Tag: Nordsiebenbürgen

  • 80 Jahre seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch

    80 Jahre seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch

    Auf Druck Nazi-Deutschlands und des faschistischen Italiens musste Rumänien Nordsiebenbürgen an Ungarn abtreten. Das dritte Schicksalsschlag folgte im September 1940, als die Süddobrudscha an Bulgarien abgetreten wurde. Professor Marius Turda lehrt Geschichte der Eugenik, des Rassismus und der Biopolitik an der Oxford Brookes University. Wir fragten ihn, ob der Verlust Nordsiebenbürgens Ende der 1930er Jahre vorhersehbar war:



    Es war einigerma‎ßen vorhersehbar, wenn wir an die Propaganda denken, die das Nazi-Regime seit den 1930er Jahren verbreitet hat. Sie basierte ganz klar auf der Revision der Pariser Friedensverträge, die nach dem Ersten Weltkrieg unterzeichnet wurden. Wenn wir uns die Schriften der Nazi-Ideologen ansehen, insbesondere die Schriften Adolf Hitlers, wird es klar, er sagte in seinem Buch »Mein Kampf« sehr deutlich, dass eines der Hauptziele der neuen Nazi-Revolution die Rückkehr Deutschlands zur internationalen Lage vor 1914 sein würde. Jeder, der die politischen Entwicklungen und ideologischen Debatten in Deutschland in den 1930er Jahren aufmerksam verfolgte, wusste, dass Hitler irgendwann auf eine Lösung der Probleme im mitteleuropäischen Raum nach seiner Vorstellung drängen würde.“




    Rumänien unterzeichnete am 30. August 1940 den sogenannten Zweiten Wiener Schiedsspruch (in der rumänischen Geschichtsschreibung als Wiener Diktat bezeichnet), mit dem Nordsiebenbürgen widerstandslos abgetreten wurde, und viele Historiker fragen sich, ob das Land etwas anderes hätte tun können, als die Gebietsabtretung hinzunehmen. Der Historiker Marius Turda zu dieser Frage:



    Rumänien hätte Widerstand leisten können, es war ja ein unabhängiger und souveräner Staat und hatte die Macht, zu entscheiden. Welche Folgen ein bewaffneter Widerstand gehabt hätte, ist eine andere Debatte. Aber unter dem Gesichtspunkt der nationalen Würde hätte sich Rumänien mit Waffen gegen die 1940 in Wien getroffene Entscheidung wehren und verteidigen können. Wir müssen auch über die Auswirkungen auf die Bevölkerung nachdenken. Es ist sehr wichtig zu sagen, dass zum Beispiel die historische Provinz Marmarosch (Maramureş) nach sieben Jahrhunderten Geschichte im Jahr 1945 verschwand. Sie wurde 1940 in Ungarn eingegliedert, und 1945, als sie wieder Rumänien zugesprochen wurde, war es nur noch die Hälfte der historischen Provinz. [Der nördliche Teil der historischen Marmarosch wurde der Karpatenukraine angeschlossen — Anm. d. Red.] Es war eine direkte Folge davon, dass Rumänien 1940 nicht eingriff, um für Nordsiebenbürgen zu kämpfen. Ganz zu schweigen von den Folgen für die jüdische Bevölkerung der Marmarosch, der Region Gro‎ßrumäniens mit der höchsten Anzahl von Juden, etwa 30% der Bevölkerung der Region.“




    Vor dem 30. August 1940 versuchte Rumänien, Ungarn Alternativen vorzuschlagen, aber Ungarn akzeptierte sie nicht. Marius Turda:



    Es muss gesagt werden, dass die Regierungen in Bukarest und Budapest in gewisser Weise versucht haben, eine biopolitische Lösung für Nordsiebenbürgen durch einen Bevölkerungsaustausch zu finden. In Bukarest war [der Statistiker, Demograph und Arzt] Sabin Manuilă an diesem Programm zur Lösung des so genannten Problems der ethnischen Enklaven im Westen Rumäniens sehr stark beteiligt. Die Regierung in Bukarest wusste jedoch, dass Ungarn niemals seine Gebietsansprüche aufgeben würde, und so bestand die einzige Möglichkeit darin, die in Nordsiebenbürgen lebenden Rumänen nach Rumänien zu transferieren und damit Nordsiebenbürgen ethnisch homogener zu machen. Das Problem war aber die Marmarosch, wo es eine rumänische Bevölkerung gab, die als emblematisch für das Rumänentum galt, und eine jüdische Bevölkerung. Aber die Marmarosch wäre somit geopfert worden. Der rumänische Historiker Nicolae Iorga sagte in den 1930er Jahren, dass die Marmarosch in wenigen Jahrzehnten jüdisch werden würde.“




    Nachdem Ungarn das Gebiet in Besitz genommen hatte, wechselte es zu einer Politik der ethnischen Uniformität. Marius Turda berichtet weiter:



    Darauf folgte 1940 die Einführung von Rassengesetzen in Nordsiebenbürgen durch das Budapester Regime, das dritte antisemitische Gesetz, ein Gesetz, das Ehen zwischen Juden und Ungarn verbot. Seit Ende der 1930er Jahre gab es in Ungarn ein gro‎ßes Programm zur Förderung ungarischer Familien, um den Ungarn zu helfen, zahlreicher zu werden. Es gab ein Programm, in dessen Rahmen ihnen Landstücke zum Bau von Häusern zur Verfügung gestellt wurden. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden Szekler und Ungarn aus der Bukowina nach Ungarn umgesiedelt. Die ungarische Regierung unternahm viel, um die Gebiete wieder zu besiedeln, die als ethnisch gefährlich galten, weil die Ungarn nicht in der Mehrheit waren. Auch in Transsylvanien wurden wirtschaftliche und soziale Programme eingeführt. Ebenfalls in Siebenbürgen wurde 1940 im ungarisch besetzten Cluj (Klausenburg) das erste Institut für Rassenhygiene gegründet. Es wurde eine Abteilung für Anthropologie und eine weitere für Humangenetik geschaffen. Die Idee war, zu sehen, welche Auswirkungen die sogenannte 20-jährige rumänische Besetzung Nordsiebenbürgens auf die ungarische Bevölkerung gehabt habe. Es wurden Untersuchungen der Rassenstruktur, der Sitten und der ungarischen Sprache durchgeführt, um festzustellen, ob die ungarische Nation aus ethnischer Sicht in irgendeiner Weise durch die Zeit, in der sie sich in Gro‎ßrumänien befand, beeinträchtigt worden war.“




    Die ungarische Besetzung Nordsiebenbürgens dauerte bis März 1945, als die kommunistische Regierung das Amt übernahm und die Sowjetunion die rumänische Verwaltung wieder in die lokalen Institutionen einziehen lie‎ß. Die viereinhalb Jahre der ungarischen Regierung bedeuteten eine humanitäre Tragödie: 1000 Rumänen wurden getötet, zehntausende weitere gefoltert, verhaftet und in Konzentrationslager eingesperrt. Etwa 500.000 flüchteten nach Rumänien. Im Norden Siebenbürgens wurde auch eine der schrecklichsten Seiten der menschlichen Tragödie geschrieben: der Holocaust. Aus dem besetzten Nordsiebenbürgen und der Marmarosch schickten die ungarischen Behörden etwa 166.000 Juden in Nazi-Lager, von denen 130.000 dort ums Leben kamen.

  • Geschichte des Holocaust: 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    Geschichte des Holocaust: 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    Das Gedenken an 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen in Vernichtungslager der Nazis ist etwas, das ständig in Erinnerung gerufen werden muss, damit sich solche Gräueltaten nie wieder ereignen. Die europäischen Juden zahlten einen sehr hohen Preis für die kriminellen Fantasien des Faschismus, für die Illusion einer besseren Gesellschaft. 150.000 von ihnen stammten aus Nordsiebenbürgen, eines am 30. August 1940 von Ungarn annektierten Landesteils, der überwiegend von Rumänen bewohnt wurde.



    Im Frühjahr 1944 begannen die ungarischen Behörden, die jüdische Bevölkerung in die Ghettos zu schicken. Hitler verlor das Vertrauen in die totalitären Regime in Ungarn und Rumänien, bezweifelte ihre Fähigkeit, die jüdische Bevölkerung zu vernichten, und beschloss, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Das bedeutete, die Juden noch mehr zu verfolgen. Nachdem sie gezwungen worden waren, ein Abzeichen in Form eines gelben Sterns als Identifikationsmittel zu tragen, nachdem sie allerlei Demütigungen ausgesetzt wurden, nachdem sie alle ihre bürgerlichen, politischen und wirtschaftlichen Rechte aufgrund der Rassengesetzgebung verloren hatten, wurden die Juden nun gezwungen, ihre Häuser zu verlassen.



    Marius Popescu vom Wilhelm-Filderman-Zentrum für das Studium der Geschichte der rumänischen Juden, erzählt uns, wie die Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen, damals unter ungarischer Besatzung, stattfand:



    Der Prozess der Entsendung der Juden in die Ghettos begann am 3. Mai 1944. Etwas, für dessen Realisierung die westlichen Länder etwa 2 oder 3 Jahre brauchten, dauerte in Nordsiebenbürgen nur anderthalb Monate. Das zeigt, wie sehr die deutschen und ungarischen Behörden darauf bedacht waren, die jüdische Bevölkerung zu vernichten.“



    Marius Popescu erläutert weiter, wie die Ghettos in den Städten Nordsiebenbürgens aufgebaut wurden:



    Es gab Ghettos in Oradea, Cluj, Dej, Satu Mare, Sfântu Gheorghe, Târgu Mureş und Şimleu. Die Juden aus den umliegenden Dörfern wurden als erste in Ghettos in den Kreishauptstädten geschickt. Die Ghettos waren jedoch nicht wie die üblichen, in denen die jüdische Bevölkerung gezwungen war, im Elend hinter hohen Mauern zu leben, wie zum Beispiel in Polen. Die Ghettos in Nordsiebenbürgen waren Transit-Ghettos, wo die Juden 2 oder 3 Wochen verbrachten. Das Wort Ghetto wird in diesem Zusammenhang sehr häufig verwendet, aber ich würde es hier nicht verwenden. Ein Ghetto befand sich am Rande einer Stadt, in der die Juden auf engstem Raum zusammengepfercht waren. Die Juden machten etwa 30% der Gesamtbevölkerung von Oradea aus, so dass etwa 30.000 Juden in das Ghetto geschickt wurden. In Cluj lag ihre Zahl bei 18.000. Die Bedingungen im Ghetto waren schrecklich, es gab keine Toiletten, einmal täglich wurde Essen ausgeteilt und die Menschen lebten ausschlie‎ßlich von dem, was sie von zu Hause mitgebracht hatten. Am 3. Mai 1944, als die Ghettos von Gendarmen umzingelt wurden, hatten sie eine halbe Stunde Zeit zur Vorbereitung auf die Deportation. Das Ghetto war mit Draht umgeben.“




    Elie Wiesel, Friedensnobelpreisträger, geboren in Sighetu Marmaţiei, verbrachte einige Zeit in einem Ghetto, bevor er nach Auschwitz geschickt wurde. Eva Heyman, ein 13-jähriges Mädchen, das in die Gaskammer in Auschwitz geschickt wurde und heute als Anne Frank Siebenbürgens bezeichnet wird, hatte das Ghetto in Oradea passiert. Miklós Nyiszli, ein Arzt aus Oradea, wurde zunächst in ein ähnliches Ghetto geschickt, dann nach Auschwitz, hatte aber die gro‎ße Chance, zu überleben. Das sind nur drei der Menschen, die das Leben in den Ghettos Nordsiebenbürgens erlebt und schriftliche Beweise dafür hinterlassen haben. Historiker Marius Popescu über den Alltag im Ghetto:



    Einmal im Ghetto angekommen, wurden die Juden gedemütigt, verspottet und sogar ermordet. Heute wissen wir, was z.B. die Brauerei »Dreher« bedeutete — es war der Ort, an dem die Juden geschlagen, mit Stromschlägen gefoltert wurden, um preiszugeben, wo ihr Vermögen war oder wer es für sie aufbewahrte. Es gab Überlebende, die das Geschehene aufgeschrieben haben, sogar einige wenige Überlebende aus Auschwitz. Ich möchte noch zwei weitere Namen nennen — Otto Adler und Oliver Lustig. Letzterer hat Dokumente veröffentlicht, die in zwei Büchern enthalten sind. So haben wir detaillierte Informationen über die Grausamkeiten, die in diesen Ghettos geschehen sind.“

  • Eva Heyman (1931–1944): Die Anne Frank Siebenbürgens

    Eva Heyman (1931–1944): Die Anne Frank Siebenbürgens

    Eva Heyman, die auch Anne Frank Siebenbürgens oder Anne Frank von Oradea (dt. Gro‎ßwardein) genannt wurde, war eines der 1,5 Millionen jüdischen Kinder, die während des Holocausts ermordet wurden. Sie hinterlie‎ß ein Tagebuch, aus dem die Nachwelt erfuhr, wie eine 13-jährige Jugendliche die Realität betrachtete, wie sie sich die Welt erklärte, die sie umgab, eine Welt der Entmenschlichung, des Hasses und des Völkermordes. Wir haben den Historiker Marius Popescu vom rumänischen Zentrum für jüdische Studien gebeten, das Tagebuch von Eva Heyman zu erläutern. Marius Popescu beschrieb, wie das Ghetto in Gro‎ßwardein aussah, der Heimatstadt des Arztes Miklós Nyiszli. Nyiszli ist der Autor des berühmten Romans Ich bin Arzt in Auschwitz gewesen“.



    Eva Heyman ist ein jüdischstämmiges Mädchen aus Oradea, einer Stadt, die eine sehr zahlreiche jüdische Bevölkerung hatte. Nach der Grö‎ße war das Ghetto in Oradea das zweitgrö‎ßte in Ungarn, nach Budapest. Darüber hinaus war es ein sehr restriktives Ghetto, wie eigentlich alle im besetzten Nordsiebenbürgen. Dort ‚erfüllten‘ die ungarischen Gendarmen ihre Aufgabe mit einem au‎ßergewöhnlichen Übereifer, der sogar die Nazihenker verblüffte. Ich beziehe mich auf die Schnelligkeit, mit der die Juden aus Nordsiebenbürgen in Vernichtungslager befördert wurden. Binnen zwei Wochen wurde die jüdische Bevölkerung deportiert und aus dem, was einst die siebenbürgischen Städte mit einer zahlreichen jüdischen Bevölkerung gewesen ist, blieb leider nur Geschichte.“




    Eva Heyman begann im Alter von 13 Jahren ein Tagebuch zu schreiben, am 13. Februar 1944, ihrem Geburtstag. Schon in den ersten Seiten des Tagebuches wird die Besorgnis spürbar, die das junge Mädchen buchstäblich zerfra‎ß. Der Historiker Marius Popescu dazu:



    Man geht davon aus, dass, wenn man das Tagebuch eines Kindes oder Jugendlichen liest, man etwas anderes lesen müsste. Dieses Tagebuch tut nichts anderes, als eine vollkommen tragische Situation der jüdischen Bevölkerung jener Zeit zu schildern. Wenn man durch das Tagebuch blättert, erkennt man, dass die tiefe Unruhe Evas gegenüber der Wegnahme der Apotheke ihres Gro‎ßvaters besonders wichtig ist. Dies geschah infolge der Erlassung sehr restriktiver Gesetze, wodurch die Juden sogar nur zwischen bestimmten Uhrzeiten auf die Stra‎ße durften. Gleichzeitig mit der Wegnahme der Apotheke des Gro‎ßvaters fiel die Stabilität des Heimes auseinander. Sie verwies im Tagebuch darauf, das ein ungarischstämmiger Mann die Apotheke des Gro‎ßvaters bedenkenlos übernahm. Vergessen wir nicht, dass am 30. August 1940 Nordsiebenbürgen an Ungarn abgetreten wurde. Dazu haben wir einige Aufzeichnungen Evas, die schildert, wie sie Zeugin der Abschiebung der Rumänen durch die ungarischen Behörden wurde. Im Tagebuch steht auch, dass auf der Stra‎ße auch sehr viele neue Gesichter zu sehen waren. Die Stadt hatte sich geändert, es waren plötzlich viele Menschen da, die aus Ungarn gekommen waren. Einer der Gründe, wofür man Evas Gro‎ßvater die Apotheke wegnahm, war, dass er ein Freund der Rumänen gewesen war, dass er ein Jude war, der die Ungarn nicht unterstützt hatte. Das war natürlich ein abwegige Begründung.“




    Aber der grö‎ßte Schock kam erst noch. Dieser stellte sich ein, als Marta, die beste Freundin Evas, gemeinsam mit ihrer Familie verschwand. Historiker Marius Popescu:



    Noch härter als die Wegnahme der Apotheke des Gro‎ßvaters traf sie das Verschwinden ihrer Freundin Marta. Sie war ein gleichaltriges Mädchen, mit dem sie ihre Freizeit verbrachte. Wie alle Kinder fuhren sie mit dem Fahrrad, kauften Eis, das sie entweder bei Marta oder bei Eva zuhause a‎ßen. Alles war schön bis zum Jahr 1941. Es war das Jahr, als die ungarischen Behörden alle Juden deportiert haben, die ihre Staatsangehörigkeit nicht nachweisen konnten. Martas Vater stammt aus der Bukowina. Marta wurde in Oradea geboren, weil ihre Mutter aus Oradea stammte. Somit musste Martas Vater evakuiert werden. 1941 wurden die Juden von den ungarischen Behörden einberufen, nach Kamenez-Podolski gebracht und getötet. Martas Mutter und Marta standen zu ihrem Mann bzw. Vater, der keine ungarischen Staatsangehörigkeit hatte, und folgten ihm in das Lager, wo sie auch umgebracht wurden. Psychologisch gesehen ist das der Schlüsselmoment des Tagebuches, in dem sich die Welt Eva Heymans radikal verändert. Nicht, dass es davor eine fröhliche Welt gewesen sei, aber das Bild, in dem ihre Freundin von Gendarmen aus Evas Haus verschleppt, nach Kamenez-Podolski gebracht und getötet wird, ist der Augenblick, in dem ihr seelischer Tumult beginnt. Es gibt keine Seite im Tagebuch, auf der ihr seelischer Aufruhr nicht erwähnt wird. Drei Jahre danach fand sie ihr Ende auf gleiche Weise, diesmal aber im Lager von Auschwitz-Birkenau.“




    Zu den Tragödien, die Eva Heyman niederschlugen, kam ein persönliches Familienleiden hinzu. Marius Popescu:



    In der Familie herrschte ziemlich viel Aufregung. Ihre Mutter war von ihrem Vater geschieden und hatte Béla Zsolt, den Adoptivvater Evas, einen linksorientierten Schriftsteller, geheiratet. Zu der Zeit war es unerwünscht, Jude und dazu noch linksorientiert zu sein. Evas Mutter und ‚Herr Béla‘, wie Eva ihn nannte, waren selten zuhause, sie versteckten sich die ganze Zeit. Eva Heyman wurde grö‎ßtenteils von den Gro‎ßeltern mütterlicherseits gro‎ßgezogen. Wenn wir das Tagebuch durchlesen, erkennen wir eine recht kühle Haltung Evas ihrer Mutter gegenüber.“




    Ich bin 13 Jahre alt geworden. Ich bin an einem 13. geboren, an einem Freitag.“ So begann sie ihr Tagebuch am 13. Februar 1944. Am 17. Oktober 1944 wurde die typhuskranke Eva Heyman im Alter von dreizehneinhalb Jahren in die Gaskammer geschickt.

  • Auschwitz: Zeitzeugenberichte von Überlebenden aus Rumänien

    Auschwitz: Zeitzeugenberichte von Überlebenden aus Rumänien


    Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war ein fester Bestandteil der Nazi-Ideologie, ein Programm zur systematischen Vernichtung der europäischen Juden. Die Anzahl der Opfer der grö‎ßten national-sozialistischen Todesfabrik ist schwer einzuschätzen. Die Angaben unterschiedlicher Autoren schwanken zwischen 1-1,5 Millionen Juden. Die ungarischen Machthaber im infolge des Zweiten Wiener Schiedsspruchs abgetretenen Nordsiebenbürgen schickten ab dem Frühjahr 1944 150.000 Juden nach Auschwitz. Vor dem 70. Jahrestag der Befreiung des Lagers am 27. Januar 1945 hat Steliu Lambru einige Zeitzeugenberichte von Überlebenden aus dem Archiv des rumänischen Rundfunks zusammengetragen.




    Die Klausenburgerin Eva Berger wurde gemeinsam mit ihrer Mutter in mindestens 10 Arbeitslager geschickt. In Auschwitz verbrachte sie nur drei Tage, was aber lange genug war, um verstehen zu können, was dort geschah. Im Interview mit Radio Rumänien 1996 erinnerte sie sich an die furchtbaren Erlebnisse:



    Rechts war das Leben und links lauerte der Tod! Ich war mit meiner Mutter dort und sie haben uns nicht an den Händen gepackt, auch wenn wir uns ähneln. Wahrscheinlich haben sie nicht gemerkt, dass wir Mutter und Tochter sind und uns deshalb auf die rechte Seite gestellt. Wir wussten nicht, was es bedeutete, und die ganze Familie ging auf die linke Seite, denn es waren noch Tanten, Cousins, mit Kleinkindern dort, und wer kleine Kinder hatte, konnte nicht für die Arbeit eingesetzt und musste vernichtet werden. Und was ich beobachten konnte, und das habe ich auch meiner Mutter gesagt, dass dort überhaupt kein Vogel zu hören war, dort gab es eine Art Wald. Das geschah im Mai oder Juni, und kein Vogel war zu hören. Wie kann es sein, ein Wald, in dem kein Vogel singt? Später habe ich dann verstanden, dass dort die Gaskammern waren und der Wind wahrscheinlich das Gas oder den Rauch weitertrug und es deshalb keine Tiere und Vögel dort gab, sie hätten dort nicht überleben können. Anschlie‎ßend habe ich auch meinen Vater gesehen, denn ihn hatten sie auf die linke Seite gestellt, also auf der Seite der zu Vergasenden. Aber die sagten immer: Geht ruhig, denn ihr werdet euch wiedertreffen, die Alten werden gemeinsam mit den Kindern getrennt untergebracht, alles wird gut. Dann gingen wir durch das Tor, auf dem »Arbeit macht frei« stand, und ich dachte, dass muss was Gutes sein. Wir mussten arbeiten und dann werden wir frei sein, wenn wir arbeiten. Sie haben uns in eine Baracke gebracht, uns die Haare geschnitten und dann habe ich meine Mutter nicht wiedererkannt. Sie stand genau neben mir und ich erkannte sie nur an ihrer Stimme, weil sie wie ein Mann ohne Haare aussah. Ich hielt immer ihre Hand, damit wir nicht getrennt wurden. Ich hatte das Glück, nur drei Tage in Auschwitz zu verbringen. Das bedeutet, dass wir nach nur drei Tagen dem Elend dort entkommen konnten, dem Hunger, man kann alles kaum in Worte fassen.“




    Im Mai 1944 wurde Mauriţiu Sabovici aus Sighetu Marmaţiei infolge der Besetzung Nordsiebenbürgens durch das Horthy-Regime in das Ghetto in Vişeu gebracht. 1997 erzählte er im Interview mit Radio Rumänien, wir er in der Nähe des KZ Auschwitz dem Tod in die Augen schaute. Als gelernter Schlosser durfte er in einer Fabrik au‎ßerhalb des Lagergeländes arbeiten.



    Ein Tag im Lager sah wie folgt aus: Um fünf Uhr standen wir auf, duschten schnell oder wuschen uns, danach mussten wir bei der Inspektion stramm stehen und anschlie‎ßend gab es das Frühstück. Da gab es 100 Gramm Brot und Tee oder schwarzen Kaffee und Margarine. Und um sechs mussten wir uns fertigmachen für den Gang nach Gleiwitz. Die Fabrik war nicht in der unmittelbaren Nähe, wir mussten etwa einen, zwei Kilometer gehen. Und während dieses Fu‎ßmarsches kassierten diejenigen, die seitlich gingen, Schläge, die in der Mitte wurden geschont. Deshalb versuchte jeder in der Mitte zu stehen und nicht seitlich. In der Fabrik wurde man nicht von ihnen geschlagen, dort schlugen uns die Zivilisten. Die SS-Soldaten standen rund um das Fabrikgebäude, damit wir nicht flüchten konnten, aber sie hatten drin nichts zu suchen. Im Gebäude selbst waren die Kapos. Das waren ebenfalls Häftlinge, deutsche Kommunisten, in die die SS mehr Vertrauen hatte. Und sie passten auf uns auf, dass wir arbeiten und nicht umsonst rumstehen. Dann waren noch polnische Juden dort, die uns schlecht behandelten wie die Deutschen. Sie achteten nicht drauf, dass wir Juden waren wie sie, sie waren sauer auf uns und warfen uns vor, dass wir erst ’44 und nicht schon ’39 wie sie im Lager gelandet waren. Sie warfen uns vor, dass wir erst dann gekommen waren, als die Fronten bereits zusammenbrachen, also zu spät. Sie machten uns das Leben zur Hölle, anstatt uns zu helfen. Wir gingen unserer Arbeit nach und sorgten dafür, dass wir keine Schläge einsteckten.“




    Auch der Elektriker Otto Scharudi aus Baia Mare berichtete in einem Gespräch 1997 von ähnlichen Erlebnissen. Im Juni 1944 wurden die Juden aus Baia Mare in einem Ghetto versammelt, bevor sie in einen Güterzug nach Auschwitz verladen wurden.



    Von Auschwitz aus fuhren wir etwa 6 Kilometer mit dem Zug weiter bis zur Haltestelle Birkenau, wo das Vernichtungslager stand. Dort waren wir in einem Zigeunerlager untergebracht, die Kommandanten des Lagers waren ebenfalls Zigeuner. Als wir raus mussten zum Appell, mussten wir durch eine kleine Tür hindurch. Sie trieben uns mit Stöcken, damit wir ganz schnell gingen. Sie können sich 1000 Menschen in einem Stall vorstellen, die alle rauswollen. Dort war ich etwa eine Woche lang, denn inzwischen waren die Deutschen gekommen, die SS also. Sie fragten, wer eine Ausbildung im Bauwesen gemacht habe, also wer Maurer, Tischler, Mechaniker oder Elektriker war. Und wir meldeten uns. Und dort sollten wir bleiben, jeder hat auch eine Nummer bekommen, ich hatte die 13034. Von dort aus wurden wir die 6 Kilometer zurück nach Auschwitz gebracht. Drau‎ßen wurden wir alle nach unseren Berufen sortiert. Wir waren insgesamt 16 Elektriker und wurden in die Werkstatt gerufen. Es war eine ganz gro‎ße Werkstatt mit vielen Masten, man musste auf die Masten klettern und die Kabel nach drau‎ßen ziehen. Sie lie‎ßen einen so testen. Und von 16 sind wir dann nur noch zwei übriggeblieben, die den Beruf ausüben durften. Ich bekam die Aufgabe, die Stacheldrahtzäune zu kontrollieren, denn es waren Hochspannungszäune.“




    Wenigen Ideologien ist es gelungen, in einem einzigen Wort das Wesen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit so zu erfassen, wie es der Nationalsozialismus tat. Dieses Wort lautet Auschwitz und jedem menschlichen Wesen mit Vernunft graut es davor.

  • Der Zweite Wiener Schiedsspruch (1940)

    Der Zweite Wiener Schiedsspruch (1940)

    In den 40er Jahren führte Rumänien eine Aussenpolitik, die dem Land die Integrität seiner Grenzen garantieren sollte. Ab 1938 begann Deutschland in Europa die politischen Fäden zu ziehen, während Frankreich und Grossbritanien eine defensive Politik führten. Rumänien rückt näher an Deutschland, das einzige Land, das seine Grenzen garantieren konnte. Die Annäherung erfolgt jedoch spät, nach der Kapitulation Frankreichs im Sommer 1940. Ungarn und Bulgarien, die Alliierten Deutschlands, die teritorielle Ansprüche gegenüber Rumänien hatten, haben von ihrer günstigen Position profitiert.




    Gheorghe Barbul nahm an den Verhandlungen teil, infolge derer Rumänien im Sommer 1940 gezwungen wurde Nordsiebenbürgen an Ungarn überzugeben. In einem Interview von 1995 für das Zentrum für mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks errinert er sich an die Umstände der Annäherung Rumäniens an Deutschland:




    Der Brief Hitlers vom 15. Juli 1940 ist eine Antwort auf den Brief von König Karl, in dem dieser die Freundschaft Rumäniens anbot. In diesem Brief spricht er über die teritoriellen Probleme. Rumänien hätte von den Nachbarn Gebiete annektiert, als ihre Machtposition ihr das erlaubt hatte. Jetzt, als diese Machtposition verschwunden war, schien es normal für Hitler, dass ein Abkommen zwischen Rumänien und Ungarn einerseits und Rumänien und Bulgarien andererseits ausgehandelt wird. Bessarabien hatten wir schon verloren. Hitler sagte, dass Deutschland das Interesse an Südost Europa verlieren werde, sollte eine Abmachung nicht erreicht werden. Deutschland war stark genug, um auch auf unser Erdöl zu verzichten. Es war eine Art Ultimatum. Hitler sagte praktisch, ihr werdet alleine auskommen müssen, wenn ihr mit euren Nachbarn nicht verhandeln wollt. Da gab es in erster Reihe die Feindseligkeit Russlands, dann Ungarns und Bulgariens. Es war eine sehr schwierige Situation.




    In der gegebenen Lage, zeigt sich Rumänien bereit Verhandlungen mit Ungarn und Bulgarien einzuleiten. Am 16. August 1940 beginnen in der südwestlichen rumänischen Stadt Turnu Severin die rumänisch-ungarischen Verhandlungen. Die ungarische Delegation forderte von der rumänischen Delegation unter Leitung von Valer Pop ein Gebiet von 69 Tausend Quadratkilometern, mit einer Bevölkerung von 3,9 Millionen Einwohnern. Gheorghe Barbul, Sekretär der rumänischen Delegation errinert sich an die Stimmung:




    Wir hielten uns auf einem Schiff im Hafen von Turnu Severin auf ung gingen zur Prefäktur oder zum Rathaus um die Ungarn zu treffen. Die ungarische Delegation wurde von Graf Horthy geführt. Die Gespräche dauerten 3 oder 4 Tage. Jeden Tag geschah dasselbe. Die Ungarn fragten: Welche Territorien seid ihr bereit uns zu übergeben? Valer Pop, der Chef der rumänischen Delegation antwortete immer: Es gibt keine territorielle Angelegenheit zwischen Rumänien und Ungarn, es ist eine Sache der Nationalitäten. Wir übergeben ein Territorium, das für den Bevölkerungstausch zwischen Rumänien und Ungarn ausreicht. Das bedeutete die Ungarn aus dem Zentrum Siebenbürgens, die Ungarn in Targu Mures und aus anderen Gebieten hätten an unsere Westgrenze übersiedelt werden sollen. Weiter hätte man die Rumänen aus den westlichen Gebieten in die von den Ungarn verlassenen Gebieten versetzt. Das war die rumänische These, die die Ungarn nicht akzeptierten und am kommenden wiederholten sie die Frage: Auf welche Territorien verzichtet ihr? Und Valer Pop gab dieselbe Antwort. Nachher zog er sich zusammen mit Horthy in ein Zimmer zurück. Am Tisch standen die Ungarn auf einer Seite und die Rumänen auf der anderen Seite und wir diskutierten. Diese Gespräche haben zu keinem Ergebnis geführt. Die Verhandlungen in Turnu Severin wurden dann abgebrochen ohne etwas Positives zu erreichen.




    Ungarn war mit dem Ergebnis des Treffens unzufrieden und forderte Deutschland und Italien auf einzugreifen und zu schlichten. Am 26. August 1940 laden die Aussenminister Deutschlands und Italiens, Ribbentrop und Ciano, die beiden Seiten zur Schlichtung ein. Das Treffen fand in Wien statt. Rumänien wurde von seinem Aussenminister Mihail Manoilescu vertreten. Gheorghe Barbul dazu:




    Es gab keine Verhandlungen. Manoilescu, der unsere Delegation leitete, wurde die neue Landkarte Rumäniens vorgestellt. Manoilescu wurde ohnmächtig. Er österreichischer Arzt mass seinen Blutdruck. Er konnte nicht weiteres tun, als Bukarest zu informieren. Bukarest zögerte in einem ersten Moment. Es dauerte bis die Zustimmung aus Bukarest kam. In der Zwischenzeit erklärten die Deutschen, dass es eine Vereinbarung zwischen der Sowjetunion und Ungarn gab. In Falle eines Scheiterns der Schlichtung in Wien, sollte ein gemeinsamer Militäreinsatz gegen uns stattfinden sollen. Die Russen sollten bis zu den Ostkarpaten vorrücken und die Ungarn tief in Siebenbürgen. Am 24. August haben uns schon die Deutschen informiert auf dem Pruth gebe es einen Aufmarsch von sowjetischen Truppen. Das scheint war gewesen zu sein, aber auch heute kann man nicht genau sagen, ob es sich um eine Erpressung gehandelt hat oder es der Wirklichkeit entsprach.




    Ribbentrop und Ciano warnen Manoilescu, eine neue Verweigerung seitens Rumänien würde schwerwiegende Folgen für Rumänien haben. Der Kronrat kam in Bukarest zusammen und entschied mit 19 Stimmen dafür und 10 dagegen das Schiedsspruch der Achse zu akzeptieren. Am zweiten Tag, haben die vier Delegationen im Belvedere-Schloss den Schiedsspruch unterzeichnet. Durch diesen ging Nordsiebenbürgen an Ungarn über. Vier Jahre später, infolge noch härterer Verhandlungen gewann Rumänien Nordsiebenbürgen wieder zurück.

  • 70 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    70 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    Am 19. März 1944 befahl Hitler der Wehrmacht, Ungarn zu besetzen und eine Regierung der rechtsextremen, faschistischen und antisemitischen Pfeilkreuzler-Partei durchzusetzen. Die Operation trug den Namen Unternehmen Margarethe I“ und wurde geplant, um einen möglichen Ausstieg Ungarns aus dem Krieg, so wie es mit Italien 1943 passiert war, zu verhindern. Ein ähnlicher Besatzungsplan Rumäniens war im Besitz des deutschen Botschafters in Bukarest, Manfred von Killinger, und hie‎ß Unternehmen Margarethe II“.



    Die Einführung der Pfeilkreuzler-Regierung unter der Leitung von Ferenc Szálasi brachte mit sich eine Welle antisemitischer Verfolgungen in Nordsiebenbürgen. Diese Region wurde infolge des sogen. Zweiten Wiener Schiedsspruchs vom 30. August 1940 von Ungarn besetzt. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge wurden 150.000 – 200.000 Juden aus Ungarn und Nordsiebenbürgen innerhalb von vier Monaten, zwischen Mai und Oktober 1944, in den Nazi-Konzentrationslagern getötet. Etwa 15.000 waren zwischen 1941 und 1944 deportiert worden. In Ungarn selbst überlebten zudem Hunderte Juden nicht einmal den Weg in die Vernichtungslager: Sie wurden auf der Stelle erschossen und in die Donau geworfen.



    Seit den schlimmen antisemitischen Verfolgungen in Nordsiebenbürgen sind 70 Jahre vergangen. Die rumänische und ungarische Zivilbevölkerung hat so weit wie möglich versucht, die Verfolgten zu schützen. Gheorghe Moldovan war 1941 Schüler in Braşov (Kronstadt). 1997 berichtete er dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks, wie im unbesetzten, rumänischen Teil Siebenbürgens eine Organisation für die Verteidigung der Juden gegründet wurde.



    Nach der Abtretung Nord-Siebenbürgens an Ungarn flüchteten aus Gherla (dt. Neuschloss od. Armenierstadt) ins Haus des Priesters Macavei in Blaj (Blasendorf) der Geschichtsprofessor Semproniu Mihali, seine Frau Natalia und der Französischlehrer Gheorghe Pop. Wir wohnten alle in diesem zentralgelegenen Gebäude. Sie waren au‎ßerordentliche Menschen, patriotisch eingestellte Rumänen, und kurz nachdem ich in ihrem Haus gewohnte hatte, erfuhr ich, dass sie einer Organisation angehörten. Es handelte sich um einen gegenseitigen Hilfeverein für die jüdische Bevölkerung aus dem abgetretenen Teil Siebenbürgens und Rumänien. Diese Organisation war vom Professor Semproniu Mihali geleitet und ich diente ihr als Verbindungsmann. Ich sollte vier Familien zu den Treffen der Organisation aufrufen, es handelte sich um die Familien Veiss, Grun, Holtzinger und Menden. Insgesamt gab es selbstverständlich mehrere Familien, die sich meistens bei Professor Mihali zu Hause trafen.“




    Die Organisatoren des Hilfsvereins gingen auch über die Grenze, um mit den Hilfsbedürftigen ständig in Verbindung zu bleiben. Zu den kleinen Erfolgen der Organisation zählte auch der Schutz der Juden in Rumänien, die unter Rassenverfolgung viel zu leiden hatten. Gheorghe Moldovan mit Einzelheiten:



    Der Priester Macavei war damals Rumäniens Vertreter in Budapest, weil wir keine Botschaft hatten. Dort gab es eine von ihm geleitete Priestergruppe, die uns ständig über die Situation der Rumänen und Juden aus dem abgetretenen Siebenbürgen informierte. Ein Jude, an dessen Namen ich mich jetzt nicht mehr erinnere, kam regelmä‎ßig heimlich über die Grenze aus Nordsiebenbürgen nach Blaj, um zusammen mit Professor Mihali und den anderen die Flucht der Juden aus Ungarn über Rumänien und weiter nach Palästina (nach 1947: Israel) zu planen. Diese Organisation existierte von 1940 bis 1948. Es gab ziemlich viele Juden in Blaj, weil es dort auch eine Synagoge gab. Alle wurden von dieser Organisation geschützt. Keinem ist etwas Böses geschehen, sie konnten ihre Tätigkeiten fortsetzen, sie wurden nicht deportiert. Professor Mihali war sehr aktiv. Wenn jemand ein Problem hatte, ging er mit Hilfe des Priesters Macavei zu allen Behörden, um Unterstützung zu finden. Frau Mihali fuhr nach Nordsiebenbürgen. Sie hatte ein Haus in Gherla, das sie gegen eines in Bukarest eingetauscht hatte. Sie verbrachte viel Zeit auch in Sângeorgiu de Pădure, wo sie verschiedene Kuren machte. So hatte sie Kontakt zu den Juden in Nordsiebenbürgen und konnte ihnen helfen.




    Gheorghe Moldovan hatte die Chance eines Treffens mit einer legendären Gestalt. Es geht um den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Er war der Retter von Tausenden Juden aus Ungarn, die über die Grenze nach Rumänien kamen.



    In erster Linie ging es um die Rettung vor der Deportation. In anderen Landesgegenden wurden die Juden gesammelt und in Arbeitslager gebracht. Die Juden aus Nordsiebenbürgen wurden also nicht nach Auschwitz geschickt. Man konnte illegale Grenzüberquerungen organisieren. Ich traf diesen Menschen, der zahlreiche Male bei uns war und sich bei mir persönlich bedankte. Ich habe nachträglich die Beschreibungen gelesen. Es scheint Wallenberg gewesen zu sein. Er war ein hochgewachsener Mann, ein au‎ßerordentlicher und mutiger Mensch.“




    Der Albtraum der Juden in Nordsiebenbürgen ging am 25. Oktober 1944 zu Ende, als die sowjetische und die rumänische Armee Nordsiebenbürgen befreiten.



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