Tag: Personalmangel

  • Schlachtfeld Gesundheitswesen: Hausärzte streiken und Korruption wütet

    Schlachtfeld Gesundheitswesen: Hausärzte streiken und Korruption wütet

    Der rumänische Steuerzahler kann im Allgemeinen als pflichtbewusst bezeichnet werden. Er zahlt einschließlich seine Beiträge an die Krankenkasse und hofft im Gegenzug auf wenigstens teilweise kostenlose Untersuchungen, Behandlungen oder Arzneimittel. Und auf hochwertige medizinische Dienstleistungen. Doch seit Jahren sind diese Hoffnungen in Wirklichkeit zur Illusion geworden.



    Vor dem Hintergrund chronischer Probleme, die mit der Unterfinanzierung des Gesundheitswesens und akutem Personalmangel einher gehen, haben die Ärzte eine Protestaktion gestartet: Etwa 2000 Hausärzte weigern sich seit Jahresanfang, die Verträge mit den Krankenkassen zu unterzeichnen. Dadurch haben gut 4 Millionen Rumänen keinen Anspruch mehr auf kostenlose und subventionierte Verschreibungen sowie auf die Überweisungen zu den Fachärzten. Die Protestteilnehmer fordern die Entbürokratisierung des Gesundheitswesens sowie die Aufstockung der Zuwendungen für die Primärmedizin.



    Derweil sieht sich das Gesundheitsministerium mit einer landesweiten und illegalen Kampagne von Impfgegnern konfrontiert. Die Gesundheitsdirektionen sind deshalb beauftragt worden, Straßenplakate mit impfkritischen Botschaften zu überprüfen – dabei seien, nebenbei gesagt, drei Millionen Menschenleben auf dem Spiel, die durch Impfungen jedes Jahr gerettet werden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die derzeit in Rumänien wütende Masernepidemie müsse ein Warnzeichen für alle darstellen – Ärzte, Behörden und Eltern. Von daher seien die Werbeplakate ein Attentat gegen die Gesundheit der Kinder, erklärt Gesundheitsminister Florian Bodog.



    Auf einem Plakat zu schreiben, dass Impfungen unsicher sind, ist meiner Ansicht nach ein Verbrechen. Ich glaube, dass verantwortungsbewusste Eltern ihre Kinder schützen müssen. Genauso wie die Kinder unabhängig ihrer Religion getauft werden, müsste man hingehen und sie impfen lassen.



    Es wäre also wohl sehr nützlich, sich gegen ein fehlendes Gewissen impfen zu lassen, wenn man es nur könnte! Das ist wohl wieder klar geworden, seitdem ein neuer Korruptionsfall im Gesundheitswesen vermutet wird.



    Seit Jahresende wird gegen einen bekannten rumänischen Chirurgen und Nierentransplant-Experten ermittelt. Mihai Lucan wird der Unterschlagung und der Gründung einer kriminellen Vereinigung beschuldigt. Er soll den Staat um ungefähr eine Million Euro geschädigt haben. Der Arzt habe medizinisches Gerät des Niereninstituts in Klausenburg illegal in seine private Klinik überführt. Gut 150 Patienten seien vom staatlichen Krankenhaus in die Klinik von Lucan überwiesen worden, wo ein Eingriff zwischen 3000-6500 Euro kostete. Die Vorgehensweise des Arztes war vom Abgeordneten Emanuel Ungureanu vom Verband Rettet Rumänien angezeigt worden.



    Uns wird an diesen Tagen ein Land offenbart, das von mafia-ähnlichen Strukturen kontrolliert wird, die Ärzte, Staatsanwälte, Richter, Gemeimdienst-Angestellte umfasst. Die Schweigenden sind andere Ärzte, denen etwa bekannt ist, dass in Hunderten von Kliniken in Rumänien die Patienten vom staatlichen ins private Gesundheitssystem überwiesen werden. Die Kranken werden ihres Geldes beraubt und kehren dann in die staatlichen Kliniken zurück, wo dann erneut die Staatskasse geplündert wird.



    Im Strafverfahren um den Arzt Mihai Lucan sind sogar der Gesundheitsminister Florian Bodog sowie der Klausenburger Bürgermeister Emil Boc zu Anhörungen geladen worden.

  • Mit der dualen Ausbildung gegen Fachkräftemangel

    Mit der dualen Ausbildung gegen Fachkräftemangel

    Vor 20 Jahren bereitete das Berufsausbildungssystem noch Facharbeiter für die verschiedenen Branchen der Volkswirtschaft vor. Doch im Jahr 2009 wurde das System abgeschafft — und später auf Drängen der Arbeitgeber, die kein Personal mehr fanden, wieder eingeführt. Laut aktueller Statistik ist einer von vier jungen Menschen arbeitslos. 16% der Menschen zwischen 18 und 24 studieren oder arbeiten nicht. Trotzdem entscheiden sich nur 20% der Schüler nach der 8. Klasse für eine Berufsschule, obwohl rund 50.000 von ihnen es nicht schaffen, auf ein Gymnasium zu kommen — und wenn ihnen das gelingt, schaffen sie später die Reifeprüfung nicht. Vor diesem Hintergrund haben finanzstarke Unternehmen versucht, ein duales Ausbildungssystem einzuführen, sagt Zoica Vlăduţ, stellvertretende Leiterin des nationalen Zentrums für die Entwicklung des beruflichen und technischen Schulwesens:



    Im November 2016 wurde eine Eilverordnung erlassen, die diese Organisationsform der dualen Berufsausbildung unter stärkerer Mitwirkung der Arbeitgeber einführt. Hinter der Initiative stecken Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber und Partner der praktischen Ausbildung. Grundlage ist ein Partnerschaftsvertrag zwischen der Ausbildungseinrichtung, einem Unternehmen und der jeweiligen Verwaltung. Zudem wird ein individueller Ausbildungsvertrag zwischen dem Schüler, dem Betrieb und der Schule geschlossen. Die Unternehmen müssen dabei so viel Unterstützungsgeld bereitstellen, wie auch vom Staat kommt.“




    Dieses System wird bereits flächendeckend umgesetzt. Allein letztes Jahr haben über 5.000 Unternehmen Jobs für Absolventen der Berufsschulen im dualen System angeboten. Cristian Macedonschi, Stadtrat und Präsident des Vereins für Förderung und Entwicklung des Tourismus im Landeskreis Braşov, spricht über einen Erfolg:



    Seit zwei Jahren läuft ein Pilotprojekt unseres Vereins zusammen mit den Hotels Kolping und Cronwell in Kronstadt, bei dem wir 14 Köche und 14 Kellner ausgebildet haben. Jetzt sind wir im dualen System und haben drei Klassen — eine mit 28 Köchen, eine Kellner- und eine Zimmerpersonalklasse. Insgesamt 90 Kinder, wobei der Bedarf viel höher liegt. Die Vertreter der Industrie sind am 10. Januar zum Schluss gekommen, dass sie doppelt so viele Azubis brauchen. Das Problem ist, dass wir auch die Ausbilder schulen müssen; dafür gibt es Erasmus-Projekte, im Rahmen derer wir unsere Ausbilder nach Österreich, Deutschland und in die Schweiz schicken, wo dieses System anerkannt wird und eine Tradition darstellt. Sobald wir mehr Ausbilder haben, können wir auch mehr junge Menschen schulen.“




    Im dualen System fällt der Schwerpunkt auf praxisnahe Ausbildung. Im ersten Jahr hat die Theorie einen Anteil von 40%, im dritten Jahr sind es nur 25 Prozent, erklärt Cristian Macedonschi:



    Die Schüler sind bei den Partnerbetrieben angestellt, wo sie innerhalb der drei Jahre den Beruf des Kochs, des Kellners und des Housekeepers erlernen. Die Kurse sind staatlich anerkannt und kostenlos. Die jungen Leute bekommen 200 Lei vom Staat und 200 Lei vom Arbeitgeber, also 400 Lei im Monat und lernen drei Jahre lang einen dieser Berufe. Abschlie‎ßend bekommen sie ein Zeugnis und nach der Ausbildung können sie im Betrieb bleiben, in dem sie gelernt haben. In Braşov ist die erste Schule nach diesem dualen Modell in 2012 eingerichtet worden, das war in der Luftfahrttechnik und dem Automobilbau. Seit 2012 haben hunderte Kinder diese Schule absolviert und 97% sind dann im Betrieb eingestiegen, wo sie in Ausbildung waren. Für die Unternehmen sind junge Menschen, die drei Jahre dort in Ausbildung waren, au‎ßerordentliche Spezialisten.“




    Wenige Jugendliche glauben heute noch, dass Handwerk goldenen Boden hat. Der Arbeitsmarkt schreit geradezu nach qualifiziertem Personal, aber auch unter diesen Umständen ist die berufliche Ausbildung eine eher weniger attraktive Alternative zum klassischen Bildungsweg mit Gymnasium, Abitur und Hochschule. Das grö‎ßte Problem dabei ist die Mentalität, klagen Experten wie Zoica Vlăduţ — Kinder und auch Eltern ziehen es vor, arbeitslose Akademiker zu sein, als einen Beruf zu erlernen:



    In den letzten Jahren wollen immer weniger eine berufliche Ausbildung machen, um eine Qualifikation zu haben. Um mehr Kindern diesen Weg zu eröffnen, hat das Bildungsministerium 2017 zum Jahr der Förderung der beruflichen Ausbildung gemacht.“



    Laut Zoica Vlăduţ sollen Kinder und ihre Eltern gezielt über die Chancen dieser Ausbildungsform im dualen System informiert werden. Das muss selbstredend auch von den Firmen mitgetragen werden — sie müssen die Leute überzeugen, dass es sich hier nicht um eine Notlösung für Kinder handelt, die es anders nicht mehr schaffen, sondern dass es um den Start einer Karriere geht, die bis zum Studium an einer Universität und höher führen kann, meint die Bildungsexpertin.