Tag: Nazi-Deutschland

  • Rumänien und Polen zwischen den beiden Weltkriegen: gemeinsames Vorgehen gegen Revisionismus

    Rumänien und Polen zwischen den beiden Weltkriegen: gemeinsames Vorgehen gegen Revisionismus




    Nach Ende des Ersten Weltkriegs änderte sich die Landkarte Europas radikal: Weltreiche wie Österreich-Ungarn, das zaristische Russland und das Osmanische Reich erlebten ihren Untergang, und an ihrer Stelle entstanden Nationalstaaten. Zehn Millionen Menschen hatten ihr Leben im Ersten Weltkrieg verloren, doch trotz der Sehnsucht nach Frieden und Völkerverständigung herrschte auch nach dem verhassten Krieg keine Eintracht zwischen den ehemaligen Kriegsparteien. Die Verlierer suchten mit allen Mitteln nach einer Möglichkeit, die Gebietsverluste — wenn nötig auch mit Waffengewalt — wieder rückgängig zu machen, was schlechthin als Revisionismus bezeichnet wurde. Die Siegermächte und vor allem ihre Verbündeten versuchten ihrerseits, eine neue Politik der Allianzen zu schmieden, um den Revanchismus zu konterkarieren und einen neuen Krieg zu verhindern. Wie die späteren Entwicklungen zeigten, konnte der Zweite Weltkrieg nicht abgewendet werden — mit wenigen Ausnahmen standen sich dieselben verfeindeten Parteien gegenüber und die kriegerischen Auseinandersetzungen hatten noch schrecklichere Folgen.



    Rumänien und Polen hatten gemeinsame Interessen nach 1918, und so kam es zu einer verstärkten Annäherung zwischen den beiden Staaten, zumal es schon im Mittelalter gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen rumänischen und polnischen Staatsgebilden gegeben hatte und es nach dem Ersten Weltkrieg sogar erneut zur Existenz einer kleinen gemeinsamen Staatsgrenze gekommen war. Der Historiker Ioan Scurtu erläutert, wie es zum Brückenschlag zwischen Rumänien und Polen beginnend mit 1921 kam.



    Mit dem Abkommen vom März 1921, das auch eine militärische Komponente hatte, vereinbarte man gegenseitige Hilfe im Fall eines Angriffs Sowjetrusslands an der Ostgrenze. Polen hatte bereits im Ersten Weltkrieg russische und ukrainische Truppen bekämpft und brauchte diese Unterstützung. Und beide Länder wollten einen befreundeten Staat in ihrer Nachbarschaft — Polen zählte also auf ein freundlich gesinntes Rumänien an seiner Südgrenze, ebenso wie Rumänien ein befreundetes Land im Norden brauchte. Das war schon im Mittelalter so gewesen, als das Fürstentum Moldau und das damalige Polen Nachbarstaaten waren.“




    Rumänien und Polen wollten darüber hinaus auch internationale Anerkennung erlangen, und dafür war eine Politik der regionalen Kooperation besonders förderlich. Die zweite Säule der Absicherung der neuen Grenzen und ihrer Anerkennung war die Berufung auf die Prinzipien der Vereinten Nationen, mit denen Europa ein neuer Krieg erspart werden sollte. Doch die Logik des Kriegs war nicht aus der Welt geräumt worden, und so folgte man eher dem Prinzip, dass Frieden nur durch neue Kriegsvorbereitungen gesichert werden könne. Daher erneuerten Rumänien und Polen das militärische Kooperationsabkommen im Jahr 1926. Der Historiker Ioan Scurtu kennt die Details dieses Dokuments:



    Das Dokument sah die Ausarbeitung eines detaillierten Plans zur militärischen Kooperation zwischen den beiden Staaten vor. Und so trafen sich Vertreter der Generalstäbe mehrfach und vereinbarten die konkreten Kooperationsbedingungen. Neu war im Vergleich zum vorangegangenen Abkommen von 1921, dass es keinen ausdrücklichen Bezug auf die Ostgrenze, also jener zur Sowjetunion mehr gab. Im Abkommen von 1926 stand, dass die beiden Staaten sich zu Hilfe eilen würden, wenn ein Drittstaat einen grundlosen Angriff auf einen der beiden Vertragspartner — egal aus welcher Richtung — starten würde. Es ging also um die Kooperation der rumänischen und polnischen Streitkräfte an allen Grenzen.“




    Die verhei‎ßungsvolle militärische Kooperation zwischen Rumänien und Polen sollte jedoch bald vor neue Herausforderungen gestellt werden. Der Historiker Ioan Scurtu erneut mit Einzelheiten:



    Polen hatte einen Gebietsstreit mit der Tschechoslowakei, und die Tschechoslowakei war ebenfalls ein Bündnispartner Rumäniens im Rahmen der sogenannte Kleinen Entente. Aus diesem Grund konnten die rumänisch-polnischen Militärpläne, die u.a. gemeinsame Truppenübungen vorsahen, nicht mehr umgesetzt werden, denn Rumänien wollte sich mit keinem der beiden verbündeten Staaten einen Streit einhandeln. Darüber hinaus gab es zwischen Polen und der Tschechoslowakei auch einen ehrgeizigen Disput, wer als der wichtigste Verbündete Rumäniens zu gelten hat. Als der rumänische Ministerpräsident Take Ionescu Polen und der Tschechoslowakei bereits 1919 vorgeschlagen hatte, eine Allianz vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer zu schmieden, haben beide Staaten diesen Vorschlag abgelehnt. Die Region um Těšín/Cieszyn, über deren Zugehörigkeit sich Polen und die Tschechoslowakei stritten, war besonders reich an Kohle — und Kohleförderung spielte damals noch eine äu‎ßerst wichtige Rolle. Au‎ßerdem hatte die Tschechoslowakei Grenzstreitigkeiten auch mit Ungarn, während Polen keine hatte und befürchtete, dass eine zu enge Kooperation mit der Tschechoslowakei Ungarn feindselig stimmen würde.“




    Mitte der 1930er Jahre wurde die Lage auf dem Kontinent noch dramatischer. Frankreich und Gro‎ßbritannien, die Garanten der Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg, versuchten, das immer aggressiver werdende Nazi-Deutschland durch eine Beschwichtigungspolitik zu bändigen. Doch für Polen war das ein schwacher Trost — das Land war zwischen Deutschland und der Sowjetunion, dem Nachfolgestaat des zaristischen Russland, eingepfercht, und die Gro‎ßmächte hatten sich Polen mehrmals in der Geschichte untereinander aufgeteilt. Von 1795 bis Ende des Ersten Weltkriegs war der souveräne polnische Staat sogar von der Landkarte Europas verschwunden. Daher war Polen in erster Linie darum bemüht, Ruhe an seinen Grenzen zu haben. Dazu gehörte eine Au‎ßenpolitik, die auf Taktieren setzte, wei‎ß der Historiker Ioan Scurtu:



    Die polnische Diplomatie lavierte ziemlich geschickt durch diese Konstellation und sie schaffte es zeitweilig sogar, eine gewisse Nähe zur Sowjetunion zu etablieren und eine Art Nichtangriffspakt zu vereinbaren. Auch mit Deutschland gelang den Polen 1934 ein ähnliches Kunststück: Polen und Deutschland verpflichteten sich, das Pariser Abkommen von 1928 umzusetzen, in dem vorgesehen war, dass Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte zwischen europäischen Staaten ausschlie‎ßlich mit nicht kriegerischen Mitteln beigelegt werden sollen. Vor diesem diesem Hintergrund entfaltete Oberst Józef Beck, der damalige Au‎ßenminister Polens, eine regelrechte Kampagne gegen den rumänischen Diplomaten Nicolae Titulescu, der Präsident der Generalversammlung des Völkerbundes war und eine andere Vision hatte: Ihm schwebte vor, ein staatenübergreifendes Sicherheitssystem zu etablieren, mit dem man Nazi-Deutschland hätte in seine Schranken weisen können. Schlie‎ßlich hat sich diese Taktik Polens als trügerisch erwiesen: Am 1. September 1939 wurde Polen von Nazi-Deutschland angegriffen, und am 17. September marschierten auch sowjetische Truppen in Ostpolen ein.“




    Polen und Rumänien wurden schlie‎ßlich beide Opfer des Hitler-Stalin-Paktes — zunächst Polen im Herbst 1939, danach Rumänien im Sommer 1940. Doch trotz der zeitweiligen Verstimmungen zwischen Józef Beck und Nicolae Titulescu lie‎ß Rumänien die alte Freundschaft auch weiterhin währen: Polen wurde erlaubt, seine politische Führung, Teile der Streitkräfte und seinen Staatsschatz durch rumänisches Staatsterritorium ins sichere Exil zu bringen.

  • Zweiter Weltkrieg: Erdölfelder im Prahova-Tal unter Bombenangriffen der Alliierten

    Zweiter Weltkrieg: Erdölfelder im Prahova-Tal unter Bombenangriffen der Alliierten

    Die 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bukarest gelegene Stadt Ploieşti, Hauptstadt des Kreises Prahova und der gleichnamigen Ölregion, einer Region, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Glück und Wohlstand der Stadt sorgte, befand sich während des Zweiten Weltkriegs inmitten von Turbulenzen. In der Tat war die Ausbeutung des schwarzen Goldes der Hauptvorteil, den Rumänien auf den Tisch gelegt hatte, als es im Juni 1941 den Bündnisvertrag mit Nazi-Deutschland unterzeichnete. Es war das rumänische Erdöl, das die deutsche Kriegsmaschinerie am meisten brauchte. Nachdem Rumänien ein Verbündeter Deutschlands geworden war, befand es sich bald im Krieg mit den ehemals verbündeten Mächten, wie Gro‎ßbritannien und den Vereinigten Staaten.



    Die ölreiche Prahova-Region zog jedoch nicht nur die Begehrlichkeiten des deutschen Verbündeten auf sich, sondern auch den Zorn und die Bomben der feindlichen Flugzeuge. Die ersten Versuche, das Prahova-Ölgebiet und die Stadt Ploieşti zu bombardieren, wurden im Sommer 1941, gleich nachdem Rumänien in den Krieg gegen die UdSSR eingetreten war, von der sowjetischen Luftwaffe unternommen. Der Historiker Lucian Vasile, Autor einer Monographie über die Stadt Ploieşti, analysiert die Auswirkungen der Angriffe, die von den Flugzeugen der feindlichen Mächte zwischen den Jahren 1941 und 1944 gegen die Stadt verübt wurden:



    Es gibt keinen möglichen Vergleich zwischen der Gewalt der sowjetischen Angriffe im Jahr 1941 und der der amerikanischen Luftwaffe, drei Jahre später. Die Auswirkungen der sowjetischen Angriffe waren gering. Die sowjetischen Bombenangriffe, die mit ein paar Dutzend eher groben Flugzeugen durchgeführt wurden, kratzten kaum an der Stadt Ploieşti. Sie hatten es nur geschafft, ein paar Dutzend Bomben innerhalb der Stadt abzuwerfen. Es hatte einige Opfer in der Zivilbevölkerung gegeben, und einige der Raffinerien hatten kleinere Schäden erlitten. Und diese Razzien dauerten nicht länger als ein paar Wochen. Als sich die Front entfernte, war die Stadt Ploieşti bald au‎ßerhalb der Reichweite der sowjetischen Bomber.“




    Doch im Dezember 1941, nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, musste Rumänien angesichts des Bündnisspiels den Amerikanern den Krieg erklären. Und von diesem Moment an ändern sich die Daten des Problems völlig, denn die Vereinigten Staaten wollen um jeden Preis die Versorgungskapazitäten Deutschlands und seiner Verbündeten in Sachen Treibstoff vernichten. So fand der erste amerikanische Angriff auf die Stadt Ploieşti im Juni 1942 statt, durchgeführt von Staffeln, die in Nordafrika, in Benghazi, Libyen, stationiert waren. Lucian Vasile kennt diese erste Konfrontation zwischen den amerikanischen Piloten und den Verteidigern der Stadt Ploieşti:



    Der erste amerikanische Überfall, der 1942 stattfand, hatte sich als ein tagsüber durchgeführter Angriff materialisiert. Die Amerikaner hatten diese Lösung vor allem gewählt, um die Chancen zu erhöhen, ihre Ziele zu treffen. Natürlich riskierten sie, ihre Piloten zu enttarnen, und es war wahrscheinlicher, dass sie von der Flugabwehr der Stadt abgeschossen werden. Die Briten hingegen entschieden sich für einen Angriff bei Nacht. Das war zwar weniger zielsicher, doch sicherer für ihre Piloten, die unversehrt wieder zurückfliegen konnten.“




    Die unter deutschem Kommando organisierte Flugabwehr umfasste mehrere hundert Flugabwehrgeschütze und Dutzende von Kampfflugzeugen. Die im August 1943 durchgeführte Operation Tidal Wave“, an der 170 amerikanische schwere Bomber vom Typ B-24 Liberator teilnahmen, scheiterte am erbitterten Widerstand der gemeinsamen rumänisch-deutschen Verteidigung, der es gelang, 53 Flugzeuge abzuschie‎ßen, 440 amerikanische Soldaten zu töten und 220 Gefangene zu machen. Die Operation Tidal Wave“ galt später als einer der bittersten Misserfolge der amerikanischen Luftwaffe während des Zweiten Weltkriegs. Aber es sollte nicht lange so bleiben. Im Frühjahr 1944 konnte sich die amerikanische Luftwaffe tatsächlich rächen. Lucian Vasile, Monograph der Stadt Ploieşti, mit Einzelheiten:



    Die Bombenangriffe von 1944 haben die Stadt in Stücke gerissen. Die Industrie wurde hart getroffen, und auch die Wohngebiete. Ein Achtel der Gebäude wurde in Schutt und Asche gelegt, ein Drittel der Stadt wurde getroffen. Der Angriff im Mai 1944 zielte auf das Zentrum der Stadt. Der Feind wollte Schrecken verbreiten, die Moral der Einwohner brechen, ihre Rebellion provozieren, damit sie Sabotageakte produzieren, um so die Reaktionsfähigkeit der Stadtverteidigung zu verringern.“




    Aber der Krieg ist die Quelle aller Schrecken und Fehler. Eines der letzteren: die versehentliche Bombardierung und Zerstörung des Armenviertels der Stadt, des Mimiu-Viertels, das hauptsächlich von Roma-Bevölkerung bewohnt war. Lucian Vasile:



    Mimiu war ein Randbezirk, der an die Stadt angrenzte. Es wurde nicht per se angegriffen, sondern befand sich vielmehr in der Position eines Kollateralopfers, eines Opfers ihrer Armut. Wissen Sie, von Beginn des Krieges an gab es eine nächtliche Ausgangssperre, aber auch Tarnungen, weil wir Angst vor nächtlichen Angriffen hatten. So wurde alles in Dunkelheit getaucht, auch die Fabriken, die Raffinerien, mit einer Ausnahme: der Bezirk Mimiu. In der Tat zeigte die Analyse der Situation, die im Winter 41/42 durchgeführt worden war, dass nur der Bezirk Mimiu vom Himmel aus sichtbar war. Das lag daran, dass die Bewohner aufgrund ihrer Armut einen neuen Brennstoff zum Heizen verwendeten, nämlich mit Erdölprodukten getränkte Erde. Sie hatten kein Holz zum Heizen. Und so wurde in der Nacht die ganze Stadt in Dunkelheit getaucht, während der Stadtteil Mimiu mit tausend Lichtern erstrahlte. Dies war fatal für die Einwohner.“




    Am 23. August 1944 brach Rumänien sein Bündnis mit Nazi-Deutschland. Danach hörten die Bombenangriffe, die die Stadt Ploieşti in Trauer stürzten, endgültig auf. Auch die Ölindustrie kehrte zu einem Anschein von Normalität zurück, während die Menschen noch auf das Ende des Unglücks hofften, das der Zweite Weltkrieg für alle Zeitgenossen war.

  • 80 Jahre seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch

    80 Jahre seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch

    Auf Druck Nazi-Deutschlands und des faschistischen Italiens musste Rumänien Nordsiebenbürgen an Ungarn abtreten. Das dritte Schicksalsschlag folgte im September 1940, als die Süddobrudscha an Bulgarien abgetreten wurde. Professor Marius Turda lehrt Geschichte der Eugenik, des Rassismus und der Biopolitik an der Oxford Brookes University. Wir fragten ihn, ob der Verlust Nordsiebenbürgens Ende der 1930er Jahre vorhersehbar war:



    Es war einigerma‎ßen vorhersehbar, wenn wir an die Propaganda denken, die das Nazi-Regime seit den 1930er Jahren verbreitet hat. Sie basierte ganz klar auf der Revision der Pariser Friedensverträge, die nach dem Ersten Weltkrieg unterzeichnet wurden. Wenn wir uns die Schriften der Nazi-Ideologen ansehen, insbesondere die Schriften Adolf Hitlers, wird es klar, er sagte in seinem Buch »Mein Kampf« sehr deutlich, dass eines der Hauptziele der neuen Nazi-Revolution die Rückkehr Deutschlands zur internationalen Lage vor 1914 sein würde. Jeder, der die politischen Entwicklungen und ideologischen Debatten in Deutschland in den 1930er Jahren aufmerksam verfolgte, wusste, dass Hitler irgendwann auf eine Lösung der Probleme im mitteleuropäischen Raum nach seiner Vorstellung drängen würde.“




    Rumänien unterzeichnete am 30. August 1940 den sogenannten Zweiten Wiener Schiedsspruch (in der rumänischen Geschichtsschreibung als Wiener Diktat bezeichnet), mit dem Nordsiebenbürgen widerstandslos abgetreten wurde, und viele Historiker fragen sich, ob das Land etwas anderes hätte tun können, als die Gebietsabtretung hinzunehmen. Der Historiker Marius Turda zu dieser Frage:



    Rumänien hätte Widerstand leisten können, es war ja ein unabhängiger und souveräner Staat und hatte die Macht, zu entscheiden. Welche Folgen ein bewaffneter Widerstand gehabt hätte, ist eine andere Debatte. Aber unter dem Gesichtspunkt der nationalen Würde hätte sich Rumänien mit Waffen gegen die 1940 in Wien getroffene Entscheidung wehren und verteidigen können. Wir müssen auch über die Auswirkungen auf die Bevölkerung nachdenken. Es ist sehr wichtig zu sagen, dass zum Beispiel die historische Provinz Marmarosch (Maramureş) nach sieben Jahrhunderten Geschichte im Jahr 1945 verschwand. Sie wurde 1940 in Ungarn eingegliedert, und 1945, als sie wieder Rumänien zugesprochen wurde, war es nur noch die Hälfte der historischen Provinz. [Der nördliche Teil der historischen Marmarosch wurde der Karpatenukraine angeschlossen — Anm. d. Red.] Es war eine direkte Folge davon, dass Rumänien 1940 nicht eingriff, um für Nordsiebenbürgen zu kämpfen. Ganz zu schweigen von den Folgen für die jüdische Bevölkerung der Marmarosch, der Region Gro‎ßrumäniens mit der höchsten Anzahl von Juden, etwa 30% der Bevölkerung der Region.“




    Vor dem 30. August 1940 versuchte Rumänien, Ungarn Alternativen vorzuschlagen, aber Ungarn akzeptierte sie nicht. Marius Turda:



    Es muss gesagt werden, dass die Regierungen in Bukarest und Budapest in gewisser Weise versucht haben, eine biopolitische Lösung für Nordsiebenbürgen durch einen Bevölkerungsaustausch zu finden. In Bukarest war [der Statistiker, Demograph und Arzt] Sabin Manuilă an diesem Programm zur Lösung des so genannten Problems der ethnischen Enklaven im Westen Rumäniens sehr stark beteiligt. Die Regierung in Bukarest wusste jedoch, dass Ungarn niemals seine Gebietsansprüche aufgeben würde, und so bestand die einzige Möglichkeit darin, die in Nordsiebenbürgen lebenden Rumänen nach Rumänien zu transferieren und damit Nordsiebenbürgen ethnisch homogener zu machen. Das Problem war aber die Marmarosch, wo es eine rumänische Bevölkerung gab, die als emblematisch für das Rumänentum galt, und eine jüdische Bevölkerung. Aber die Marmarosch wäre somit geopfert worden. Der rumänische Historiker Nicolae Iorga sagte in den 1930er Jahren, dass die Marmarosch in wenigen Jahrzehnten jüdisch werden würde.“




    Nachdem Ungarn das Gebiet in Besitz genommen hatte, wechselte es zu einer Politik der ethnischen Uniformität. Marius Turda berichtet weiter:



    Darauf folgte 1940 die Einführung von Rassengesetzen in Nordsiebenbürgen durch das Budapester Regime, das dritte antisemitische Gesetz, ein Gesetz, das Ehen zwischen Juden und Ungarn verbot. Seit Ende der 1930er Jahre gab es in Ungarn ein gro‎ßes Programm zur Förderung ungarischer Familien, um den Ungarn zu helfen, zahlreicher zu werden. Es gab ein Programm, in dessen Rahmen ihnen Landstücke zum Bau von Häusern zur Verfügung gestellt wurden. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden Szekler und Ungarn aus der Bukowina nach Ungarn umgesiedelt. Die ungarische Regierung unternahm viel, um die Gebiete wieder zu besiedeln, die als ethnisch gefährlich galten, weil die Ungarn nicht in der Mehrheit waren. Auch in Transsylvanien wurden wirtschaftliche und soziale Programme eingeführt. Ebenfalls in Siebenbürgen wurde 1940 im ungarisch besetzten Cluj (Klausenburg) das erste Institut für Rassenhygiene gegründet. Es wurde eine Abteilung für Anthropologie und eine weitere für Humangenetik geschaffen. Die Idee war, zu sehen, welche Auswirkungen die sogenannte 20-jährige rumänische Besetzung Nordsiebenbürgens auf die ungarische Bevölkerung gehabt habe. Es wurden Untersuchungen der Rassenstruktur, der Sitten und der ungarischen Sprache durchgeführt, um festzustellen, ob die ungarische Nation aus ethnischer Sicht in irgendeiner Weise durch die Zeit, in der sie sich in Gro‎ßrumänien befand, beeinträchtigt worden war.“




    Die ungarische Besetzung Nordsiebenbürgens dauerte bis März 1945, als die kommunistische Regierung das Amt übernahm und die Sowjetunion die rumänische Verwaltung wieder in die lokalen Institutionen einziehen lie‎ß. Die viereinhalb Jahre der ungarischen Regierung bedeuteten eine humanitäre Tragödie: 1000 Rumänen wurden getötet, zehntausende weitere gefoltert, verhaftet und in Konzentrationslager eingesperrt. Etwa 500.000 flüchteten nach Rumänien. Im Norden Siebenbürgens wurde auch eine der schrecklichsten Seiten der menschlichen Tragödie geschrieben: der Holocaust. Aus dem besetzten Nordsiebenbürgen und der Marmarosch schickten die ungarischen Behörden etwa 166.000 Juden in Nazi-Lager, von denen 130.000 dort ums Leben kamen.

  • Hörerpostsendung 23.8.2015

    Hörerpostsendung 23.8.2015

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI. Die hei‎ßen Tage mit Temperaturen um die 36 Grad Celsius und mancherorts sogar mehr sind vorerst vorbei. Seit vergangenen Montag hat es deutlich abgekühlt, am vergangenen Donnerstag fiel die Temperatur in Bukarest bei prasselndem Regen sogar auf 16 Grad. Und mit dem heutigen 23. August sind ja auch die Hundstage vorbei, von denen unser Hörerfreund Paul Gager aus Österreich noch Anfang des Monats berichtete. Nun, ich hoffe, dass bis Anfang September die Sonne wieder jahreszeitgemä‎ß scheint, denn dann hei‎ßt es ab in den Urlaub und ich möchte mindestens 10 Tage davon am Schwarzen Meer verbringen. Bis dahin bin ich aber nach wie vor für Sie da und damit geht es gleich zu den Hörerzuschriften.



    Ralf Urbanczyk (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt) gefiel unlängst eine Kultursendung von uns, in welcher der von der Renaissance inspirierte Architektur- und Kulturstil der Walachei im späten 17. und anfänglichen 18. Jh. vorgestellt wurde. Der Stil wurde nach dem damals herrschenden Fürsten benannt, der ein ausgesprochener Kulturförderer war. Herr Urbanczyk schrieb uns:



    Die Vorstellung des Brâncoveanu-Architekturstils in der Kulturchronik fand ich ganz spannend. Das ist ja in etwa das, was ich bisher immer als eine typische historische Architektur Rumäniens betrachtete und die sich in vielen Ansichten historischer Gebäude im Süden Rumäniens widerspiegelt. Jetzt habe ich endlich auch den richtigen wissenschaftlich korrekten Begriff dazu. Überhaupt hat die rumänische Architektur über die Jahrhunderte immer ihre typischen Elemente, die sie so sehr wiedererkennbar macht. Selbst der Stil der sozialistischen Zeit, wie er zum Beispiel am riesigen Parlamentsgebäude und einigen Wohnblocks an zentralen Stellen gezeigt wird, finde ich im Gegensatz zu vielen Kritikern gar nicht so schlecht. Er hat irgendwie etwas Eigenes an sich. Wenn da nicht der bittere Beigeschmack der dafür abgerissenen historischen Architektur und der sich schnell ins Monotone wandelnde Stil an weiter abseits gelegenen Stellen wäre.




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Urbanczyk. Ich finde Wohnblocks und Plattenbauten auch nicht per se schlecht, zumal sie vielen Menschen Wohnraum bieten. Wenn die Bausubstanz und die Infrastruktur ordentlich sind, ist im Prinzip nichts einzuwenden. Andererseits stimmt es, dass in Bukarest beginnend mit den 1980er Jahren viel abgerissen wurde; nicht allein historisch wertvolle Architektur, sondern auch Teile von alten Stadtvierteln, die den Reiz der einst ruhigen Stadt Bukarest ausmachten: Ganze Stra‎ßenzüge von eher bescheidenen Häusern mit Weinlaube und Garten wurden einfach plattgemacht. Nur selten findet man heute noch solche Gegenden in Bukarest — das Flair des alten Bukarests ist einem fragwürdigen Fortschritt geopfert worden. Auch nach der Wende wurden viele Bauten dem Verfall preisgegeben oder von Grundstück-Haien gezielt zerstört. Was den grö‎ßenwahnsinnigen Bauplänen der kommunistischen Machthaber entging, wurde vom Turbo-Kapitalismus nach der Wende erledigt.




    Dieter Feltes (aus Pyrbaum, Bayern) schrieb uns zur Griechenland-Krise:



    Nachdem ich in den Medien vom Chaos in Griechenland erfahren habe, bin ich der Meinung, dass Rumänien bei seiner Landeswährung bleiben sollte. Eine Umstellung würde für die rumänische Bevölkerung nur eine Verteuerung des gesamten Lebensstandards hervorrufen. Seit Einführung des Euro bei uns hat sich alles im Preis verdoppelt und die Gehälter und Renten um die Hälfte gekürzt. Ich glaube, dass dies die Bevölkerung nicht verkraften würde.




    Vielen Dank für Ihre Meinung, lieber Herr Feltes. Ich glaube, niemand in Rumänien denkt daran, den Euro überstürzt einzuführen. Auch wenn die gemeinsame europäische Währung noch nicht als offizielles Zahlungsmittel verwendet wird, gehört der Euro bereits zum Alltag der Rumänen. 70% der Darlehen und Kredite werden von den rumänischen Banken in Euro berechnet. Ebenfalls in Euro berechnet man auch die meisten Preise, von Telefonrechnungen bis zu Autos oder Wohnungen, so dass die Transaktionen über Kraftfahrzeuge, Grundstücke oder Eigentumswohnungen immer mit Bezug auf den Gegenwert in Euro betätigt werden. Und oft kann man in solchen Fällen auch in Euro bezahlen, natürlich nicht in der Kneipe oder beim Gemüsehändler, sondern eben bei grö‎ßeren Summen. Meine Zahnärztin berechnet die Kosten für bestimmte Zahnersatz-Erzeugnisse wie z.B. Zahnbrücken oder Implantate ebenfalls in Euro und bei ihr kann man in Euro oder in der Landeswährung bezahlen. Der Euro ist also in gewisser Weise schon da, für die tatsächliche Einführung in allen Bereichen muss Rumänien allerdings noch die sogenannten Konvergenzkriterien erfüllen, nämlich Preisstabilität, einen staatlichen Schuldenstand und ein Haushaltsdefizit unter bestimmten Parametern, Wechselkursstabilität und langfristige Zinssätze (der Zinssatz langfristiger Staatsanleihen darf nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten liegen). Derzeit erfüllt Rumänien nur die ersten beiden Kriterien, also die Preisstabilität und einen Schuldenstand unter 60% des Bruttoinlandsprodukts sowie ein Haushaltsdefizit unter 3% des Bruttoinlandsprodukts. Und nach den bitteren Erfahrungen mit Griechenland und anderen Ländern wird die EU wohl viel vorsichtiger sein, wenn es um die Erweiterung der Euro-Zone geht.




    Volker Willschrey (der in Dillingen an der Saar zuhause ist) meldete sich per E-Mail u.a. mit einem Reisebericht:



    Hallo, liebe Freunde von Radio Rumänien International,



    nachdem wir wieder seit über einem Monat zurück von unserer Reise auf die Seychellen zur Mutter meiner Frau zurück sind, habe ich wieder einige Empfangsberichte für Radio Rumänien International. Auch dieses Mal haben Sie mir wieder sehr vielfältige und interessante Programme geboten, so zum Beispiel berichteten Sie über die rumänische Schwarzmeerküste, Mamaia und das Donaudelta. Meine allererste Flugreise in meinem Leben war nach Mamaia und so kamen natürlich viele Erinnerungen an diese Zeit…







    Auch heute habe ich wieder einen Reisebericht, dieses Mal über unsere Reise auf die Seychellen im Juni 2015. Es war bereits unsere 15. gemeinsame Reise ins Heimatland meiner Frau. Ich hoffe, der Bericht ist interessant für Sie, zumindest enthält er viele Fotos von uns und auch den Schönheiten der Hauptinsel Mahé. src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Foto: Volker Willschrey (zum Vergrö‎ßern anklicken)




    Allen Mitarbeitern der deutschen Redaktion die besten Grü‎ße (auch von meiner Familie) und bis zum nächsten Mal!




    Vielen Dank für Ihre Zeilen und für den interessanten Reisebericht, lieber Herr Willschrey. Ich selbst war noch nie au‎ßerhalb Europas auf Reisen, daher war Ihr bebilderter Bericht für mich auf jeden Fall lesenswert. Einen weiteren Reisebericht von unserem Hörerfreund Michael Lindner hebe ich mir für nächsten Sonntag auf.




    Jörg-Clemens Hoffmann (aus Alsbach-Hähnlein, Hessen) meldete sich per E-Mail, als es auch in Deutschland noch brühend hei‎ß war:



    Liebe deutsche Redaktion von Radio Rumänien International!



    Aus dem hochsommerlich-hei‎ßen Alsbach sende ich Ihnen herzliche Grü‎ße sowie meine aktuellen Empfangsberichte zu. Gleichzeitig danke ich Ihnen für die schönen Höhlen-QSL-Karten, die mich in den letzten Wochen erreicht haben. Diese beeindruckenden, unterirdischen Kathedralen wären jetzt ein angenehm temperierter Ort, um sich etwas von der Hitze zu erholen.



    Es freut mich wieder, Ihnen mitzuteilen, dass ich Ihre Kurzwellen-Sendungen weiterhin in ausgezeichneter Qualität empfangen kann. So macht es mir jedes Mal gro‎ße Freude, Radio Rumänien International einzuschalten und Wissenswertes aus Ihrem Land zu erfahren.



    Mit besonderem Interesse habe das Interview mit der Quizgewinnerin Beate Hansen gehört. Alleine die Tatsache, dass sie mit dem Fahrrad nach Rumänien gekommen ist, rechtfertigt den Hauptgewinn bei dem Hörerwettbewerb “Bad Govora”. Diese Leistung verdient gro‎ßen Respekt! Die 600 km, die ich gemeinsam mit meiner Partnerin in diesem Sommer geradelt bin, fallen dagegen etwas geringer aus. Dennoch haben wir 14 wunderschöne Tage auf dem Weg von Lüneburg über die mecklenburgische Seenplatte nach Berlin erlebt. Diese Tour ist wirklich zu empfehlen, da sie landschaftlich sehr reizvoll, abwechslungsreich und angenehm zu fahren ist.



    Soweit mein heutiges Schreiben.



    Ich grü‎ße Sie alle ganz herzlich und freue mich auf ein interessantes Wiederhören auf den Wellen von RRI.




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Hoffmann. Ich bin kein besonders sportlicher Mensch, daher habe ich die Leistung von Frau Hansen ebenfalls bewundert.



    Zum Schluss habe ich wieder etwas aus unserem Audioarchiv vorbereitet. Zuvor jedoch die Postliste. Postbriefe erhielten wir von Michael Willruth, Erhard Lauber, Thomas Marschner, Stefan Druschke, Andreas Schäfer, Thomas Jeske (alle aus Deutschland) sowie von Kurt Rüegg (aus der Schweiz). E-Mails erhielten wir bis Freitagabend von Bernd und Willi Seiser, Erik Öffinger, Hansjörg Biener, Heinrich Eusterbrock, Fritz Andorf, Klaus Nindel, Dieter Feltes, Werner Hoffmann (alle aus Deutschland) sowie von Josef Robl (aus Österreich). Das Internetformular nutzte Frank Haberkamp (Deutschland).



    Wir schreiben heute den 23. August. Vor der Wende war es der Nationalfeiertag in der Sozialistischen Republik Rumänien. Am 23. August 1944 wurde in Rumänien Marschall Ion Antonescu, ein Verbündeter Nazi-Deutschlands, entmachtet, und das Land wechselte die Fronten. Die in ihrer Bedeutung umstrittenen Ereignisse wurden in der kommunistischen Deutung als bewaffneter antifaschistischer und antiimperialistischer nationaler Aufstand“ oder Befreiung vom faschistischen Joch“ bezeichnet. In der Ceauşescu-Diktatur wurde die Rolle der kommunistischen Partei während der Ereignisse von 1944 ma‎ßlos übertrieben, die Kommunisten wurden zu Helden hochstilisiert.



    Am Nationalfeiertag wurde in den staatlichen Medien Propaganda in diesem Sinne gesendet. Unser Sender, der sich damals Radio Bukarest nannte, machte keine Ausnahme — auf einem Tonband von 1975 wurden Gedichte von rumänischen Dichtern in deutscher Übersetzung oder von rumäniendeutschen Lyrikern vorgetragen — allesamt dem Nationalfeiertag oder der kommunistischen Partei gewidmet und mit pompöser Musik untermalt.








    Dem Tonband-Aufkleber zufolge wurde die Sendung am 23. August 1975 ausgestrahlt, also vor genau 40 Jahren. Für die mä‎ßige Audioqualität mögen Sie Verständnis haben — das Tonband war sehr verstaubt, der Ton blieb auch nach der Bearbeitung mit verschiedenen digitalen Filtern etwas dumpf. src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Gebauter Beitrag von 1975 in voller Länge:




    An dieser Stelle verabschiedet sich Sorin Georgescu von Ihnen und nun hören Sie ein paar Minuten aus der Propaganda-Sendung von 1975.





    Audiodatei hören:




  • Nach dem Kriegsende: Hinrichtung der Antonescu-Gruppe (1946)

    Nach dem Kriegsende: Hinrichtung der Antonescu-Gruppe (1946)

    Bis zum 23. August 1944 kämpfte Rumänien im Zweiten Weltkrieg an der Seite Nazi-Deutschlands. An diesem Tag wurde Marschall Ion Antonescu verhaftet und Rumänien wechselte die Front. Nach dem Krieg wurden Antonescu und drei weitere Anführer zum Tode verurteilt und hingerichtet.



    Die Antonescu-Gruppe ist der Name unter welchem die Anführer Rumäniens zwischen 1940 und 1944 vor Gericht gebracht wurden und wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurden. Der Gruppe gehörten Marschall Ion Antonescu — der Staatschef –, der Jura-Professor und Vize-Ministerpräsident Mihai Antonescu, Gheorghe Alexianu, Gouverneur Transnistriens, und der General Constantin Vasiliu, Chef der Gendarmerie. Nachdem die Mitglieder der Antonescu-Gruppe am 23. August 1944 gestürzt und verhaftet worden waren, wurden diese am 17. Mai 1946 zum Tode verurteilt. Am 1. Juni 1946 wurde die Strafe vollstreckt, sie wurden erschossen.



    Der Brigade-General Mircea Herescu war Zeuge bei der Hinrichtung der Antonescu-Gruppe. 1995 wurde er vom Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks interviewt. In der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni bewachte die Kompanie von Mircea Herescu die Strafvollzugsanstalt Jilava. Sein Kommandant rief ihn an und sagte ihm, er müsse an einem wichtigen Ereignis teilnehmen, ohne ihm mehr Details zu geben. Mircea Herescu berichtet:



    Am zweiten Tag, morgens, als ich aufwachte, ging ich in den Hof, wo sich Marschall Antonescu und die anderen aufhielten. Ich habe sie begrü‎ßt und sie haben höflich geantwortet. Als ich vorbeiging, sah ich den Professor Mihai Antonescu mit einigen Papieren. Ich habe ihn gefragt: »Herr Professor, was arbeiten Sie?« Er sagte mir, er würde an einer Bildungsreform arbeiten. General Piki Vasiliu kannte mich auch, er grü‎ßte auch höflich, ich stellte mich dann Marschall Antonescu vor. Nachher ging ich mit Leutnant Petrescu weg und ging zum Anstaltsleiter, Oberst Pristavu. Er sagte mir, dass am Nachmittag desselben Tages, also am 1. Juni, die Erschie‎ßung der zum Tode Verurteilten stattfinden wird. In der Zwischenzeit, gegen 10 Uhr morgens, kam Avram Bunaciu, Generalsekretär im Innenministerium, zusammen mit einem Inspektor namens Gavrilovici. Sie diskutierten mit dem Anstaltsleiter und entschieden, dass die vier Verurteilten um 10 Uhr ein letztes Mal telefonieren durften.“




    Mircea Herescu erinnerte sich, wie die letzten Stunden der Verurteilten abliefen:



    Die Ehefrau des Marschalls kam, sie war in schwarz angezogen und diskutierte mit dem Marschall in einer Kabine. Auf dem Weg von seiner Zelle zu dieser Kabine traf der Marschall einen Gendarmen, der ihm einen Rosenstrau‎ß gab. Diesen gab er dann seiner Frau. Auch andere Personen kamen: die Ehefrau des Professors Alexianu mit den zwei Kindern, der Bruder von Mihai Antonescu, der Marine-Offizier war, die Ehefrau und der Sohn des Generals Vasiliu. Der Marschall und seine Frau sprachen Französisch. Auch der Polizei-Inspektor Gavrilovici war anwesend. Nach etwa einer Stunde gingen die Familienangehörige weg und die Verurteilten wurden zurück in ihre Zellen gebracht.“




    Die Vorbereitung der Hinrichtung und die Erschie‎ßung selbst konnte Mircea Herescu nicht vergessen. Mircea Herescu dazu:



    Die Verurteilten wurden zu den vier Pfeilern gebracht — in der folgenden Reihenfolge: Marschall Antonescu, Mihai Antonescu, Alexianu und Piki Vasiliu. Sie wurden gefragt, ob sie an den Pfeilern gefesselt werden möchten. Der Marschall, Mihai Antonescu und Alexianu lehnten es ab, Piki Vasiliu wollte es. Der Staatsanwalt las das Urteil vor und erklärte, infolge der Entscheidung der Richter des Volksgerichts würde man sie hinrichten. Er fragte, ob man ihnen die Augen verbinden solle. Der Marschall, Mihai Antonescu und Alexianu wollten auch das nicht, General Vasiliu hat ja gesagt. Seine Augen wurden dann mit einem grauen Schal verbunden. Der Staatsanwalt ordnete nachher die Vollstreckung der Strafe an. Der Chef des Hinrichtungskommandos sagte dann » Feuer!«. Bei der ersten Salve fiel der Marschall auf seine Knie, Professor Antonescu und Alexianu auf den Rücken. General Vasiliu wurde von einer Kugel getroffen, starb aber nicht gleich und sagte »Ich bin noch nicht tot!«. Der Kommando-Chef kam näher und schoss dem Marschall Antonescu und dem General Vasiliu in den Kopf. Der Arzt erklärte sie für tot.“




    Die Hinrichtung der Antonescu-Gruppe war eine Episode in der stürmischen Geschichte Rumäniens Mitte des 20. Jahrhunderts. Das 20. Jahrhundert war überhaupt das gewaltsamste in der Geschichte der Menschheit.

  • Mihail Moruzov – der Geheimdienstler, der überall mitmischte

    Mihail Moruzov – der Geheimdienstler, der überall mitmischte

    Die Boulevardpresse könnte über das Leben von Mihail Moruzov, dem Leiter des Nachrichtendienstes Rumäniens in der Zwischenkriegszeit, schreiben, es sei wie ein Roman. Die Realität ist aber viel interessanter als die Fiktion und das Leben von Mihail Moruzov erweist sich als zu komplex für einen Roman. Mihail Moruzov war ein Mensch von au‎ßerordentlicher Intelligenz, der eine der stärksten Staatsstrukturen führte und dabei einige der wichtigsten Entscheidungen der rumänischen Regierung beeinflusste.



    Geboren wurde Moruzov am 8. November 1887 in einer gro‎ßen Familie mit sieben Kindern, im ostrumänischen Zebil, Landkreis Tulcea, der als Tor zum Donaudelta gilt. Sein Vater, Nicolae Moruzov, war Priester, seine Mutter stammte aus einer ukrainischen Kosakenfamilie, die sich in Rumänien niederlie‎ß. Horia Sima, der Leiter der faschistischen Eisernen Garde, beschrieb Moruzov als einen Mann mit breitem, fast flachgedrücktem slawisch-mongolischem Gesicht“. Sein Nachfolger an der Leitung des Nachrichtendienstes, Eugen Cristescu, zeichnete seinerseits ein realitätsnahes Porträt von Moruzov: Er konnte Russisch und Bulgarisch, Sprachen, die er in seiner Familie gelernt hatte, aber keine westeuropäische Sprache, deswegen stie‎ß er auf gro‎ße Schwierigkeiten in seinen beruflichen und sozialen Beziehungen. Er hatte drei Gymnasialjahre abgeschlossen, dennoch las er kein Buch, sondern nur Zeitungen, die er allerdings sehr oberflächlich las.“



    Mihail Moruzov liebte sein Land und wollte ein treuer Bürger sein. So kann man auch seine erste Mission im Auftrag des rumänischen Nachrichtendienstes rechtfertigen, woran er sich als Volontär beteiligte. Der Historiker Cristian Troncotă beschrieb die Mission wie folgt: 1909 entdeckte und anschlie‎ßend machte er den rumänischen Behörden einen Plan der Bulgaren aus der Dobrudscha bekannt, die einen Aufstand gegen den rumänischen Staat entfachen wollten. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete er für die rumänische Gegenspionage in der Dobrudscha und im Donaudelta und trug somit erheblich zur Abwehr verhängnisvoller Aktionen rumänischer Deseurteure russischer Nationalität, der bulgarischen und deutschen Propaganda innerhalb der russischen Armee und der Aktionen der russischen Diplomaten in Sulina bei. 1920 wird Moruzov beschuldigt, im Auftrag der russischen und bulgarischen Spionage gehandelt sowie Geld geschmuggelt zu haben. Infolgedessen wird er im Jahr 1920 verhaftet, kurz danach wird er dennoch aus Mangel an Beweisen freigelassen.



    Nach 1918 erlebt die Karriere von Moruzov einen furiosen Aufstieg. Für seine Erfolge bei der Informationstätigkeit während des Ersten Weltkriegs wird er befördert. Anschlie‎ßend wird er zum Gründer des Sonder-Nachrichtendienstes 1924. Die Nachbarschaft der Sowjetunion und ihre aggressive Politik hatten die Notwendigkeit des Dienstes deutlich gemacht. In den 1930er Jahren gehört Moruzov zum engeren Umfeld des Königs Carol II. — die Gruppe wurde als Kamarilla des Königs“ bezeichnet, weil sie staatliche Strukturen für politische Raufereien und persönliche Bereicherung ausnutzte. Etwa zur gleichen Zeit entwickelt sich die Beziehung zu den Anführern der Legionäre, insbesondere zu Horia Sima. Das bestätigt der Oberst Traian Borcescu, ehemaliger Agent des Sondernachrichtendienstes, in einem 1996 aufgezeichneten Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rundfunks:



    Horia Sima war Moruzovs Agent, denn Moruzov wollte Informationen aus dem nahen Umfeld von Hitler bekommen. Und durch Horia Sima konnte er sich sowohl militärische Informationen über die Wehrmacht besorgen, deren Geheimdienst, die sogenannte »Abwehr«, von Canaris geleitet wurde, als auch politische Informationen über Hitler. Durch Horia Sima gelang eine Annäherung an Himmler und für die Annäherung an die Wehrmacht arbeitete Moruzov auch mit anderen Personen zusammen.“




    Gemä‎ß dem Zeitzeugenbericht von Teodor Aleonte, Offizier im Sondernachrichtendienst, hatten die Legionäre mehrere Informanten und Agenten in der Staatssicherheit als umgekehrt. Traian Borcescu glaubte zu wissen, welche Karten der Legionärsanführer Horia Sima und Mihail Moruzov im Kampf um die Einflusssphären im Staatsapparat spielten:



    Die Freundschafts- und Kooperationsbeziehungen zwischen Moruzov und Horia Sima werden dadurch deutlich, dass König Carol die Bildung einer Legionärsregierung zulie‎ß. Moruzov hatte ihm eingetrichtert, dass Horia Sima auch ihn töten könnte, das versetzte Carol in Angst und Panik. Und jetzt stand Sima kurz bevor, der Regierung beizutreten, obwohl er kurz davor verhaftet und verurteilt werden sollte. Also hat Moruzov Horia Sima gerettet und ihn befördert. Und bestimmt hat er ihm auch ein paar Groschen zukommen lassen. Moruzov kannte die Vergangenheit von Horia Sima, wie er rekrutiert worden war und was er gemacht hatte. Deshalb dachte Moruzov, Horia Sima würde sich bei ihm dafür revanchieren, dass er ihm sein Leben gerettet und ihm zum Aufstieg verholfen hatte. Das sollte aber nicht eintreffen, denn in solchen Situationen werden Wohltäter getötet. In Jilava wurden alle umgebracht, der letzte, der starb, war Moruzov. Nach der Verhaftung und Hinrichtung von Moruzov kam der von Hitler entsandte Canaris nach Rumänien. Das, weil Himmler Hitler über die Entwicklung im Land in Kenntnis gesetzt hatte. Und Canaris ist bei Antonescu vorstellig geworden und hat sich nach Moruzov erkundigt. Da hat Antonescu geantwortet: ‚Es tut mir leid, aber die Legionäre haben ihm den Garaus gemacht.‘“




    Mihail Moruzov ist am 5. September 1940 auf Befehl von Ion Antonescu verhaftet worden. Die Eiserne Garde hatte davor Druck ausgeübt, denn sie wollte ihn für die zahlreichen Gesetzwidrigkeiten an der Spitze des Sondernachrichtendienstes vor Gericht bringen. Auch wenn die Kamarilla von Carol versuchte, auf mehreren Hochzeiten zu tanzen und sich Deutschland anzunähern, scheiterte sie und ihre Mitglieder, einschlie‎ßlich Moruzov, landeten mit wenigen Ausnahmen im Gefägnis. Eines seiner grö‎ßten Vergehen in den Augen der Legionäre war die Beteiligung an den Plänen Carols, die Anführer der Eisernen Garde in den Jahren 1938-1939 zu beseitigen. In der Nacht zum 27. November wurde Mihail Moruzov gemeinsam mit weiteren 63 früheren Amtsträgern in seiner Zelle in der Gefängnisanstalt von Jilava von einer Legionärsgruppe getötet.

  • Hörerpostsendung 5.4.2015

    Hörerpostsendung 5.4.2015

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI, heute am Ostersonntag in der Katholischen und der Evangelischen Kirche. Daher: Fröhliche Ostertage im Namen unserer Redaktion an alle, die heute feiern! In Rumänien leben laut der Volkszählung von 2011 knapp 870.000 Menschen römisch-katholischen Glaubens unterschiedlicher Muttersprache, etwa 600.000 meistens ungarischstämmige Anhänger der Reformierten Kirche, knapp 60.000 ungarischsprachige Unitarier und etwa 20.000 lutherisch-evangelische Gläubige — die zuletzt genannten sind meistens Siebenbürger Sachsen. Für all diese Menschen in Rumänien ist heute der Ostersonntag, für die 16,3 Millionen Menschen zählende orthodoxe Mehrheit und für und die etwa 160.000 Gläubigen der Griechisch-Katholischen Kirche ist heute allerdings der Palmsonntag und Ostern wird folglich erst am nächsten Sonntag gefeiert. Vergangenes Jahr haben Ost- und Westkirchen am selben Sonntag Ostern gefeiert, nämlich am 20. April. Das ist eher die Ausnahme, denn meistens fällt das orthodoxe Osterfest später. Die Differenz beträgt null bis fünf Wochen, bei der Berechnung des Osterfestes halten alle orthodoxen Kirchen (mit Ausnahme der finnisch-orthodoxen Kirche) am julianischen Kalender fest. Nächstes Jahr fällt das orthodoxe Osterfest sogar fünf Wochen später als in den Westkirchen; gemeinsam gefeiert wird wieder 2017 und dann erst in den Jahren 2025 und 2028 wieder. Es gibt aber auch ökumenische Überlegungen, das Osterfest im gesamten Christentum wieder gemeinsam zu begehen bzw. einen Kompromiss zwischen dem gregorianischen und dem julianischen Kalender zu finden. Es ist aber schwer zu sagen, ob es jemals zu einer Einigung kommt, seit der Trennung der abendländischen und der morgenländischen Kirche im Jahr 1054 haben sich dogmatische Unterschiede etabliert, die wohl nicht so leicht zu überbrücken sind.






    An dieser Stelle möchte ich mich für die Ostergrü‎ße von unseren Hörern herzlich bedanken. Ich habe auch eine Gru‎ß-Mail mit Ostereier im Anhang an alle Hörer geschickt, doch kamen etwa 70 E-Mails wieder zurück. Es scheint, dass bekannte E-Mail-Server wie gmx.de, gmx.at, aol.com und andere unsere Adresse als Spam-Quelle gelistet haben und daher Botschaften von uns einfach abblocken. Dieses Problem haben wir seit vergangenen Herbst, ich habe es erneut unseren IT-Leuten gemeldet und hoffe, dass sie irgendwann ihre Hintern bewegen und etwas dagegen tun. src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Elektronische Gru‎ßkarte von Hörer Andreas Fessler




    Wir bleiben beim Thema Religion, denn unser Hörer Andreas Pawelczyk (aus Mannheim) hat eine Frage zum Religionsunterricht in Rumänien:



    Ostern ist ja ein religiöses Fest. Nun konnte ich im Sozialreport einen sehr interessanten Bericht hören. Um Folgendes geht es da:



    Nach der Wende 1990 wurde in Rumänien Religion als Pflichtfach eingeführt und zwar von der 1. Klasse bis zur 12. Oberstufenklasse. Nach einigen kritischen Einwänden in der Gesellschaft und einigem Hin und Her wurde vom Verfassungsgericht dazu ein Urteil gefällt: Jetzt müssen Schüler, die den Religionsunterricht besuchen möchten, dies beantragen. Die Schüler, die fernbleiben wollen, können dies ohne Formalitäten machen.


    Es wurde nun festgestellt, dass sich über 90% der Schüler in Rumänien für den Religionsunterricht angemeldet haben. Ein Grund wohl für die rege Teilnahme soll auch sein, dass man dafür keine Alternative anbieten kann und die Kinder in der Zeit ohne Aufsicht sind und in den Klassenräumen sitzen bleiben müssen.



    Wenn ich dazu meine Schulzeit vergleiche, war das in Baden-Württemberg in den 60er und 70er Jahren so geregelt, dass man den Religionsunterricht besuchen musste und nur mit Unterschrift der Eltern austreten konnte. Wer in der Oberstufe als Volljähriger austrat, machte dies mit der eigenen Unterschrift. Dies war eine gro‎ße Minderheit. Ersatzunterricht wurde auch nicht angeboten. Aber die Intelligenten nutzten die Zeit, um die Hausaufgaben zu machen. Soweit meine deutschen Erfahrungen.


    Meine Frage: Wie war dies vor 1990 geregelt und gibt es zu dieser Problematik mittlerweile Meinungsumfragen?“




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Pawelczyk. Von 1948 bis 1990 gab es keinen Religionsunterricht in rumänischen Schulen, das kommunistische Regime verschrieb den staatlichen Schulen eine atheistische Ausrichtung. Zwar war der offizielle Atheismus nicht so extrem wie beispielsweise in Albanien, wo Gotteshäuser schlicht geschlossen oder zu Profanbauten umfunktioniert wurden, doch in der Öffentlichkeit waren Kirche und Religion höchstens geduldet. Wer Karriere machen wollte, lie‎ß sich eher nicht in der Kirche erblicken, denn das war nicht unbedingt förderlich für den beruflichen Werdegang. In den letzten Jahren des Ceauşescu-Regimes wurde die Kirche immer mehr bedrängt, zahlreiche Bukarester Gotteshäuser wurden abgerissen, um den grö‎ßenwahnsinnigen Bauplänen des Diktators Raum zu bieten. In der Öffentlichkeit wurde auch gar nicht mehr über Ostern oder Weihnachten gesprochen, man nannte sie schlicht Frühlings- bzw. Winterfesttage, den traditionellen Gru‎ß Christus ist auferstanden“ oder Frohe Weihnachten“ musste man sich verkneifen; generell feierte man — wenn überhaupt — nur noch im engsten Familienkreis.



    Religion wurde nur noch in den wenigen Gymnasien mit theologischer Fachausrichtung gelehrt, den sogenannte Seminarien. Darunter verstand man mittlere Schulen für die Ausbildung von Pfarrern — auch im Deutschen hat das Wort Seminar u.a. auch diese Bedeutung. Für einen einfachen Dorfpfarrer reichte diese Ausbildung, wer etwas auf sich gab, lie‎ß dem Seminar allerdings ein Theologiestudium folgen. Diese theologischen Gymnasien waren in staatlicher Hand und sind nicht mit den Konfessionsschulen zu verwechseln, die die kommunistischen Machthaber gleich nach dem Krieg schlagartig verstaatlichten. Am 3. August 1948 wurde per Staatserlass eine Reform“ des rumänischen Schulsystems beschlossen. Dadurch wurden mit einem Schlag 1.856 Immobilien der konfessionellen Einrichtungen samt materiellem Inventar beschlagnahmt, ist in einer Abhandlung des rumänischen Historikers Dinu C. Giurescu zu lesen. Betroffen davon waren alle anerkannten christlichen Glaubensbekenntnisse sowie die jüdische und die muslimische Gemeinschaft. Erst nach 1990 wurden Konfessionsschulen wieder zugelassen.



    Die jüngste Umfrage zum Thema Religionsunterricht (zumindest die jüngste, die ich finden konnte) stammt aus dem Jahr 2011. Damals war der Religionsunterricht noch verpflichtend. 86% der Befragten haben den Religionsunterricht in staatlichen Schulen prinzipiell befürwortet, 8% waren dagegen, 5% hatten keine Meinung dazu. Allerdings zielte diese Frage allein auf das Angebot des Fachs Religion im Schulprogramm ab. Wenn es um die Pflicht des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen geht, gibt es weit weniger Befürworter. Nur noch 50% sind mit Religion als Pflichtfach einverstanden, während 40% der Befragten es begrü‎ßen würden, wenn Religion nur ein Wahlfach unter anderen wäre. Generell hat die Zahl der Befürworter des pflichtigen Religionsunterrichts rapide abgenommen — 2006 waren es 71%, hingegen 2011 nur noch 50%.




    Vergangene Woche erhielten wir auch einen längeren Brief von Michael Lindner (aus Gera, Thüringen), dessen Verlesung ich auf den heutigen Sonntag verschieben musste. Der Brief war am 18. Februar abgeschickt worden und hat wohl wochenlang im Ablagesystem unserer Postbearbeitung gesteckt. (Ich hätte beinahe Absacksystem“ gesagt.) Aus Zeitgründen werde ich den Brief etwas kürzen. Herr Lindner schrieb:



    Liebe Freunde in der deutschen Redaktion!



    Schon wieder flattert ein Brief aus Gera in die deutsche Redaktion von Radio Rumänien International. Gleichzeitig möchte ich mich für den hochinteressanten Funkbriefkasten vom 15. Februar bedanken, der den Hörerzuschriften zu Ehren des Weltradiotags am 13. Februar 2015 gewidmet war. Natürlich habe ich mich besonders gefreut, dass Sie auch meinen kleinen Beitrag vorgelesen haben, so dass meine Mühe doch nicht umsonst war. Aber auch die Beiträge der anderen Hörerfreunde fanden mein Interesse. So kann ich doch von einigen namentlich bekannten Hobbyfreunden interessante Details über ihr Hobby Radiohören“ erfahren. Was geschieht nun eigentlich mit den eingeschickten Beiträgen der vielen Hörer? Der Weltradiotag wurde doch von der UNESCO ins Leben gerufen, um an die Bedeutung des Radios zu erinnern. Werden die Beiträge eventuell von RRI an die UNESCO weitergeleitet, um dort archiviert zu werden? Wie kam es eigentlich dazu, dass sich gerade RRI jedes Jahr an den 13. Februar erinnert und daraus gleich eine Höreraktion startet? Wäre toll, wenn Sie mal darüber näher berichten würden.



    Nun aber ein anderes Thema. Am 13. Februar unternahm ich eine kleine Reise in die Elbmetropole Dresden, um den Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag der sinnlosen Bombardierung der Stadt 1945 durch englische und amerikanische Bomber beizuwohnen. Die Stadt Dresden liegt mir sehr am Herzen, da ich einen Gro‎ßteil meiner Kindheit und Jugend in dieser Stadt verbrachte. Die Liebe für diese Stadt entwickelte sich immer stärker, je öfter und intensiver ich mich mit deren Geschichte befasste. Es gab kein Museum, kein Schloss noch eine andere Sehenswürdigkeit, die mir nicht bekannt war. Trotz oder gerade wegen dieser starken Bindung an Dresden war es ein unheimliches Gefühl für mich, gerade am 13. Februar durch diese Stadt zu spazieren. Gedanklich hatte ich immer die zerstörte Stadt vor mir, es machte mich sehr nachdenklich und irgendwie hilflos.







    Dresden empfinde ich als ein lebendes Symbol, dass es nie wieder Krieg geben darf und dass man sich aktiv für den Frieden einsetzen muss. Ich lege Ihnen eine Ansichtskarte bei, die eindrucksvoll die weltbekannte Frauenkirche zeigt, nach der Bombardierung und letztendlich nach dem Wiederaufbau 1992-2005.“


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    Ansichtskarte von Michael Lindner




    Lieber Herr Lindner, vielen Dank für den ausführlichen Brief. Den Welttag des Radios am 13. Februar wie auch den hauseigenen Hörertag am ersten Novembersonntag nehmen wir zum Anlass, unsere Hörer verstärkt zu Wort kommen zu lassen. Ob die UNESCO die Beiträge archiviert, wei‎ß ich einfach nicht; 2013 gab es noch die Möglichkeit für Hörer und Sender, sich auf einer eigens für den World Radio Day geschaffenen Webseite anzumelden und Audiobeiträge hochzuladen. In den folgenden Jahren habe ich diese Möglichkeit nicht mehr gesehen. Auf jeden Fall archiviere ich aber diese Sendungen und stelle Manuskripte und Audiodateien auf unserer Webseite bereit. Beispielsweise habe ich sämtliche Hörertag-Sendungen von 1996 bis 2005 sichergestellt, die Tonbänder digitalisiert und sie im Abschnitt Audioarchiv zum Nachhören bereitgestellt. Ab 2006 sind die Audiodateien leider nur sporadisch gespeichert worden (ich konnte nur noch die Sendungen von 2008 und 2010 finden), seit 2013 kümmere ich mich wieder darum.



    Zum sinnlosen Bombenangriff auf Dresden: Davon können auch die Rumänen ein Lied singen. Am 4. April 1944 um 13.45 Uhr heulten die Sirenen in Bukarest, über 200 US-amerikanische Bomber verdunkelten den Himmel. Die Hauptstadt Rumäniens, damals noch ein Verbündeter Nazi-Deutschlands, wurde angegriffen, viele Menschen schafften es nicht mehr in die Luftschutzkeller. Hauptziel der Angriffe war der Nordbahnhof, die Alliierten wollten militärische Transporte an die Ostfront verhindern. Doch starben dabei auch tausende Zivilisten und hunderte Nutzbauten und Wohnhäuser wurden in Schutt und Asche verwandelt. Und es blieb nicht dabei: Bis zum Bruch Rumäniens mit Nazi-Deutschland und dem darauf folgenden Frontenwechsel am 23. August 1944 flogen die Amerikaner und Briten weitere 16 Luftangriffe. Etwa 3.000 Bomben wurden während dieser Zeit auf Bukarest abgeworfen, tagsüber waren es die Amerikaner, nachtsüber die britische Luftwaffe. Die rumänische Zeitung Adevărul“ hat im Jahr 2011 einen bebilderten Artikel zum Thema veröffentlicht und auch einen Militärhistoriker interviewt und Zeitzeugenberichte zitiert. Laut militärischen Quellen sind in den insgesamt 17 Bombardements vom April bis August 1944 über 5.500 Menschen ums Leben gekommen und über 3.300 wurden verletzt. 3.456 Wohnhäuser wurden dabei völlig zerstört, etwa ebensoviele ernsthaft beschädigt, dadurch wurden knapp 48.000 Bukarester obdachlos. Diese Zahlen sind in der Grö‎ßenordnung sicherlich nicht mit jenen in Dresden zu vergleichen, doch die Bombenangriffe waren genauso sinnlos und inhuman.



    Zeit für die Posteingangsliste. Neue Postbriefe lasse ich mir kommende Woche in die Hand drücken.







    E-Mails erhielten wir bis Sonntagmittag von Paul Gager, Christian Mayer und Georg Pleschberger (alle drei aus Österreich), Arman Sabciyan (Türkei), Andy Martynyuk (aus Moskau, Russland) sowie von Anna Seiser, Günter Jacob, Siegbert Gerhard, Andreas Pawelczyk, Klaus Pfahl, Alexander von Obert, Ralf Urbanczyk, Klaus Nindel, Helmut Matt, Horst Cersovsky, Volker Willschrey, Dieter Feltes, Andreas Fessler, Martina Pohl, Dieter Sommer, Heinz-Günter Hessenbruch, Jörg Hoffmann und Sieghard Brodka (alle aus Deutschland). src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Osterstrau‎ß-Gru‎ß von Dieter Feltes




    Das Internetformular nutzten Paul Gager (Österreich) sowie Walter Grube und Daniel Kähler (Deutschland).



    Ostergrü‎ße per Fax erhielten wir von Günter Spiegelberg und Heinz-Günter Hessenbruch (beide aus Deutschland).




    Audiobeitrag hören: