Tag: Mauerfall

  • Hörerpostsendung 8.12.2019

    Hörerpostsendung 8.12.2019

    Herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI!



    Heute möchte ich mit einem TV-Tipp beginnen. Am 15. Dezember (also genau in einer Woche) um 23:55 Uhr strahlt der MDR einen Dokumentarfilm des deutsch-rumänischen Regisseurs Dobrivoie Kerpenisan aus. Die unbekannten Helden — Bilder der rumänischen Revolution“ dokumentiert den Aufstand der Menschen in Gro‎ßsanktpeter, einem ethnisch gemischten Dorf im Banat, im Länderdreieck Rumänien-Jugoslawien-Ungarn, gegen das Ceaușescu-Regime am 18. Dezember 1989, kurz nachdem im nahegelegenen Temeswar zwei Tage zuvor die Menschen gegen den Kommunismus aufbegehrt und es die ersten Tote der Revolution gegeben hatte.



    Auf der Webseite des MDR wird der Film mit folgenden Worten präsentiert:



    Im Winter 1989 besucht [der einige Jahre zuvor nach Deutschland ausgewanderte] Dobrivoie Kerpenisan seine Gro‎ßeltern in einem kleinen Dorf bei Temeswar in Rumänien, der Stadt, in der sich der erste Widerstand gegen das Ceausescu-Regime formiert. So beginnen die Semesterferien des damaligen Folkwangstudenten mit nicht weniger als einer Revolution.



    Der junge Fotograf wird hineingerissen in die Rebellion in der Provinz und versucht so viel wie möglich von Ereignissen festzuhalten, solange bis sein Filmvorrat aufgebraucht ist. Es entstehen einzigartige Momentaufnahmen von den Massenprotesten. […] In diesen Tagen fotografierte ich vor allem den Aufstand der einfachen Leute — Junge, Alte, Kinder, Studenten, Mütter, Arbeiter und Roma. Zu diesem Zeitpunkt war mir die geschichtliche Bedeutung meines Tuns überhaupt nicht bewusst. Ich war einer von Ihnen, und dabei zu sein, war das Einzige, was zählte in diesem Moment.“



    30 Jahre später kehrt Kerpenisan, nunmehr prämierter Filmemacher, in sein Dorf zurück und sucht anhand seiner Bilder nach den Spuren der Revolutionäre von damals. Was machen sie heute? Wo und wie leben sie? Ob Tagelöhner oder Fabrikdirektor, Ex-Dorfpolizist oder Altenpflegerin — die Menschen begegnen sich selbst auf den historischen Aufnahmen. Die Rückkehr“ fängt diese Begegnungen in einer dokumentarischen Collage ein und zeigt eine neue, unbekannte Seite der rumänischen Revolution. Aus dem Reflektieren über Angst, Mut und Träume entsteht ein Portrait der unbekannten Helden mit beklemmenden Einsichten und bewegenden Geschichten.



    Soweit die Präsentation des Films auf der Webseite des MDR. Ich hatte die Ehre, das Skript des Films aus dem Rumänischen ins Deutsche übersetzen zu dürfen, der Film wird in den nächsten Tagen in den MDR-Studios mit Synchronstimmen versehen (overvoict“, wie es im Slang der Radio- und TV-Journalisten hei‎ßt). Der Film ist wirklich sehr interessant und hat einige ergreifende Szenen, ich empfehle ihn wärmstens. Die unbekannten Helden — Bilder der rumänischen Revolution“ von Dobrivoie Kerpenisan, am 15. Dezember um 23:55 Uhr im MDR.



    Und nun zu Hörerzuschriften. 1989 war in der Tat ein geschichtsträchtiges Jahr: der Fall der Berliner Mauer, das Ende der kommunistischen Regime in Osteuropa und die Überwindung des Kalten Kriegs. Passend zum Thema erhielten wir sehr interessante Erinnerungen an die letzten Monate der DDR von unserem Hörer Lutz Winkler, der heute in Schmitten im Taunus zu Hause ist. Die damaligen Ereignisse änderten grundlegend das Leben unseres Hörers:



    Liebe Freunde der deutschen Redaktion in Bukarest,



    der November mit seinem kalten und nassen Wetter ist nun da. Der vorletzte Monat des Jahres 2019 — ein Jahr, welches wieder viel zu schnell vergangen ist. Was mich jedoch am meisten betrübt, ist die Dunkelheit: wenn ich auf Arbeit gehe ist es dunkel und wenn ich nach Hause komme wird es auch schnell wieder dunkel. So ist aber der Lauf der Zeit und ich mache es mir in der Radioecke gemütlich.



    Der Monat November hat ja nicht nur eine dunkle Seite, wie ich oben geschrieben habe. Am 9. November 1989 hat sich unser Leben geändert. Ich war zu der Zeit Soldat der Nationalen Volksarmee — aber ganz weit weg von den Brennpunkten der friedlichen Revolution. Ich war damals abkommandiert, eine Flugzeughalle an der polnischen Grenze aufzubauen, und habe die Ereignisse des Mauerfalls über das Fernsehen mitbekommen. Dann musste ich noch bis Mai 1990 in der Armee bleiben — aber auch dort hat sich einiges geändert. Der Ton wurde sanfter und die politische Bildung schlief ein.



    Nach der Armeezeit bin ich in meinen alten Betrieb zurück — habe einige Monate gearbeitet, kaum Geld bekommen. So habe ich in den alten Bundesländern Arbeit gesucht und diese auch gefunden. Es war eine Zeit, in der alles wegbrach — viele neue Dinge mussten wir lernen: Steuererklärung, Krankenkassen, Rentensystem, Versicherungen, Finanzen und noch vieles mehr hat sich innerhalb kürzester Zeit geändert. Träume wurde geträumt und sind manchmal wie Seifenblasen geplatzt.


    So waren wir auch Wirtschaftsflüchtlinge. Wir haben in der alten Bundesrepublik in der Nähe von München — auch mit einiger Hilfe — schnell Fu‎ß gefasst und unser Leben neu aufgebaut. Vieles ging ganz schnell — dank der Kinder, manches, wie die Wohnungseinrichtung, dauerte doch etwas länger.



    Was hat uns in der Familie der Umbruch aber gelehrt? Sei wachsam gegenüber den einfachen Lösungen und den gro‎ßen Versprechen, die andere Leute dir machen. Und: Nichts ist in Stein gemei‎ßelt, auch eine Gesellschaftsform, wie wir sie jetzt haben (und auch genie‎ßen), muss jeden Tag vor der Dummheit mancher gro‎ßspurigen Vereinfacher verteidigt werden. Der Mensch steht im Mittelpunkt und nicht, wo man herkommt.



    Sie senden jeden Tag viele Informationen aus Rumänien, es macht mir viel Spa‎ß Ihren Sendungen zu lauschen — dafür vielen Dank!



    Dieses Mal habe ich Ihnen einen Einblick in mein Leben gegeben. In einen wichtigen Abschnitt, der alles, aber wirklich alles verändert hat.



    Ich möchte für heute schon wieder schlie‎ßen, ich wünsche allen Redaktionsmitgliedern viel Glück und Gesundheit.



    Viele Grü‎ße aus Deutschland



    Ihr Hörer


    Lutz Winkler



    Lieber Herr Winkler, vielen Dank für diese äu‎ßerst interessanten Erinnerungen. Ich bin auch ausgesprochen interessiert an Zeitgeschichte, in Bukarest werden im Rahmen eines Dokumentarfilm-Festivals gerade viele Filme über jene Zeit gezeigt, auch das hiesige Goethe-Institut wartete mit interessanten Dokumentaren über den Bau der Mauer oder die Wendezeit auf. Herzliche Grü‎ße nach Schmitten!



    Wir bleiben beim Thema Film und Geschichte. Ralf Urbanczyk (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt) gefiel in unserem Programm ein Interview:



    Sehr interessant fand ich das Interview mit dem Filmregisseur Alexis Cahill über seinen neuen Film Maria — Königin von Rumänien“. Hoffentlich wird es diesen Film in Zukunft auch in deutscher Synchronisation geben, denn er widmet sich mit Marie von Edinburgh nicht nur einer ganz spannenden europäischen Persönlichkeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern scheint auch ein monumentales, handwerklich und künstlerisch gut gemachtes Bild auf die Rolle Rumäniens und seiner Königsfamilie im Ausgang des Ersten Weltkrieges zu werfen. Das ist ganz faszinierender Stoff, aus welchem dieser Film gemacht wurde. Dazu kommt, dass Maria, die spätere Königin Rumäniens,

    für viele Jahre in der deutschen Stadt Gotha lebte. Ob sie dort Spuren hinterlassen hat, wei‎ß ich nicht. Wenn ich das nächste Mal in Gotha bin, werde ich einmal danach forschen. Vielen Dank für die vielen Anregungen, welche Sie mir durch dieses interessante Gespräch zum Film Maria — Königin von Rumänien“ gegeben haben.



    Vielen Dank für das Feedback, lieber Herr Urbanczyk, und für den Filmtipp, wenn Sie so wollen, denn mir war der Beitrag entgangen. Ob es den Film auch in deutscher Synchronisation geben wird, hängt allerdings davon ab, ob ein Fernsehsender oder ein Filmverleih Interesse daran findet. Herzliche Grü‎ße nach Eisleben!



    Und jetzt sind Kenner des digitalen Fernempfangs gefragt. Dennis Kleemann ist in Blomberg (NRW) zu Hause und hat uns Ende November zusammen mit seiner Lebenspartnerin empfangen können. Mit dem kurzen Empfangsbericht stellte er aber auch eine Frage:



    Wir haben Ihre Aussendung heute Morgen um 7:40 Uhr hier in Blomberg/Deutschland empfangen — mit Stabantenne und ohne Probleme oder Aussetzer.



    Wir hätten mal eine Frage: Wo bekommt man neue DRM-Empfänger her. Wir konnten im Internet nichts finden. Vielleicht können Sie uns weiterhelfen.



    Mit freundlichen Grü‎ßen



    Dennis Kleemann


    Ihne Vo‎ß



    Vielen Dank für das Feedback, liebe Freunde, und Gru‎ß zurück nach Blomberg. Ich muss zugeben, da bin ich völlig überfragt. Wir haben aber einige eingefleischte DRM-Anhänger in unserer Hörerschaft und ich reiche daher die Frage weiter: Wer kann Herrn Kleemann ein paar Tipps geben, wo man neue (und ich vermute auch kostengünstige) DRM-Empfänger in Deutschland finden?



    Ebenfalls im November noch meldete sich Heinrich Eusterbrock (aus dem schwäbischen Kaufbeuren) mit Feedback über die Empfangsbedingungen:



    Hallo lieber Herr Georgescu,



    zuerst möchte ich mich ganz herzlich für den Brief Ihrer Postbearbeiterin bedanken. Vor etwa zwei Wochen erhielt ich die Antwort auf meinen letzten Hörbericht mit drei QSL-Karten für die Monate April bis Juni. Ich habe mich darüber wieder sehr gefreut, zumal die diesjährige Motivserie mit den Ansichten der verschiedenen Trachten Ihres Landes wirklich sehr anschaulich ist. Bitte bestellen Sie Ihrer Kollegin schöne Grü‎ße und meinen herzlichen Dank.



    Der Empfang Ihrer Sendungen im dritten Quartal war bei mir meist durchwachsen aber durch die Bank verständlich. Im September kam es dann ja leider zu dem grö‎ßeren Ausfall in einer Ihrer Sendestellen. Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich wusste, was los ist. Wenn man den Sender nicht hört, kann man Ihre Ansagen in eigener Sache“ ja auch nicht hören. Hier wäre eine Sammel-Mitteilung per E-Mail eine gute Idee gewesen. Sei es, wie es ist, es war auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, mal wieder auf Ihren DRM-Frequenzen rein zu hören. Und — Überraschung — es klappte zumindest am Abend bei mir sehr gut. Da waren Ausstrahlungen dabei, mit nur ganz vereinzelten Aussetzern, vor allem dann, wenn das Fading nur schwach war. Ich habe mich sehr über diesen sauberen Empfang gefreut. Es ist jammerschade, dass die Weiterentwicklung der Betriebsart DRM so früh aufgegeben wurde. Es hätte mehr daraus werden können, meine ich.



    Das war’s dann wieder. Ich wünsche dem gesamten Team alles Gute und eine besinnliche Adventszeit.




    Herzliche Grü‎ße nach Bukarest



    Ihr

    Heinrich Eusterbrock



    Vielen dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Eusterbrock, und Gru‎ß nach Bayern! Ich gebe zu, eine Massenmail zum Thema Frequenzausfall wäre sicherlich besser gewesen, aber erstens haben auch wir erst spät erfahren, was los ist, weil die Leute vom Senderbetrieb-Unternehmen nicht gerade kommunikativ sind, und zweitens war ich damals noch im Urlaub.



    Zeit für die Postliste. Ich bin leider auch diese Woche nicht dazu gekommen, die Postbriefe zu entziffern, fange aber nächsten Sonntag direkt mit der herkömmlichen Post an. E-Mails und Feedback im Online-Formular erhielten wir bis vergangenen Freitag von Reinhard Schumann (SE), Paul Gager und Josef Robl (A) sowie von Bernd Seiser, Hans-Ulrich Schwerendt, Martina Pohl, Peter Vaegler, Helmut Matt, Fritz Andorf, Herbert Jörger, Michael Willruth, Heinz-Günter Hessenbruch und Alfred Albrecht (D).



    Audiobeitrag hören:



  • 25 Jahre Mauerfall: Herrscht in Europa ein neuer Kalter Krieg?

    25 Jahre Mauerfall: Herrscht in Europa ein neuer Kalter Krieg?

    Auf den Akkorden von An die Freude“ wurden am 9. November tausende wei‎ße Luftballons über Berlin freigesetzt, um ein Vierteljahrhundert seit dem Fall der Mauer, seit der Wiedervereinigung Deutschlands und seit dem Ende des Kalten Krieges zu begehen. Einige hunderttausend Menschen versammelten sich vor dem Brandenburger Tor und nahmen an dem Ereignis teil, das wie eine Party im Freien im Zentrum der deutschen Hauptstadt veranstaltet wurde. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der DDR gelebt hat, sendete den Völkern, die weiterhin unterdrückt sind, eine Botschaft der Hoffnung:



    Der Jahrestag des Mauerfalls zeigt, dass sich der menschliche Drang nach Freiheit nicht auf Dauer unterdrücken lässt. Im Laufe des Schicksalsjahres 1989 überwanden immer mehr Ostdeutsche ihre Angst vor staatlicher Repression und Schikane.“




    Errichtet einem einzigen Tag, am 13. August 1961 von der Regierung der ehemaligen DDR, war die Berliner Mauer am Anfang nur ein Stacheldrahtzaun, der im Laufe der Jahre konsolidiert und ausgebaut wurde. 28 Jahre lang hat die Mauer die zwei Deutschlands getrennt. Deren Wiedervereinigung passierte erst am 3. Oktober 1990, 11 Monate nach dem Fall des Symbols der Trennung Europas unter dem Druck der Demonstranten. Drei Jahrzehnte lang waren die Ausbruchsversuche aus dem kommunistischen Lager von den einfallsreichsten Ideen geprägt, beginnend mit dem Graben eines Tunnels unter der Mauer bis zur Aufhängung von schwebenden Kabeln oder dem Bau von ultraleichten Flugapparaten. Diese Versuche endeten auch mit der Erschie‎ßung von 128 Menschen, die sich die Freiheit gewünscht haben. Allerdings sei die Zahl der Opfer einigen Untersuchungen zufolge viel höher gewesen. 1989 hoben die Behörden in Ost-Berlin, vor dem Hintergrund der radikalen Umwälzungen in Osteuropa und des Machtverlustes der prosowjetischen Regierungen, nach wochenlangen Protestaktionen die Beschränkungen bei den Grenzübergangspunkten auf. Die Ostdeutschen gingen in gro‎ßen Zahlen nach West-Berlin, es wurden Stücke aus der Mauer gerissen. In den kommenden Wochen rissen die Behörden ab, was von dem Symbol der Trennung Europas übrig geblieben war.




    An den diesjährigen Feierlichkeiten in Berlin nahm auch der letzte sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow teil, einer der Urheber der Ereignisse vor 25 Jahren, an der Seite des ehemaligen polnischen Leiters der Gewerkschaft Solidarität“, Lech Walesa. Die Welt steht vor einem neuen Kalten Krieg und einige meinen, dieser hätte bereits begonnen“, warnte Gorbatschow mit Bezug auf die Lage in der Ukraine. Ihm ist zu verdanken, dass er der Wiedervereinigung Deutschlands zugestimmt hat. In den letzten Monaten wurde das Vertrauen gebrochen“, meinte er und betonte, dass es in Europa keine Sicherheit ohne die deutsch-russische Partnerschaft geben könne. In einem Interview mit dem Schweizer Rundfunk schätzte Gorbatschow, dass die Gefahr präsent sei“. Sie meinen, sie hätten den Kalten Krieg gewonnen“. Es gibt keinen Sieger, alle haben gewonnen, aber derzeit möchten sie einen neuen Rüstungswettlauf starten“, unterstreicht Gorbatschow. Sie“ — das hei‎ßt wer? Handelt es sich um die NATO-Staaten? Die Antwort des Ex-Sowjetführers: Die NATO ist ein Werkzeug, das benutzt wird.“ Seiner Meinung nach seien die blutigen Konflikte in Europa und im Nahen Osten, vor dem Hintergrund der Einstellung des Dialogs zwischen den Gro‎ßmächten, besorgniserregend.



    Die 25 Jahre, die seit dem Fall der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa vergangen sind, wurden auch in Bukarest von mehreren ehemaligen Staatschefs europäischer Länder, Anführer der Wenden von 1989 aber auch des darauffolgenden Übergangs zur Demokratie, analysiert. Diese kamen hier zu einer Tagung zu diesem Thema zusammen. Das dominierende Thema der politischen Agenda 2014, die Lage in der Ukraine, wurde auch diesmal angesprochen. Die Historikerin Zoe Petre, ehemalige Präsidentschaftsberaterin, dazu:



    Leider zwangen die letzten Monate in der Geschichte die ganze Welt dazu, ihre viel zu optimistischen Konzepte zu überarbeiten. Diese siedelten sich nach 1989 an und überlebten sogar der georgischen Krise 2008. Die Idee, dass Russland ein Land wie jedes andere sei, vielleicht ein bisschen autoritärer, erwies sich als illusorisch. Ich erinnere Sie daran, dass eine bedeutende Gruppe osteuropäischer Spitzenpolitiker sich seit dem Amtseintritt des amerikanischen Präsidenten Barack Obama an diesen gewandt hat, um den Neustart der Beziehungen zu Russland sehr vorsichtig zu bewerten. Leider hat man ihnen nicht wirklich zugehört. Nun hat es keinen Sinn mehr, wie die Engländer sagen, der verdorbenen Milch nachzutrauern. Das Problem ist, dass wir zurzeit Zeugen einer Aggression sind.“




    Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, warnte seinerseits anlässlich des 25. Jahrestages seit dem Fall der Berliner Mauer vor den Risiken der Entstehung einer neuen Grenze in Europa, als Folge der Geschehen in der Ukraine. Das sei unakzeptabel, so Schulz, denn dieser Konflikt könne nur mit politischen Mitteln gelöst werden. Ob es uns gefällt oder nicht, ist Russland eine Schlüsselmacht, ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Wir sind im Stande, uns für die Erhaltung der Bodenintegrität der Ukraine zu verpflichten. Wir müssen aber gleichzeitig alle Kommunikationswege zur Russland offen halten“, meint der Präsident des Europäischen Parlaments.

  • Hörerpostsendung 16.11.2014

    Hörerpostsendung 16.11.2014

    Post erhielten wir in dieser Woche von Martin von Gierke aus Deutschland. E-Mails gingen bis Freitagmittag von folgenden Hörern ein: Dieter Feltes, Volker Willschrey, Lutz Winkler, Anna Seiser, Klaus Nindel, Norbert Hansen, Andreas Pawelczyk und Fritz Andorf (alle aus Deutschland) sowie von Josef Robl (aus Österreich) und Antonio-Ángel Morilla (aus Spanien). Das Internetformular nutzte Wladimir Saworoschkin (ein Deutschlehrer aus Minsk, Wei‎ßrussland), der ausgezeichnete Empfangsbedingungen über die Kurzwelle in seiner Heimatstadt meldete und sie mit einer blanken Fünfer-Schiene in den SINPO-Werten quittierte.



    Vergangenen Sonntag hat man in Deutschland 25 Jahre seit dem Mauerfall begangen. Ein denkwürdiges Ereignis, das in nahezu allen deutschsprachigen Medien mit sehr interessanten Dokumentationen, Zeitzeugen-Interviews und multimedialen Artikeln begleitet wurde. Einen Lese- bzw. Hörtipp hätten wir in diesem Zusammenhang. Im Zeit-Magazin erschien am 7. November ein höchst interessanter Bericht über ein ungewöhnliches experimentelles Radioprogramm, das am 24. Oktober 1989 im Westberliner Privatsender Radio 100 gesendet wurde. Der junge Regisseur Uli M. Schueppel und sein Freund Johannes Beck wollten eigentlich nur experimentieren. Von zwei bis vier Uhr morgens sollten sie die Sendung moderieren. Und um 2:25 Uhr lie‎ßen Sie die Mauer fallen — zwei Wochen zu früh. Angelehnt war das Experiment an Orson Welles Krieg der Welten“. Welles hatte im Jahr 1938 den Roman über eine Invasion vom Mars so realistisch als Hörspiel vertont, dass bei der Polizei und im Sender Anfragen eingingen, ob wirklich Au‎ßerirdische in den USA gelandet seien. Schueppel und Beck wollten eine ähnlich originelle Falschmeldung in ihrer Sendung platzieren, zitiert Zeit-Magazin den heute 56-jährigen Regisseur. Erstaunlich dabei ist der Wortlaut der 16 Tage vor der tatsächlichen Maueröffnung gesendeten Ente:



    Berlin, 24. Oktober 1989. Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet wurde, hat die SED-Führung in einer geheimen Sitzung die völlige Öffnung der innerdeutschen Grenze in beide Richtungen beschlossen. Der Beschluss soll auf einer Pressekonferenz heute Mittag, 12 Uhr, verkündet werden und sofort wirksam sein.“




    Verblüffend ist dabei besonders der letzte Satz, der sich wie eine Prophezeiung der bald darauf kommenden Ereignisse liest bzw. anhört, als Günter Schabowski das sofortige Inkrafttreten der Reisefreiheit der DDR-Bürger ankündigte. Inzwischen sind wir alle schlauer und wissen, dass das Politbüro-Mitglied dabei eine Sperrfrist irrtümlich ignorierte und dass die sofortige Maueröffnung am 9.November 1989 damit wohl ein folgenreiches Versehen war.




    Um den Mauerfall und seine Folgen soll es auch in den nächsten Minuten gehen. Unserem treuen Hörerfreund Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus) brachten der Mauerfall und das Ende der DDR einen tiefen Einschnitt in sein damaliges Leben. Er erlebte die dramatischen Ereignisse des Novembers 1989 als Wehrpflichtiger in der Nationalen Volksarmee der DDR und zog nach der Wiedervereinigung mit der Familie nach Westdeutschland. Doch die Landschaften in der alten Heimat und die Kindheitserinnerungen bedeuten ihm immer noch viel. Hören Sie seine interessanten Zeilen:



    Der November ist dieses Mal ein besonderer Monat: 25 Jahre Mauerfall — da denke ich in diesen Tagen an die eigene Geschichte. Ich habe die Mauer als Wehrpflichtiger fallen sehen. Im Fernsehen. Ich wurde im Mai 1989 zur NVA eingezogen — nachdem meine Frau und ich ein Kind hatten. Da wurde keine Rücksicht genommen. Im Gegenteil: Familienväter sind vernünftiger bei der Armee. Nach der Grundausbildung im Nordwesten der DDR musste ich zu einem Flugzeughallenbau an die polnisch-deutsche Grenze. Dort ging es uns eigentlich ganz gut — und ich hörte am Abend des 9. November 1989, dass Menschen ausreisen duften. Am 10. November 1989 durften wir überraschenderweise die Kaserne verlassen. Ich erinnere mich noch: Die Dorfgaststätte war leer, wir waren die einzigen Gäste. Danach wurde das Leben in den Kasernen auch etwas lockerer — ich durfte aber erst zu Weihnachten im Jahr 1989 nach Hause — das war das 2. Mal seit Mai.



    Da ich keinen Personalausweis hatte (den musste man vor dem Wehrdienst abgeben), konnte ich nicht in den Westen fahren. Und: ich wollte meine Zeit nicht damit verbringen, auf der Autobahn in den Westen im Stau zu stehen. Da war mir meine Familie wichtiger. So bin ich wohl einer der wenigen DDR-Bürger, die keine 100 DM Begrü‎ßungsgeld bekommen haben. Unvorstellbar ist mir heute, dass damals die gesamte Kommunikation über Postbriefe abgewickelt wurde — Telefon gab es ja nicht. Ein Gutes hatte aber die Wende für mich: Mein Wehrdienst wurde von 18 auf 12 Monate verkürzt und im Mai 1990 sah die Welt, die ich im Mai 1989 verlassen hatte, ganz anders aus. Danach kamen eher unruhige Zeiten — der Arbeitsplatz wurde unsicher — alte Führungskader wurden Geschäftsführer und entdeckten die Vorzüge der Marktwirtschaft. Alles wurde anders: das Geld, die Versicherung, die Krankenkassen, die Rentenkassen. Viel Betrüger kamen, einiges Lehrgeld haben auch wir gezahlt.



    Ich wechselte dann im Dezember 1990 unter vielen Diskussionen mit der Familie in den Westen — und begann bei einem Tochterunternehmen von BMW. Meine Frau und meine Kinder folgen dann im März 1991 — und wir bauten uns in Bayern eine eigene Existenz auf. Ja — und seitdem sind wir weder in den alten Bundesländern noch in den neuen Bundesländern zu Hause. Hier werden wir immer noch mit Argwohn angeschaut — die Leute, die so komische Erfahrungen haben — und: die viele Dinge auch sehr kritisch sehen. Da kommt es schon mal zu verletzenden Bemerkungen zur Herkunft.



    Und wenn wir zu Besuch zu den Schwiegereltern in die neuen Bundesländer fahren: Dann sind wir immer noch die, die in der Heimat keine Zukunft gesehen haben. Und wenn ich ehrlich bin: Je älter ich werde, umso beliebter werden mir die Landschaften in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Viele Kindheitserinnerungen hängen an den Orten in diesen Ländern. Ich freue mich bei jedem Besuch in den Städten, Kultureinrichtungen und Dörfern in den neuen Bundesländern, welche Leistung in den letzten 25 Jahren dort erreicht wurde. Und ich wüsste wirklich nicht, was ich tun soll, wenn ich eine gleichwertige Arbeitsstelle in Leipzig oder Dresden bekommen würde: Würde ich schwach werden und wieder dorthin ziehen?



    Soweit meine Gedanken zu den deutsch-deutschen Ereignissen im Monat November — aus meiner persönlichen Sicht.“




    Lieber Herr Winkler, vielen Dank für diese äu‎ßerst interessanten Zeilen, mit denen Sie Ihre gemischten Gefühle 25 Jahre nach dem Mauerfall von 1989 beschreiben. Auch in Rumänien wurde der Wehrdienst gleich nach dem Umbruch von 18 Monaten auf 12 Monate reduziert und später ganz abgeschafft. Und die plötzlich eingetretene neue Weltordnung verunsicherte viele Menschen und lie‎ß nicht wenige zu Verlierern der eingeläuteten Transformation werden.




    Und nun zur angekündigten Überraschung aus unserem Audioarchiv. In einem unserer verstaubten Schränke fanden wir ein Tonband, das offensichtlich vom DDR-Rundfunk stammt. Wie es in unseren Besitz gelangte, ist nicht mehr nachvollziehbar. Vermutlich tauschten vor der Wende die Rundfunkanstalten der kommunistischen Länder hin und wieder Tonbänder untereinander aus — zu welchem Zweck auch immer. Am 16. Juli 1982 tagte der Friedensrat der DDR in Berlin unter den Stichworten Besorgt zu sein, ist nicht genug, gefordert ist die Friedenstat!“.






    Daraufhin berichtete der DDR-Rundfunk über die Tagung in einer knapp 15-minütigen Propaganda-Sendung, in der die westlichen Staaten — allen voran die USA — als Kriegstreiber angeprangert wurden. Zwar war die Sorge um die Zukunft unseres Planeten aufgrund der atomaren Rüstung damals in aller Welt real. Doch gerierten sich die Ostblockstaaten zu Propagandazwecken zugleich als Friedensstifter — und so manch Geschichtsvergessener aus Ost- und Westeuropa glaubt’s heute noch.

    Bild zum Vergrö‎ßern anklicken.


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    Sendung des DDR-Rundfunks von 1982 hören:





    Funkbriefkasten als Audiodatei hören:




  • Deutschland feierte 25 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer

    Deutschland feierte 25 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer

    Am 9. November 1989 konnten Tausende DDR-Deutsche ihre Freunde oder Verwanden, die auf der anderen Seite der Berliner Mauer lebten, umarmen, ohne dass die Grenzsoldaten des kommunistischen Regimes sie daran verhinderten. Errichtet ab dem 13. August 1961, galt die Berliner Mauer als Symbol des Kalten Krieges. Der 9. November 1989 sollte alles ändern. An jenem Tag öffnete die DDR-Führung die Grenzen. Kurz darauf wurde die Berliner Mauer komplett abgerissen — diese historische Geste wurde sofort zum Symbol für den Fall der kommunistischen Regimes in Osteuropa, einschlie‎ßlich in Rumänien.



    Am Sonntag, den 9. November 2014, 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, wurden bei den Feierlichkeiten in der deutschen Hauptstadt die politischen Persönlichkeiten geehrt, die dieses historische Ereignis ermöglicht haben. Dabei wurden der ehemalige sowjetische Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow und der frühere polnische Gewerkschaftsführer Lech Walesa mit stürmischem Beifall empfangen. Stehend feierten die Gäste insbesondere den 83-jährigen Gorbatschow, der als einer der Väter der deutschen Einheit gilt.



    Hauptpunkt der Feierlichkeiten war das Brandenburger Tor, ein Symbol der Wiedervereinigung Deutschlands, die 11 Monate nach dem Mauerfall verwirklicht wurde. Vor dem Brandenburger Tor hatte 1987 der US-Präsident Ronald Reagan seinen Aufruf an den damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, denselben Michail Gorbatschow, gerichtet: “Mr. Gorbatschow, open this gate. Mr. Gorbatschow, tear down this wall.” (“Öffnen Sie dieses Tor, rei‎ßen Sie diese Mauer nieder!”). Diese Worte machten den Anfang für den Fall des Eisernen Vorhangs, der die Welt in zwei entgegengestzte politische Systeme teilte. Der jetzige US-Präsident Barack Obama sagte in einer Mitteilung des Wei‎ßen Hauses, er habe die Bilder des Berliner Mauerfalls vor 25 Jahren noch gut in Erinnerung. “Wie viele Amerikaner werde ich die Szenen der Ostberliner, die mutig die Stra‎ßen einnehmen, an den Wächtern vorbeidrängen und die Mauer einrei‎ßen, die sie so lang von Familie, Freunden und der freien Welt trennte, nie vergessen. Ihr Triumph war eine Würdigung all derer, die über die Jahrzehnte ihr Leben bei dem Versuch verloren, in die Freiheit zu entkommen“, so Obama. Die Lektion des 9. November 1989 sei dennoch, dass “Mauern und unterdrückerische Regime für einige Zeit andauern mögen, am Ende aber nicht dem Wunsch nach Freiheit und Würde standhalten könnten, der in jedem menschlichen Herzen brennt” hie‎ß es in der Mitteilung des Wei‎ßen Hauses weiter.



    Es war ein Tag der Freude, aber auch ein Tag der Erinnerung an die Opfer. Das zentrale Gedenken zum 25. Jahrestag des Mauerfalls fand in der Berliner Mauer-Gedenkstätte statt. In der Gedenkstätte an der Bernauer Stra‎ße eröffnete die Bundeskanzlerin Angela Merkel eine neue Dauerausstellung zur Geschichte der Mauer, die mehr als 28 Jahre die Stadt Berlin teilte. Immer wieder sprach die Kanzlerin bei ihrem Rundgang mit Zeitzeugen. “Der Tag der Freiheit ist immer auch ein Tag des Gedenkens an die Opfer”, sagte Merkel. Dies schlie‎ße auch die Verfolgten der Staatssicherheit ein. Die DDR sei ein “Unrechtsstaat gewesen”, ein “ideologiebesessenes Regime”. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Weltgemeinschaft am 25. Jahrestag des Mauerfalls zur Lösung internationaler Konflikte und zur Achtung der Menschenrechte aufgerufen. “Wir können die Dinge zum Guten wenden – das ist die Botschaft des Mauerfalls”, sagte die Kanzlerin am Sonntag auf der zentralen Gedenkfeier zum Jubiläum der Maueröffnung in Berlin. “Sie richtet sich besonders an die Menschen in der Ukraine, in Syrien und im Irak und in vielen anderen Regionen unserer Welt, in denen Freiheits- und Menschenrechte bedroht oder gar mit Fü‎ßen getreten werden.”



    Die Kanzlerin forderte weitere Lehren aus der Vergangenheit. Weitere Mauern könnten eingerissen werden, sagte Merkel – “Mauern der Diktatur, der Gewalt, der Ideologien, der Feindschaften”. Die deutsche Erfahrung vor 25 Jahren habe gezeigt: “Träume können wahr werden. Nichts muss so bleiben wie es ist.” Ausdrücklich würdigte Merkel die demokratischen Bewegungen in den östlichen Nachbarländern und die Politik des damaligen sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow als Voraussetzung für den Mauerfall.



    Gorbatschow hatte aber zuvor schwere Vorwürfe gegen den Westen erhoben. “Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg. Manche sagen, er hat schon begonnen”, sagte er am Samstag bei einer Diskussionsveranstaltung mit Blick auf den Ukraine-Konflikt. Der Friedensnobelpreisträger warf dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben. Gorbatschow wird von Merkel im Kanzleramt empfangen. Der 83-Jährige hat bereits angekündigt, dass er bei der Kanzlerin als Fürsprecher von Kremlchef Wladimir Putin auftreten will.