Tag: Neues Theater

  • Festival für Neues Theater in Arad: Alltagsgeschichten im Vordergrund

    Festival für Neues Theater in Arad: Alltagsgeschichten im Vordergrund

    Seit mehreren Jahren veranstaltet das Klassische Theater Ioan Slavici“ in Arad das Internationale Festival für Neues Theater. Bei der 5. Auflage des Festivals, die vom 6. bis 14. Mai stattfindet, haben sich die Organisatoren vorgenommen, unter dem Motto MicROmania“ das kleine Rumänien, das Alltagsrumänien, das Rumänien der alltäglichen Begebenheiten und der guten oder schlechten Angewohnheiten, die zu unserem Leben gehören, zu präsentieren“, sagte uns Claudiu Groza, Theaterkritiker und Kurator des Festivals. Was bedeutet aber das Neue Theater in der rumänischen Theaterlandschaft des letzten Jahres? Claudiu Groza:



    Neuheit bedeutet nicht unbedingt, Theaterstücke neu zu inszenieren, sondern sich für Texte und Inszenierungsvarianten zu entscheiden, die das rumänische Theater bereichern. Da ich mich mit soziologischen Auslegungen der Kunst beschäftige, habe ich auch eine Theorie, laut der jede Epoche eine eigene Art des öffentlichen Diskurses durch die Theaterkunst hat. Zum Beispiel: vor 2000 Jahren die Tragödie, in einer anderen Epoche das deklamatorische Theater… Zurzeit haben wir in Rumänien das synkretische Theater, der das Visuelle mit dem Text kombiniert, wobei das Visuelle des öfteren wichtiger ist. Der Motor, der zu diesem Zeitpunkt die Theaterkunst nach vorne treibt, ist das soziale Theater, das dokumentarische Theater, das in der Wirklichkeit, im Hier und Jetzt fest verankert ist. Was mich in diesen fünf Jahren am meisten erfreut hat, ist, dass in Arad das Neue Theater sein eigenes, treues Publikum hat, ein Publikum, das mit dem Festival gewachsen ist und immer ein ehrliches Feedback gegeben hat. Mit der Zeit begann das Publikum, eigene Wünsche zu äu‎ßern, uns Ideen zu geben. Die Leute sprachen mich an und sagten, sie möchten gewisse Aufführungen von gewissen Regisseuren sehen, die sie interessant fanden. Ich reagierte sofort darauf, und versuchte, den Wünschen des Publikums nachzukommen. So entstand eine enge Verbindung zwischen den Theatersachaffenden und ihren Zuschauern.“




    Die Aufführung mit dem Stück Der kleine Prinz“ nach Antoine de Saint-Exupéry, inszeniert von Alexandru Dabija am Bukarester Komödientheater, gastierte beim Internationalen Festival für Neues Theater in Arad. Die Hauptrolle spielt die in Rumänien bekannte und beliebte Schauspielerin Dorina Chiriac. Neues Theater bedeutet für Dorina Chiriac eine neue, eigene Ausdrucksweise und die Pflicht, auf der Bühne die Wahrheit zu sagen. Die Neuheit in Alexandru Dabijas Inszenierung ist die Haltung, meint Dorina Chiriac:



    Alexandru Dabija hat sich nicht vorgenommen, ein Klischee zu zerstören — er wollte die Geschichte des kleinen Prinzen direkt und ehrlich erzählen, er wollte diese Geschichte den Kindern unmittelbar darstellen, ohne ihre Intelligenz zu unterschätzen. Für Alexandru Dabija befinden sich die Kinder keineswegs unter dem Verstandsniveau der Erwachsenen — Kinder sind Wesen mit einem hohen Intelligenzpotential, die sich in einer anderen Etappe ihrer Entwicklung auf diesem Planeten befinden. Daher sprach er die Kinder im Publikum aufrichtig und direkt an, er entschied sich für einen ehrlichen Diskurs. Die Ideen des Regisseurs wurden auf wunderbarer Weise mit den Videoprojektionen von Mircea Cantor ergänzt. Was daraus entstand, war magisch. Ich hoffe, dass auch die Zuschauer im Saal ein magisches Erlebnis hatten.“




    Sechs Aufführungen waren im Rahmen des Festivals MicROmania zu sehen. Das sind Lebensgeschichten, Neckereien unter Kollegen, traurige Geschichten, schmerzhafte Geschichten, Geschichten, die unter die Haut gehen, aber auch Parabeln unserer Existenz“, sagt Claudiu Groza, Kurator des Festivals. Manchmal geht aber die Erdichtung der Wirklichkeit voraus, wie bei der Aufführung mit dem Titel Vier kleine politische Stückchen über Feinde“. Claudiu Groza dazu:



    Es ist äu‎ßerst interessant, zu sehen, wie eine Aufführung vom November 2016, die in unserem Festival am 9. Mai 2017 gespielt wurde, sich genau mit der politischen und sozialen Wirklichkeit in Rumänien deckte. Obwohl die Aufführung vor den Protestdemonstrationen und vor den politischen Skandalen im Frühjahr 2017 in Rumänien konzipiert und gespielt wurde, schien es am 9. Mai, dass »Vier kleine politische Stückchen über Feinde« genau zu diesem Anla‎ß geschrieben und inszeniert wurden. Es ging dabei um Intoleranz, um Fremdenfeindlichkeit, um politische Heuchelei, um Betrug seitens der Machthaber gegenüber dem Volk, das sie eigentlich vertreten sollten. Auf einmal schien die Theateraufführung eine Reportageaufführung zu sein. Dieses MicROmania, dieses ‚kleine‘ Rumänien, das wir in den Aufführungen unseres Festivals darzustellen versuchten, ist ein Beweis für eine etwas traurige Tatsache: Durch Erdichtung, durch Kunst, beginnt die Wirklichkeit sich nach den Mustern der Voraussagungen im ästhetischen Bereich zu gestalten.“

  • Internationales Festival des Neuen Theaters in Arad

    Internationales Festival des Neuen Theaters in Arad

    Neun Tage, 30 Veranstaltungen — Aufführungen, Musikauftritte, Buchpremieren. So lautet das Rezept, das sich die Veranstalter des Internationalen Festivals des Neuen Theaters im westrumänischen Arad ausgedacht haben. Die vom Theater Ioan Slavici“ organisierten Festspiele fanden in der ersten Hälfte des Monats Mai statt. Das dritte Festival des Neuen Theaters lud das Publikum nicht nur ins Theater ein, sondern auch zu Aufführungen im Freien, in unkonventionellen Theaterräumen. Theaterintendant Bogdan Costea erläutert die Hintergründe des Festivals:



    Diese Festspiele sind der Nachfolger des Theaterfestivals »Eurounderground«, das aus der Notwendigkeit entstanden war, eine Alternative für das Klassische Theaterfestival zu schaffen. Das Kulturhaus Arad organisierte damals unter seiner Schirmherrschaft ein exklusives Projekt, das Aufführungen von unabhängigen Theaterensembles sowohl aus Rumänien als auch aus dem Ausland vor das rumänische Publikum brachte. Im Laufe der Zeit sind die Festspiele gewachsen und unter der Schirmherrschaft des klassischen Theaters »Ioan Slavici« als Pendant zum Festival des klassischen Theaters entstanden.“




    Neues Theater hei‎ßt zeitgenössisches Theater. Der Theatertheoretiker Claudiu Groza, der seit dem ersten Festival für die Auswahl der Aufführungen sorgt, ist der Ansicht, dass neues Theater eher das Theater sei, das unsere Probleme zum Ausdruck bringt. Egal ob es sich um ein Stück von Shakespeare, Gombrowicz oder Caragiale handelt, sollten diese Texte unsere alltäglichen Sorgen zur Sprache bringen, dann sprechen wir vom neuen Theater”.



    Was ist der Beweggrund des Theaters Ioan Slavici“, derartige Festspiele zu beherbergen? Inwiefern bringt das etwas für die Institution an sich? Theaterintendant Bogdan Costea dazu:



    In erster Linie hat sich das Theater »Ion Slavici« trotz seines Namens zum Ziel gesetzt, das junge und sehr junge Publikum anzulocken. Dieses Ziel verfolgen wir gerne, wir wollen das Angebot der Aufführungen in institutionalisierten Theatern breiter machen. Diese Theater haben in ihr Repertoire neue und sehr neue Texte zeitgenössischer Dramatik aufgenommen. Sie haben sich auch gegenüber Aufführungen offen gezeigt, die von unabhängigen Theatergruppen inszeniert werden. Es ist also eine wahre Theaterstil-Mischung bemerkbar, die sich über einen äu‎ßerst breiten Umfang von zeitgenössischen Theateraufführungen streckt. Das zeitgenössische Theater kommt in einer Vielfalt von Formen zum Ausdruck.“




    Die dritten internationalen Festspiele des Neuen Theaters haben neue Inszenierungen auf die Bühne gebracht. Laut Claudiu Groza, der die Aufführungen ausgewählt hat, handelte es sich um eine Vielfalt von Aufführungen: köstliche Komödien, beeindruckende Dramen, Geschichten, die zum Nachdenken einladen, eindrucksvolle Inszenierungen, klassische Texte, die aus einer frischen Perspektive inszeniert werden. Im Programm gab es auch eine Gastaufführung aus der Ukraine — To meet Prospero“, das vom Theater Woskresinnja aus Lwiw (Lemberg) auf die Bühne gebracht wird. Claudiu Groza erklärt, weshalb dieser internationale Austausch wichtig ist:



    Das rumänische Theater muss gegenüber dem ausländischen offen bleiben. Einmal sagte der berühmte Theaterkritiker George Banu, dass das rumänische Theater keine Komplexe haben sollte. Wir sind Anhänger eines synkretischen und äu‎ßerst dynamischen Theaters, das einen starken Akzent auf den visuellen Teil setzt. Die Franzosen und die Deutschen kultivieren hingegen den Text bzw. behalten das klassische Format mit visuellen Merkmalen. Wir sollten also keine Komplexe gegenüber dem internationalen Theater haben, aber es ist au‎ßerdem sehr wichtig, im ständigen Kontakt zu den internationalen Tendenzen des Theaters zu bleiben. Das gilt nicht nur für unser Publikum, sondern auch für erfahrene Theatermenschen, die dabei die Gelegenheit haben, ihre Erfahrung mit ausländischen Künstlern auszutauschen.“




    Laut dem Theaterintendanten Bogdan Costea setze sich demnächst das klassische Theater Ioan Slavici“ in Arad zum Ziel, das junge Publikum anzulocken. Zeitgenössisches Theater ist also nicht nur während des Internationalen Festivals des Neuen Theaters zu sehen, sondern auch in der üblichen Spielzeit des Theaters Ioan Slavici“. Der Gastgeber der Festspiele hat beim Festival die eigene Produktion Cerc.Oglindă.Transformare“ (Kreis.Spiegel.Umwandlung“) in der Regie von Cristi Juncu präsentiert. Der Text ist von der jungen Dramatikerin und Pullitzer-Preisträgerin Annie Baker. Die Schauspielerin Aura Călăraşu sagte über die Aufführung Cerc.Oglindă.Transformare“:



    Es war ein besonders schönes Treffen mit einer erfolgreichen und sensiblen amerikanischen Schriftstellerin. Die Arbeit an dieser Inszenierung war sehr angenehm. Das ist das richtige Wort: Es war eine angenehme und ehrenhafte Arbeit. Es handelt davon, wie das Theater dem Publikum, nicht nur dem Schauspieler, helfen kann.“