Tag: Nikita Chruschtschow

  • Nach Chruschtschows Abrechnung mit Stalin1956: Machtkämpfe unter rumänischen Kommunisten

    Nach Chruschtschows Abrechnung mit Stalin1956: Machtkämpfe unter rumänischen Kommunisten

    Beim 20. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hat Stalins Nachfolger, Nikita Chruschtschow, den Personenkult rund um seinen Vorgänger angeprangert. Damit läutete er einen Destalinisierungsprozess auch in den Satellitenstaaten der Sowjetunion ein.



    Mit Chruschtowschs Geste kamen Hoffnungen auf Änderungen auf. Durch die Verurteilung von Stalin begann Chruschtschow den sogenannten Destalinisierungsprozess, der in allen sozialistischen Ländern Auswirkungen hatte. Gheorghe Gheorghiu-Dej, Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei, war in Rumänien einer der stärksten Befürworter des Stalinismus. Auf dem von Chruschtschow eröffneten Weg haben die rumänischen Kommunisten versucht, etwas zu verändern. Miron Constantinescu war ein idealistischer Intelektueller, der aus Überzeugung Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war. Er hatte während des Regimes von Gheorghiu-Dej von den Aufstiegsmöglichkeiten in der Hierarchie der Partei profitiert und war Mitglied der Delegation der rumänischen Kommunisten bei der 20. Tagung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Dort meinte er, es sei der Augenblick gekommen, Dejs Autorität zu untergraben.



    Der Historiker Gheorghe Onişoru vom Nationalen Institut für die Aufarbeitung des Totalitarismus erläutert, wie die Moskau eingeläutete Änderung die kommunistischen Führer in den der Satelitländern überraschte:



    Chruschtschows Bericht passte Gheorghe Gheorghiu-Dej gar nicht in den Kram. Es war ein Moment, in dem er glaubte, dass er die Situation in Rumänien fest im Griff habe. 1952 hatte er eine gegnerische Gruppe, gebildet aus Ana Pauker, Vasile Luca und Teohari Georgescu aufgelöst, 1954 hatte er Lucreţiu Pătrăşcanu, einen weiteren Widersacher, hinrichten lassen. Dej wusste es, seit 1952 die Sitzungen des Politbüros zu manipulieren und seine Nachteile gegenüber seinen Widersachern in Vorteile zu verwandeln und die Theorie der Vereschwörung der drei ehemaligen Mitkämpfer gegen die Partei in die Welt zu bringen. Dej kann man getrost als echten Stalinisten betrachten. Nachdem die rumänische Delegation zurück in die Heimat gekehrt war, wurde Chruschtschows geheimer Bericht und der Bericht der rumänischen Delegation später als sonst bekanntgemacht, und zwar erst am 23.-25. März 1956, während einer Plenarsitzung des Zentralkomitees. Der dritte Punkt sah die Vorstellung des Berichts der Delegation der Rumänischen Arbeiterpartei vor, die an dem zwanzigsten Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion teilgenommen hatte. Berichterstatter war Dej selbst. Miron Constantinescu hatte den Geheimbericht über den angeprangerten Personenkult und dessen Auswirkungen gelesen. Constantinescu erklärte daraufhin, er sei mit Dejs Bericht einverstanden, zu diesem Zeitpunkt waren also keine Meinungsunterschiede zu vermerken. Diese traten aber bei der ersten gro‎ßen Sitzung des Politbüros von Anfang April 1956 mit voller Wucht in Erscheinung.“




    Schon am nächsten Tag beginnt Miron Constantinescu seinen Angriff gegen Dej. Historiker Gheorghe Onişoru dazu:



    Auf der Tagesordnung der Sitzung im April standen die Sondergerichte des Innenministeriums, die Erschie‎ßung einiger Verbrecher nach dem gewöhnlichen Strafrecht, die missbräuchlichen Verhaftungen, die Verfolgung durch die informativen Strukturen des Innenministeriums einiger Personen im Staatsausschuss für Wirtschaftsplanung, der von Miron Constantinescu geleitet wurde, und die Überwachung von Constantinescu selbst. Im Politbüro sprach man nur noch unter vorgehaltener Hand. Constantinescu ging am ersten Tag in die Offensive und sprach von der Notwendigkeit der Sitzung, weil die Parteimitglieder dem Personenkult frönen würden. Constantinescu unterstreicht die Tatsache, dass der Personenkult in Rumänien negative Auswirkungen habe, und fügt hinzu, dass nach 1952, mit der Auflösung der Gruppe um Ana Pauker, sich besorgniserregende Entwicklungen in der Tätigkeit des Innenminiusteriums bemerkt machen würden. Die politische Polizei Securitate würde ungehindert missbräuchlich handeln. Constantinescu sagte noch, die Securitate habe sich nach 1953 nicht mehr an die Anweisungen der Partei gehalten. Als er den Wirtschaftsplanungsauschuss CSP geleitet habe, seien mehrere Beamte, die mit ihm direkt zusammengearbeitet haben, von der politischen Miliz angeworben sein. Constantinescu prägte dabei den Spruch ‚Der Genosse Dej ist einer der besten Perteiführer, die wir haben, aber nicht der einzige‘.“




    Dej war jedoch viel zu mächtig und wurde von Constantinescus Angriffen nicht geschwächt. Mit einem geschickten Diskurs passte er sich dem neuen Wind an, der aus Moskau wehte, so dass er seine Machtposition in der Partei beibehalten konnte und zudem der neuen idologische Linie von Moskau Treue schwor. Historiker Gheorghe Onişoru dazu:



    Diejenigen, die die Mehrheit im Politbüro bildeten, haben Dej unterstützt, darunter Alexandru Drăghici. Gheorghe Apostol greift ebenfalls Constantinescu an. Chivu Stoica fragt Constantinescu, warum er auf das Problem nicht schon im März verwiesen habe, als der Bericht vorgestellt worden war. Auch Alexandru Moghioroş unterstützt Dej und fragt Constantinescu, warum er Dejs Methoden nicht früher kritisiert habe. Constantinescu wurde wiederholte Male lautstark gefragt, ob er nicht etwa einen forcierten Zusammenhang herstellen wolle zwischen dem, was in der UdSSR bezüglich des Personenkultes passiert war, und den Methoden von Dej. Bodnăraş, Dejs Freund, kommt als letzter zu Wort und macht Constantinescu nieder. Miron Constantinescu entschuldigt sich am nächsten Tag für die Art und Weise, wie er das Problem im Politbüro vorgestellt habe, und sagt, er sei bereit, sich jedweder Entscheidung des Politbüros zu fügen. Die Sitzung endete mit Dejs Rede. Alles war nun wieder in Ordnung, Constantinescus Rebellionsversuch war gescheitert.“




    Dej hat nach diesem Entmachtungsversuch Rumänien weiter mit einer eisernen Hand geführt und nachträglich sogar erklärt, dass in Rumänien das Problem der Destalinisierung zur damaligen Zeit gar nicht bestanden habe, weil er das bereits vor Stalins Tod selbst gelöst habe. Dej überlebte folglich allen Attacken seiner Widersacher und sollte zwei Jahre später, 1958, die zweite Etappe seiner Diktatur einläuten — die Epoche des National-Kommunismus.

  • Was kommt nach der Krim-Krise?

    Was kommt nach der Krim-Krise?

    Wirksamkeit und Zynismus — mit diesen zwei Worten bezeichnen die Politkommentatoren die Annektierung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Es war ein Meisterwerk der Politik — die gesamte Intervention dauerte weniger als drei Wochen und wurde fast ohne Blutvergie‎ßen durchgeführt. Die militärische Invasion wurde durch einen Diskurs unterstützt, in dem Moskau unzählige, scheinbar vernünftige Argumente verwendet hat.



    Geschichtlich betrachtet wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Krim 1921 als Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik RSFSR innerhalb der Halbinsel Krim kreiert. 1936 wurde die Republik in die Krim Autonome Sowjetsozialistische Republik umbenannt. 1945 wurde die autonome Republik aufgelöst und in die Oblast Krim der RSFSR umgewandelt. Durch ein Dekret des damaligen sowjetischen Führers, des Ukrainers Nikita Chruschtschow, wurde die Oblast im Jahre 1954 in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik eingegliedert. Einem 1991 abgehaltenen Referendum folgend, wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim wieder errichtet und nach der Unabhängigkeit der Ukraine in die Autonome Republik Krim und die regierungsunmittelbare Stadt Sewastopol aufgeteilt.



    Demographisch betrachtet stellen weder die Ukrainer noch die Krim-Tataren, sondern die Russen, meistens im Besitz von russischen Pässen, den Hauptteil der Halbinselbevölkerung dar. Diese Russen stimmten bei der jüngsten Volksbefragung auf demokratischem Wege fast einstimmig für die Eingliederung in die Russische Föderation ab, und Russland sei verpflichtet, die russischen Staatsbürger gegen den drohenden ukrainischen Nationalismus zu schützen, hie‎ß es aus Moskau.



    Aus der Perspektive des Völkerrechts gibt es auch einen Präzedenzfall: Unter dem Schutz des Westens trennte sich die serbische Provinz Kosovo von Serbien und wurde zum unabhängigen Staat.



    Verglichen mit der Episode der Halbinsel Krim waren die vorangegangenen Interventionen des postsowjetischen Russlands in seinen ehemaligen Kolonien viel brutaler und weniger geschickt. Nach gewalttätigen Konflikten, bei denen Hunderte Menschen starben, trennte sich die mehrheitlich russischsprachige Region Transnistrien unter dem Schutz von russischen Streitkräften 1992 von der mehrheitlich rumänischsprachigen Republik Moldau. Und 2008, als die Panzer der ehemaligen Roten Armee fast in Tiflis eingerollt wären, wurden Abchasien und Ossetien von der Landkarte Georgiens weggeschnitten.




    Die Politkommentatoren und die westlichen Staaten zeigen sich darüber besorgt, da‎ß der jetzige Kreml-Führer Wladimir Putin neue Opfer für den territorialen Appetit Moskaus verlangen wird. Putin selbst erklärte, da‎ß die Ereignisse auf der Halbinsel Krim ein Test für die russische Armee waren. Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte sich besorgt darüber, dass die russischsprachigen, russophilen Regionen im Osten der Ukraine zu weiteren Zielen der russischen Expansion werden könnten. Und der rumänische Staatspräsident Traian Băsescu sprach über die Befürchtungen der gesamten europäischen und euroatlantischen Gemeinschaft:



    Die Ereignisse von 2008, als die Russische Föderation Abchasien und Südossetien besetzt hat, können wir nicht mehr als isolierte Vorfälle betrachten. Es folgte die Ukraine, und jeder Politiker, jeder militärischer Befehlshaber sollte sich die Frage stellen, was nun kommen könnte. Jeder kann sich jetzt fragen, ob nun Transnistrien oder die Republik Moldau dran kommen. Die Unberechenbarkeit der Russischen Föderation zwingt uns, verschiedene Varianten und Reaktionsmöglichkeiten in Kauf zu nehmen.“




    Der Ministerpräsident der Republik Moldawien, Iurie Leancă, bekräftigte auch seine Besorgnis über die eventuellen Folgen des Präzedenzfalles Ukraine für die Republik Moldau. Das abtrünnige Regime in Transnistrien verfügt leider über die Möglichkeit, durch einseitige Beschlüsse derartige Situationen hervorzurufen“, präzisierte der Chef der prowestlichen Regierung in Kischinjow. Der Militärexperte Cornel Codiţă, General a.D. der rumänischen Armee, ist aber nicht davon überzeugt, da‎ß die Situationen in der Ukraine und in der Republik Moldau vergleichbar seien:



    Es handelt sich um zwei Staaten mit unterschiedlicher politischer Gewichtung und mit unterschiedlichen historischen und völkerrechtlichen Problemen. Selbstverständlich dachten viele, dass nach der Krim nun die Republik Moldau folge. Meiner Meinung nach schafft diese Annektierung genügend Probleme für Russland, so dass über längere Zeit solche Episoden nicht mehr vorkommen werden. Andererseits ist die Ukraine ein strategisches Ziel für Russland, während Transnistrien oder die Republik Moldau nur Begleiterscheinungen einer Politik sind, die sowieso von Moskau umgesetzt wird.“




    Kann die Moldaurepublik sich unter den Schutz der Europäischen Union und der NATO stellen? Einerseits haben die Ex-Sowjetrepubliken Georgien und Moldawien beim EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft in Vilnius 2013 Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union paraphiert. Beide Staaten wollen bald die Abkommen unterzeichnen. Andererseits schlie‎ßt die Verfassung der Republik Moldau den Beitritt zu einer militärischen Allianz aus. Nach der Krim-Episode machten sich aber Stimmen laut, die sagten, dieses Tabu sei eigentlich obsolet. Cornel Codiţă dazu:



    Die Reaktion der EU war eine Beschleunigung des Assoziierungsprozesses. Höchstwahrscheinlich bleibt ein eventueller Weg der Republik Moldau in die NATO eine Frage der politischen Inlandsdebatte, und erst nachdem wir eine klare Position der Regierung in Kischinjow haben, werden wir auch sagen können, ob dieser Weg in die NATO glaubwürdig sei und ob dies schnell, langsam oder gar nicht geschehen könnte.“




    Zurzeit bleibt aber die Krim, durch die finanziellen Folgen der Annektierung, die gro‎ße Herausforderung für Wladimir Putin, meinen die Experten des Analyse-Zentrums Early Warning in Bukarest. Die Kosten der Invasion könnten 9 Milliarden Dollar erreichen. Die Gehälter und die Renten der Beamten auf der Krim, die jetzt vom russischen Staat bezahlt werden müssen, werden 15 Milliarden Dollar übersteigen — bereits jetzt hat die Regierung in Moskau jährliche Ausgaben von 400 Milliarden. Putin hat uns gezeigt, dass er keine Kosten scheut und bereit ist, gro‎ße Risiken einzugehen, wenn es um sein Prestige geht, schreibt noch das Analyse-Zentrum Early Warning. Momentan freuen sich die Russen über den Beschlu‎ß ihrer Führer in puncto Krim, aber die früher oder später eintretende Inflation wird ihre Ansicht noch drastisch ändern. Daher könnte die Rechnung für die Annektierung der Krim ziemlich hoch ausfallen, schlu‎ßfolgern die Experten.



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