Tag: Ostfront

  • “Warboy” von Marian Crişan: zwischen Kriegsfilm und Kinderfilm

    “Warboy” von Marian Crişan: zwischen Kriegsfilm und Kinderfilm

    Der neueste Spielfilm von Marian Crișan, “Warboy”, erzählt die Geschichte eines Teenagers, der das Ende des Zweiten Weltkriegs, genauer gesagt den Herbst 1944, mit seinen Augen sieht. Der Junge versucht, die beiden Pferde seiner Familie zu retten, indem er sie auf eine Initiationsreise durch die wilde Landschaft des Apuseni-Gebirges mitnimmt. Der Filmemacher ist der Ansicht, dass seine neue Produktion sowohl als “Kriegsfilm” als auch als “Kinderfilm” betrachtet werden kann. Das, was ihn an diesem Projekt am meisten reizte seien die Western-Elemente, die er gerne auf die gro‎ße Leinwand bringen wollte. Daniel Bâliș, Reginald Ammons, Ovidiu Crișan, Adina Iftime, Ion Bechet, Dan Chiorean sind die Darstellerinnen und Darsteller, die in Warboy mitspielen – dem fünften Spielfilm des Regisseurs, der dem breiten Publikum bereits durch Morgen, Rocker, Orizont” oder Berliner”, aber auch durch die von HBO Rumänien produzierte Miniserie Valea Mută-Das stimme Tal” bekannt ist.



    Das Thema beruht auf den Erinnerungen seines Gro‎ßvaters, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hat und damals ein Teenager war, sagt der Filmemacher: “Jeder Film, den ich gemacht habe, geht von etwas aus, das mir wichtig ist, von einem Gefühl oder dem Eindruck einer bestimmten Situation, und so entsteht der Kern des späteren Drehbuchs. Im Fall dieses Films waren es die Erinnerungen meines Gro‎ßvaters, zu denen er in seinen späteren Jahren immer wieder zurückkehrte. Er erinnerte sich immer wieder an Momente aus seiner Kindheit, vor allem an diese Zeit, 1940-1944, als er Diener bei einem reichen Mann war, irgendwo in den Vrancei-Bergen, in Soveja. Diese Momente, in denen er allein mit seinen Pferden im Wald sa‎ß und sich um sie kümmerte, damit sie ihm nicht von den Russen weggenommen wurden, verfolgten ihn viele Erinnerungen und ich spürte, dass man aus diesen Erinnerungen eine Geschichte machen könnte, eine Geschichte mit einer Figur, mit einer angespannten Situation, die zu etwas Dramatischem führen könnte.



    Den Ausgangspunkt stellt also diese Geschichten meines Gro‎ßvaters dar, ansonsten gibt es nichts Biographisches im Drehbuch. Die Handlung ist in das Apuseni-Gebirge verlegt und spielt zur Zeit des Rückzugs der deutschen Truppen, nach dem 23. August, im Herbst 1944.” In “Warboy” ging es Marian Crișan vor allem um das weniger bekannte Gesicht des Krieges, um die Geschichten derer, die hinter der Front bleiben. Marian Crișan: “Wenn wir an die Tiere und Kinder denken, die in Schlachten geopfert werden, gibt es nicht allzu viele Filme oder Bücher die das thematisieren. Und darüber wollte ich sprechen, über alle Wesen, die hinter der Front bleiben, über die Wesen, die in einem Krieg weniger sichtbar sind. Das war mein Wunsch, den Krieg mit den Augen dieses Jungen zu sehen, dieses Teenagers, der die militärischen und geopolitischen Strategien nicht versteht. Er hat nur ein Problem: Er will, dass sein Vater von der Ostfront zurückkommt, wo er an der Seite von Hunderttausenden rumänischer Bauern gekämpft hat.



    Es ist eine historische Tatsache, die nicht oft diskutiert wird, dass bis 1944 rumänische Soldaten, die mit den Deutschen verbündet waren, im Osten kämpften und dass viele von ihnen nicht oder erst sehr spät zurückkehrten, nachdem sie in Sibirien gefangen genommen worden waren. Es handelt sich um einen entscheidenden Moment für das rumänische Volk, der auch nicht oft angesprochen wird. Deshalb halte ich es für wichtig zu erfahren, was mit den Familien der Menschen geschah, die in dieser Zeit an die Front geschickt wurden. Und jetzt höre ich ähnliche Geschichten, dass viele unserer Gro‎ßeltern gefangen genommen und nach Sibirien gebracht wurden. Viele Menschen kennen diese Fakten, alle unsere Familien waren vom Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen betroffen. Das hat mich interessiert, zu zeigen, wie wir alle davon betroffen waren” Der Kameramann von Warboy” ist Adrian Pădurețu, das Bühnenbild stammt von Simone Pădurețu, die Kostüme von Dana Păpăruz und der Schnitt von Tudor Pojoni.



  • Erster Weltkrieg: Bolschewistische Revolution brachte Ostfront durcheinander

    Erster Weltkrieg: Bolschewistische Revolution brachte Ostfront durcheinander

    Russische Soldaten betraten während des Ersten Weltkriegs rumänisches Territorium als Verbündete, nachdem Rumänien am 16. August 1916 an der Seite Frankreichs, Gro‎ßbritanniens und Russlands in den Krieg eingetreten war. Russlands Hilfe kam nicht sofort, und selbst als sie kam, war sie schwach und nicht überzeugend. Die rumänische Armee wurde von den Truppen der Mittelmächte besiegt, und im Dezember 1916 sah sich die Regierung gezwungen, die Hauptstadt zu verlassen und in der Moldau, im Osten des Landes, Zuflucht zu suchen. Erst Anfang 1917 schickte Russland eine grö‎ßere Verstärkung, die aus 1 Million Soldaten bestand. Die rumänisch-russische Zusammenarbeit funktionierte gut, auch dank der direkten Beteiligung der Franzosen, und so gelang es den Mittelmächten 1917 nicht, in die Verteidigung einzudringen. Das Jahr sollte jedoch nicht so gut enden, wie es begann, im Gegenteil.



    Die Revolutionen in Russland zerstörten die Moral der russischen Truppen und der Zerfall der russischen Armee gefährdete nicht nur die Front in den Karpaten, sondern auch die bestehende Gesellschaftsordnung. Als Lenin und seine Gruppe im November 1917 triumphierten und das bolschewistische System einführten, geriet die Situation in Rumänien au‎ßer Kontrolle. Die russischen Soldaten verhielten sich nicht mehr wie Verbündete, sondern wie Feinde. Unter gro‎ßen Anstrengungen gelang es der rumänischen Armee, den Aufstand der russischen Soldaten zu unterdrücken und die Lage zu stabilisieren.



    Der Historiker Șerban Pavelescu vom Institut für politische Studien, Verteidigungs- und Militärgeschichte ist Herausgeber des Buches Aliatul inamic“ (Feindlicher Verbündeter“), das die Memoiren der beiden russischen Generäle Nikolai A. Monkewitz und Aleksandr N. Vinogradski enthält. Die beiden waren 1917 und 1918 an der rumänischen Front und erinnern sich, wie Rumänien mit der bolschewistischen Revolution fertig wurde:



    Viele dieser Truppen befanden sich hinter der Frontlinie, wobei sich eine gro‎ße Gruppe russischer Truppen in der Gegend von Nicolina, in der Nähe von Iași, befand. Der bolschewistische Aufruhr, der dort von den nach dem Oktober 1917 gegründeten revolutionären Komitees geschaffen wurde, bedrohte die politischen und administrativen Strukturen des rumänischen Staates. Ende 1917 und Anfang 1918 kam es zu einem Konflikt, bei dem die rumänischen Truppen schlie‎ßlich gezwungen waren, gegen den ehemaligen Verbündeten einzuschreiten, um ihn von rumänischem Territorium zu vertreiben. So kam es 1918 zu regelrechten Kämpfen zwischen den rumänischen und den russischen Truppen, wobei erstere versuchten, letztere daran zu hindern, die Front mit den Waffen und der Munition zu verlassen. Hinter der Front verwandelten der Mangel an Disziplin, das Chaos und die revolutionären Wirren die russischen Truppen in Plünderer, die alles zerstörten.“




    Einige russische Soldaten verübten extreme Gewalttaten, vor allem in Bessarabien, der heutigen Republik Moldau. Der Historiker Șerban Pavelescu beschreibt die Ereignisse:



    Diese Truppen, die von den rumänischen Truppen besiegt und mit Gewalt vertrieben wurden, überquerten den Fluss Pruth und entfesselten dort Terror. Die Intervention der rumänischen Truppen in Bessarabien im März 1918 war nichts anderes als ein Versuch, die Ordnung wiederherzustellen, als Leben und Eigentum, ganz zu schweigen von den Entscheidungen der demokratisch gewählten Strukturen der zwischen Prut und Dnjestr lebenden Rumänen, durch die bolschewistischen Hegemonialbestrebungen bedroht waren.“




    Die Memoiren der beiden russischen Generäle enthalten viele Details darüber, wie die Menschen den Krieg und die Veränderungen, die unter ihren Augen stattfanden, wahrnahmen. Der Historiker Șerban Pavelescu dazu:



    Es gibt viele interessante Details über die Situation innerhalb der russischen Armee zu dieser Zeit. Wir können nachvollziehen, wie General Schtscherbatschow, der letzte Befehlshaber der russischen Truppen an der rumänischen Front, schlie‎ßlich von einer rumänischen Infanterieeinheit vor seinen eigenen Truppen geschützt wurde. Die Memoiren beschreiben auch, wie nach verschiedenen Wegen gesucht wurde, um die Truppen zum Weiterkämpfen zu motivieren. Die provisorische Regierung akzeptierte nur widerwillig, ihre eigenen Truppen zu motivieren und sie zum Weiterkämpfen zu bewegen, wie sie es ihren westlichen Verbündeten versprochen hatte. Was die Bolschewiki betraf, so lagen die Dinge völlig anders, und sie wären, wie man an der rumänischen Front sehen konnte, zu jedem Kompromiss bereit, um die gerade eroberte Macht zu behalten.“




    Trotz dieser Situation und des enormen Schadens, den die Russen anrichteten, sagt der Historiker Șerban Pavelescu, dass das Eingreifen der rumänischen Armee für viele von ihnen entscheidend war. Einige von ihnen änderten ihre Ansichten und gaben ihre revolutionären Ideen auf:



    Es ist erwähnenswert, dass aufgrund der Entfernung der rumänischen Front von Moskau und dem Zentralkommando, der Art und Weise, wie die russischen Truppen agierten, sogar des Beispiels der rumänischen Truppen, die sich nicht vom Bolschewismus anstecken lassen wollten, der Grad der Überläufer und der Bolschewisierung unter den russischen Truppen der niedrigste an der gesamten Ostfront war. Die meisten Truppen, die an der Seite der Wei‎ßen Armee kämpfen sollten, wurden aus den Truppen der rumänischen Front rekrutiert. Ich meine damit nicht nur Einheiten aus Offizieren, Unteroffizieren und Kadetten, sondern auch reguläre Truppen, die sich der Wei‎ßen Armee anschlie‎ßen würden.“




    Während des Ersten Weltkriegs war Rumänien gezwungen, sich sowohl dem Feind vor als auch dem Feind hinter den eigenen Linien zu stellen. Die bolschewistische Revolution war aber der unerwartete Feind.

  • Rumänien und Russland im Ersten Weltkrieg: Ein Zweckbündnis, das in Feindschaft endete

    Rumänien und Russland im Ersten Weltkrieg: Ein Zweckbündnis, das in Feindschaft endete

    Im Ersten Weltkrieg war Rumänien ein Verbündeter von Frankreich, England und Russland. Im Südfeldzug von 1916 besiegt, zog sich die rumänische Armee nach Osten in die Moldau zurück, wo 1 Million russischer Soldaten zur Abwehr der deutsch-österreichisch-ungarischen Angriffe entsandt wurden. Doch in nur einem Jahr und wenigen Monaten wechselten die in Rumänien stationierten russischen Soldaten von der Ordnung in die Anarchie. Der Historiker Șerban Pavelescu vom Institut für politische Studien, Verteidigung und Militärgeschichte ist Autor des Buches Der feindliche Verbündete”, das die Memoiren zweier russischer Generäle, Nikolai A. Monkewitz und Aleksandr N. Vinogradski, die 1917–1918 an der rumänischen Front kämpften, zusammenfasst. Die beiden russischen Generäle schilderten den Stand der Dinge im Krieg, die zwischenmenschlichen Beziehungen und Einblicke in den Alltag. Șerban Pavelescu erläuterte die Entscheidungen, die Rumänien während des Ersten Weltkriegs getroffen hatte. Rumänien, das sich zwischen Deutschland und Russland befand, trat auf der Seite der Entente in den Krieg ein, obwohl es Teil des Dreierbündnisses war:



    Rumänien wollte kein Verbündeter Russlands werden, da man den Russen nie vertraut hatte. Rumänien war sogar dem Dreierbündnis beigetreten, um ein Gegengewicht zur militärischen Bedrohung durch Russland zu schaffen. Auf der anderen Seite wollte Rumänien ein Bündnis mit Frankreich schmieden, so wie es 1883 der Verbündete Deutschlands werden wollte und die bittere österreichisch-ungarische Pille schlucken musste. Dieses Mal wollte Rumänien der Verbündete Frankreichs und Gro‎ßbritanniens werden, also musste es die russische Pille schlucken.“




    So entstand das rumänisch-russische Bündnis, ein Bündnis, das von den Franzosen am Leben erhalten wurde. Șerban Pavelescu dazu:



    Die Beziehungen zwischen dem russischen und dem rumänischen Kommando waren meist akzeptabel, hatten aber viele Höhen und Tiefen. Was das Bündnis bis zur Revolution im Februar 1917 aufrechterhielt, war die ständige Präsenz der französischen Militärmission unter der Leitung von General Henri Mathias Berthelot. Neben der Ausrüstung, Ausbildung und dem Wiederaufbau der rumänischen Armee bemühte sich die französische Militärmission 1916–1917 auch ständig um die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zum russischen Verbündeten. So überwachte sie den Transport von Ausrüstung, Munition und anderen Kriegsgütern, die über das gesamte russische Territorium nach Rumänien transportiert wurden. An jedem Eisenbahnknotenpunkt waren Mitglieder der französischen Militärmission anwesend, um diese Transporte zu ermöglichen, da die Bedürfnisse der russischen Front Priorität hatten.“




    Aber die rumänisch-russische Allianz war auf Misstrauen seitens der Rumänen und auf Arroganz seitens der Russen aufgebaut worden, wei‎ß der Historiker Șerban Pavelescu:



    Als die Russen in den Krieg eintraten, sagten sie den Franzosen, dass die rumänische Front für sie Unsinn sei und dass es unmöglich sei, sie zu verteidigen. Ihrer Meinung nach war das, was die Rumänen gefordert und wozu sich die Alliierten verpflichtet hatten, nämlich die Verteidigung der Südfront, unmöglich. Die Russen setzten die ideale Frontlinie am Fluss Sereth (rum. Siret). Hinzu kam die Verzögerung, mit der die russischen Truppen in die Schlacht zogen, während die rumänische Armee darum kämpfte, die Pässe in den Karpaten zu verteidigen und den Feind an den Flüssen Schil (rum. Jiu) und Alt (rum. Olt) zurückzudrängen. Die Russen traten viel zu spät in die Schlacht um Bukarest ein. An der Südfront in der Dobrudscha schickten sie nur mehrere Opfertruppen, darunter die heldenhafte serbische Division, die fast die Hälfte ihrer Soldaten in Schlachten verlor, die das Schicksal des Krieges aber nicht änderten.“




    In ihren Memoiren berichten die beiden russischen Generäle, dass ihre Soldaten in Rumänien gut ausgebildet und gut genährt waren, über genügend Waffen und Munition verfügten und nicht von den wiederkehrenden Fleckfieberwellen betroffen waren. Die Revolution vom Februar 1917 sollte jedoch alles ändern. Sie bewirkte den Zerfall der russischen Armee aufgrund der bolschewistischen Propaganda und die Abschaffung der militärischen Disziplin und Hierarchie durch die provisorische russische Regierung. Die deutsch-österreichisch-ungarische Offensive im Sommer 1917 wurde nur durch die gewaltigen Anstrengungen der rumänischen Armee gestoppt, während im Norden, in der Ukraine, ganze russische Einheiten zu den Armeen der Mittelmächte überliefen. Laut Șerban Pavelescu verwandelte sich die zerbrechliche rumänisch-russische Allianz in kurzer Zeit in eine erbitterte Feindschaft:



    Die russische Armee verwandelte sich von einem Verbündeten in eine unberechenbare, unsichere Angelegenheit und wurde im Herbst 1917 zu einem echten Feind. Die meisten russischen Truppen befanden sich hinter der Frontlinie und viele von ihnen befanden sich auch im Gebiet von Nicolina in der Nähe von Iași. Die dortige bolschewistische Bewegung und die nach Oktober 1917 gebildeten Revolutionskomitees stellten eine Bedrohung für die politischen und administrativen Strukturen des rumänischen Staates dar. Die Situation war sehr konfliktträchtig, im Winter 1917–1918 kam es schlie‎ßlich zum Konflikt, als die rumänischen Truppen schlie‎ßlich gegen den ehemaligen Verbündeten eingriffen, um ihn vom rumänischen Territorium zu vertreiben. 1918 kam es zu regelrechten Kämpfen zwischen den rumänischen und russischen Truppen, wobei die rumänischen Truppen versuchten, die Russen daran zu hindern, die Front mit Ausrüstung, Waffen und Munition zu verlassen. Hinter der Front verwandelten sich die russischen Truppen durch den Mangel an Disziplin, die Desorganisation und die revolutionäre Unruhe in Räuberbanden, die alles zerstörten, was sich ihnen in den Weg stellte.“




    Am Ende des Ersten Weltkrieges gingen Russland und Rumänien in entgegengesetzte Richtungen und blieben in unfreundlicher Haltung. Russland wählte das kommunistische Regime, während Rumänien die liberale Demokratie wählte.

  • Zweiter Weltkrieg: Erinnerungen eines rumänischen Unteroffiziers von der sowjetischen Front

    Zweiter Weltkrieg: Erinnerungen eines rumänischen Unteroffiziers von der sowjetischen Front

    Aber im Vergleich zum Frieden ist der Krieg schlecht, weil keine Regeln mehr eingehalten werden und keine Vernunft mehr funktioniert. An der Front des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion wurden die rumänischen Soldaten mit Situationen um Leben und Tod konfrontiert, in denen oft vieles an einem ein Haar hing.



    Vladimir Boantă hat 1942 an der Front gegen die Sowjets als Unterleutnant gekämpft. In einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks aus dem Jahr 1995 erinnerte er sich an die Schlacht von Sadowoj in der Nähe der russischen Stadt Orjol.



    Ich muss Ihnen sagen, dass ich mich im Graben befand, neben dem, der das Maschinengewehr mit Kugelbändern versorgte. Es war ein Soldat Namens Velicu und vom anderen wei‎ß ich nicht mehr, wie er hie‎ß. Die Russen hielten uns derma‎ßen unter Beschuss, dass ich behaupten kann, es war die schrecklichste Bombardierung, der wir jemals ausgesetzt wurden. Der Soldat, der das Maschinengewehr mit Bändern versorgte, war sehr neugierig, zu sehen, wie sich die Russen nähern. Er sa‎ß mit dem Rücken gegen den Grabenrand gelehnt und blickte nach vorne. Ich sage ihm: »He, Junge, sei vorsichtig! Siehst du nicht wie die schie‎ßen?« Dann habe ich nur das gehört: »Aua!« Als ich mich umdrehte, um ihn zu ansehen, ging eine Kugel durch seine Stirn und aus dem Nacken wieder raus. Ich lag auf dem Bauch uns aus seiner Stirn strömte Blut auf meine Stiefel. Als ihn der andere Soldat erblickte, blieb er verblüfft stehen und fing an, zu weinen. Ich, der ihn aufmuntern wollte, sagte dann: »Halt doch dein Maul! Ich möchte dich nicht sinnlos weinen sehen! Siehst du nicht, wie leichtsinnig er gewesen ist?«“




    Vladimir Boantă hat viele Alptraumgeschichten erfahren, in denen das Unmenschliche etwas Banales war. Die Hinrichtung der Gefangenen war nur ein groteskes Gesicht des Unmenschlichen.



    Als wir Sadowoj wiedererobert hatten, entdeckten wir in einem Brunnen eine Vielzahl unserer Offiziere, die dort tot lagen. Sie wurden von einem Offizier aufgereiht, der anscheinend Rumänisch gesprochen hat, aber selbstverständlich weder Rumäne noch Russe war. Er gehörte zu einer Minderheit in Südbessarabien, war vielleicht ein Gagause, der ihnen gesagt hatte: »Nun ist es eure Zeit, zu sterben, Rumänen!« Er zeigte ihnen die Pistole und fragte sie nur: »Wo willst du, dass ich dich anschie‎ße?« Dann schoss er ihnen nach seinem Belieben in den Kopf oder ins Herz. Als er vor einem Hauptmann von der Artillerie namens Panaitescu stand, der einen Schnurbart trug, sagte dieser, er solle ihm ins Herz schie‎ßen. Und der Gagause sagte, nein, dir werde ich in den Schnurrbart schie‎ßen! Er schoss, und der Hauptman fiel. Danach wurden alle in den ausgetrockneten Brunnen geworfen. Als unsere Männer ankamen, holten sie alle, die dieser feige sowjetische Armeeoffizier erschossen hatte, aus dem Brunnen raus. Stellen Sie sich vor, derjenige, dem er in den Schnurbart geschossen hatte, war nicht tot, sondern stand nur unter Schock. Anscheinend kam er mit dem Leben davon.“




    Im Krieg hing das Überleben oft von einem Willkürsakt oder von einer plötzlichen Situationsänderung ab. Vladimir Boantă:



    Einer meiner ehemaligen Kommilitonen von der Uni, der Mircea Ştefănescu hie‎ß, wurde gefangengenommen und in eine Reihe mit den anderen Offizieren gestellt. Ein betrunkener Offizier, der aber kein Rumänisch gesprochen hatte, zeigte ihnen die Pistole und fragte: »Was ist das?« Wer nicht »Revolver« antwortete, wurde erschossen. Es war eigentlich nur ein Vorwand, einen zu veralbern, den er danach sowieso erschoss. Er hat mir erzählt, wie er gesehen hat, dass das Auge seines Nachbarn rausgesprungen ist. Er hat auch den Russen gesehen, der ihm in den Kopf geschossen hat. Als er auch »Was ist das?« gefragt wurde, beschimpfte mein Kollege ihn, verzweifelt, dass er sowieso umgebracht wird. Er antwortete dann: »Was zum Geier hältst du in der Hand, wenn du eh nicht wei‎ßt, wie es hei‎ßt?« Der besoffene Russe fragte seinen Dolmetscher: »Was sagt er?« Der sagt ihm, dass er beschimpft wurde, und dann schimpf der Russe auf Russisch zurück. Und dann ging er stolpernd wieder weg.“




    45 Jahre lang sprach die Sowjetpropaganda ausschlie‎ßlich über die Barbarei der Rumänen, die durch die sowjetischen Ortschaften gegangen sind. In Wirklichkeit aber hielten sich die Verhältnisse der Rumänen mit den Einwohnern in den Grenzen des Krieges. Vladimir Boantă:



    Alle waren arm. Unsere Leute wollten nichts von ihnen haben, denn in Rumänien ging es ihnen unvergleichbar besser. Wie sollten sie dann einen armen Menschen berauben wollen? Im Gegenteil hofften diese Armselige, dass unsere Männer ihr Weniges mit ihnen teilen: Das Essen, dass unsere Soldaten erhielten, teilten sie mit den Einwohnern. Ich sage nur das: Unsere Soldaten waren zum Gro‎ßteil Bauern, diese Sowjets waren auch Bauern. Zwischen ihnen entstand eine Art natürliche Annäherung, ausgehend von ihrem ursprünglichen Sozialstand, von ihrem Wohnraum, ihren Bräuchen, die bei allen Bauern fast gleich sind.“




    Auch der Krieg hat seinen Alltag und einen Rhythmus der Ereignisse, die komplizierter sind, als wir blo‎ß aus den historischen Quellen erfahren. Es ist ein Umfeld, an das sich schlie‎ßlich alle anpassen, ohne dass es aber zur Normalität wird.

  • Zweiter Weltkrieg: Die rumänische Armee an der Ostfront

    Zweiter Weltkrieg: Die rumänische Armee an der Ostfront

    Rumänien trat 1941 an der Seite Nazi-Deutschlands in den Krieg ein. Als die rumänische Armee zusammen mit den deutschen Truppen am 22. Juni 1941 den Pruth überquerten, um Bessarabien zu befreien, das ein Jahr zuvor infolge des Hitler-Stalin-Paktes an die Sowjetunion gefallen war, befanden sich die Siegermächte des 1. Weltkriegs in einer verzweifelten Lage. Frankreich war im Juni 1940 besetzt worden und Gro‎ßbritanien verteidigte sich mühsam gegen die Wut der Wehrmacht.



    Die rumänische Armee startete die Offensive gegen die sowjetische Armee auf einer Front zwischen dem Schwarzen Meer und den Karpaten in der Bukowina. Nach einem schwachen sowjetischen Widerstand, der nur drei Wochen lang dauerte, hat die rumänische Armee die beiden Provinzen Bessarabien und Nordbukowina komplett befreit. Am 27. Juli 1941 schickte Hitler dem Marschall Antonescu ein Telegramm, in dem er ihn beglückwünscht. Zudem fordert Hitler ihn auf, den Dnjestr zu überqueren und Transnistrien zu besetzen. Die rumänischen Einheiten setzen zusammen mit den deutschen Einheiten ihre antisowjetische Offensive im Süden der Ukraine fort und erreichen letzten Endes Stalingrad.



    Leutnant Ahile Sari berichtete 1993 in einem Interview mit dem Zentrum des Rumänischen Rundfunks für mündlich überlieferte Geschichte über die Offensive im Süden der Sowjetunion. Die Zustände, die er vorfand, überstiegen seine Vorstellungskraft, so Sari.



    Ich habe zum ersten Mal einen Zug mit sowjetischen Deportierten gesehen. Es waren keine Gefangene, wahrscheinlich nach Deutschland deportierte Familien. Damals habe ich zum ersten Mal diese Zustände gesehen, die dramatische Lage kennengelernt, in der sich diese Menschen befanden. Ihre Gesichter waren entmenschlicht, man sah, dass sie hungrig waren, sie baten um Essen. Es war ein trauriges Bild für mich. Wir alle, Offiziere und Soldaten, sind zu ihnen hingegangen und haben ihnen durch den Stacheldraht gegeben, was wir nur konnten. Die Wachhunde bellten.“



    Bei Stalingrad begann das Desaster für die rumänische Armee an der Ostfront. Die Operation Uranus“ der sowjetischen Armee hatte als Ziel den Angriff der nördlichen Flanke der Wehrmachtstellungen in Stalingrad. Diese wurden von rumänischen und ungarischen Truppen verteidigt. Sie waren schlechter als die deutschen Truppen ausgestattet. Zudem war die Moral der Truppen schlecht. Die sowjetische Armee begann den Angriff am 19. November 1942. Sie wurde von Panzerwagen unterstützt. Die Rumänen besassen Informationen und baten die Deutschen um Hilfe, die aber ausblieb. Leutnant Ahile Sari erinnert sich an die Tage vor dem sowjetischen Angriff:



    Dann wurde ein russischer Gefangener in den Bunker eines Befehlshabers des Bataillons gebracht, und er hat uns mitgeteilt, dass in ein-zwei Tagen die gro‎ße sowjetische Offensive gestartet werden sollte. Wir sollten vorsichtig sein und Vorkehrungen treffen. Sie seien sehr gut bewaffnet, sagte der Russe zu uns, sie hätten sehr viele Kriegsfahrzeuge. Wir haben das dann an die uns vorstehende Ebene weitergeleitet, aber niemand wollte glauben, dass nach einem oder zwei Monaten an Kämpfen, mitten im Winter, noch etwas passieren kann. Das geschah am 17. November. Am 19. November 1942, um 4 Uhr morgens, begann die gro‎ße Offensive am Don und um Stalingrad.“



    Die rumänische Armee sollte im Donbogen über 300.000 ihrer Soldaten verlieren. Der Notar Mircea Munteanu erinnerte sich in einem Interview von 1998 an seine Teilnahme am Krieg. Er wurde verletzt und wurde von der Front zurückgezogen. Munteanu wurde anschlie‎ßend unter extrem schwierigen Bedingungen versorgt. Sein Zeitzeugen-Bericht bestätigt auch andere Berichte, wonach das Leiden für einen Verletzten mit dem Rückzug von der Front nicht zu Ende war:



    Am Ufer des Don begann am 29. November 1942 der Angriff — ein Geschoss durchbohrte meine linke Brust, unter dem Schlüsselbein und am Schulterblatt vorbei. Nach der Verletzung habe ich mich gemeinsam mit den Deutschen auf einem deutschen Panzer zurückgezogen. Unterwegs trafen wir zwei Majore, die mich auf dem Panzer gesehen hatten und zu ihnen riefen. Ich habe ihnen mitgeilt, dass die Russen unseren Truppenkommandanten mit dem Bajonett erstochen hatten. Und dann wurde ich bandagiert. Später haben wir einen Bauernhof erreicht, einen Kolchos… Dort trafen wir einen Feldwebel, weil meine Schulter stark schmerzte, schenkte er mir ein Brot und eine Konserve. Er sagte mir, ich solle in ein anderes Dorf gehen, wo etwa 16 Pferdewagen des 16. Infanterie-Regiments stationiert waren. Ich bin dorthin gegangen, habe die Wagen gefunden, aber ich hatte immer noch sehr starke Schmerzen in der Schulter, weil ich den Bauernhof auf einem Pferd der Artillerie verlassen hatte und drau‎ßen bereits der Schnee lag. Es war nicht allzu viel Schnee da, aber es war bitterkalt, mein Verband viel herunter, ich blutete. Ich konnte nicht mehr auf dem Pferd sitzen, weil meine Fü‎ße gefroren waren, ich hatte keinen Kompass, gar nichts bei mir. Ich konnte mich nur am Mond orientieren… Und als ich so weiter ging, sehe ich plötzlich ein Dorf… Eine rumänische Wache hält mich an, ich frage, wo es denn einen Sanitäter gebe, der mich bandagieren kann… Er antwortet, es gebe im Dorf nur einen Tierarzt. Und dann bin ich gemeinsam mit anderen Verletzten weitergegangen und wir sind 30 Kilometer hinter die Front weitergewandert. Dort gab es ein Feldbad, ein Feldkrankenhaus und die Deutschen haben unsere blutverschmierten Kleider in einen Trockenschrank geschmissen. Danach kam ein Zug vorbei, wir wurden in Viehwaggons, die mit Decken isoliert waren, nach Polen gebracht.“



    Kriegshistoriker bezeichnen die Schlacht von Stalingrad als blutigste Schlacht der Geschichte und als Wendepunkt im Verlauf des Zweiten Weltkriegs an der Ostfront. Aber das gilt erst heute als Erkenntnis, die Zeitzeugen erhofften sich damals einen anderen Ausgang der Geschichte, die niemals vorhergesehen werden kann.



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