Tag: Proklamation von Alba Iulia

  • Iuliu Hossu: Kirchenmann und Verfechter der Demokratie

    Iuliu Hossu: Kirchenmann und Verfechter der Demokratie

    Am 1. Dezember 1918 fand die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien statt; damit wurde der Grundstein für Gro‎ßrumänien gelegt. In der Nationalversammlung in Alba Iulia stimmten Tausende Rumänen der Vereinigung mit dem Königreich Rumänien zu, eine Vereinigung, die die gemeinsamen Bestrebungen der Eliten und der unteren Schichten in Wirklichkeit umsetzte. Einer der Vertreter dieser Eliten war der griechisch-katholische Bischof Iuliu Hossu, ein Märtyrer für den Glauben.



    Iuliu Hossu wurde am 30. Januar 1885 in Milaşul Mare, damals Österreich-Ungarn, heute Kreis Cluj (Klausenburg), Rumänien, als Sohn eines griechisch-katholischen Priesters geboren. Er studierte Theologie am römisch-katholischen Gymnasium in Târgu Mureş (Neumarkt), heute in Zentralrumänien, und in Blaj (Blasendorf), im Westen des Landes. Im Jahr 1904 begann er sein theologisches Universitätsstudium am Pontificio Collegio Urbano de Propaganda Fide in Rom. 1906 wurde Iuliu Hossu Doktor der Philosophie und 1910 Doktor der Theologie. Im selben Jahr, 1910, wurde er zum Priester geweiht. Zwischen 1910 und 1918, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, arbeitete Iuliu Hossu im Bistum Lugoj als Archivar, Bibliothekar, Vikar und Sekretär seines Onkels, Bischof Vasile Hossu. Iuliu Hossu meldete sich freiwillig als Militärpriester für den geistlichen Beistand im Rang eines Leutnants der österreichisch-ungarischen Armee. Im Jahr 1918 wurde er nach dem Tod seines Onkels zum griechisch-katholischen Bischof von Gherla ernannt.



    Das Jahr 1918 war für die Siebenbürger Rumänen ein besonderes Jahr. Am Ende des Krieges beschlossen die Rumänen aus Siebenbürgen, sich mit Rumänien zu vereinigen, und Iuliu Hossu war derjenige, der am 1. Dezember 1918 vom Gro‎ßen Rumänischen Nationalrat den Auftrag bekam, an die in Alba Iulia versammelten Massen die Erklärung der Vereinigung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien zu verlesen. Der griechisch-katholische Bischof Iuliu Hossu, der orthodoxe Bischof Miron Cristea und die siebenbürgischen Politiker Alexandru Vaida-Voevod und Vasile Goldiş brachten die Vereinigungserklärung von Alba Iulia nach Bukarest, um sie König Ferdinand I. von Rumänien zu übergeben. Im Archiv des Zentrums für mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks befindet sich ein Audiodokument von gro‎ßem Wert, das von dem Enthusiasmus des Neubeginns nach dem gro‎ßen Krieg von 1914–1918 bezeugt. Es ist die Stimme des griechisch-katholischen Bischofs Iuliu Hossu. Die Aufnahme ist äu‎ßerst wichtig, erstens weil sie die Stimme von Iuliu Hossu bewahrt; zweitens fasst das Audiodokument die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und bürgerlichen Bestrebungen der Rumänen jener Zeit zusammen. Die Aufnahme entstand heimlich im Jahr 1969, ein Jahr vor dem Tod Iuliu Hossus, des gro‎ßen Mannes der rumänischen Nation und der griechisch-katholischen Kirche. Die religiöse Dimension war für Bischof Iuliu Hossu der wichtigste Beitrag zur Gro‎ßen Vereinigung von 1918. Aber Iuliu Hossus Worte hatten auch eine realistische Dimension, in Bezug auf die Wünsche all jener, die an die Schaffung Gro‎ßrumäniens glaubten. Iuliu Hossu:



    Brüder! Dies ist die Stunde der Fülle der Zeit. Die Stunde, wenn der allmächtige Gott durch Sein treues Volk Seine Gerechtigkeit spricht, nach der uns seit Jahrhunderten dürstet. Durch unseren Willen wird heute das einheitliche, nicht getrennte Gro‎ßrumänien geschaffen, und alle Rumänen in diesem Land sprechen glücklich diese Worte aus: Wir sind für immer mit dem Vaterland Rumänien vereint! Die Nationalversammlung aller Rumänen aus Siebenbürgen, dem Banat und dem ungarischen Land, die am 1. Dezember 1918 durch ihre bevollmächtigten Vertretern in Alba Iulia zusammengekommen ist, beschlie‎ßt die Vereinigung all dieser Rumänen und aller von ihnen bewohnten Gebiete mit Rumänien. Insbesondere verkündet die Nationalversammlung das unveräu‎ßerliche Recht der rumänischen Nation auf das gesamte Banat zwischen den Flüssen Mureş (Marosch), Thei‎ß und Donau. Die Nationalversammlung verleiht den obengenannten Territorien zeitweilige Autonomie, bis zum Einberufen der Verfassunggebenden Versammlung durch Allgemeinwahl. Diesbezüglich verkündet die Nationalversammlung folgende Grundsätze für die Zusammensetzung des neuen rumänischen Staates: Volle nationale Freiheit für alle zusammenlebenden Völker; jedes Volk bekommt Unterricht, Verwaltung und Rechtsprechung in seiner eigenen Sprache, durch seine eigenen Vertreter. Jedes Volk erhält das Recht auf Vertretung in den gesetzgebenden Körperschaften und in der Regierung des Landes im Verhältnis zur Anzahl der Personen, aus denen es sich zusammensetzt. Gleiche Rechtfertigung und volle autonome Freiheit für alle Konfessionen. Die perfekte Umsetzung eines sauberen demokratischen Regimes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, die freie Wahl, direkt, gleich, geheim, auf Gemeinden, verhältnismä‎ßig für beide Geschlechter im Alter von mindestens 21 Jahren, für die Vertretung in Gemeinden, Kreisen oder im Parlament. Die vollständige Presse-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, die freie Propagierung aller menschlichen Gedanken. Die radikale Agrarreform wird mit der Eintragung aller Güter, insbesondere der gro‎ßen Güter durchgeführt. Es wird den Bauern möglich sein, ein Eigentum zu schaffen, das mindestens so gro‎ß ist, wie der Bauer und seine Familie arbeiten können. Das Leitprinzip dieser Agrarpolitik wird einerseits durch den sozialen Ausgleich und andererseits durch die Produktionssteigerung entstehen. Den Industriearbeitern werden die gleichen Rechte und Leistungen gewährt, die in den fortschrittlichsten Industriestaaten des Westens geregelt sind.“




    Als Senator in Gro‎ßrumänien sprach sich Bischof Iuliu Hossu oft gegen den Revisionismus. Als Ungarn im August 1940 Nord-Siebenbürgen annektierte, blieb der Bischof Iuliu Hossu in Cluj (Klausenburg), einer Stadt unter ungarischer Kontrolle, um bei seinen Gläubigen zu sein. Mit der Installierung des kommunistischen Regimes am 6. März 1945 begann die Zerstörung der rumänischen Demokratie. Da Iuliu Hossu sich entschieden gegen Pläne der rumänischen Regierung wehrte, die auf die Auflösung der Griechisch-Katholischen Kirche in Rumänien abzielten, wurde er am 28. Oktober 1948 verhaftet und in der Ortschaft Dragoslavele eingesperrt. Nach der Auflösung der Griechisch-Katholischen Kirche blieb Iuliu Hossu unter Hausarrest im orthodoxen Kloster Căldăruşani im Nordosten von Bukarest.



    Nachdem er sich geweigert hatte, zur Orthodoxie überzutreten, wurde Iuliu Hossu 1950 nach Sighet gebracht. Vom 25. Mai 1950 bis zum 4. Januar 1955 war er im berüchtigten Gefängnis Sighet inhaftiert. Danach hatte er wieder Hausarrest im Kloster Căldăruşani, wo er 1970 starb. 1969, ein Jahr vor seinem Tod, ernannte ihn Papst Paul VI. im Konsistorium vom 28. April 1969 in pectore zum Kardinal. Die Verkündigung fand drei Jahre nach Iuliu Hossus Tod im Konsistorium vom 5. März 1973 statt. 2019 wurde Iuliu Hossu zusammen mit sechs anderen griechisch-katholischen Priestern von Papst Franziskus selig gesprochen.

  • Siebenbürger Sachsen 1918: Nach Zögern Zustimmung für die Vereinigung mit Rumänien

    Siebenbürger Sachsen 1918: Nach Zögern Zustimmung für die Vereinigung mit Rumänien

    Die Absichten und Handlungen einzelner Personen und Gemeinschaften waren konfus — auch die Siebenbürger Sachsen waren zu dem Zeitpunkt nicht ganz entschlossen, wie sie handeln sollten. Österreich-Ungarn löste sich zu dem Zeitpunkt gerade auf. Die Nationalitäten auf dem Gebiet der Donaumonarchie wollten Nationalstaaten gründen. Die Minderheiten in Siebenbürgen waren in dieser Hinsicht nicht ebenso entschlossen, die deutschsprachige Minderheit der Siebenbürger Sachsen musste mit ihren eigenen Vorurteilen und der Ungewissheit über die Zukunft kämpfen.



    Die Verabschiedung der Resolution der Rumänen am 1. Dezember 1918 war jedoch der Moment, in dem die Sachsen einen eigenen Standpunkt festlegten. Diesem wurde am 8. Januar 1919 in Mediasch Ausdruck verliehen, als ein aus 138 Delegierten bestehende Komitee der Sachsen die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien anerkannte. Der Historiker Vasile Ciobanu vom Institut für Sozial- und Humanforschung in Hermannstadt kennt die Geschichte der über 100 Jahre alten Erklärung der Sachsen.



    Die Siebenbürger Sachsen, die mit den Rumänen in Gemeinden und Städten zusammenlebten, wussten von den Vorbereitungen auf die Versammlung von Alba Iulia, sie wussten von den politischen Verwerfungen, die sich abzeichneten. Im Oktober 1918, als der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie begann, sprachen sich die Vertreter der Sachsen eher dafür aus, die Integrität des ungarischen Staates zu wahren. Am 23. Oktober 1918 gibt es im Budapester Parlament Erklärungen des Abgeordneten Rudolf Brandsch und am 29. Oktober 1918 eine Entscheidung des Nationalrates der Sachsen in Hermannstadt, in der sich diese Organisation auch für die Aufrechterhaltung der Integrität des ungarischen Staates aussprach. Als die Ereignisse auf den für die Rumänen günstigen Ausgang hinausliefen, traten im November 1918 die im sächsischen Nationalrat in Hermannstadt versammelten Vertreter der Sachsen sowie die sächsischen Abgeordneten des ungarischen Parlaments in Budapest mit den rumänischen Vertretern in Kontakt. In Budapest wird der Nationale Zentralrat der Rumänen mit Ioan Erdei als Vertreter gegründet. Der Zentralrat erörtert mit den Vertretern der Sachsen in Budapest die Haltung gegenüber der Entscheidung, die die Rumänen in Alba Iulia treffen sollten. Der Nationalrat der Sachsen diskutiert zudem mit dem Rumänischen Nationalrat in Hermannstadt, angeführt von Andrei Bârseanu. Dabei wird die Entschlossenheit der Rumänen in Siebenbürgen deutlich, sich Rumänien anzuschlie‎ßen.“




    Die Entscheidung der Rumänen am 1. Dezember 1918 sei mit Sicherheit der Moment gewesen, in dem die Sachsen erkannten, dass es nur eine Möglichkeit gab, und zwar die Gründung des neuen rumänischen Staates zu akzeptieren, sagt der Historiker Vasile Ciobanu.



    Selbst wenn sie auch Gespräche mit den Vertretern der neuen ungarischen Regierung Károlyi führten, haben die Sachsen beschlossen, sich den Rumänen und den Ungarn gegenüber gleich zu verhalten. Dies, um zunächst herauszufinden, welche Entscheidung die Rumänen treffen würden. Als sie feststellten, dass die Entscheidung der Mehrheit der rumänischen Bevölkerung getroffen war, entschieden sich die Sachsen am 1. Dezember für die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien. Die Entscheidung fiel ihnen nicht leicht und das ist verständlich, weil die Sachsen 800 Jahre lang Teil des ungarischen Staates gewesen waren, seitdem sie auf Befehl der ungarischen Könige nach Siebenbürgen gebracht wurden. Unter diesen Umständen fiel es ihnen schwer, die Herrschaft zu ändern, unter der sie lebten. Auf der anderen Seite gab es sehr freundschaftliche Beziehungen zur ungarischen Herrschaft, da die Magyaren die Nähe der Sachsen suchten, um eine stärkere politische Positionierung in Siebenbürgen zu erlangen. Am 1. Dezember 1918 waren keine Vertreter der Siebenbürger Sachsen in Alba Iulia. Es gab nur einen Vertreter der Sächsischen Presse, einen Rechtsanwalt, der am 3. Dezember 1918 einen ziemlich objektiven, fairen Bericht in der Tageszeitung »Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt« veröffentlichte und der von den übrigen sächsischen Zeitungen übernommen wurde.“




    Wir fragten den Historiker Vasile Ciobanu, ob es beim Treffen der Sachsen in Mediasch keine anderen Gesichtspunkte gegeben habe als die Annahme der Vereinigung von Siebenbürgen mit Rumänien.



    Zunächst wurde in einer von einer Gruppe sächsischer Vertreter vorbereiteten Resolution der Vorschlag gemacht, die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien zu akzeptieren. Es gab jedoch einen Gegenvorschlag, der von einigen Stimmen unterstützt wurde. Es gibt ein Protokoll des Treffens vom 8. Januar 1919, aus dem wir von diesem Gegenvorschlag erfahren. Dieser unterstützte die Idee, die Bestimmungen der Friedenskonferenz betreffend den Status Siebenbürgens abzuwarten. Zur Situation in Rumänien herrschten nicht gerade die besten Meinungen, konkrete Verweise betrafen die Existenz der gro‎ßen Liegenschaften und die Existenz einer Bauernschaft, die sich 10–12 Jahren zuvor, nämlich 1907, dagegen aufgelehnt hatte. Der Gegenvorschlag war, dass Siebenbürgen ein Teil Ungarns bleibt, aber dieser Idee wirkte man entgegen. Die etwa 4–5 Befürworter der Idee von insgesamt 138 Teilnehmern wurden darüber aufgeklärt, dass ihre Lösung nicht akzeptiert werden konnte. Warum mussten sie aufgeklärt werden? Weil die Versammlung einstimmig über eine Resolution abstimmen wollte, und die Resolution ist eben diejenige, die wir kennen, in der sie der Vereinigung von Siebenbürgen mit Rumänien ohne weitere Bedingungen zustimmen. In der Tat versuchten die Vertreter der Sachsen, von den Vertretern der Rumänen Zusicherungen zu bekommen, dass sie im künftigen rumänischen Staat bestimmte Rechte haben würden. Dabei beriefen sie sich, und das ist im Text ihrer Erklärung enthalten, auf die Bestimmungen der Resolution der rumänischen Nationalversammlung in Alba Iulia, die unter Punkt 3 ausdrücklich auf die Rechte verweist, die die nationalen Minderheiten im künftigen rumänischen Staat genie‎ßen sollten.“




    Die Hundertjahrfeier des Sachsentreffens in Mediasch hat eine tiefere Bedeutung: Rumänien profitierte damals von der Treue einer starken Minderheit. Und diese Treue bedeutete in jenen unsicheren Zeiten sehr viel.