Tag: Nationalversammlung

  • 1. Dezember 1918: Wie der Nationalrat die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien beschloss

    1. Dezember 1918: Wie der Nationalrat die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien beschloss

    Der Gro‎ße Rumänische Nationalrat, ein Vertretungsorgan mit Legislativbefugnissen, berief die Versammlung der 1228 Delegierten in der Stadt Alba Iulia (dt. Karlsburg oder Wei‎ßenburg) ein, die zu einem Symbol für die Ausarbeitung der Resolution zur Vereinigung mit dem Königreich Rumänien wurde. Im Gro‎ßen Nationalrat sa‎ßen 8 Bischöfe und 200 Mitglieder aus allen Gesellschaftsschichten. Zusammen mit dem Rumänischen Nationalrat, der eine exekutive Funktion übernahm und sich aus 6 Mitgliedern der Rumänischen Nationalpartei und 6 Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei zusammensetzte, beschloss der Gro‎ße Nationalrat, dass ein Neuanfang nur auf der Grundlage der allgemeinen Abstimmung erfolgen könne, für die sich die rumänischen Parteien und die nationalen Organisationen aus Siebenbürgen seit 1881 eingesetzt hatten.



    1907 hatten in Österreich-Ungarn die ersten allgemeinen Wahlen stattgefunden, allerdings nur im österreichischen Teil des Reiches. Ein Jahr zuvor, 1906, war in Österreich ein neues Wahlgesetz verabschiedet worden, laut dem alle Männer über 24 Jahre, unabhängig von Reichtum und sozialer Herkunft, wahlberechtigt waren. Da Siebenbürgen und Banat im ungarischen Teil des Reiches lagen, konnten die Rumänen von der Reform des allgemeinen Wahlrechts nicht profitieren. Lediglich die Rumänen in der Bukowina, die zu Österreich gehörte, hatten das Wahlrecht erhalten. 1907 und 1911 wurden jeweils fünf rumänische Abgeordnete aus der Bukowina ins Wiener Parlament entsandt. 1918, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, beschloss der Rumänische Nationalrat, dass die Zukunft der Rumänen aus Österreich-Ungarn mit dem Staat Rumänien zusammenhängen sollte. In Alba Iulia wurden 1228 Abgeordnete gewählt, und diese verabschiedeten eine Resolution über die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien. Die Schwierigkeiten, eine solche Wahl zu organisieren, waren überwältigend.



    Diesen Höhepunkt nationaler Begeisterung beschreibt der Historiker und Politikwissenschaftler Daniel Barbu wie folgt, er ist Professor an der Fakultät für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Bukarest:



    Was ist damals passiert? Es gab eine frontale und dramatische Kollision zwischen zwei Formen der Souveränität. Das frühe römische Recht hatte zwei Auffassungen, die nicht als widersprüchlich, sondern als komplementär empfunden wurden. Man sah das Ganze als ständige Auseinandersetzung mit Argumenten und Gegenargumenten. Und zwar die »maiestas« des Volkes, d.h. die Souveränität des Volkes und das »imperium«, d.h. die Souveränität der Beamten, des Staates, des Senats, der Konsuln, Zensoren und so weiter. Was geschah 1918 zu Beginn des Winters in Siebenbürgen, und ich stelle hiermit die Verbindung mit dieser römischen Terminologie her? Siebenbürgen war eine Provinz ohne Staat, die ungarische Krone löste sich gerade auf, sie befand sich in einer Art Schockstarre, konnte also nicht reagieren. Wenn ich »Krone« sage, beziehe ich mich auf ihre Magistraten, d.h. Präfekten, Gendarmerie-Kommandanten und alle, die die öffentliche Ordnung und Souveränität der gro‎ß-ungarischen Nation gewährleisteten, die unter der Form eines »Imperiums« vom Parlament, dem König und den Regierungsdelegierten in Regionen und Grafschaften ausgeübt wurden. Diese Autorität existierte nicht mehr.“




    Vor dem Hintergrund der entstandenen Verwirrung hätten die Rumänen auf das Ziel der Selbstbestimmung hingearbeitet. Professor Daniel Barbu:



    Und doch haben wir in diesem Zusammenhang einen Ausbruch, eine Explosion der Majestät, die Souveränität des Volkes. Vor allem die Volksgruppe der Rumänen, insbesondere diejenigen, die durch zwei relativ gleichrangige Parteien im Parlament in Budapest vertreten waren und etwa den gleichen Einfluss hatten: die Rumänische Nationalpartei einerseits und der rumänische Ableger der Sozialdemokratischen Partei Ungarns zum anderen organisierten einen Wahlprozess. Soweit ich wei‎ß, war dies der einzige Wahlprozess der Neuzeit, der nicht von einer Regierung oder einer öffentlichen Behörde, sondern, wie wir seit 40 Jahren sagen würden, der Zivilgesellschaft organisiert wurde. Ich meine damit allerdings nicht, dass es ein sehr demokratischer Prozess war. Die mikrogeschichtlichen Daten, die wir über die Wahl der Delegierten in jedem der Orte haben, zeigen, dass ein Verfahren aus der römischen Zeit zur Anwendung kam, nämlich die Akklamation. In der Regel waren es zwei, drei oder vier Persönlichkeiten aus dem jeweiligen Dorf, d.h. der Priester, der Grundbesitzer, falls er Rumäne war, der Notar, der Lehrer oder ein reicherer Bauer usw., die durch Beifall, durch einen Konsens also, die Autorität zur Vertretung der gesamten Gemeinschaft erhielten. Es war ein mühseliger Prozess, der fast einen Monat gedauert hat und der jene Besonderheit der Geschichte ausmacht, die die Gründung einer extrem starken politischen Bildsprache mit tiefgreifenden demokratischen Konnotationen hätte darstellen können. Wo sonst oder wann sonst hat sich eine relativ gro‎ße Gruppe von Menschen, ohne Präfekten, Gendarmen und Polizisten, ohne jegliche Unterstützung, Ermutigung oder Finanzierung durch eine Behörde in einem Wahlprozess organisiert, der zu einer verfassungsgebenden Versammlung führte, der von Alba Iulia?“




    Die Abstimmung, für die die 1228 Delegierten nach Alba Iulia entsandt wurden, um die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien zu beschlie‎ßen, wäre nach heutigem Stand ein weniger demokratisches Verfahren. Aber es waren trübe Zeiten, das Ende des Ersten Weltkrieges hatte die in den Jahren zuvor unterdrückten Erwartungen und Reaktionen hochgespült. Professor Daniel Barbu sagt, die Demokratie hätte auf neue Grundlagen gelegt werden können, aber es sollte nicht so kommen:



    Zweifelsohne hat die konstituierende Versammlung von Alba Iulia in ihrer, ebenfalls durch Zuruf, einstimmig angenommenen Resolution nicht die Abstimmungsmethode angewandt. Darin ging es um die Einheit und die bedingte Vereinigung mit dem Königreich Rumänien. Es ging auch um die Gründung eines rein demokratischen Regimes, das hei‎ßt eines authentischen Regimes. Hier stellt sich eine Frage: Waren die Teilnehmer der Versammlung von Alba Iulia, oder zumindest diejenigen, die die Resolution formuliert und sie für den Zuruf der Bevölkerung vorgelegt haben, selbst Demokraten? Es waren eindeutig rumänische Patrioten. Es waren Leute, die lange Zeit parlamentarische Erfahrungen gesammelt hatten, sie hatten das Wissen und die Praxis der Politik auf ihrer Seite. Ich vermute aber, dass sie keine Demokraten waren und das sollte sich in den Monaten darauf zeigen. Was passierte zum Beispiel am 6. Dezember? Am 6. Dezember besetzte die rumänische Armee Siebenbürgen. Das hat wesentlich dazu beigetragen, die Grenzen festzulegen und vor allem den Frieden im Land wiederherzustellen. Wir haben sehr deutliche Zeitzeugnisse. Ion Lapedatu spricht in seinen Memoiren, auf den Tagebuchseiten, die genau in jenen Tagen geschrieben wurden, davon, dass ‚die Dörfer sich bewegen‘. Wenn wir über die Räterepublik nach sowjetischem Vorbild sprechen, denken wir nur an Budapest und Ungarn jenseits der Thei‎ß, aber ganz Europa, einschlie‎ßlich England, war von einem revolutionären Schaudern erfasst. Städte wie Turin, München, Berlin wurden viele Monate unter der roten Flagge von Soldaten und Arbeiterverbänden geführt. Ähnliche Dinge hatten in Siebenbürgen begonnen. ‚Die Dörfer bewegen sich‘, klagte also Lapedatu. Was bedeutete dies? Die Bauern teilten das Land unter sich auf und nicht immer bedeutete das, dass der Gutsbesitzer ungarisch war, die Bauern gingen zum Notar und verbrannten die Archive, in denen ihre Schulden verbucht waren. Es gibt eine ganze ländliche Bewegung, die die Revolution nachahmt.“




    Die Abstimmung über die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien war ein mühsames Unternehmen, an dessen Ende der Wille der Rumänen zu einem Neuanfang deutlich wurde. Am 1. Dezember war Alba Iulia das Zentrum des Rumänentums in Siebenbürgen. Das Ende jenes Jahres war ein ruhmvolles Ende, und auch der Beginn einer neuen Ära, in der die Rumänen hofften, ihre Erwartungen zu erfüllen.

  • Alba Iulia vor 100 Jahren: Wie es zur Vereinigung kam

    Alba Iulia vor 100 Jahren: Wie es zur Vereinigung kam

    Im Rumänischen Nationalrat beschlossen die sechs Mitglieder der Rumänischen Nationalpartei und die sechs sozialistischen Mitglieder, dass die Zukunft der Rumänen aus Österreich-Ungarn mit dem Staat Rumänien zusammenhängen sollte. In Alba Iulia wurden 1228 Abgeordnete gewählt, die eine Resolution verabschiedeten, durch die Siebenbürgen sich mit dem Königreich Rumänien vereinigte.



    Diesen Höhepunkt nationaler Begeisterung vor 100 Jahren beschreibt der Historiker und Politikwissenschaftler Daniel Barbu wie folgt, er ist Professor an der Fakultät für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Bukarest:



    Was ist damals passiert? Es gab eine frontale und dramatische Kollision zwischen zwei Formen der Souveränität. Das frühe römische Recht hatte zwei Auffassungen, die nicht als widersprüchlich, sondern als komplementär empfunden wurden. Man sah das Ganze als ständige Auseinandersetzung mit Argumenten und Gegenargumenten. Und zwar, die »maiestas« des Volkes, d.h. die Souveränität des Volkes und das »imperium«, d.h. die Souveränität der Beamten, des Staates, des Senats, der Konsuln, Zensoren und so weiter. Was geschah 1918 zu Beginn des Winters in Siebenbürgen, und ich stelle hiermit die Verbindung mit dieser römischen Terminologie her? Siebenbürgen war eine Provinz ohne Staat, die ungarische Krone löste sich gerade auf, sie befand sich in einer Art Schockstarre, konnte also nicht reagieren. Wenn ich »Krone« sage, beziehe ich mich auf ihre Magistraten, d.h. Präfekten, Gendarmerie-Kommandanten und alle, die die öffentliche Ordnung und Souveränität der gro‎ß-ungarischen Nation gewährleisteten, die unter der Form eines »Imperiums« vom Parlament, dem König und den Regierungsdelegierten in Regionen und Grafschaften ausgeübt wurden. Diese Autorität existierte nicht mehr.“




    Vor dem Hintergrund der entstandenen Verwirrung hätten die Rumänen auf das Ziel der Selbstbestimmung hingearbeitet, sagt Daniel Barbu.



    Und doch haben wir in diesem Zusammenhang einen Ausbruch, eine Explosion der Majestät, die Souveränität des Volkes. Vor allem die Volksgruppe der Rumänen, insbesondere diejenigen, die durch zwei relativ gleichrangige Parteien im Parlament in Budapest vertreten waren und etwa den gleichen Einfluss hatten: die Rumänische Nationalpartei einerseits und der rumänische Ableger der Sozialdemokratischen Partei Ungarns zum anderen organisierten einen Wahlprozess. Soweit ich wei‎ß, war dies der einzige Wahlprozess der Neuzeit, der nicht von einer Regierung oder einer öffentlichen Behörde, sondern, wie wir seit 40 Jahren sagen würden, der Zivilgesellschaft organisiert wurde. Ich meine damit allerdings nicht, dass es ein sehr demokratischer Prozess war. Die mikrogeschichtlichen Daten, die wir über die Wahl der Delegierten in jedem der Orte haben, zeigen, dass ein Verfahren aus der römischen Zeit zur Anwendung kam, nämlich die Akklamation. In der Regel waren es zwei, drei oder vier Persönlichkeiten aus dem jeweiligen Dorf, d.h. der Priester, der Grundbesitzer, falls er Rumäne war, der Notar, der Lehrer oder ein reicherer Bauer usw., die durch Beifall, durch einen Konsens also, die Autorität zur Vertretung der gesamten Gemeinschaft erhielten. Es war ein mühseliger Prozess, der fast einen Monat gedauert hat und der jene Besonderheit der Geschichte ausmacht, die die Gründung einer extrem starken politischen Bildsprache mit tiefgreifenden demokratischen Konnotationen hätte darstellen können. Wo sonst oder wann sonst hat sich eine relativ gro‎ße Gruppe von Menschen, ohne Präfekten, Gendarmen und Polizisten, ohne jegliche Unterstützung, Ermutigung oder Finanzierung durch eine Behörde in einem Wahlprozess organisiert, der zu einer verfassungsgebenden Versammlung führte, der von Alba Iulia?“




    Aber es waren trübe Zeiten, das Ende des Ersten Weltkrieges hatte die in den Jahren zuvor unterdrückten Erwartungen und Reaktionen hochgespült. Professor Daniel Barbu sagt, die Demokratie hätte auf neue Grundlagen gelegt werden können, aber es sollte nicht so kommen.



    Zweifelsohne hat die konstituierende Versammlung von Alba Iulia in ihrer, ebenfalls durch Zuruf, einstimmig angenommenen Resolution nicht die Abstimmungsmethode angewandt. Darin ging es um die Einheit und die bedingte Vereinigung mit dem Königreich Rumänien. Es ging auch um die Gründung eines rein demokratischen Regimes, das hei‎ßt eines authentischen Regimes. Hier stellt sich eine Frage: Waren die Teilnehmer der Versammlung von Alba Iulia, oder zumindest diejenigen, die die Resolution formuliert und sie für den Zuruf der Bevölkerung vorgelegt haben, selbst Demokraten? Es waren eindeutig rumänische Patrioten. Es waren Leute, die lange Zeit parlamentarische Erfahrungen gesammelt hatten, sie hatten das Wissen und die Praxis der Politik auf ihrer Seite. Ich vermute aber, dass sie keine Demokraten waren und das sollte sich in den Monaten darauf zeigen. Was passierte zum Beispiel am 6. Dezember? Am 6. Dezember besetzt die rumänische Armee Siebenbürgen. Das hat wesentlich dazu beigetragen, die Grenzen festzulegen und vor allem den Frieden im Land wiederherzustellen. Wir haben sehr deutliche Zeitzeugnisse. Ion Lapedatu spricht in seinen Memoiren, auf den Tagebuchseiten, die genau in jenen Tagen geschrieben wurden, davon, dass ‚die Dörfer sich bewegen‘. Wenn wir über die Räterepublik nach sowjetischem Vorbild sprechen, denken wir nur an Budapest und Ungarn jenseits der Thei‎ß, aber ganz Europa, einschlie‎ßlich England, war von einem revolutionären Schaudern erfasst. Städte wie Turin, München, Berlin wurden viele Monate unter der roten Flagge von Soldaten und Arbeiterverbänden geführt. Ähnliche Dinge hatten in Siebenbürgen begonnen. ‚Die Dörfer bewegen sich‘, klagte also Lapedatu. Was bedeutete dies? Die Bauern teilten das Land unter sich auf und nicht immer bedeutete das, dass der Gutsbesitzer ungarisch war, die Bauern gingen zum Notar und verbrannten die Archive, in denen ihre Schulden verbucht waren. Es gibt eine ganze ländliche Bewegung, die die Revolution nachahmt.“




    Vor 100 Jahren war Alba Iulia also das Zentrum des Rumänentums in Siebenbürgen. Das Ende jenes Jahres war ein ruhmvolles Ende, aber die Historiker berichten, dass die Ereignisse von damals sich nicht ohne Windungen auf das klar erwartete Ende zubewegt hätten.

  • 1. Dezember 1918: politisches Gedankengut im rumänischen Raum der Epoche

    1. Dezember 1918: politisches Gedankengut im rumänischen Raum der Epoche

    Der 1. Weltkrieg, der von der Entente gewonnen wurde, führte zu einer tiefgreifenden Veränderung der geopolitischen Karte Europas. Neue Staaten entstanden auf den Trümmern ehemaliger Reiche, andere haben ihre Landesfläche vergrö‎ßert. Rumänien war auf der Gewinnerseite. Am 1. Dezember 1918 entstand durch die Vereinigung des bis dahin aus der Walachei und der Moldau bestehenden Königreichs Rumänien mit den Provinzen Bessarabien, Bukowina und Siebenbürgen der Staat Gro‎ßrumänien.



    Die wichtigsten Ideen, die zu dieser Vereinigung geführt haben, wurden von den Rumänen aus Österreich-Ungarn eingebracht, insbesondere in den ersten Kriegsjahren. Die Geschichtsschreibung nach 1918 brachte die Bedeutung des Ereignisses und das Opfer des rumänischen Volkes in den Vordergrund, mit dem Ziel, die Gründung eines Staates aller Rumänen rund um den Monarchen zu untermauern. Später hat das kommunistische Regime eine stark verzerrte Wahrnehmung des Ereignisses vom 1. Dezember 1918 propagiert — die Rede war dann vom jahrtausendealten Kampf des Volkes für die Realisierung des national-einheitlichen Nationalstaates“.



    Die Ideen, die den Kampf für die Rechte der Rumänen in Österreich-Ungarn begleitet haben, hatten in Wirklichkeit einen viel komplizierteren Weg, als es auf den ersten Blick erscheint, um an die Öffentlichkeit zu gelangen und Einstimmigkeit zu erzielen. Die Rumänen hatten unterschiedliche Meinungen über die Politik und die Rechte der Rumänen in Österreich-Ungarn, es herrschte keine Einigkeit. Ein solches Beispiel ist die Polemik zwischen der Zeitung Tribuna“ und der National-Rumänischen Partei betreffend die Wahltaktik der Rumänen in Ungarn, eine Polemik, die als regelrechter Bruderkrieg wahrgenommen wurde. Der Tribuna-Fall ist ma‎ßgeblich für das soziale und politische Klima der 1890er Jahre, als sich der Radikalismus der neuen Generation von jungen Intellektuellen unter der Leitung von Octavian Goga und Octavian Tăslăuanu entwickelte. Es war die Periode, in der Idee entstand, dass die Parteien ein Volk spalten, während die Kultur ein Volk vereint.



    Eine intensiv diskutierte Idee war der Föderalismus. Dieser entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde von den Intellektuellen gefördert, die sich die Modernisierung auf die Fahnen geschrieben hatten. In Österreich-Ungarn hatte die Idee noch mehr Erfolg, weil die dualistische Struktur des Staates eine Reform in diesem Sinne ermöglichte. Der Historiker Răzvan Pârâianu von der Universität Petru Maior in Târgu Mureş erläutert, dass der rumänische Föderalist Aurel C. Popovici einer der wichtigsten rumänischen Nationalisten der Epoche war.



    Aurel C. Popovici war einer der wichtigsten Nationalisten am Ende des 19. Jahrhunderts und hatte eine Theorie betreffend die Föderalisierung Österreichs-Ungarns entwickelt. Es handelte sich dabei um eine nationale Föderalisierung. Seine Theorie besagte, dass all diese Völker in Mittel -und Osteuropa alleine nicht überleben könnten. Früher oder später würden sie im Zusammenprall zwischen dem deutschen und dem slawischen Raum aufgerieben werden, meinte Popovici. Als Beispiel nannte er die Rumänen und die Ungarn, die in diesem Spannungsfeld, leben würden. Popovici starb im Exil im Jahr 1917, noch vor dem Ende des 1. Weltkriegs. Kurz vor seinem Tode hatte er allerdings eingesehen, dass seine Idee von den Vereinigten Staaten Gro‎ßösterreichs keine Lösung für die Rumänen darstellte, dass die Doppelmonarchie eine verlorene Causa war, insbesondere aufgrund der völlig uninspirierten Politik der ungarischen Regierung unter István Tisza.“




    Das nahende Kriegsende brachte radikale Lösungen mit sich, die von vielen Bürgern befürwortet wurden. Historiker Răzvan Pârâianu dazu:



    Man muss sagen, dass am Anfang des Krieges die Tisza-Regierung in Ungarn eine relativ positive Einstellung gegenüber den Rumänen hatte. Diese hatten ihn durch ihren Enthusiasmus, sich für den Krieg zu mobilisieren, überrascht. Er neigte dazu, sogar manche nationale Forderungen in Betracht zu ziehen. Die Lage änderte sich dramatisch, als Rumänien gegen Österreich-Ungarn in den Krieg eintrat. In dem Moment haben viele rumänische Persönlichkeiten in der Gegend um Braşov die rumänische Armee mit offenen Armen empfangen. Nachdem die rumänische Armee gezwungen wurde, sich zurückzuziehen, traf die ungarische Regierung Vergeltungsma‎ßnahmen nicht nur gegen jene Menschen, die ihren Enthusiasmus gezeigt hatten, sondern gegen alle Rumänen im Allgemeinen. Die Autonomie der Konfessionsschulen wurde zum Beispiel suspendiert und diese wurden in staatliche Schulen umgewandelt. Die Madjarisierungspolitik wurde verstärkt. Viele rumänische Priester und Lehrer wurden in Lagern eingesperrt. Gegen Ende des Krieges war die Unzufriedenheit gro‎ß. Nicht nur die rumänische Bevölkerung war unzufrieden, sondern es herrschte eine allgemeine Unzufriedenheit. In Budapest, Wien und in Deutschland brachen bolschewistische Revolutionen aus. Vor diesem Hintergrund kamen die Rumänen aus Siebenbürgen zur Schlussfolgerung, dass das Altreich Rumänien die Lösung für dieses Chaos darstellte, denn eine ganze Gesellschaft und der österreichisch-ungarische Staat brachen zusammen.“




    Gro‎ßrumänien entstand am 1. Dezember 1918 durch den Willen und die Abstimmung der Nationalversammlung in Alba Iulia. An dieser nahmen rumänische Persönlichkeiten aus Siebenbürgen wie Iuliu Maniu, Alexandru Vaida-Voevod, Vasile Goldiş wie auch hochrangige Vertreter der orthodoxen und griechisch-katholischen Kirche teil. Alle diese Staatsmänner sahen in der politischen Konstruktion des neuen rumänischen Staates ein Ende der Ungewissheit und die Hoffnung auf eine neue Gesellschaft.