Tag: Mugur Calinescu

  • Mugur Călinescu – Held im Kampf gegen den Kommunismus

    Mugur Călinescu – Held im Kampf gegen den Kommunismus

    Mugur Călinescu wurde am 28. Mai 1965 in Botoșani geboren. Im Jahr 1981, als er 16 Jahre alt war und die 11. Klasse des August-Treboniu-Laurian-Gymnasiums in seiner Heimatstadt besuchte, beschloss er, dass seine Existenz und die der Menschen in seinem Umfeld in einem Land, das von einem grausamen kommunistischen Regime regiert wurde, so nicht mehr weitergehen konnte. Und er beschloss zu protestieren. Călinescus bewegende Geschichte wurde Anfang der 1990er Jahre, in den ersten Jahren der im Dezember 1989 wiedererlangten Freiheit, von dem Journalisten, Schriftsteller und Historiker Constantin Iftime öffentlich erzählt. Dieser erzählte sie nun erneut:



    “Er war ein Kind im dritten Jahr des Gymnasiums, er war auf dem Laurian-Gymnasium, vorher war er auf dem Eminescu-Gymnasium. Er legte eine Prüfung in Mathematik und Physik ab, er war in einer guten Klasse. Seine Eltern lebten getrennt, sein Vater war wohlhabend, er arbeitete in einer Bekleidungsfabrik und war derjenige, der die Muster anfertigte. Er hatte Geld, er war ein guter Schneider. Er kaufte dem Jungen einen japanischen Kassettenrekorder, mit dem er “Radio Freies Europa” hörte, und seine Mutter wusste nichts davon. Er war ein offener Junge, hörte Musik, las Bücher, war neugierig”.



    In der Nacht vom 12. auf den 13. September 1981 verlässt Mugur das Haus und ist entschlossen, seinen Unmut zu äu‎ßern. Auf einer Metallplatte, die eine Baustelle abgrenzte, schrieb er einen Slogan, der die Menschen zum Widerstand gegen die immer härteren Lebensbedingungen aufrief. Heute scheint es unvorstellbar, dass das Schreiben von Worten an eine Wand als ein Akt gro‎ßen Mutes angesehen wird. Aber im Kommunismus war es so, als die meisten Menschen terrorisiert wurden und es vorzogen zu schweigen. Constantin Iftime dazu:



    “Woher kam die Idee? Von ihm. Er hatte eine Kreide, die sich nicht so leicht ausradieren lie‎ß, Försterkreide. Und er begann, Slogans zu schreiben, die ersten Slogans schrieb er auf Metallplatten für die Baustelle. Es waren Slogans, die sich auf die schlechten materiellen Bedingungen stützten. Seine Mutter war Verkäuferin im Hauptgeschäft und hatte ein geringes Einkommen. Offenbar wurde in der Familie viel über Geld gesprochen. Seine Mutter stand unter ständigem Druck, man kürzte ihr etwa 30 % des Gehalts, es war die Zeit, als man anfing, die Gehälter zu kürzen”.




    Es folgten weitere 31 Nächte, in denen Mugur Calinescu weiterhin seine Beschwerden an die Häuserwände der Stadt schrie. Eines der Gebäude war sogar die Bezirkszentrale der Kommunistischen Partei. Er schrieb an die Wände, auf Plakate, auf die Bordsteine. Die örtlichen Sicherheitskräfte wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. An anderen Orten in der Stadt, an denen Mitglieder des Repressionsapparats erwartet wurden, tauchten Slogans auf, die sofort gelöscht wurden. Wo sie nicht gelöscht werden konnten, wurde die Stelle übermalt. Alle Spitzelnester in den Fabriken der Stadt wurden mobilisiert. In dem verzweifelten Bemühen, diesen kühnen Mann zu fassen, überprüfte die Securitate die Immobilienbücher der Wohnblocks und verlangte alle Briefe, die die Leute an die Partei schickten. Siebenundvierzigtausend Handschriftproben wurden analysiert, wobei der beauftragte Handschriftexperte behauptete, der Verfasser sei ein Intellektueller oder ein Au‎ßenseiter. Es wurden Hundestreifen und Nachtpatrouillen in der Stadt organisiert. Und so war eine Streife nicht wenig überrascht, als sie in der Nacht des 18. Oktober 1981 einen jungen Mann mit einer Kreide in der Hand bemerkte, der etwas auf eine Wand schrieb. Constantin Iftime erinnerte sich an die folgenden Ereignisse. Track:



    “Er hat nicht reagiert. Er ist vergeben, er gibt alles von Anfang an zu. Seine Mutter wei‎ß nichts davon, gerät in Panik und ruft überall an. Erst am nächsten Tag wird sie benachrichtigt. In dieser Nacht wurde er verhört, er hat alles erzählt. Sie brachten ihn zur Securitate, die sich dafür interessierte, wer dahinter steckte. Sie haben ihn nicht verprügelt, das ist komisch, sein Vater hat ihn bedroht, die Securitate nicht. Leute, die wussten, was in der Umgebung der Studenten vor sich ging, ermittelten gegen ihn, sie wollten ihn ohne Gewalt überzeugen. Aber sie stellten ein helles Licht vor ihn, und der Sicherheitsbeamte stellte sich hinter das Licht. Das stundenlange Sitzen mit der Lampe in den Augen bedeutete, dass sie ihn aufgewärmt hatte, er hatte bereits Fieber, er hatte die Anfänge der Leukämie. Ich denke, er hatte eine Phase der Hormonstörung vor dem Hintergrund einer sehr hohen Belastung. Ich sage, er wurde von der Securitate getötet. Er war ein sensibler Mann, der sich in einem solchen Teufelskreis befand. Er war ein flei‎ßiger, stiller Junge, ein Teenager, der von allen wie ein Objekt behandelt wurde.”


    Seine Lehrer verurteilten ihn, sein Vater schikanierte ihn, weil er seine Karriere gefährdete, seine Mutter erlitt ein schweres Trauma. Von seiner Familie im Stich gelassen, von seinen Kollegen und Nachbarn isoliert, von seiner Mutter ausgegrenzt, starb Mugur Calinescu am 14. Februar 1985 im Alter von 19 Jahren an Leukämie. Die Nachwelt ehrt ihn, indem sie ihm den Titel eines Kämpfers gegen das totalitäre Regime verleiht. Ein Theaterstück und ein Film, beide mit dem Titel “Tipografic Majuscul”, sowie ein Roman haben es sich zur Aufgabe gemacht, an ihn zu erinnern.

  • Berlinale 2020: Rumänisches Kino zeigt erneut starke Präsenz

    Berlinale 2020: Rumänisches Kino zeigt erneut starke Präsenz

    Auf dem Programm der 70. Berlinale stehen drei neue Produktionen des rumänischen Filmemachers Radu Jude: Tipografic majuscul“ (Uppercase Print“ / Druckbuchstaben“) und Ieşirea trenurilor din gară“ (The Exit of the Trains“ / Die Ausfahrt der Züge aus dem Bahnhof“) feiern ihre Premiere in der Sektion Forum des Festivals, während der Spielfilm Somnambulii“ (Sleepwalkers“/Die Schlafwandler“) auf dem Koproduktionsmarkt der Berlinale zu sehen ist. Gro‎ßbuchstaben“ erzählt die wahre Geschichte des Teenagers Mugur Călinescu, der unter dem Ceauşescu-Regime mit Graffiti gegen das Regime protestierte und dafür von der Geheimpolizei verfolgt wurde. Der Regisseur sagt über seine Präsenz auf den internationalen Festspielen:



    »Druckbuchstaben« und »Die Ausfahrt der Züge aus dem Bahnhof« sind in die engere Auswahl der Sektion »Forum« gekommen. »Gro‎ßbuchstaben« ist eine freie Adaption eines Theaterstücks von Gianina Cărbunariu, ein Stück, das auf der Securitate-Akte des Teenagers Mugur Călinescu basiert. »Die Ausfahrt der Züge aus dem Bahnhof« wurde gemeinsam mit dem Historiker Adrian Cioflâncă gedreht. Die Idee verdanke ich der jahrzehntelangen Arbeit des Historikers, der die Archive durchsuchte, um Material über den Pogrom im ostrumänischen Iaşi im Jahr 1941 zu finden. Er schlug vor, dass wir beide den Film machen sollten, und ich sagte zu.“




    Die beiden Filme von Radu Jude, die in der Sektion Forum“ gezeigt werden, befassen sich mit heiklen Themen der modernen Geschichte Rumäniens aus einer frischen und originellen Perspektive. Radu Jude:



    Die Sektion »Forum« hat im Laufe der Jahre auch radikale, eher abseitige Produktionen in die engere Auswahl angenommen. Beide Filme unterscheiden sich von den üblichen, konventionellen narrativen Filmmustern. Nicht, dass wir mit diesem Muster ein Problem hätten. Meine Filme schlagen eine andere Art und Weise vor, die Realität mit Hilfe eines Films zu erforschen.“




    Obwohl der Filmemacher die Nominierungen und Auszeichnungen nicht als wesentlich für seine Karriere betrachtet, räumt er ihre Bedeutung ein. Radu Jude:



    Zum gesunden Filmemachen gehören mehrere Dinge, unter anderem die Präsenz auf Festivals. Natürlich werde ich manchmal gefragt, warum diese Filme überhaupt gemacht werden, wenn das Publikum dafür nicht zahlreich genug ist. Ich wei‎ß nicht, ob ich darauf eine klare Antwort habe, aber was ich wei‎ß, ist, dass der Intendant des New Yorker Filmfestivals, der auch an einer Filmschule in den USA lehrte, vor einigen Jahren einige Filme des gro‎ßen iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami für seine Studenten vorführen lie‎ß. Plötzlich, als damals Gerüchte über einen möglichen Krieg gegen den Iran aufkamen, fragte einer der Studenten, ob die Menschen in Kiarostamis Film das Risiko eingingen, erschossen zu werden. Sehen Sie, auch das Kino will den Gesellschaften ein gewisses Gesicht geben. Deshalb sind solche Filme wichtig! Und je besser sie die Realität erfassen und widerspiegeln können, desto grö‎ßer ist ihre Bedeutung. Auszeichnungen und Nominierungen spielen ihre Rolle in der Karriere eines Filmemachers, sie sind für mich aber nicht wesentlich.“




    Laut der Web-Plattform Cineuropa seien im Zeitraum 2007–2017 in den EU-Ländern mehr als 18.000 Filme produziert worden. Das rumänische Kino findet seinen Platz in dieser Rangliste, allerdings eher am Ende. Radu Jude erläutert:



    Im Vergleich zum Kino anderer Länder, wie Frankreich oder Polen, ist das rumänische Kino weniger entwickelt und dennoch fast ausverkauft. Man denke nur an die Filme, die in den Kinos der gro‎ßen Einkaufszentren gezeigt werden, die den Zuschauern anständige Bedingungen bieten. Aber das sind Orte, an denen kommerzielle Gründe an erster Stelle stehen, was ganz natürlich ist, und in diesem Fall erreichen bestimmte Ausdrucksformen ihr Publikum nicht mehr. Ein weiteres gro‎ßes Problem ist in diesem Sinne die Bildung. Ich spreche von der Bildung im weiteren Sinne, die immer noch unterfinanziert ist, aber ich denke auch an die Bildung im engeren Sinne, an die schulische Filmerziehung, die es in den rumänischen Schulen nicht gibt. Deshalb stehen wir am unteren Ende der Rangliste.“




    Druckbuchstaben“, eine Adaption des gleichnamigen Dokumentarstücks in der Regie von Gianina Cărbunariu, kommt am 21. Februar 2020 in die rumänischen Kinos. Die Besetzung des siebten Spielfilms von Radu Jude besteht aus den Schauspielern Şerban Lazarovici, Bogdan Zamfir, Ioana Iacob, Şerban Pavlu, Robert Arsenie, Bogdan Romedea, Alexandru Bîscoveanu und Alexandru Potocean. Die Premiere von Die Ausfahrt der Züge aus dem Bahnhof“ findet im Herbst 2020 statt. Produzenten sind Ada Solomon, Carla Fotea und Radu Jude, zusammen mit dem Historiker Adrian Cioflâncă. Die Dreharbeiten für Schlafwandler“, Radu Judes jüngstes Spielfilmprojekt, werden im Sommer 2020 beginnen. Die 70. Ausgabe der Berliner Filmfestspiele findet zwischen dem 20. Februar und dem 1. März statt.