Tag: Michail Gorbatschow

  • Ursachen und Hintergründe des Transnistrien-Kriegs (1990-1992)

    Ursachen und Hintergründe des Transnistrien-Kriegs (1990-1992)

    Die vom sowjetischen Anführer Michail Gorbatschow Mitte der 1980er Jahre eingeleiteten Reformen, die unter dem Namen Perestroika und Glasnost bekannt wurden, haben der Sowjetunion kaum geholfen. Die Sowjetunion löste sich 1991 auf und bestätigte den Bankrott des Systems, das 1917 von der bolschewistischen Revolution Lenins gegründet worden war.



    Das Ende des alten sowjetischen Regimes bedeutete auch ein Überdenken des Einflusses, den Russland als Hauptnachfolgestaat der Sowjetunion in den ex-sowjetischen Republiken behalten wollte. Eine Methode war die Förderung der abtrünnigen Bewegungen. Die ersten auf der Kreml-Liste waren Georgien und die Moldaurepublik. Die Ukraine galt noch als treu. Schon 1990 haben in Georgien die abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien ihre Unabhängigkeit erklärt. In der Moldaurepublik erschienen Transnistrien und Gagausien. Die Unabhängigkeit dieser Gebiete wurde von keinem anderen Staat anerkannt.



    Die Ausrufung der Moldawischen Transnistrischen Republik am 2. September 1990, nachdem die Moldaurepublik ihre Unabhängigkeit am 23. Juni 1990 erklärt hatte, eröffnete den Weg des Separatismus. Bei der Volkszählung von 1989 lebten in Transnistrien 39,9% rumänischstämmige Moldawier, 28,3% Ukrainer, 25,4% Russen und 1,9% Bulgaren. Nachdem die Moldaurepublik am 2. März 1992 UNO-Mitglied wurde, hat der moldauische Staatschef Mircea Snegur eine Militäraktion gegen die Rebellen-Kräfte angeordnet, die auf dem östlichen Ufer des Dnjestr (rum. Nistru, ukr. Dnister) und in Tiraspol der Regierung in Kischinew treue Polizeiwachen angegriffen hatten. Die Rebellen haben ihre Kontrolle mit Hilfe der dort stationierten 14. sowjetischen Armee konsolidiert. Die moldauische Armee konnte bis heute, trotz aller Schlichtungen, die Kontrolle über Transnistrien nicht zurückgewinnen.




    Mircea Druc war Ministerpräsident der Moldaurepublik vom 25. Mai 1990 bis zum 28. Mai 1991. Als der Konflikt ausbrach, war er einer der Spitzenpolitiker der Oppositionspartei Christlich-Demokratische Volksfront. Seiner Meinung nach hätte man den Krieg in Transnistrien nicht vermeiden können.



    Der Krieg von 1992 zwischen pro-russischen und pro-rumänischen Kräften am Dnjestr hätte man, meiner Meinung nach, nicht vermeiden können. Das Pech der Bessarabier und der Bürger auf dem linken Ufer des Dnjestr war, dass es auf der anderen Seite des Dnjestr Waffenlager gab. Es handelte sich um Waffen, die von der sowjetischen Armee aus den Staaten des ehemaligen sozialistischen Blocks evakuiert wurden. Dorthin wurden Waffen aus Polen, aus der Tschechoslowakei, aus Ungarn, aus Bulgarien gebracht. Nach einfachen Berechnungen gab es da Waffen in Wert von über 4 Milliarden Dollar. 1989 und 1990, während der Perestroika von Gorbatschow, kam es zum Konflikt in Tiraspol. Der Militär- und Industrie-Komplex in Tiraspol zusammen mit weiteren Kräften, die sich Gorbatschow und der Perestroika widersetzten, konnten es nicht hinnehmen, dass die Sowjetunion verschwinden wird. Sie lehnten eine einfache Wahrheit ab: dass alle Imperien früher oder später verschwinden. Bis August 1991 haben diese Kräfte geglaubt, dass sie die Sowjetunion retten werden. Der Zusammenbruch kam aber im August 1991. Völkerrechtlich hat die Sowjetunion am 5. Dezember 1991 aufgehört, zu existieren, nachdem die drei Präsidenten von Russland, Wei‎ßrussland und der Ukraine das Dokument der Auflösung der Sowjetunion unterzeichnet haben.“




    Mircea Druc glaubt, der Krieg hätte eine sehr starke wirtschaftliche Motivation gehabt, die genau so wichtig war wie die geostrategische:



    In Kischinew hatten ein paar Klane ein einziges Problem: wie sie das sowjetische Erbe, den landwirtschaftlichen und industriellen Komplex aufteilen sollen. Also den ganzen Reichtum, den man in 50 Jahren durch die Mühe des Volkes zwischen dem Dnjestr und dem Pruth angehäuft hatte. In Transnistrien hat man gesagt, man werde diese 4 Milliarden Dollar nicht den faschistischen Moldawiern oder Rumänen überlassen. Sie schimpften mit Jelzin und mit Moskau, weil diese gesagt haben, dass alles, was sich auf dem Territorium einer ehemaligen sowjetischen sozialistischen Republik befindet, dieser Republik gehört. Und sie haben sich gefragt, was zu machen sei. Wir werden es nicht zulassen, dass dieser Reichtum aufgeteilt wird, sagten sie. Und sie haben sich widersetzt. Hätte es diesen Reichtum nicht gegeben, hätten Kischinew und Tiraspol nicht mehr so heftig gegeneinander gekämpft, und eine dritte Kraft, deren Existenz ich persönlich damals gespürt habe, wäre nicht eingeschritten. Warum uns die sowjetischen Truppen uns bessarabische Rumänen nicht wie die Balten behandelt haben? Weil sie auch wussten, dass die bessarabischen Rumänen voreilig sind und das Blutvergie‎ßen unvermeidlich sein wird. Als dann aber die Möglichkeit erschien, dass [der erste moldauische Präsident] Snegur die 4 Milliarden Dollar übernimmt, haben sie nein gesagt. Sogar die Demokraten Jelzins in Moskau haben sich entschieden, einzuschreiten, auch mit der 14. Armee. Um dann zu erfahren, dass dieses ganze Arsenal verkauft wurde und dass das Geld an Ruzkoj und Tschernomyrdin ging. Nach 23 Jahren gibt es dort nichts mehr, was man aufteilen könnte.“




    Bei den Kämpfen sind damals etwa 600 Menschen ums Leben gekommen. 1992 wurde eine Vereinbarung zwischen der Moldaurepublik und Russland unterzeichnet, die faktisch zum Einfrieren des Konflikts zwischen Kischinew und Tiraspol führte.

  • 25 Jahre Mauerfall: Herrscht in Europa ein neuer Kalter Krieg?

    25 Jahre Mauerfall: Herrscht in Europa ein neuer Kalter Krieg?

    Auf den Akkorden von An die Freude“ wurden am 9. November tausende wei‎ße Luftballons über Berlin freigesetzt, um ein Vierteljahrhundert seit dem Fall der Mauer, seit der Wiedervereinigung Deutschlands und seit dem Ende des Kalten Krieges zu begehen. Einige hunderttausend Menschen versammelten sich vor dem Brandenburger Tor und nahmen an dem Ereignis teil, das wie eine Party im Freien im Zentrum der deutschen Hauptstadt veranstaltet wurde. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der DDR gelebt hat, sendete den Völkern, die weiterhin unterdrückt sind, eine Botschaft der Hoffnung:



    Der Jahrestag des Mauerfalls zeigt, dass sich der menschliche Drang nach Freiheit nicht auf Dauer unterdrücken lässt. Im Laufe des Schicksalsjahres 1989 überwanden immer mehr Ostdeutsche ihre Angst vor staatlicher Repression und Schikane.“




    Errichtet einem einzigen Tag, am 13. August 1961 von der Regierung der ehemaligen DDR, war die Berliner Mauer am Anfang nur ein Stacheldrahtzaun, der im Laufe der Jahre konsolidiert und ausgebaut wurde. 28 Jahre lang hat die Mauer die zwei Deutschlands getrennt. Deren Wiedervereinigung passierte erst am 3. Oktober 1990, 11 Monate nach dem Fall des Symbols der Trennung Europas unter dem Druck der Demonstranten. Drei Jahrzehnte lang waren die Ausbruchsversuche aus dem kommunistischen Lager von den einfallsreichsten Ideen geprägt, beginnend mit dem Graben eines Tunnels unter der Mauer bis zur Aufhängung von schwebenden Kabeln oder dem Bau von ultraleichten Flugapparaten. Diese Versuche endeten auch mit der Erschie‎ßung von 128 Menschen, die sich die Freiheit gewünscht haben. Allerdings sei die Zahl der Opfer einigen Untersuchungen zufolge viel höher gewesen. 1989 hoben die Behörden in Ost-Berlin, vor dem Hintergrund der radikalen Umwälzungen in Osteuropa und des Machtverlustes der prosowjetischen Regierungen, nach wochenlangen Protestaktionen die Beschränkungen bei den Grenzübergangspunkten auf. Die Ostdeutschen gingen in gro‎ßen Zahlen nach West-Berlin, es wurden Stücke aus der Mauer gerissen. In den kommenden Wochen rissen die Behörden ab, was von dem Symbol der Trennung Europas übrig geblieben war.




    An den diesjährigen Feierlichkeiten in Berlin nahm auch der letzte sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow teil, einer der Urheber der Ereignisse vor 25 Jahren, an der Seite des ehemaligen polnischen Leiters der Gewerkschaft Solidarität“, Lech Walesa. Die Welt steht vor einem neuen Kalten Krieg und einige meinen, dieser hätte bereits begonnen“, warnte Gorbatschow mit Bezug auf die Lage in der Ukraine. Ihm ist zu verdanken, dass er der Wiedervereinigung Deutschlands zugestimmt hat. In den letzten Monaten wurde das Vertrauen gebrochen“, meinte er und betonte, dass es in Europa keine Sicherheit ohne die deutsch-russische Partnerschaft geben könne. In einem Interview mit dem Schweizer Rundfunk schätzte Gorbatschow, dass die Gefahr präsent sei“. Sie meinen, sie hätten den Kalten Krieg gewonnen“. Es gibt keinen Sieger, alle haben gewonnen, aber derzeit möchten sie einen neuen Rüstungswettlauf starten“, unterstreicht Gorbatschow. Sie“ — das hei‎ßt wer? Handelt es sich um die NATO-Staaten? Die Antwort des Ex-Sowjetführers: Die NATO ist ein Werkzeug, das benutzt wird.“ Seiner Meinung nach seien die blutigen Konflikte in Europa und im Nahen Osten, vor dem Hintergrund der Einstellung des Dialogs zwischen den Gro‎ßmächten, besorgniserregend.



    Die 25 Jahre, die seit dem Fall der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa vergangen sind, wurden auch in Bukarest von mehreren ehemaligen Staatschefs europäischer Länder, Anführer der Wenden von 1989 aber auch des darauffolgenden Übergangs zur Demokratie, analysiert. Diese kamen hier zu einer Tagung zu diesem Thema zusammen. Das dominierende Thema der politischen Agenda 2014, die Lage in der Ukraine, wurde auch diesmal angesprochen. Die Historikerin Zoe Petre, ehemalige Präsidentschaftsberaterin, dazu:



    Leider zwangen die letzten Monate in der Geschichte die ganze Welt dazu, ihre viel zu optimistischen Konzepte zu überarbeiten. Diese siedelten sich nach 1989 an und überlebten sogar der georgischen Krise 2008. Die Idee, dass Russland ein Land wie jedes andere sei, vielleicht ein bisschen autoritärer, erwies sich als illusorisch. Ich erinnere Sie daran, dass eine bedeutende Gruppe osteuropäischer Spitzenpolitiker sich seit dem Amtseintritt des amerikanischen Präsidenten Barack Obama an diesen gewandt hat, um den Neustart der Beziehungen zu Russland sehr vorsichtig zu bewerten. Leider hat man ihnen nicht wirklich zugehört. Nun hat es keinen Sinn mehr, wie die Engländer sagen, der verdorbenen Milch nachzutrauern. Das Problem ist, dass wir zurzeit Zeugen einer Aggression sind.“




    Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, warnte seinerseits anlässlich des 25. Jahrestages seit dem Fall der Berliner Mauer vor den Risiken der Entstehung einer neuen Grenze in Europa, als Folge der Geschehen in der Ukraine. Das sei unakzeptabel, so Schulz, denn dieser Konflikt könne nur mit politischen Mitteln gelöst werden. Ob es uns gefällt oder nicht, ist Russland eine Schlüsselmacht, ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Wir sind im Stande, uns für die Erhaltung der Bodenintegrität der Ukraine zu verpflichten. Wir müssen aber gleichzeitig alle Kommunikationswege zur Russland offen halten“, meint der Präsident des Europäischen Parlaments.