Tag: Ostblock

  • Personenkult im Kommunismus: Stalin-Städte in Europa

    Personenkult im Kommunismus: Stalin-Städte in Europa

    Nach 1945 besetzte die siegreiche Sowjetunion im Krieg gegen Nazi-Deutschland halb Europa und setzte ihr eigenes politisches, wirtschaftliches und soziales Modell durch. Dieses Modell beinhaltet auch den Personenkult des obersten Befehlshabers, in diesem Fall die Verehrung von Josef Wissarionowitsch Dschughaschwili alias Stalin. Die kommunistische Propaganda forderte, dass die Liebe zu Stalin grenzenlos sein müsse: Von den einfachen Menschen über grandiose Projekte bis hin zu Städten war Stalins Name allgegenwärtig. Kommunistische Führer in Albanien, Bulgarien, der Tschechoslowakei, der Deutschen Demokratischen Republik, Polen, Rumänien und Ungarn haben bedeutende Städte nach Stalin umbenannt, nach dem Gro‎ßen Führer“, wie ihn die sowjetische Propaganda nannte.



    Das sowjetische Umbennenungsmodell war jedoch nicht nur auf Stalins Namen beschränkt. Andere kommunistische Führer wurden auf diese Weise geehrt. 1953 wurde die Stadt Chemnitz in der DDR in Karl-Marx-Stadt umbenannt. In Jugoslawien, wo es keine Stalin-Stadt gab, wurde die heutige Hauptstadt Montenegros, Podgorica, von 1946 bis 1992 Titograd genannt, nach dem Namen des kommunistischen Führers Josip Broz Tito. In Rumänien erhielt die Stadt Oneşti den Namen Gheorghe Gheorghiu-Dej, und die Stadt Ştei wurde Dr. Petru Groza genannt, nach den Namen zweier sehr prominenter rumänischer kommunistischer Führer.



    Nicolae Pepene, der Direktor des Kreismuseums für Geschichte in Braşov (Kronstadt), initiierte das Projekt der Stalin-Städte: Im Jahr 2017, dem Jubiläumsjahr der bolschewistischen Revolution, erhielt er mit diesem Projekt Finanzierungsmittel von der Europäischen Union. Wir fragten Nicolae Pepene, welche Erklärung es dafür gibt, dass Braşov zeitweilig zu Stalin-Stadt (rum. Oraşul Stalin) wurde.



    Es gibt eine offizielle Erklärung, die wir in der Presse dieser Zeit finden, nämlich dass die Arbeiter der staatlichen Eisenbahngesellschaft CFR dachten, sie würden dadurch die Freundschaft mit dem gro‎ßen Führer und die Fürsorge des gro‎ßen Führers Stalin für das rumänische Volk, für die rumänischen Arbeiter, würdigen. Es gab irgendwie auch eine Verbindung zum heimischen kommunistischen Führer Gheorghe Gheorghiu-Dej. Alles wurde in diesen propagandistischen Rahmen gestellt. Die Namensänderung fand am 22. August 1950 statt, einen Tag vor dem 23. August, wieder ein symbolischer Moment für das kommunistische Regime und damals Nationalfeiertag. Leider haben die Historiker nichts aufgezeichnet, wir können uns blo‎ß vorstellen, dass es sich um eine Geste der Ergebenheit der lokalen Behörden handelte, weil der Name Stalin bereits in Mode war. Die Beziehungen zur Sowjetunion im kulturellen Leben waren sehr präsent. Seit 1949 gab es ein Denkmal des sowjetischen Soldaten im Stadtpark, wir hatten auch ARLUS, das Haus der rumänisch-sowjetischen Freundschaft, das sehr aktiv war. Es kamen Schriftsteller aus der Sowjetunion, und es gab auch einen Austausch von Arbeitern und Lehrern aus den zwei Ländern. Kronstadt war eine Speerspitze der Propaganda, es war eine sehr mächtige Arbeiterstadt. Obwohl Kronstadt während des Krieges von den Bombenangriffen der Alliierten betroffen worden war, blieb die hiesige Industrie bestehen, und nach der Machtübernahme der Kommunisten wurden massive Investitionen getätigt. Es gibt auch Spekulationen einiger Historiker aus Braşov, dass es eine Geste zur Erniedrigung der sächsischen Bevölkerung gewesen wäre. Wir dürfen nicht vergessen, dass Kronstadt bis zum Beginn des Kommunismus eine sehr wichtige Stadt für die Siebenbürger Sachsen war.“




    Die Propagandisten waren sehr eifrig, sie wollten, dass die Menschen sich die neuen Namen merken. Deshalb wurde auf dem Berg Tâmpa (dt. Zinne) oberhalb von Kronstadt eine Schneise durch den Wald geschlagen, so dass von unten, von der Stadt aus, jeder den neuen Namen STALIN“ in riesigen Lettern am Berghang sehen konnte. Die europäische Karte der Stalin-Städte erstreckte sich von der Sowjetunion bis Mitteleuropa. Kein Land, das zum kommunistischen Lager gehörte, entkam der Praxis, eine Stadt nach Stalin zu taufen. Nicolae Pepene sagte uns, welche Städte nach 1945 in die unerwünschte Landkarte der Stalin-Städte eingetragen wurden.



    Wir müssen mit der Sowjetunion beginnen, denn von dort kam das Vorbild. Zuerst wurde Wolgograd zu Stalingrad. Dann hie‎ß Donezk Stalin-Stadt. Nach 1945, nach der Besetzung Mittel- und Osteuropas durch die Sowjets, entstand auch der notwendige propagandistische Rahmen. Die Stadt Varna in Bulgarien erhielt den Namen Stalin-Stadt. Wir beginnen mit Varna, weil die Bulgaren im Jahr 1949 die ersten waren, die den Namen einer Stadt zu Stalin-Stadt änderten. Und sie wählten eine wichtige Stadt: Damals war Varna nach Sofia die wichtigste Stadt Bulgariens. Dann kam die stalinistische Wende nach Polen: Eine sehr mächtige Arbeiterstadt in einem Industriegebiet Schlesiens, die Stadt Katowice, wurde zu Stalin-Stadt. Die Polen konnten dadurch allerdings keine Vorteile ergattern, weil sie im Jahr 1953, kurz nach dem Tod Stalins, den Namen änderten, aber 1956 kehrte die Stadt schneller als andere zum Namen Katowice zurück. Eine ungarische Stadt, die den Namen Sztálinváros, »Stalinburg«, erhielt, war eine damals neue, aus dem Boden gestampfte Stadt. Die heute Dunaújváros (dt. Neustadt an der Donau) hei‎ßende Stadt wurde an der Donau in Ungarn errichtet. Es ist eine Hochburg der metallurgischen Industrie Stadt, das wichtigste metallurgische Zentrum Ungarns. In Albanien gab es auch eine Kleinstadt, die zu Stalin-Stadt (Qyteti Stalin) umbenannt wurde. Die Albaner wählten keine wichtige Stadt, sondern die Kleinstadt Kuçova, eine Bergbaustadt südlich von Tirana. In der DDR gab es auch eine Stalin-Stadt, nämlich Eisenhüttenstadt, eine Stadt der Metallurgie-Arbeiter. Interessanterweise gab es in der Tschechoslowakei keine Stalin-Stadt, sondern nur wichtige Viertel in verschiedenen Städten, die umgetauft wurden. Ein sehr wichtiger Bezirk in Prag wurde Stalin genannt, ebenso ein wichtiger Bezirk in Ostrava (Ostrau).“




    Die Stalin-Städte kehrten früher oder später zu ihren alten Namen zurück, je nachdem, wie sich die Umstände in jedem Land änderten. Katowice und Varna nahmen 1956 ihre alten Namen wieder auf, Braşov (Kronstadt) 1960, Eisenhüttenstadt und Dunaújváros 1961. Ebenfalls 1961 erhielten Wolgograd und Donezk ihre alten Namen zurück, und 1991 war Kuçova in Albanien die letzte Stalin-Stadt, die ihren sowjetischen Namen aufgab.

  • Debatte: 1989 – der Wendepunkt hin zur europäischen Gesinnung

    Debatte: 1989 – der Wendepunkt hin zur europäischen Gesinnung

    Das Jahr 1989 hatte einen starken Einfluss auf die Geschichte Rumäniens, aber auch auf die Geschichte Europas in seiner Gesamtheit. Grenzen wurden geöffnet, die Berliner Mauer fiel, was auch das Ende des Kalten Krieges bedeutete, während ausgedehnte Protestkundgebungen zum Fall der kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa führten. Ganz im Gegensatz zu den anderen Staaten des ehemaligen Sowjetblocks wurde in Rumänien die Abschaffung des Kommunismus teuer bezahlt und forderte mehr als tausend Menschenleben. Nach Jahrzehnten ideologischer Unterdrückung nahm die rumänische Gesellschaft schlie‎ßlich ihren demokratischen Weg wieder auf. Unmittelbar nach 1989 fiel es der rumänischen Gesellschaft jedoch wirklich schwer, die demokratische Entwicklung der westlichen Länder nachzuholen, da man sich mit der eigenen Vergangenheit unter einem totalitären Regime auseinandersetzen musste.



    Das Französische Institut in Bukarest war Gastgeber einer Debatte zum Thema 1989. Der Wendepunkt.“ Ziel der Debatte war es schlie‎ßlich, die Situation der heutigen europäischen Gesellschaft zu analysieren. Es scheint jedoch, dass es sehr schwierig ist, auf die Erinnerung zurückzugreifen, vor allem bei rumänischen Jugendlichen. Elena Calistru, Leiterin der NGO Funky Citizens“:



    Was die Jugendlichen betrifft, mit denen wir im Bereich der bürgerlichen Erziehung zusammengearbeitet haben, kann ich Ihnen sagen, dass es nicht ihre Schuld ist, dass ihre Lehrpläne keine jüngere Geschichte enthalten haben, deren Abdeckung gro‎ß genug hätte sein können, um die Tatsache auszugleichen, dass sie zu dieser Zeit noch nicht geboren waren. Vielleicht leben wir in der bestmöglichen Zeit, aber für viele der Jugendlichen, mit denen wir zusammenarbeiten, reicht das nicht aus, da sie dafür keinen Vergleich haben. Und ich denke, wir werden sie verlieren, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Wir werden sie höchstwahrscheinlich vor ihrem Laptop sitzen finden, wo sie einen Videoclip voller Hass und Diskriminierung gedreht haben.“




    Die Massenmedien haben ihre natürliche Reichweite in der virtuellen Welt, dank des Informationsflusses, dem die Laien über das Internet ausgesetzt sind. Und dabei sind die Nachrichten immer schwieriger zu kontrollieren. Die Überflutung durch Fake News“ scheinen die Gesellschaft unvorbereitet erwischt zu haben, sowohl in westlichen Ländern als auch in Rumänien. Abgesehen von dem Phänomen der Verbreitung gefälschter Nachrichten, das in letzter Zeit an Bedeutung zu gewinnen scheint, sehen sich die Massenmedien einem beispiellosen Anstieg der übermä‎ßigen Folgen gegenüber, die Informationen über das Bewusstsein der demokratischen Gesellschaft haben können. Liviu Tofan ist ein Journalist, der während des kommunistischen Regimes für die rumänische Abteilung von Radio Freies Europa arbeitete:



    Wann immer wir über Populismus sprechen, müssen wir auch vorsichtiger mit Nuancen umgehen, denn oft haben die Medien, insbesondere die Medien mit einem sehr starken kommerziellen Touch, wie es in Rumänien der Fall ist, die Tendenz, die Dinge kritisch, wenn nicht sogar negativ zu präsentieren. Es ist genau die Methode, die Populisten anwenden, wenn sie negative Emotionen erzeugen wollen, indem sie Gefahren projizieren, die es tatsächlich nicht gibt. Es ist genau so, wie es im Falle des Terrorismus geschieht, wenn die Presse der unbeabsichtigte Komplize von Terroristen ist, indem sie den Terror fördert.“




    Dennoch scheint die heutige demokratische Gesellschaft eine immer grö‎ßere Fähigkeit zu haben, diese Dinge zu erkennen. Die Rumänen lie‎ßen sich in ihrer Eigenschaft als Bürger der Europäischen Union immer weniger vom politischen Diskurs beeinflussen und analysierten ihre Haltung gegenüber den anderen Europäern. Elena Calistru von der NGO Funky Citizens“:



    Die Menschen interessieren sich für Themen mit einem Umfang, der grö‎ßer ist als ihr unmittelbares Leben, als ihre Brieftasche und das Geld, das sie haben, um über die Runden zu kommen. Das ist die Wahrheit, die Gesellschaft verändert sich und blickt ein wenig weiter. Die Sache ist, dass die Gesellschaft der politischen Klasse ein paar Schritte voraus ist, während dieser Riss sich vertieft und wächst. Die Gesellschaft verändert sich, und dieser Wandel ist zum Besseren, wage ich zu behaupten. Nie zuvor hatten wir eine grö‎ßere Anzahl von gebildeten Menschen auf dieser Welt.“




    Nach der Wirtschaftskrise ist die Euroskepsis zu einer gro‎ßen Bedrohung für die Europäische Union geworden. Diese Skepsis geht manchmal mit dem starken Wunsch einher, die Souveränität und Identität der europäischen Nationen gegen die Idee eines europäischen Bundesstaates zu bewahren. Es scheint jedoch, dass die rumänische Gesellschaft diesem Trend nicht folgt. Der Politikwissenschaftler Robert Adam erläutert:



    Warum setzt sich der euroskeptische Diskurs in Rumänien im Wesentlichen nicht durch? Weil es einfach im Widerspruch zum rumänischen nationalen Ethos steht. Mit anderen Worten: Die gesamte Gründungsgeschichte der rumänischen Nation ab 1848 ist die einer Modernisierung, die stets mit dem Westen verbunden war. Wir haben nicht, wie in Ungarn, Polen oder anderswo, einen Ersatz dafür. Wir hatten zwar auch unsere Momente, in denen wir auch einen Hang zum identitären Diskurs hatten, aber das endete meistens ziemlich schlecht. Wenn wir also einen solchen Diskurs populär machen wollten, müssten wir dem entgegenwirken, was die Menschen in der Schule oder in ihren Familien gelernt haben, was oft auch gefälscht oder übertrieben ist. Aber die Identifikation mit Europa ist der Hauptgrund, warum die Euroskepsis hierzulande nicht so verbreitet ist.“



    Abgesehen von den Ergebnissen der historischen oder soziologischen Forschung scheint sich die rumänische Gesellschaft zunehmend der europäischen und demokratischen Werte bewusst zu sein, die sie definieren. Nach mehr als ein Jahrzehnt seit dem EU-Beitritt Rumäniens hat das Vertrauen zu den europäischen Institutionen nach einer im Jahr 2017 durchgeführten Eurobarometer-Umfrage sogar zugenommen.

  • KSZE 1972 –75: Kommunistisches Rumänien versuchte sich zu profilieren

    KSZE 1972 –75: Kommunistisches Rumänien versuchte sich zu profilieren

    Die Helsinki-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die ihren Auftakt in der ersten Vorbereitungskonferenz im Jahr 1972 hatte, bleibt in der Geschichte als die erste gesamteuropäische Konferenz nach 20 Jahren der Spaltung zwischen dem demokratischen Westeuropa und dem unter der Einflusssphäre der Sowjetunion stehenden Ostblock. Finnland, das weder der NATO noch dem Warschauer Pakt angehörte, beherbergte die Gespräche, die im Konferenzzentrum Dipoli nahe der finnischen Hauptstadt stattgefunden haben. 35 Staaten haben sich an der ersten Konferenz für Sicherheit und Kooperation in Europa beteiligt, die sich mit den wichtigsten Problemen der Europäer Anfang der siebziger Jahre in verschiedenen Bereichen auseinandersetzte: Politik, Justiz, Verteidigung, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur sowie im humanitären Bereich.



    Rumänien hat sich ebenfalls am Gipfeltreffen beteiligt und spielte dabei eine aktive Rolle. Der Diplomat Valentin Lipatti war Mitglied der rumänischen Delegation. Im Jahr 1995 erläuterte er in einem Interview mit Radio Rumänien die Rolle Bukarests beim europäischen Gipfel:



    Bei Vorgesprächen hatten wir bereits festgestellt, dass das Arbeitsverfahren der Konferenz nicht klar festgelegt worden war. Wir haben vorgedacht und eine Art Regelwerk vorbereitet, das Vorschläge zum möglichen Arbeitsverfahren enthielt. Als wir Ende November ein paar Tage vor der Eröffnung der Beratungen in Dipoli ankamen, hatten wir schon eine Verfahrensregelung dabei. Die Akte sah ein Grundprinzip vor, dem wir 20 Jahre lang bei den darauffolgenden Verhandlungen ununterbrochen folgten: die völlige Gleichberechtigung aller Nationen, keine Diskriminierung, es sollten keine kleine oder gro‎ßen Staaten geben, Staaten mit mehr oder weniger Rechten, so wie es beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach wie vor der Fall ist. Dort gibt es permanente Sitze mit Veto-Recht und nicht-permanente Sitze, deren Meinung nicht immer berücksichtigt wird. Wie kann man das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten in einer Verfahrensregelung widerspiegeln? Durch Konsens. Der Konsens ermöglicht jedem Teilnehmerstaat, seine Rechte und Interessen vorschriftsmä‎ßig zu verteidigen.“




    Der Westen und der Osten Europas waren damals zum ersten Mal seit Kriegsende an den Verhandlungstisch zurückgekehrt, um eine gemeinsame Grundlage der Kooperation festzulegen. Selbst wenn die Zugehörigkeit zu einem bestimmten politischen und militärischen Block die Verhandlungen stark prägte, ging jedoch jeder einzelne Staat auch den eigenen Interessen nach, wenn es um bestimmte Themen oder um die Förderung von Regelungen und Prinzipien ging. Valentin Lipatti dazu:



    Die Westeuropäer haben lange Zeit das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen blockiert, das der Sowjetunion am Herzen lag, und die Sowjetunion blockierte ihrerseits jedes Prinzip in Bezug auf Menschenrechte und die sogenannte humanitäre Komponente der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Diese beidseitige Blockade führte schlie‎ßlich zu einem Kompromiss, der die Blockade aufgelöst hat. Auch wir haben den Konsens jedes Mal, wenn unsere Interessen verletzt wurden, sozusagen wiederholt oder methodologisch blockiert. Beispielsweise wenn ich von der sowjetischen Delegation ein Zugeständnis in der Frage A erzielen wollte, blockierten wir sie bezüglich der Frage C, an der sie interessiert waren. Und dann fanden wir eine Lösung, um uns gegenseitig zu deblockieren.“




    Die rumänischen Initiativen zur Durchführung der Konferenz kamen sehr gut an und hatten Erfolg. Valentin Lipatti erinnerte sich:



    Es hat keine kleineren Ausschüsse gegeben, weil sie dem Konsens und der Rechtsgleichheit widersprachen. Normalerweise wird das folgenderma‎ßen gehandhabt: Wenn man einen Text bei einer üblichen internationalen Konferenz verfasst, wird ein Arbeitsausschuss mit Mitgliedern gegründet, die vorher sorgfältig ausgewählt werden. Dieser kleinere Ausschuss konnte manchmal eine sehr gute Arbeit leisten oder er trug dem Plenum seine Arbeit vor, das diese wiederum verabschiedete. Das ist so, als wenn jemand anders das Essen zubereitet und du es nur essen musst. Man kann dieses noch salzen oder ein Glas Wein dazu nehmen, aber praktisch ist das Essen bereits fertig. Deshalb haben wir alle Beiräte, alle Arbeitsausschüsse, aber wirklich alle, von den bedeutendsten zu den scheinbar unbedeutenden, ins Leben gerufen. Diese mussten für alle offen sein. Die paar demokratischen Normen, die der Konferenz in Helsinki einen ganz neuen Charakter verliehen haben, sind Rumänien zu verdanken. In Dipoli waren wir diejenigen, die die erste Arbeitsunterlage der multilateralen Vorbereitungsberatungen, die Verfahrensregeln, die diese enthielten und vieles andere vorgelegt haben. Niemand anders hat ein Gegendokument vorgelegt, denn alle waren überrascht. Wir haben es geschafft, für die gro‎ße Mehrheit der rumänischen Vorschläge Erfolge zu erzielen. Praktisch waren die Verfahrensregeln die Regeln Rumäniens, mit kleinen Änderungsvorschlägen, die aber nicht wesentlich waren.“




    Die Schlussakte der Konferenz in Helsinki wurde 1975 unterzeichnet. Eines der zehn Prinzipien im ersten Abschnitt lautete Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt“. Rumänien hat versucht, die Grundsätze der Entwaffnung und der Anerkennung der Existenz von Entwicklungsländern zu fördern, Grundsätze, die von jedem kommunistischen Staat verfolgt wurden. Im Westen hat das Schlussdokument von Helsinki als Grundlage zur Gründung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 1990 gedient.

  • Deutschland feierte 25 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer

    Deutschland feierte 25 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer

    Am 9. November 1989 konnten Tausende DDR-Deutsche ihre Freunde oder Verwanden, die auf der anderen Seite der Berliner Mauer lebten, umarmen, ohne dass die Grenzsoldaten des kommunistischen Regimes sie daran verhinderten. Errichtet ab dem 13. August 1961, galt die Berliner Mauer als Symbol des Kalten Krieges. Der 9. November 1989 sollte alles ändern. An jenem Tag öffnete die DDR-Führung die Grenzen. Kurz darauf wurde die Berliner Mauer komplett abgerissen — diese historische Geste wurde sofort zum Symbol für den Fall der kommunistischen Regimes in Osteuropa, einschlie‎ßlich in Rumänien.



    Am Sonntag, den 9. November 2014, 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, wurden bei den Feierlichkeiten in der deutschen Hauptstadt die politischen Persönlichkeiten geehrt, die dieses historische Ereignis ermöglicht haben. Dabei wurden der ehemalige sowjetische Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow und der frühere polnische Gewerkschaftsführer Lech Walesa mit stürmischem Beifall empfangen. Stehend feierten die Gäste insbesondere den 83-jährigen Gorbatschow, der als einer der Väter der deutschen Einheit gilt.



    Hauptpunkt der Feierlichkeiten war das Brandenburger Tor, ein Symbol der Wiedervereinigung Deutschlands, die 11 Monate nach dem Mauerfall verwirklicht wurde. Vor dem Brandenburger Tor hatte 1987 der US-Präsident Ronald Reagan seinen Aufruf an den damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, denselben Michail Gorbatschow, gerichtet: “Mr. Gorbatschow, open this gate. Mr. Gorbatschow, tear down this wall.” (“Öffnen Sie dieses Tor, rei‎ßen Sie diese Mauer nieder!”). Diese Worte machten den Anfang für den Fall des Eisernen Vorhangs, der die Welt in zwei entgegengestzte politische Systeme teilte. Der jetzige US-Präsident Barack Obama sagte in einer Mitteilung des Wei‎ßen Hauses, er habe die Bilder des Berliner Mauerfalls vor 25 Jahren noch gut in Erinnerung. “Wie viele Amerikaner werde ich die Szenen der Ostberliner, die mutig die Stra‎ßen einnehmen, an den Wächtern vorbeidrängen und die Mauer einrei‎ßen, die sie so lang von Familie, Freunden und der freien Welt trennte, nie vergessen. Ihr Triumph war eine Würdigung all derer, die über die Jahrzehnte ihr Leben bei dem Versuch verloren, in die Freiheit zu entkommen“, so Obama. Die Lektion des 9. November 1989 sei dennoch, dass “Mauern und unterdrückerische Regime für einige Zeit andauern mögen, am Ende aber nicht dem Wunsch nach Freiheit und Würde standhalten könnten, der in jedem menschlichen Herzen brennt” hie‎ß es in der Mitteilung des Wei‎ßen Hauses weiter.



    Es war ein Tag der Freude, aber auch ein Tag der Erinnerung an die Opfer. Das zentrale Gedenken zum 25. Jahrestag des Mauerfalls fand in der Berliner Mauer-Gedenkstätte statt. In der Gedenkstätte an der Bernauer Stra‎ße eröffnete die Bundeskanzlerin Angela Merkel eine neue Dauerausstellung zur Geschichte der Mauer, die mehr als 28 Jahre die Stadt Berlin teilte. Immer wieder sprach die Kanzlerin bei ihrem Rundgang mit Zeitzeugen. “Der Tag der Freiheit ist immer auch ein Tag des Gedenkens an die Opfer”, sagte Merkel. Dies schlie‎ße auch die Verfolgten der Staatssicherheit ein. Die DDR sei ein “Unrechtsstaat gewesen”, ein “ideologiebesessenes Regime”. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Weltgemeinschaft am 25. Jahrestag des Mauerfalls zur Lösung internationaler Konflikte und zur Achtung der Menschenrechte aufgerufen. “Wir können die Dinge zum Guten wenden – das ist die Botschaft des Mauerfalls”, sagte die Kanzlerin am Sonntag auf der zentralen Gedenkfeier zum Jubiläum der Maueröffnung in Berlin. “Sie richtet sich besonders an die Menschen in der Ukraine, in Syrien und im Irak und in vielen anderen Regionen unserer Welt, in denen Freiheits- und Menschenrechte bedroht oder gar mit Fü‎ßen getreten werden.”



    Die Kanzlerin forderte weitere Lehren aus der Vergangenheit. Weitere Mauern könnten eingerissen werden, sagte Merkel – “Mauern der Diktatur, der Gewalt, der Ideologien, der Feindschaften”. Die deutsche Erfahrung vor 25 Jahren habe gezeigt: “Träume können wahr werden. Nichts muss so bleiben wie es ist.” Ausdrücklich würdigte Merkel die demokratischen Bewegungen in den östlichen Nachbarländern und die Politik des damaligen sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow als Voraussetzung für den Mauerfall.



    Gorbatschow hatte aber zuvor schwere Vorwürfe gegen den Westen erhoben. “Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg. Manche sagen, er hat schon begonnen”, sagte er am Samstag bei einer Diskussionsveranstaltung mit Blick auf den Ukraine-Konflikt. Der Friedensnobelpreisträger warf dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben. Gorbatschow wird von Merkel im Kanzleramt empfangen. Der 83-Jährige hat bereits angekündigt, dass er bei der Kanzlerin als Fürsprecher von Kremlchef Wladimir Putin auftreten will.

  • Rumänien und die Entkolonialisierung Afrikas

    Rumänien und die Entkolonialisierung Afrikas

    Nach 1945 spielte die Entkolonialisierungsbewegung eine wichtige Rolle in den internationalen Beziehungen, denn die Domination der Kolonialimperien wurde stark angefochten. Die Entkolonialisierung bedeutete aber auch den Beginn einer Zeit voller Gewalt und Bürgerkriegen zwischen verschiedenen politischen Gruppierungen, denen alternative Entwicklungsmodelle der neuen Staaten vorschwebten, sich aber als dialogunfähig erwiesen hatten. In wenigen Staaten hat man die Lage ohne Gewalt gelöst, wie es in Indien der Fall war.



    Die Entkolonisierung Afrikas wurde stark von der Sowjetunion und China befürwortet, kommunistische Länder, die auf der Suche nach Einflussbereichen gegen den Kapitalismus waren. In der Mehrheit der afrikanischen Kolonien wurden die Auseinandersetzungen durch Kriege geschlichtet, denn die kommunistischen Guerillas, die vom kommunistischen Staatenblock unterstützt wurden, haben Verhandlungen mit den anderen politischen Gruppierungen abgelehnt. Ähnlich anderer Staaten im Ostblock setzte sich auch Rumänien für die Entkolonisierung Afrikas ein und versuchte, eine unabhängige Lösung zu wählen und auf die Bewegung der blockfreien Staaten zu setzen, denen es aber nicht angehörte. Mircea Nicolaescu war Botschafter in einigen afrikanischen und südamerikanischen Ländern und Mitglied der rumänischen UNO-Delegation im Entkolonisierungsrat. In einem Interview von 1996 mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks nahm er Bezug auf die Grundsätze Rumäniens für die Entkolonisierung Afrikas.



    Die Beziehungen Rumäniens zu den ehemaligen Kolonialbereichen waren vor und auch nach dem Zweiten Weltkrieg sehr intensiv. Diese intensivierten sich nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders vor dem Hintergrund des Versuchs Rumäniens, sich in der Welt als unabhängiges Land mit einer eigenen Politik durchzusetzen, auf der Suche nach Verbündeten mit gemeinsamen Interessen. Ein Punkt in den Abkommen mit diesen Kolonien und dann afrikanischen Ländern war der Verweis auf die Freiheit der einzelnen Staaten, deren Recht, den eigenen, als passend erachteten Entwicklungsweg zu wählen. Die Frage des internen Systems, dessen Einhaltung wurde immer in unseren Au‎ßenpolitikurkunden angegeben.“



    Im Falle der zivilen Konflike wählte die rumänische Diplomatie die Unparteilichkeit, sich nicht offen für die eine oder die andere Gruppierung einzusetzen. Mircea Nicolaescu:



    In Kairo gab es sehr wenige Botschaften, zu denen Vertreter aller Befreiungsbewegungen Afrikas kamen. Alle afrikanischen Befreiungsbewegungen hatten, unabhängig von ihrer politischen Orientierung, ihren Sitz in Kairo in den Jahren 1961-64. Aber nur zur Botschaft Rumäniens und anderer 2-3 Länder kamen sowohl die rechts- als auch die linksorientierten Befreiungsbewegungen. Die Sowjets hatten ihre eigene Kundengruppe, die voll und ganz das sozialistische, direkt sowjetische Regime unterstützte. Die Chinesen hatten auch ihre Kunden, um nicht über die Amerikaner zu sprechen. Weniger die Franzosen und die Engländer, die kompromittiert waren. Rumänien war in den Ländern, wo die ideologischen Grundsätze die Befreiungsbewegung nicht zerstückelt hatten, wie z.B. Kongo, Angola, Mosambik, Kenia, Simbabwe usw., das einzige Land, das die Beziehung zu beiden Seiten gepflegt hat. Unser Dialogkanal war immer offen, aber wir haben ihnen gesagt, es sei deren Sache, sich untereinander zu verständigen.“



    Der Weg einer unabhängigen afrikanischen Politik, den Rumänien gewählt hatte, bereitete den Sowjets keine Freude. Aber die von Rumänien vorgeschlagene Unparteilichkeit war nicht realistisch. Beweis dafür steht ihre unbedeutende Wirkung. Das ergibt sich auch aus dem, was Mircea Nicolaescu aus jener Zeit berichtet.



    Bei der Unabhängigkeitserklärung Angolas hatten die Sowjets ein Treffen aller Botschafter der sozialistischen Länder organisiert, um gemeinsam dem gewählten Präsidenten die Ehre zu erweisen. Der Vertreter Rumäniens, Botschafter Gheorghe Stoian, lehnte es ab, gemeinsam mit den anderen zu gehen und ging als erster alleine und sendete den Gru‎ß und die Unterstützung für die Unabhängigkeit Angolas aus. Während der Unruhen dort haben wir, solange wir angesprochen wurden, die Verbindung zu allen Bewegungen gehalten und diesen empfohlen, sich untereinander zu verständigen. Die Sowjets haben auf eine der Bewegungen gesetzt, die Amerikaner auf eine andere. Die Chinesen standen an der Seite der Amerikaner und das war auch der Grund für einen Krieg. In Tansania hingegen, wo die internen Kräfte reif genug waren, sich von beiden parteiergreifenden Staaten gleich zu distanzieren, war das nicht der Fall.“



    Mircea Nicolaescu bezog sich auf die Merkmale Afrikas, deren Missachtung zu Misserfolgen geführt haben, wie etwa in Algerien:



    Was die Vision über den Entkolonisierungsprozess anbelangt, trennt man oft künstlich die Entwicklung des sogenannten Arabischen Afrikas von der des sogenannten Schwarzen Afrikas. Über Afrika kann man nicht behaupten, es sei ausschlie‎ßlich Schwarz oder Arabisch, in keinen seiner Gegenden. Was den Bereich Sahara anbelangt, dort gibt es eine Wechselwirkung. Es ist schwierig auch aus historischer Sicht, eine solche Trennung durchzuführen. Einer der letzten afrikanischen Staaten, die ihre Unabhängigkeit erklärt haben, war Algerien. Es gab wenige Kolonialbereiche auf der Welt, die sich mit dem nationalen Territorium des Metropolenlandes überlappt haben, so wie Algerien, das in in drei französische Departements geteilt wurde. Ein Beispiel für gro‎ße Misserfolge der kommunistischen Bewegung war Algerien, denn hier hat man nicht verstanden, dass es sich um die nationale Unabhängigkeit eines Volkes handelt und nicht um die Unabhängigkeit dreier französischer Departements.“



    Die Einbringung Rumäniens in die Entkolonisierung Afrikas hat aber auch die Wahl einer perspektivlosen Richtung in der Diplomatie bedeutet. In den 1980ern hat die Diplomatie des Ceauşescu-Regimes, das von der westlichen Poltik isoliert war und von den sozialistischen Ländern distanziert betrachtet wurde, stark auf die afrikanische Karte gesetzt.



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