im Jahr 2002 wurde er vom Zentrum für mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks interviewt:




    Ich habe mich etwa vier Jahre lang dem Bau der Transfogarascher Stra‎ße widersetzt. Das war eine riesige Investition, die dem Staat keine zusätzlichen Einnahmen brachte. Ich bin Bergsteiger und wei‎ß, dass im Juni-Juli der Schnee da noch 5-6 Meter hoch ist. Und was soll man dann mit dieser Stra‎ße anfangen? Sie wird vom Regen erodiert, ist von Erdrutschen gefährdet. Was produziert sie? Sieben Monate im Jahr ist die Stra‎ße gesperrt und es gibt ansonsten wenig Verkehr. Man hat gesagt, es sei eine strategische Stra‎ße, damit wollten sie mich umstimmen — sie raunten: ‚Willst du denn nicht, dass wir die Möglichkeit haben, mit Panzern aus Argeş nach Siebenbürgen zu fahren?‘ Vier Jahre lang habe ich diesem Projekt Hürden in den Weg gelegt, ohne etwas zu sagen. Es hat aber nicht geklappt. Vasile Patilineţ hat darauf beharrt.“




    Der Ehrgeiz, Bergstra‎ßen zu bauen, war im vollen Aufschwung. Maxim Berghianu berichtete, man hatte die Absicht gehabt, eine zweite Stra‎ße, parallel zur Transfogarascher Hochstra‎ße, zu bauen.



    Er wollte noch eine Stra‎ße von Sâmbăta de Sus nach Argeş bauen. Ich habe Patilineţ, zu dem ich gute Beziehungen hatte, gesagt: ‚Ein ganzes Land wird dich verfluchen, alle werden dich verfluchen, weil du den schönsten Zugang zum Fogarascher Gebirge zerstört hast. Dazu noch zerstörst du einen wunderbaren Wald, am Ufer eines Flusses. Hör damit auf! Reicht es denn nicht, dass wir die Transfogarascher Hochstra‎ße haben und diese gesperrt halten?‘ Und er stellte Ceauşescu das Projekt nicht mehr vor. Ich habe auch nur durch Zufall davon erfahren. Ich stieg mal vom Berg runter und habe gesehen, wie man den Wald fällte. Und ich habe mich gefragt, was da los ist. Und als ich runter wollte, hielt mich einer an und sagte mir, ich könnte nicht weiter, denn da werde mit Dynamit gesprengt. Von ihm habe ich erfahren, dass eine Stra‎ße nach Argeş gebaut wird.“




    Das Projekt der Bergstra‎ßen, andere verrückte wirtschaftliche Ideen sowie eine auf Autarkie beruhende Denkweise und die Zahlung aller Auslandsschulden führten dann in den 1980er Jahren zum Zusammenbruch der kommunistischen Wirtschaft. Maxim Berghianu:



    Der Einfuhrstopp von Maschinen und Ersatzteilen hat die Wirtschaft ruiniert. Dazu kam die verrückte Idee Ceauşescus, die Auslandsschulden vorzeitig zurückzuzahlen. Das hatte bis zu dem Zeitpunkt kein Land gemacht und das hat die Wirtschaft zerstört. Er hat die Einfuhr von Ersatzteilen für moderne Maschinen in der ChemieIndustrie, in der Metallindustrie und anderen Zweigen gestoppt. Er hat den Import von modernen Maschinen und moderner Technik eingeschränkt. Eine Maschine kann heutzutage nicht mehr als 45 Jahre halten. Wir sind nicht mehr im 18. oder 19. Jahrhundert. Die Maschinen werden jetzt in relativ kurzer Zeit ersetzt, alle 4,5, höchstens 6 Jahre. Wir haben alle Maschinen nicht mehr ersetzt. Es gab kein Geld mehr. Er hatte diese unproduktiven Investitionen betätigt, die keine Einnahmen brachten.“




    Das Projekt der Bergstra‎ßen war einer der Misserfolge der Ceauşescu-Wirtschaft, die auf das marxistisch-leninistische Modell beruhte.