Tag: Oana Neneciu

  • Umweltverschmutzung: Illegale Abfall-Verbrennungen verpesten die Luft

    Umweltverschmutzung: Illegale Abfall-Verbrennungen verpesten die Luft



    Die Verkehrseinschränkungen und Ausgangssperren während der Pandemie — insbesondere im Frühjahr 2020, als der Notstand zum ersten Mal ausgerufen wurde — haben vorübergehend zur einer Abnahme der Luftverschmutzung in Gro‎ßstädten und Ballungsräumen geführt. Gerade in Bukarest, das in puncto Umweltverschmutzung EU-weit einen unrühmlichen zweiten Platz unter allen Hauptstädten belegt, war damals die bessere Luft sofort spürbar — weniger Autos im Verkehr verursachten auch weniger schädliche Ausstö‎ße in die Atmosphäre. Doch paradoxerweise konnten die Bukarester dank der besseren Luft ein anderes Phänomen verstärkt wahrnehmen — besser gesagt: riechen –, das schon länger präsent und bis dahin eher ignoriert worden war. Insbesondere in Randbezirken der Hauptstadt verpesten in regelmä‎ßigen Abständen stinkende Rauchschwaden die Luft, die von Verbrennungen au‎ßerhalb der Stadt kommen und die Einwohner wütend machen. In Ermangelung einer entschiedenen Reaktion der Behörden hat wie so oft die Zivilgesellschaft auf die Missstände reagiert. Oana Neneciu ist Mitglied des Umweltvereins Ecopolis und koordiniert die Überwachung des Luftsensoren-Netzwerkes Aerlive, mit dem die Luftqualität in Gro‎ßstädten gemessen wird. Sie wei‎ß auch nur ungefähr, wer die Luftverschmutzer sind, und ärgert sich über die Untätigkeit der Behörden:



    Leider haben wir überhaupt keine offiziellen Daten von den Behörden, die sich dieser unsäglich unangenehmen Sache annehmen müssten. Und unsere Informationen sind auch nicht vollständig. Wir können nur vor Ort und meistens nachträglich feststellen, was passiert ist. Es handelt sich um die Verbrennung von Autoteilen, die vor der Verschrottung oder dem Auseinandernehmen nicht unmittelbar wiederverwertbar sind — meistens Autoreifen. Sie werden auf leerstehenden Feldern oder an Orten zusammengetragen, die im Umland von Bukarest, aber auch im entfernteren Landkreis Dâmbovița zur Verfügung stehen. Von Zeit zu Zeit werden sie verbrannt, die Einwohner dieser Ortschaften, die die Autos nach unserer Kenntnis auch auseinanderbauen, zünden sie ohne Bedenken einfach an. Aber offizielle Daten zu diesen Vorgängen gibt es wie gesagt nicht. Wir von Ecopolis und Aerlive haben daher seit diesem Herbst unter den Stichworten Verbrannte Luft“ eine Kampagne gestartet. Ziel ist es, dem Phänomen auf den Grund zu gehen, um zu erfahren, woher die Abfälle stammen, wer sie den Flammen preisgibt und warum die Kommunalbehörden nicht oder nur halbherzig reagieren. Auch wollen wir wissen, warum die örtliche Müllabfuhr diese Abfälle nicht einsammelt, um zu verhindern, dass sie unsachgemä‎ß verbrannt werden.“




    Wie schädlich diese Abfall-Verbrennungen für die Gesundheit der Menschen sind, belegt eine Studie, die Aerlive zusammen mit dem Institut für Atomphysik im nahe gelegenen Măgurele erarbeitet hat. Dort hei‎ßt es, dass die Verbrennung von Abfällen in gewöhnlichen, haushaltsüblichen Öfen sogenannte PM-10-Partikel freisetzen, die signifikant mehr krebserregende chemische Stoffe beinhalten als beim Verheizen von Holz. Auch beim Verbrennen von Abfällen, die Kunststoffe beinhalten (beispielsweise PET-Flaschen, Polyurethanschaum, Kleidung), werden erhöhte Mengen an Kohlenwasserstoffen mit tausendfach höherer Konzentration an Schadstoffen freigesetzt. Das Phänomen der illegalen Verbrennung von Abfällen hat derma‎ßen zugenommen, dass letztendlich die Behörden doch darauf aufmerksam geworden sind. Beispielsweise musste der Katastrophenschutz im Jahr 2020 mehr als 130mal intervenieren und feststellen, dass insgesamt über 870 Tonnen Abfall auf illegalen Deponien verbrannt wurden. Oana Neneciu vom Umweltverband Ecopolis meint, dass die Behörden zu wenig dagegen tun.



    Der Katastrophenschutz berichtet über Einsätze auf privaten Grundstücken, wo solche illegale und unkontrollierte Abfall-Verbrennungen stattfinden — das passiert meistens in den Höfen der Menschen oder in der Umgebung. Doch wenn die Verbrennungen auf Feldern stattfinden, bekommen die Leute Wind davon, dass der Katastrophenschutz unterwegs ist, und löschen die Feuer, bevor die Behörden da sind. Auch die Umweltpolizei musste mehrmals eingreifen, beispielsweise im Dorf Sintești, unweit von Bukarest. Doch allzu genaue Information über die Vorfälle fehlt, und das finden wir besorgniserregend. Gerade deshalb wollen wir Druck ausüben, damit die Behörden viel entschlossener reagieren.“




    Wie kommt es jedoch zu so vielen illegalen Abfall-Deponien? Die EU-Kommission hat Rumänien unlängst erneut vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verstö‎ße gegen die einschlägige EU-Richtlinie verklagt. Rumänien hat schlicht und einfach die Auflagen nicht erfüllt, die vorschreiben, dass Mülldeponien und Abfall-Sammellager bestimmte Standards zu respektieren haben, damit die Gesundheit der Menschen und die Umwelt nicht belastet werden. Mit dem Problem der Müllhalden im Umland von Bukarest beschäftigt sich auch der Verein Natur und Umweltschutz“. Bogdan Tucmeanu leitet den Verein und sagt, dass das Problem oft hausgemacht sei, während die Behörden jahrelang tatenlos hingenommen haben, dass die Umweltverschmutzung vor der eigenen Haustür zunimmt:



    Im Nordwesten der Hauptstadt gibt es eine ganze Reihe von Müllabfuhr-Unternehmen, die ebenso viele Abfall-Deponien betreiben. Sechs oder sieben gibt es davon, hinzu kommt die von der Stadt selbst betriebene gro‎ße Müllhalde im Vorort Rudeni, der eigentlich eingemeindet ist und somit zum 1. Bukarester Stadtbezirk gehört. Jahr für Jahr hat die mit diesen Abfall-Deponien zusammenhängende Umweltverschmutzung zugenommen. Es gibt auch noch viele industrielle oder halbindustrielle Anlagen, die ebenfalls sehr belastend für die Umwelt sind, mal abgesehen von der klassischen Luftverschmutzung durch den Verkehr und die Heizsysteme der Wohnsiedlungen.“




    Müllhalden, die den Umwelt-Standards nicht entsprechen, sind nur ein Teil des Problems. Mit dem Verbrennen von nicht sofort wiederverwertbaren Abfällen versuchen einige Menschen, einen Gewinn zu erzielen, etwa indem das Metall in Elektrokabeln freigelegt wird. Somit nimmt das Problem auch eine wirtschaftliche Dimension an, führt Bogdan Tucmeanu weiter aus:



    Ja, es gibt leider diese unglückliche Mode der Kabelverbrennung, um etwa an seltene Metalle zu kommen — für manche Menschen eine Möglichkeit, ihr Auskommen zu verbessern. Doch ist eine solche Methode extrem umweltschädigend und leider kann niemand genau sagen, welches Ausma‎ß das Phänomen der illegalen Abfall-Verbrennungen hat. Und die Behörden haben — wie so oft — keine kohärente Herangehensweise oder handeln überhaupt nicht.“




    Handlungsbedarf besteht auch in der Politik. Unlängst wurde im Senat ein Gesetzentwurf eingereicht, mit dem die aktuelle Gesetzeslage im Umweltschutz verschärft werden soll. Illegale Abfall-Verbrennungen sollen demnach als Straftat gelten und künftig mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren oder deftigen Bu‎ßgeldern geahndet werden.

  • Aerlive: Zivilgesellschaft macht mobil in Vermessung und Bekanntmachung der Luftverschmutzung

    Aerlive: Zivilgesellschaft macht mobil in Vermessung und Bekanntmachung der Luftverschmutzung

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die besonders hohe Luftverschmutzung festgestellt und in diesem Frühling Rumänien wegen des systematischen Versäumnisses, die Umweltverschmutzung in der Landeshauptstadt zu reduzieren, verurteilt. Das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union ist das Ende eines langwierigen Vertragsverletzungsverfahrens. Daten aus dem Jahr 2018 weisen darauf hin, dass die Luftverschmutzung jährlich mehr als 23.000 Rumänen tötet und Krankheiten wie Lungenkrebs, Herz und Kreislauferkrankungen, Erkrankungen der Atemwege verursacht. Krankheiten haben aber auch wirtschaftliche Auswirkungen. Laut der kürzlich von der Europäischen Allianz für Öffentliche Gesundheit herausgegebenen Studie, betitelt Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Ausgaben des Gesundheitswesens“, verzeichnet Bukarest jährliche Verluste in Höhe von 6,35 Milliarden Euro. Diese sind Ausgaben, die durch die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Bürger entstehen.



    Jeder Einwohner Bukarests verliert auf diese Weise jährlich ca. 3.000 Euro, während die durch Umweltverschmutzung verursachten sozialen Ausgaben im Schnitt etwa bei 1.800 Euro für jeden Rumänen liegen. Es ist klar, dass Ma‎ßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung überfällig sind. Dazu müssen wir jedoch genau wissen, welche Schadstoffe und in welcher Konzentration wir einatmen und wo die höchste Konzentration verzeichnet wird. Zu diesem Zweck gründeten mehrere NGO vor etwa einem Jahr die Plattform Aerlive. In Folge des Projekts wurden Messstationen in Bukarest installiert und die Werte auf einer Online-Karte dargestellt, die von jedermann eingesehen werden kann. Aerlive-Stationen messen das Niveau der Feinstaubwerte PM10 und PM5 sowie jenes von fünf toxischen Gasen. Oana Neneciu, Koordinatorin der Aerlive-Plattform, sprach darüber, warum erst die Zivilgesellschaft es ermöglichte, dass alle das Niveau der Luftverschmutzung sehen können.



    Es war zwingend notwendig, diese Plattform in Bukarest zu haben, und sie ist auch in anderen Städten, die gro‎ße Probleme mit der Umweltverschmutzung haben, zwingend erforderlich. Warum wir glaubten, dass diese Plattform erforderlich ist? Die Messstationen des nationalen und offiziellen Netzwerks des Umweltministeriums funktionierten nicht immer und nicht immer richtig. Die Stationen sind sehr alt. Sie sollten alle fünf Jahre ausgewechselt oder modernisiert werden. Dies ist in den vergangenen 15 Jahren nicht geschehen. Au‎ßerdem arbeiten sie nicht ständig, und wenn nicht ständig Daten zur Verfügung stehen, können auch keine genauen Auswertungen und Überwachungen vorgenommen werden. Ein weiteres Problem ist ihre geringe Zahl. Für Bukarest sind lediglich 8 in Betrieb, zwei davon befinden sich im umgebenden Landkreis Ilfov. Diese Luftüberwachungsstationen sind zu etwa 60–70% der Zeit in Betrieb. Auch diese Stationen verzeichnen sehr oft sehr hohe Werte.“




    Die Hauptursachen der Luftverschmutzung in Bukarest sind der Verkehr, genauer gesagt die Abgase, und die Fernwärme. Was passiert unter diesen Bedingungen mit der Luft, die wir einatmen? Oana Neneciu:



    In Bukarest haben wir während der Winter- und Frühlingsmonate Smog. Letztes Jahr war seit Dezember, als unsere Plattform ins Leben gerufen wurde, die Feinstaubbelastung bis März dieses Jahres sehr hoch. Die Werte sanken erst, als der Lockdown verhängt wurde. Schlimmer ist, dass es an Wochenenden vereinzelt zu massiver Luftverschmutzung kommt, bei denen die Konzentration der Feinstaub-Partikel PM10 und PM5 fünf- bis sechsmal überschritten wurden. Dies geschah mehrmals im März. Es war ein erstes Warnzeichen. Auch wir wussten nichts davon. Wir glaubten, dass der Verkehr während des Tages der Hauptverursacher der Luftverschmutzung ist. In der Nacht oder an Wochenenden gibt es jedoch eine weitere Luftverschmutzungsquelle. So erfuhren wir, dass es in der Umgebung von Bukarest, ja sogar am Stadtrand, illegale Müllverbrennungen gibt. In diesen Gebieten registrierten unsere Sensoren ebenfalls sehr hohe Werte.“




    All dieser Informationen zum Trotz wurde in Bukarest nichts unternommen, um die Luftverschmutzung zu verringern. Seit März, als der Lockdown begann, wurden nur noch vereinzelt Werte verzeichnet, die die Gesundheit der Menschen gefährden. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Verkehr für einen Gro‎ßteil der Verschmutzung verantwortlich ist. Aber was wir beginnend mit März feststellen, ist nur ein Nebeneffekt der Coronavirus-Pandemie, denn die zuständigen Behörden haben nichts unternommen, so Oana Neneciu.



    Der Bericht, den das Umweltministerium für 2019 an die Europäische Kommission geschickt hat, deutet immer noch auf eine Vertragsverletzung an. Zwei Stationen in Bukarest haben mehr als 35 Mal pro Jahr Überschreitungen der PM10-Werte verzeichnet. Das bedeutet, dass wir erneut Gefahr laufen, einem Vertragsverletzungsverfahren unterzogen zu werden. Nachdem gerade ein Verfahren abgeschlossen und Rumänien verurteilt wurde, weil wir es versäumt haben, die notwendigen Ma‎ßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu ergreifen.“




    Das Gute ist, dass das Aerlive-Projekt das Interesse der Bürger an der Luftqualität geweckt hat, was durch die Kampagne Adoptiere eine Messstation“ deutlich wurde. Im Folge dieser Kampagne haben sich Einwohner Bukarests registriert, um eine Station in ihrer Nachbarschaft installieren zu lassen. Gegenwärtig hat das Aerlive-Netzwerk 20 Messtationen. Der Erfolg der Plattform regte ein ähnliches Projekt in Cluj (Klausenburg) an, einer weiteren Stadt, die unter Luftverschmutzung leidet.

  • Luftqualität in rumänischen Großstädten: so schlecht wie noch nie

    Luftqualität in rumänischen Großstädten: so schlecht wie noch nie

    Die Luftverschmutzung in den Gro‎ßstädten Rumäniens ist ein immer wiederkehrendes Thema in der rumänischen öffentlichen Debatte. Neuerdings wurden die Gespräche zum genannten Thema wieder angeregt — diesmal durch die Veröffentlichung der Ergebnisse einiger unabhängiger Vermessungsverfahren. Diese zeigten, dass die vom Gesetz zugelassenen Werte stark übertroffen worden seien. Unter diesen Umständen legten etwa 20 Umweltschutzorganisationen ihre Kräfte zusammen und schrieben einen offenen Brief an die zuständigen Behörden. Sie ersuchten die Verantwortlichen, konkrete Ma‎ßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu treffen. Mehr Einzelheiten dazu bringt Oana Neneciu, die Geschäftsführerin der gemeinnützigen Umweltschutzorganisation Ecopolis:



    Anfang Dezember starteten wir die gemeinschaftliche Plattform aerlive.ro. Wir wollen möglichst viele Sensoren zur Vermessung der Luftqualität einführen, einschlie‎ßlich Sensoren, die von den Bürgern zur Verfügung gestellt werden. Die vorläufigen Ergebnisse der 10 Messstationen wiesen im Monat Januar beträchtliche Überschreitungen der zugelassenen Werte auf. Auch die zugelassene Höchstgrenze für Feinstaub wurde stark übertroffen. Anscheinend wurden dreimal mehr Partikeln in der Luft vermessen, als die Standards der Weltgesundheitsorganisation zulassen. Wir haben es also mit beträchtlichen Überschreitungen zu tun. Die Plattform aerlive.ro umfasst derzeit 10 Messvorrichtungen für die Bewertung der Luftqualität. Bis April wollen wir 40 Messanlagen auf der Plattform haben. Andererseits gibt es auch noch die Vermessungsvorrichtungen des Umweltministeriums. Das nationale Netz umfasst 6 Messstationen in Bukarest und 2 im angrenzenden Landkreis Ilfov. Allerdings sind diese Messanlagen nicht immer in Betrieb, also können wir uns auf die von ihnen angezeigten Werte nicht verlassen. Konstante, beträchtliche Überschreitungen werden vor allem abends und am Wochenende verzeichnet. Wir hätten das nicht erwartet, denn wir dachten, der heftige Verkehr sei die Hauptursache für die Luftverschmutzung. Es scheint aber, dass die Heizungssysteme vielmehr zur Luftverschmutzung beitragen. Und auch bei Nebel schweben anscheinend die Partikel auf Menschenhöhe. Es bildet sich eine Art Smog. In unserem Brief betonen wir, dass die Luft apolitisch sei. Das Thema sei nämlich mit der öffentlichen Gesundheit in Verbindung zu setzen und habe nichts zu tun mit irgendwelchen politischen Interessen oder Wahlkampagnen.“




    Ärzte weisen darauf hin, dass der Staub und die Giftstoffe in der Luft die Ursache für zahlreiche Erkrankungen seien. Unter diesen Umständen seien die Kinder besonders gefährdet. Die Luftverschmutzung sei die drittwichtigste Sterbeursache weltweit — das legen zumindest die Fachleute nahe. Neun von zehn Menschen in der Welt atmen verschmutze Luft ein. Mehr als 500.000 Kinder unter 5 Jahren sterben jährlich infolge von verschiedenen Atemwegsinfektionen — verursacht durch die Luftverschmutzung und das passive Rauchen.