Tag: Postkommunismus

  • Frauen in der postkommunistischen Gesellschaft: Buch untersucht Stellung der Frau in Rumänien

    Frauen in der postkommunistischen Gesellschaft: Buch untersucht Stellung der Frau in Rumänien

    Der Band Die Geburt der demokratischen Staatsbürgerschaft. Frauen und ihre Macht im modernen Rumänien“ von Maria Bucur und Mihaela Miroiu analysiert die Art und Weise, wie Frauen im postkommunistischen Europa wahrgenommen werden. Maria Bucur lehrt Geschlechterstudien an der Universität Indiana in den USA. Über dieses Projekt sagte sie:



    Das ganze Projekt begann natürlich mit meiner Freundschaft zu Mihaela, was mich dazu brachte, zehn Jahre lang über dieses Thema viel zu lesen. Es hat sich gelohnt, denn ich habe viel gelernt. Ich war es nicht gewohnt, Urteile zu fällen, so wie ich sie am Ende getroffen habe, und das ist ein Gewinn für mich. Ich glaube, ich hatte sehr viel zu lernen. Meine Interdisziplinarität hat sich enorm ausgeweitet, und das ist für mich au‎ßergewöhnlich. Die Gelegenheit, diese Frauen kennenzulernen, die mir Mihaela vorgestellt hat, war die Chance meines Lebens.“




    Die in diesem Bereich durchgeführten Forschungen führten zur Entwicklung einer Geschichte der rumänischen Frauen nach 1990. Das Buch von Maria Bucur und Mihaela Miroiu stellt eigentlich einen einzigartigen Ansatz in der rumänischen Literatur dar:



    Das Kapitel über die Geschichte, oder genauer gesagt der historischen Kontext, war ursprünglich nicht geplant. Wir hatten mit einer Feldstudie begonnen, die wir später im Detail vorstellen wollten. Aber dann wurde uns klar, dass es bisher kein Buch in rumänischer Sprache über die Geschichte der Frauen gab, ein Buch, das erklärt wie man ihre Stimmen besser verstehen kann und welche die rechtlichen, bildungspolitischen oder politischen Strukturen und Normen der damaligen Zeit waren.“




    Mihaela Miroiu ist Professorin für Politikwissenschaft an der Nationalen Schule für Politische und Administrative Studien in Bukarest. Ihr Name ist vor allem mit der Gründung der feministischen Studien und der Geschlechterforschung in Rumänien verbunden. Als Koautorin des Buches gibt sie zu, dass dieses Projekt das Ergebnis eines persönlichen Ansatzes ist:



    In gewisser Weise war dieses Buch mein Moment, in dem ich mir sagte: ‚Lass mich zur ursprünglichen Frau zurückkehren.‘ Zu allen Frauen, die mich aufgezogen haben, zur Generation der Frauen, die meine Zeitgenossinnen sind, und dann zu den Frauen der folgenden Generationen. Das sind, wenn Sie so wollen, die drei Generationen: unsere Gro‎ßmütter, Mütter und Töchter. Es gab nicht viel vorsätzliches Denken in dem Buch, es hat sich einfach so ergeben. Ich persönlich finde die drei sehr langen Interviews, die jeweils durchschnittlich 5 bis 6 Stunden dauerten, sehr gut.“




    In der gesamten modernen Geschichte haben Frauen für die Anerkennung ihrer moralischen, intellektuellen, bürgerlichen und politischen Rechte gekämpft. Und überraschenderweise scheinen die rumänischen Frauen, auch die älteren, einen angeborenen Bürgergeist zu haben, sagt Mihaela Miroiu:



    Die politische Kultur all dieser Frauen ist lobenswert. Ohne allzu anspruchsvoll zu sein, haben sie Interessen, die es politisch zu lösen gilt. Es ist sehr klar, dass aus ihrer Sicht eine Demokratie und eine Art von Politik, in der die Moral verschwunden ist, nichts mit dem Gemeinwohl zu tun hat. Sie wären in konsolidierten Demokratien wie den skandinavischen ganz zu Hause.“




    Eine Feldforschung im siebenbürgischen Dorf Sâncrai gab Maria Bucur und Mihaela Miroiu die Möglichkeit, Geschichten von einer Vielzahl von Frauen zu hören, die einfach und au‎ßergewöhnlich zugleich sind:



    Man kann ihre Entwicklung sehen, wie sie einfach ihr Leben selbst in die Hand genommen haben, unabhängig davon, dass es sich um 80-jährige Frauen aus Sâncrai handelt, die nur vier Jahre in die Schule gegangen sind, oder um hoch qualifizierte Stadtfrauen, viele von ihnen Ärztinnen, Lehrerinnen, Ingenieurinnen. Sie sind sich au‎ßerordentlich ähnlich in ihren Bestrebungen und sie sind sich sehr ähnlich, weil sie die Trennung zwischen der Moral und der Praxis der Politik nicht ertragen können. Eine Idee, die unser Buch fördert.“




    Das Buch wurde 2018 in den USA im Verlag Indiana University Press veröffentlicht und ist jetzt in rumänischer Sprache in der Sammlung Zeitgeschichte“ im Verlag Humanitas erhältlich. Die Übersetzung trägt die Unterschrift von Magda Dragu und Mihaela Miroiu.

  • Postkommunismus: Der Bergarbeitereinfall vom Juni 1990

    Postkommunismus: Der Bergarbeitereinfall vom Juni 1990

    Der Bergarbeiterangriff vom 13.-15. Juni 1990 gegen Oppositionelle in Bukarest schockierte ganz Rumänien, Europa und die Welt. 7000 Bergarbeiter wurden damals nach Bukarest gebracht, um die Proteste gegen die Regierung und gegen den neuen Staatschef Ion Iliescu gewaltsam zu unterbinden.



    Im Juni 1990 haben unzufriedene Rumänen massiv gegen die Nationale Rettungsfront protestiert, die im Mai die ersten demokratischen Wahlen nach der antikommunistischen Revolution vom Dezember 1989 gewonnen hatte. Mit Unterstützung der Bergarbeiter aus dem Schil-Tal (rum. Valea Jiului) haben damals die Sicherheitskräfte die Proteste auf dem Bukarester Universitätsplatz brutal niedergeschlagen. Der Bergarbeiterangriff vom 13.-15. Juni 1990 gilt als eine Attacke gegen die demokratischen Strukturen des Staates. Der Politanalyst Gabriel Andreescu über den politischen Rahmen, der das zu dem Zeitpunkt ermöglicht hat:



    Es handelt sich nicht nur um eine unglückliche Entwicklung, sondern um tragische Ereignisse. Menschen haben ihr Leben verloren und es gab auch Folgen für die gesamte Gesellschaft. Die Nationale Rettungsfront war entschlossen, alle Mittel einzusetzen, um die Kontrolle zu ergattern, die der Staat im Kommunismus gehabt hatte. Wir dürfen nicht vergessen, dass die alte Sicherheitspolizei, die Securitate, fast komplett von den neuen Nachrichtendiensten SIE und SRI übernommen wurde. Formell wurden diese im März 1990 gegründet. Die Wirtschaftsmacht der ehemaligen Kommunisten stieg. Es handelte sich also um einige Gruppierungen, die gewöhnt waren, eine vollständige Kontrolle auszuüben. Die vollständige Kontrolle war aber nicht mehr möglich. So sind die Demonstranten trotz der Wahl-Ergebnisse und der Aufforderung, die Proteste zu beenden, auf der Stra‎ße geblieben.“




    Am 13. Juni 1990 wurden die Zelte der Demonstranten auf dem Universitätsplatz niedergerissen. Menschen wurden verhaftet und Arbeiter von der Fabrik für Schwermaschinen Bukarest (IMGB) haben sich den Sicherheitskräften angeschlossen. Ion Iliescu rief alle verantwortungsbewusste“ Kräfte auf, den Sitz der Regierung gegen die vermeintlichen Extremisten zu verteidigen. Am Abend des 13. Juni brachten drei Sonderzüge die Bergarbeiter aus dem Schil-Tal nach Bukarest. Der Politanalyst Gabriel Andreescu erinnert sich:



    Die Zeitung România Liberă, wie auch die Gruppe für Sozialen Dialog (GDS) beanstandeten permanent die neuen Machthaber, die jedoch von der Bevölkerung im Amt bestätigt wurde. Was im Nachhinein passiert ist, hat praktisch die Demokratie zerstört. Die Bergarbeiter sollten die wichtigsten Demokratie-Quellen der Opposition ausschalten. Das waren die Zeitung România Liberă, deren Sitz zerstört wurde, und die Gruppe für Sozialen Dialog. Ich war da auch anwesend. Die Bergarbeiter kamen zum Tor, um uns herauszuholen. Nur eine Verhandlungs-Strategie ermöglichte es uns, sie aufzuhalten.“




    Am nächsten Tag, den 14. Juni, wurden die Bergarbeiter unter der Leitung von Miron Cozma vom rumänischen Nachrichtendienst übernommen und zu den wichtigsten Standorten der Opposition in Bukarest geführt. Das Gebäude der Universität wurde in Brand gesetzt, berühmte Professoren, darunter auch Petru Creţia, wurden angegriffen, sowie die Anführer der Studenten. Dasselbe Schicksal hatten auch die Sitze der neugegründeten historischen Parteien, der Sitz der Liberalen Partei und der Sitz der Bauernpartei. Gabriel Andreescu hat die Details:



    Die Sitze der historischen Parteien wurden zerstört. Normalerweise hätte man dadurch die Opposition ausgeschaltet. Das ist aber nicht passiert. Die Reaktion der Bukarester und des ganzen Landes war unglaublich. Die Ereignisse haben die Menschen mobilisiert, unterschiedliche Gemeinden wie Gewerkschaften, Oppositionsparteien und unabhängige Intellektuelle kamen zusammen. Infolge dieser Ereignisse wurde die Bürger-Allianz gegründet. Es folgte die Demokratische Antitotalitäre Front in Cluj (Klausenburg), die dann 1996 unter dem Namen Demokratische Konvention Rumäniens den Machtwechsel sicherte. Diese ermöglichte die Gründung der ersten wahrhaft demokratischen Institutionen in Rumänien.“




    Am 15. Juni 1990 wurden die Bergarbeiter, die das Zentrum Bukarests verwüstet hatten und Demonstranten, Intellektuelle und Studenten brutal geschlagen hatten, zum Messegelände Romexpo gebracht. Dort dankte ihnen Ion Iliescu für ihren Einsatz in der Hauptstadt. Gabriel Andreescu dazu:



    Es gab gravierende Folgen für die gesamte Gesellschaft, zugleich wurde aber auch die Opposition mobilisiert. Die internationalen Folgen waren jedoch schrecklich, die grausamen Bilder gingen damals um die ganze Welt. Unter dem Schutz der Behörden griffen Bergarbeiter-Banden junge Männer und Frauen an und zerstörten Bildungs-Institutionen. Es ist eine riesige Schande, es ist ein Fleck in der rumänischen Geschichte, der nur schwer verschwinden wird.“




    25 Jahre nach diesen erschütternden Ereignissen sind die Umstände immer noch nicht restlos aufgeklärt und die verantwortlichen Politiker wurden auch nicht von der Justiz belangt.