Tag: NKWD

  • Nach Archivarbeit in Russland: Liste rumänischer Kriegsgefangener in der Sowjetunion veröffentlicht

    Nach Archivarbeit in Russland: Liste rumänischer Kriegsgefangener in der Sowjetunion veröffentlicht

    Für die osteuropäischen Staaten, darunter auch Rumänien, brachte das Ende des Zweiten Weltkriegs die sowjetische Besatzung mit sich. Hunderttausende rumänische Soldaten starben während des Krieges in der Sowjetunion, während Zehntausende Gefangene in Lagern starben. Zum Gedenken an die Rumänen, die im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront starben, veröffentlichte die rumänische Botschaft in der Russischen Föderation eine Liste der rumänischen Armeegefangenen, die in der UdSSR in Gefangenschaft starben. Die Liste enthält auch Zivilisten, die in den russischen Archiven identifiziert wurden. Vasile Soare, Rumäniens Botschafter in Moskau, leitete die Bemühungen, die Namen der Toten herauszufinden:



    Kurz vor Ostern haben wir in der rumänischen Botschaft in Moskau etwas erreicht, was ein Novum in der rumänischen Geschichtsschreibung darstellt, nämlich die Veröffentlichung einer vollständigen Liste mit allen in den russischen Archiven verfügbaren Informationen zu diesem Thema über die rumänischen Kriegsgefangenen und Zivilgefangenen, die in Gefangenenlagern auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation starben. Sie wurden zwischen 1941 und 1956 in der Nähe dieser Lager begraben. Die Liste enthält die Namen von 20.718 Rumänen, von denen die meisten Kriegsgefangene und damit Soldaten waren.“




    Die Bemühungen, all diese Namen ausfindig zu machen, waren intensiv und dauerten mehr als ein Jahrzehnt. Vasile Soare erläuterte dem Moskauer Korrespondenten von Radio Rumänien, Alexandr Beleavski, wie die Anzahl und der Status der Gefangenen auf der Liste ermittelt wurde:



    Wir haben zehn Jahre lang an der Fertigstellung der Liste gearbeitet. Im vergangenen Jahr veröffentlichten wir die Hälfte der Liste, die über 10.000 Namen enthielt, und jetzt ist es uns gelungen, die Liste mit weiteren 11.000 Namen zu vervollständigen. Wir sprechen ausschlie‎ßlich von Gefangenen, und nicht von Menschen, die in der Schlacht von Stalingrad oder an der Donschleife gefallen sind, sondern von Überlebenden der gro‎ßen Schlachten, die gefangen genommen und zu Kriegsgefangenen wurden. Die Liste umfasst auch Zivilisten, genauer gesagt Angehörige der deutschen Volksgruppe in Rumänien, die im Januar und Februar 1945 deportiert wurden. Sie wurden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus Rumänien verschleppt, als eine beträchtliche Zahl von Deutschstämmigen aus Mittel- und Osteuropa gewaltsam vertrieben oder in sowjetische Arbeitslager deportiert wurden. Die grö‎ßte Anzahl der Verschleppten kam aus Rumänien, etwa 70.000 Menschen, von denen etwa 8.000 in sowjetischen Arbeitsbataillonen und Lagern starben.“




    In den Wirren des Krieges gab es viele ungeklärte Geschehnisse, und es war Aufgabe der nachfolgenden Generationen, sie so weit wie möglich aufzuklären. Botschafter Vasile Soare erzählt uns die Geschichte der rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion in den 1940er Jahren:



    Die ersten kamen 1941 in den sowjetischen Lagern an. Die Mehrheit kam 1942 an, mehr als 100.000 Menschen, eine sehr gro‎ße Zahl, und sogar noch nach dem 23. August 1944 [als Rumänien die Fronten wechselte — Anm. d. Red.] und auch später, nach Oktober 1944. Es ist schwierig, eine genaue Zahl zu ermitteln, aber nach dem, was wir in den Archiven gefunden haben, schätzen wir die Zahl auf 236.000 rumänische Gefangene ein. Es scheint, dass etwa 65.000 in den Lagern starben. Wir wissen nur genau, was mit den fast 21.000 Namen geschah, die wir in den Archiven gefunden und veröffentlicht haben. Nach den Kämpfen von Stalingrad, die von November 1942 bis gegen März–April 1943 stattfanden, wurden keine Aufzeichnungen über die ausländischen Kriegsgefangenen geführt, die in die sowjetischen Lager kamen. Es gibt also Zehntausende von Menschen, die nie offiziell erfasst wurden, was diesen zahlenmä‎ßigen Unterschied erklärt. Im Vergleich zu den offiziellen russischen Statistiken, die 15.435 Todesfälle unter rumänischen Kriegsgefangenen ausweisen, fanden wir bei Einsicht in die Archive eine höhere Zahl. Bei genauerem Hinsehen stellten wir fest, dass es sich bei den zusätzlichen Zahlen um andere Personen handelte, also fügten wir sie der Liste hinzu und kamen somit auf 20.718 Namen.“




    Die Namen von 40.000 rumänischen Kriegsgefangenen sind noch unbekannt. Vasile Soare beschreibt die Arbeit in alten Archiven:



    Am schwierigsten war es, die Handschrift zu verstehen. Jeder Eintrag wurde von den sowjetischen Soldaten, die in den Lagern arbeiteten, von Hand geschrieben, die oft die Namen der ausländischen Gefangenen so buchstabierten, wie sie sie hörten. Es gab viele Fehler, und es war schwierig, die tatsächlichen Namen der Gefangenen festzustellen. Wir wollten die Liste zu Weihnachten 2019 veröffentlichen, aber es war nicht möglich; es gelang uns jedoch, sie rechtzeitig zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs zu veröffentlichen.“




    Die Liste enthält die Vor- und Nachnamen der Soldaten, den Namen des Vaters, das Geburtsdatum, das Lager, in dem sie interniert waren, und das Datum ihres Todes. Sie enthält auch einen Anhang, in dem alle Lager, NKWD-Sonderkrankenhäuser und Arbeitsbataillone aufgeführt sind, in denen die deportierten Zivilisten interniert waren. Seit der Veröffentlichung haben viele Rumänen die Namen ihrer Verwandten, Gro‎ßväter und Urgro‎ßväter in einer sehr emotionalen Erfahrung ermittelt. Neben dem Studium von Archiven und Feldforschung zu den Namen der in Russland verstorbenen Rumänen führt die rumänische Botschaft auch eine Kampagne zur Erinnerung an die Orte durch, an denen sie vor fast 80 Jahren starben. Bisher wurden auf dem Staatsgebiet der heutigen Russischen Föderation 34 Gedenkstätten zum Gedenken an die verstorbenen Rumänen errichtet. Einige dieser Gedenkstätten sind für Besucher zugänglich. Viele der Orte, an denen Rumänen starben, sind mit der Zeit in Vergessenheit geraten, doch andere sind wieder in Erinnerung gebracht worden und sollen in Gedenkveranstaltungen einbezogen werden.

  • Internationale der Geheimpolizeien: Wie tickten die kommunistischen Geheimdienste?

    Internationale der Geheimpolizeien: Wie tickten die kommunistischen Geheimdienste?

    Nach 1945, dem Jahr der vollständigen Besetzung Mittel- und Osteuropas durch die Sowjetunion nach der Niederlage Nazi-Deutschlands, begann ein neues Regime in der Geschichte der Region: der Kommunismus. Das kommunistische Regime wurde im Jahr 1917 von einer radikalen marxistischen Gruppe unter der Führung des Russen Wladimir Iljitsch Lenin gegründet und basierte auf Unterdrückung und Terror durch die politische Polizei. Unabhängig davon, ob sie in der Sowjetunion TSCHEKA, NKWD oder KGB, in Ungarn AVH, in Polen SB, in der Tschechoslowakei ŠtB, in der DDR STASI oder in Rumänien SECURITATE hie‎ß, hatte die Geheimpolizei etwa die gleiche Struktur und Mission: jeden Versuch, die Autorität des Regimes zu untergraben, durch das Sammeln von Informationen und durch physische Beseitigung zu unterbinden. Das Modell der grausamen Einrichtung, die für Dutzende Millionen von Opfern in der Sowjetunion verantwortlich war, wurde von dem berüchtigten Feliks Dzierżyński, dem ersten Leiter der politischen Polizei, erfunden und dann in den besetzten Ländern umgesetzt.



    Die Geheimpolizei-Einrichtungen der Länder Mittel- und Osteuropas haben sich mehr als 40 Jahren in gleicher Weise verhalten. Wenn sie sich so lange so ähnlich verhalten haben, was war dann ihr Schicksal nach 1989, als das kommunistische Regime sein wohlverdientes Ende fand? Gab es Unterschiede in den verschiedenen ex-kommunistischen Staaten? Der Historiker Marius Oprea, mit dem wir über die Situation der Repressionsapparate im Ostblock nach 1989 gesprochen haben, ist der Meinung, dass deren Schicksal ähnlich war, mit Ausnahme der STASI in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.



    In allen ex-kommunistischen Ländern gibt es ähnliche Verhaltensweisen der ehemaligen politischen Polizei und der Informationsstrukturen, aber an einigen Orten konnten sich die ehemaligen Geheimdienstler nicht manifestieren oder profilieren. Ein sehr gutes Beispiel ist die ehemalige DDR, wo alle STASI-Offiziere nach Listen bekannt wurden. Gegebenenfalls wurden sie vor Gericht gebracht, aber in jedem Fall arbeiteten sie nicht mehr im System. Auf Einladung von Joachim Gauck studierte ich die STASI-Archive mehr als einen Monat lang zusammen mit dem Politiker und ehemaligen politischen Gefangenen Ticu Dumitrescu. Der Taxifahrer, der mich immer mit dem Taxi vom Hotel zum STASI-Archiv fuhr, war ein ehemaliger STASI-Beamter, der Taxifahrer geworden war. Er kannte also die Strecke dorthin ziemlich gut. Die Situation der Stasi nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung war in Deutschland aber ein nationales Sicherheitsproblem, weil die Westdeutschen wissen wollten, wem Sie in Ostdeutschland trauen konnten.“




    Historiker, die die Zeitgeschichte und den ehemaligen sowjetischen Raum studieren, sprechen von einer Internationale der Geheimpolizeien“ und beziehen sich dabei auf das Konzept des Internationalismus, das die sozialistischen Länder mit Beharrlichkeit gefördert haben. Diese Tschekistische Internationale“, wie der französische Historiker Emmanuel Droit sie nennt, ist das Vorbild, das das Schicksal derjenigen, die Teil der repressiven Strukturen ihrer Länder waren, nach 1989 in etwa gleich aussehen lie‎ß. Die allgemeine Meinung, die die Präsenz ehemaliger Mitglieder der repressiven Strukturen im öffentlichen Leben als Neureiche, Politiker und Meinungsbildner verurteilt, will aber nicht berücksichtigen, dass 1989 alle Bürger frei geworden sind, das hei‎ßt auch die ehemaligen Mitglieder der Geheimpolizei. Marius Oprea, Autor eines erfolgreichen Bandes über die Karrieren der ehemaligen Offiziere der rumänischen Securitate, zeigte, dass in allen ex-kommunistischen Ländern — mit Ausnahme der DDR — die ehemaligen Mitglieder der politischen Polizei und ihre Kinder die neuen Eliten bildeten. Marius Oprea:



    In den ex-kommunistischen Ländern haben die ehemaligen Sicherheitsstrukturen leider mehr oder weniger stark ihre Macht behalten. Genauso wie die Einheit der ehemaligen rumänischen Securitate auseinanderging, war auch die Aktionseinheit der politischen Polizei in den Bruderländern des Warschauer Paktes zusammengebrochen. Vor 1989 gab es zumindest eine formelle Zusammenarbeit zwischen allen Sicherheitsdiensten in den ehemals kommunistischen Ländern. Sie tauschten Informationen aus: Die rumänischen Securitate-Agenten hatten zum Beispiel sehr gute Beziehungen zu Ungarn, sie erhielten Informationen über Dissidenten und politische Gegner. Die rumänische Securitate tauschte auch Technologie mit der DDR und der Tschechoslowakei aus. Die Rumänen entwickelten 1949 das System, mit dem das Telefon als Mikrofon zur Abhörung der Gespräche in der Wohnung verwendet werden konnte, die Securitate konnte alles übers Telefon abhören.“




    Da die Entwicklung der östlichen Hälfte des sowjetischen Europas nach 1945 bis 1989 ähnlich verlief, konnte das, was nach 1989 folgte, nicht anders sein. Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Ähnlichkeiten in der Geschichte grö‎ßer sind, als wir denken.