Tag: Prosa

  • Radio România Cultural vergibt erneut seine Preise

    Radio România Cultural vergibt erneut seine Preise

    Die Gala ist die einzige Veranstaltung, die alle Bereiche der Kultur in Rumänien auszeichnet, wobei bei dieser Jubiläumsausgabe die wichtigsten Leistungen der rumänischen Kultur im Jahr 2021 gewürdigt wurden.



    Der Preis für herausragende Leistungen im Rahmen der Gala von Radio Rumänien Kultur ging an Dr. Cătălin Denciu und das Team der Intensivstation des Kreiskrankenhauses Piatra-Neamț, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um ihre Patienten während des tragischen Brandes im Jahr 2020 zu retten. Der Sonderpreis für Bildung ging an die Mathematik-Ausbildungsplattform MateX.xyz. Die Plattform wurde von 8 Olympia-Teilnehmern mit dem Ziel geschaffen, arme Schüler der 8. Klasse online auf die nationale Prüfung vorzubereiten.



    Der Sonderpreis für Wissenschaft ging an den Graphs.ro-Gründer Dragos Vana. Täglich wurden auf seiner Plattform Daten über die Entwicklung der Coronavirus-Pandemie in Rumänien und Informationen über die Anti-COVID-Impfkampagne veröffentlicht. Im April 2020 als persönliches Projekt mit persönlichen Ressourcen gestartet, hat sich Graphs.ro zu einer Referenzquelle und einem unverzichtbaren Instrument zur Verfolgung der Entwicklung der Pandemie in Rumänien entwickelt.



    Der Sonderpreis für Literatur ging an die Buchhandlung Zwei Eulen in Timișoara, ein kulturelles Großprojekt, ein Beispiel für das kulturelle Überleben in den schwierigen Tagen der Abriegelung. Raluca Selejan und Oana Doboși, die Gründerinnen der Buchhandlung Zwei Eulen, beim Entgegennehmen des Sonderpreises für Literatur von RRC:



    Vielen Dank an RRC und die Jury, die uns für diesen Preis nominiert haben. Es ist eine Auszeichnung, die zu einem Zeitpunkt kommt, an dem wir nach zwei sehr harten Jahren fast bereit waren, die Waffen niederzulegen, aber sie erinnert uns daran, dass sich eine so wunderbare Gemeinschaft um unsere Buchhandlung gebildet hat, die uns in einer sehr schweren Zeit zur Seite steht, ohne zu wissen, dass wir eine sehr schwere Zeit haben. Wir möchten uns bei unseren Eltern bedanken, die uns immer unterstützt haben und denen wir es zu verdanken haben, dass unsere Buchhandlung überlebt hat, sowie bei all unseren Freunden. Die Pandemie war eine schwierige Zeit, denn in unserem Land ist das Buch, wie Sie wissen, nicht essentiell, die Buchhandlungen sind nicht gesetzlich geschützt, wir haben kein Gesetz über den Einzelpreis eines Buches, also sind die einzigen, die diesen Markt und die Bücher schützen können, die Leser.



    Wir möchten auch dem Professor und Schriftsteller Daniel Vighi danken, der, als wir noch sehr jung waren, in einer Weise an uns geglaubt hat, wie es nur wenige taten, der uns ermutigt hat, das zu werden, was wir heute sind, und von dem wir gelernt haben, dass es in der Literatur so etwas wie ein Wochenende, einen Feiertag oder ein Fest nicht gibt. Von Daniel Vighi haben wir auch gelernt, dass die größte Freude an der Literatur der Moment der Einsamkeit der Begegnung zwischen Text und Leser ist, und deshalb hoffen wir, dass wir Ihnen so viele Bücher wie möglich nahebringen können. Wir fordern Sie auf, den physischen Buchhandel zu unterstützen, denn die Buchhändler erwarten Sie dort mit großer Hingabe.



    Simona Popescu wurde bei der RRC-Gala für Das Buch der Pflanzen und Tiere (erschienen bei Nemira) ausgezeichnet. Simona Popescu ist ferner Autorin mehrerer Gedichtbände, die in der Sammlung Opera poetica (2021) vollständig abgedruckt wurden. Mein Plädoyer für die Poesie, 2006. Sie schrieb außerdem den Roman Exuvii (1997), den Essayband Volubilis (1998) und kritisch-fiktionale Arbeiten über den surrealistischen Dichter Gellu Naum. Simona Popescu bei der Entgegennahme des RRC-Preises:



    Ich danke der Jury und fühle mich geehrt, dass dies eine Auszeichnung von RRC ist. Vielen Dank für Ihren Besuch in meinem Garten mit seiner Öffnung zum Meer und zum Ozean, wie ich das Buch nenne. Es handelt sich um ein Buch von über 300 Seiten mit Dutzenden von Pflanzen und Tieren, die eigentlich ein Vorwand sind, um über die Welt im weiteren Sinne zu sprechen, über die menschliche Gattung, nicht nur über Pflanzen und Tiere, und um viele Themen der Literatur anzusprechen, seien sie groß, klein oder mittelgroß. Meine besten Gedanken gelten meinen guten Freunden, die mit mir nominiert wurden, Ștefania Mihalache und Miruna Vlada, und natürlich all jenen, die im Jahr 2021 gute und sehr gute Gedichtbücher, aber nicht nur Gedichte, geschrieben haben.



    Alina Nelega wurde in der Kategorie Prosa für ihren Roman Eine Wolke in Form eines Kamels (Verlag Polirom) ausgezeichnet und in der Kategorie Theater – das Theater Andrei Mureșanu aus Sfântu Gheorghe für die Aufführung Consent von Evan Placey unter der Regie von Radu Afrim. Der Film Otto der Barbar unter der Regie von Ruxandra Ghițescu erhielt den RRC-Preis in der Kategorie Film, und die vier Einzelausstellungen von Mircia Dumitrescu wurden in der Kategorie Bildende Kunst belohnt.



    Der Preis in der Kategorie Wissenschaft ging an Răzvan Cherecheș – er ist Leiter der Abteilung für öffentliche Gesundheit an der Fakultät für Politik-, Verwaltungs- und Kommunikationswissenschaften der Babeș-Bolyai-Universität Cluj und war für die Kampagne zur Bekämpfung von COVID im öffentlichen Gesundheitswesen in Rumänien verwantwortlich. In der Kategorie MUSIK wurden Nicu Alifantis & Zan für ihr Album Dimov – Leoneed is love ausgezeichnet und in der Kategorie Bildung die Narada Association für Projekte, die die Technologie des 21. Jahrhunderts dem Bildungswesen näher bringen.

  • Neue rumänische Prosa in deutscher Übersetzung

    Neue rumänische Prosa in deutscher Übersetzung

    Der Sammelband enthält Prosa, die zwischen den Jahren 2002 und 2014 von bekannten Autoren wie Gabriela Adameşteanu, Bogdan Costin, Petru Cimpoeşu, Adela Greceanu, Nora Iuga, Dan Lungu, Marin Mălaicu-Hondrari, Ovidiu Nimigean, Ioana Pârvulescu, Marta Petreu, Răzvan Rădulescu, Adina Rosetti und Lucian Dan Teodorovici erschienen war. Nach der Buchvorstellung in Leipzig wurde der Band auch beim Rumänischen Kulturinstitut (RKI) in Berlin diskutiert — die Texte wurden im Rahmen von Literaturwerkstätten übersetzt, die das RKI Berlin in Zusammenarbeit mit dem Rumänisch-Lehrstuhl an der Humboldt-Universität in 2015 gestartet hat und von der Übersetzerin Anke Pfeifer geleitet werden.



    Dabei geht es vor allem, eine neue Generation von professionellen literarischen Übersetzern aus dem Rumänischen ins Deutsche zu fördern, aber auch Kontakte zwischen Übersetzern, Autoren und Verlegern herzustellen. Anke Pfeifers Verbindungen zur rumänischen Literatur gehen schon ein Stück zurück — sie schrieb sogar ihre Doktorarbeit zum Schelmischen in der rumänischen Prosa und veröffentlicht Rezensionen zu in Deutschland erschienenen Übersetzungen aus dem Rumänischen. Sie findet, dass der im Transitverlag erschienene Band Das Leben wie ein Tortenboden“ dem deutschen Leser einen guten Überblick über die aktuelle Literaturszene in Rumänien bieten wird — über die Entstehungsgeschichte berichtet sie in den Folgeminuten:



    Meine Rumänisch-Werkstätten sind für alle offen. Die Teilnehmer sind gewöhnlich Studenten der Rumänistik, ehemalige Studenten, rumänische Muttersprachler. Diese Werkstätten sind aber keine ständigen Kurse. Vor zwei Jahren hat die Übersetzerin Ewa Wemme einen Workshop für die Übersetzung von Gedichten veranstaltet. Und dann kam das RKI Berlin mit dem Vorschlag, einen Workshop für Prosa zu machen, um dabei einen Sammelband zu veröffentlichen. Es gab zwar Texte, die innerhalb der Übersetzungskurse an der Universität Humboldt übertragen waren — aber es waren nur sechs, zu wenig, um einen Sammelband daraus zu machen. Zusammen mit Daniela Duca und Valeriu Stancu haben wir als Herausgeber auch andere Texte gewählt — und es war herausfordernd, sie zu übersetzen. Dass die übersetzten Texte zur Herausgabe bestimmt war, hat zur Attraktivität der Aufgaben für die Übersetzer beigetragen.“




    Wie Anke Pfeifer weiter erläutert, wählte zunächst Prof. Valeriu Stancu vom Rumänistik-Lehrstuhl an der Humboldt-Universität vor acht Jahren einige Texte aus, die damals frisch erschienen waren. Doch das letzte Wort hatten die Studenten, die an der Übersetzung arbeiteten — und sie entschieden sich für Kurzprosa oder sogar Romanabschnitte von Dan Lungu, Lucian Dan Teodorovici, Bogdan Costin oder Răzvan Rădulescu. Interessanterweise waren es nur Texte von Autoren, obwohl — wie Anke Pfeifer bemerkt — auch Schriftstellerinnen in Rumänien viel zu bieten haben. In einer zweiten Phase wählten die Herausgeber dann Texte bekannter Autorinnen wie Nora Iuga oder Gabriela Adameşteanu, aber auch von weniger bekannten Namen wie Ioana Pârvulescu, Adela Greceanu und Adina Rosetti. Der Sammelband erfreute sich eines beachtlichen Interesses von der Neuen Zürcher Zeitung, aber auch in Talkshows zum Thema Leipziger Buchmesse. Nun stehen weitere Buchveranstaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dem Programm. Anke Pfeifer wei‎ß über einen schönen Erfolg zu berichten:



    Bei der Buchmesse in Leipzig war das Interesse für die rumänische Literatur sehr gro‎ß. Rumänien war mit über 40 Übersetzungen präsent, am rumänischen Stand war immer viel Andrang — die Leute blätterten in den Büchern, schauten sich die Lesungen an und hörten bei den Diskussionen zu. Die Messe und die übersetzten Titel werden das Interesse für die rumänische Literatur bestimmt fördern.“




    Die Rumänistin Anke Pfeifer plant demnächst Rezensionen von in deutscher Sprache erschienenen Büchern von Ştefan Agopian und Ana Blandiana.

  • Roman von Cătălin Dorian Florescu in rumänischer Übersetzung erschienen

    Roman von Cătălin Dorian Florescu in rumänischer Übersetzung erschienen

    Ich betrachte meinen Roman nicht nur als eine Geschichte über die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt, sondern auch darüber, wie man durch Erzählung den Weg zum Anderen finden kann.“ Das sagt Cătălin Dorian Florescu über seinen jüngsten Roman Bărbatul care aduce fericirea“ (Der Mann, der das Glück bringt“), der im Verlag Humanitas in der Übersetzung der Germanistin Mariana Bărbulescu erschien. Es ist allerdings nicht zum ersten Mal, wenn der im westrumänischen Timişoara geborene Autor sagt, dass die Literatur und das Leben in enger Verbindung miteinander stehen. Der ausgebildete Psychologe hat zusammen mit seiner Familie Rumänien mit 15 Jahren verlassen. Derzeit lebt er in Zürich. In der Schweiz erschienen seine Romane Wunderzeit“ (Vremea minunilor“, 2001), Der kurze Weg nach Hause“ (Scurtul drum spre casă“, 2002) und Der blinde Masseur“ (Maseurul orb“, 2006). Im Verlag C.H.Beck sind in rumänischer Übersetzung die Romane Zaira“ 2008 und Jacob beschlie‎ßt zu lieben” (Jacob se hotărăște să iubeasc㔓 2011) erschienen.




    Der Prosaautor wurde mit dem Anna-Seghers-Preis und dem Swiss Book Prize für das beste Buch des Jahres 2011 in der Schweiz geehrt. Im nächsten Jahr erhielt er den Literaturpreis Josef von Eichendorff für sein literarisches Werk. In einer Rezension für die Zeitschrift Stern“ schrieb Elke Heidenreich: C.D. Florescu hat einen fulminanten Roman über ein ganzes Jahrhundert der Wanderschaften, Vertreibungen, Fluchten, Glückssuchen geschrieben… Ein Roman, der von Fantasie, Schönheit und fantastischen Bildern schier platzt. Florescu hat schon früher bewiesen, was für ein begnadetes Fabuliertalent er ist. Hier liefert er sein Meisterstück.“




    Der Schriftsteller entwickelt ein Jahrhundertpanorama aus Sicht der kleinen Leute. Das Romangeschehen beginnt Ende des 19. Jahrhunderts und wird über drei Generationen hinweg erzählt. Der Erzählstrang führt den Leser über den Atlantik nach New York und ins Donaudelta. Nicht nur Schauplätze und Zeiten wechseln, sondern auch die Erzählperspektiven. Die beiden Erzähler begegnen einander am 11. September 2001, als die World Trade Center“-Türme einstürzen; Ray ist ein amerikanischer Vaudeville-Sänger von der Ostküste, Elena, die in einer Textilfabrik arbeitet, ist ein Waisenmädchen, das in Adoptivfamilien aufgewachsen war. Die beiden episodenreichen Erzählstränge sprechen den Leser emotional sehr unterschiedlich an. Die Romane von C.D. Florescu sind in der Wirklichkeit tief verwurzelt. Die Hauptfigur des Romans Zaira“ war beispielsweise eine berühmte Darstellerin von Puppentheater aus Temeswar, die vor zwei Jahren verstorben ist. Die Recherche spielt für seine Romane eine besonders wichtige Rolle. Für den Roman Der Mann, der das Glück bringt“ teilte der Prosaautor sein Leben drei Jahre lang zwischen Europa und Amerika, zwischen dem rumänischen Donaudelta und New York. Im Donaudelta stand er jeden Tag um vier Uhr morgens auf, um die Fischer auf ihren Fischreisen zu begleiten. Ohne eine eigene Lebensvision kann aus dem Stoff, den man gesammelt hat, kein Roman entstehen, glaubt der Autor:



    Derzeit versuche ich, Bukarest zu verstehen, meine Heimatstadt ist Temeswar und Bukarest habe ich nie wirklich erlebt. Ich habe die Stadt mit ihren schönen und weniger schönen Teilen erkundet, ich habe versucht, ihre Geschichte zu verstehen, weil ich einen Roman schreiben möchte, dessen Handlung sich hier abspielt. Die Recherchearbeit ist für mich sehr interessant, sie hilft mir eigentlich, weiterzumachen, ich mag es immer, vor Ort zu sein, mit den Stadtbewohnern zu sprechen. Das ist vielleicht auf meinen Beruf zurückzuführen, ich bin Psychologe und das bleibt neben der Prosa meine Leidenschaft. Das ist eine Geisteswissenschaft, die wichtige Sachen miteinbezieht, die ich in meinem Alltag ganz oft übe: die Art und Weise, in der man sich mit den anderen in Verbindung setzt, den Dialog, die Neugier, den Mut, sich selbst kennenzulernen. All diese Aspekte sind mir wichtig, wenn ich für mein Thema recherchiere. Dann, wenn ich meine Bücher schreibe, versuche ich, die Ergebnisse meiner Recherche nicht zu berücksichtigen und beim Schreiben einfach nur meinen common sense, mein Alltagsdenken einzuschalten. In den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit stelle ich die Beobachtung der Menschen, denn einige bleiben Menschen, egal wo sie das Leben führt und egal wie oft sie das Leben auf die Probe stellt, andere werden hingegen mit der Zeit entmenschlicht. Die gro‎ße Geschichte der menschlichen Existenz interessiert mich eigentlich. Es handelt sich um eine Geschichte, die immer wieder in meine Prosa vorkommt und die ich in jedem neuen Roman mit einem neuen Aspekt bereichere. Meine Romanhelden sind eigentlich die kleinen Menschen, sie versuchen, durch das Leben ohne Angst zu gehen und Menschen zu bleiben.“




    Über die Möglichkeit, die sein Roman den Lesern bietet, durch Erzählung die anderen zu erreichen, sagte der Prosaautor:



    Elena und Ray verbergen sich in der Nacht vom 11. auf den 12. September in einem unterirdischen Theater auf der 13. Stra‎ße in Manhattan und erzählen sich ihre Lebensgeschichten. Auf dem Erzählstrang kehrt Elena 100 Jahre zurück in Rumänien, die Erzählung führt auch Ray ein Jahrhundert zurück ins New York der Einwanderer am Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Roman handelt also auch von dem Bedürfnis, das wir alle empfinden, zu erzählen. Wir erzählen immer unsere Leben. Wichtig ist, dass wir wahre, authentische Geschichten erzählen, Geschichten, in denen wir unser wahres Selbst offenbaren. Jede Geschichte hat eigentlich einen Ray und eine Elena, die aus unterschiedlichen Welten stammen und von unterschiedlichen Sachen träumen. Ray glaubt an den amerikanischen Traum, er glaubt, dass er ein Star wird, das schafft er aber nicht. In ihrer Welt hat Elena hingegen keinen amerikanischen Traum, sie kommt aus einer harten Welt und muss lernen, sich selber zu vertrauen.

  • Schriftstellerin Nora Iuga: „Ich danke dem genialen Ingenieur“

    Schriftstellerin Nora Iuga: „Ich danke dem genialen Ingenieur“

    Die Schriftstellerin und Literaturübersetzerin Nora Iuga wurde mit dem Nationalen Verdienstorden im Rang eines Kommandeurs für die Hingabe und die Begabung“ ausgezeichnet, mit der sie zur Förderung des Bildes Rumäniens im Ausland beigetragen hat. Das ist nicht die erste Auszeichnung dieser Art, die die 86-jährige Literatin erhält. Bereits 2015 war sie mit dem Bundesverdienstkreuz im Rang des Kavaliers der deutschen Botschaft in Bukarest geehrt worden. 2007 hatte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung das Engagement der Schriftstellerin zur Förderung der deutschen Kultur im Ausland anerkannt und ihr den Friedrich-Gundolf-Preis verliehen.



    Nora Iuga ist Autorin von rund 20 Gedichtbänden, darunter: Vina nu e a mea“ (Ich bin nicht schuld“), herausgegeben im Jahr 1968; Captivitatea cercului“ (Die Gefangenschaft des Kreises“), ein im Jahr 1970 veröffentlichter Band, der später zensiert und für sieben Jahre aus dem Buchhandel zurückgezogen wurde; Opinii despre durere“ (Ansichten über den Schmerz“, veröffentlicht im Jahr 1980); Inima ca un pumn de boxeur“ (Das Herz ist wie die Faust eines Boxers“, 1986, 2000); Piaţa cerului“ (Der Platz des Himmels“, 1986); Spitalul manechinelor“ (Das Krankenhaus der Schaufensterpuppen“, 1998, 2010); Petrecere la Montrouge“ (Feier in Montrouge“, 2012); Câinele ud e o salcie“ (Der nasse Hund ist eine Weide“, 2013); Ascultă cum plâng parantezele“ (Hör, wie die Klammern weinen“, 2016).



    Die Erinnerung der ersten gedichteten Verse sei noch lebendig, sagt Nora Iuga. Es war in Sibiu (Hermannstadt) und sie war Gymnasiastin der neunten Klasse:



    Ich schrieb die Hausaufgaben in der ärmlichen Küche des Elternhauses in Sibiu. Auf dem Tisch lag ein Lehrbuch und ein Notizheft, mein Vater übte auf der Geige in einem anderen Zimmer. Das war der Moment, als ich das erste Gedicht schrieb. So hat für mich alles angefangen. Mit diesem Moment, mit dem ersten Gedicht, ist die Frau, die Künstlerin, der neugierige Geist Nora Iuga auf die Welt gekommen. Der neugierige Geist ist mit den Jahren stärker geworden, ihm habe ich meine Fähigkeit zu verdanken, die Wunder der Natur, die Himmelserscheinungen, ein Polarlicht alleine entziffern zu können. Ich versuche stets, mir selber so viel wie möglich beizubringen und die Sachen um mich herum gründlich zu verstehen. Das kommt mir oftmals wie der Beginn der Philosophie vor, weil ich mir selbst dieselben Fragen stelle, die damals im Umlauf waren. Es gefällt mir nicht, zu lesen, wie andere die Welt erklären. Ich wei‎ß, es ist lächerlich, wenn ein Intellektueller das einräumt, aber es bereitet mir eine riesige Freude, wenn ich alleine Rätsel aufkläre.




    Die Schriftstellerin und Dichterin überrascht fast jedes Jahr ihre Leser mit einem neuen Gedicht- oder Prosaband. Die positiven Pressestimmen lassen jedes Mal nicht lange auf sich warten. Dasselbe gilt auch für den Gedichtband Hör, wie die Klammer weinen“, der voriges Jahr im Verlag Cartea Românească erschien und von der Jury der Gala junger Schriftsteller zum Gedichtbuch des Jahres 2016 ausgezeichnet wurde. Nora Iuga sagt jedoch:



    Ich habe mir nie vorgenommen, die Schülerin des Jahres zu werden. Alles, was ich bisher machte, machte ich mit gro‎ßem Vergnügen, und Gott oder der geniale Ingenieur, wie ich ihn nennen mag, hat sich um mich gekümmert und mir eine erstaunliche Kraft gegeben. Es stimmt, dass in den letzten fünf oder sechs Jahren ein Band von mir jährlich erschienen ist, egal ob Prosa oder Lyrik. Dieses schnelle Tempo habe ich hauptsächlich der Einsamkeit zu verdanken. Eine totale Einsamkeit, die jemand mit meiner Lebensfreude nicht ertragen kann. Ich will mein Leben mit etwas füllen, das mich spüren lässt, dass ich lebe. Was mich am Leben hielt, ist meine Überzeugung, dass ich dieser Welt noch etwas zu schenken habe. Ich fühle mich gezwungen, jedes Mal etwas zu schenken, und das macht mich glücklich. Ich kann behaupten, dass ich in meinem Alter ein leistungsfähiges Gehirn habe und dafür danke ich noch einmal dem genialen Ingenieur.“




    Nora Iuga ist eine Anhängerin der Avantgarde, ihrer Meinung nach hätten wir dem Experiment die Innovation in der Literatur zu verdanken:



    Ich liebe diese Etappe in der Lyrik, weil ich das Gefühl habe, dass wir uns an einer Grenze befinden, dass wir uns einer anderen Etappe nähern. Nach der Vorliebe zum Minimalismus, die lange dauerte, scheint jetzt, dass die Dichter zur Avantgarde und dem experimentellen Gedicht zurückkehren. Ich bewundere junge Dichter wie Robert G. Elekes und ich sehe ihn gewisserma‎ßen auch wie eine meiner Entdeckungen, zum ersten Mal habe ich ihn auf den Deutschen Literaturtagen im westrumänischen Reşiţa (Reschitz) entdeckt. Mittlerweile hat sein Debütband einen riesigen Erfolg gefeiert und wichtige Preise erhalten. Ich habe das Nachwort verfasst.“




    Dieses Jahr schlägt Nora Iuga ihren Lesern zusammen mit der Dichterin Angela Baciu einen neuen Gedichtband vor: netter als dostoievski“. Es handelt sich um einen umgangssprachlichen Dialog im schnellen Tempo, in dem die Wortspiele, die politische Satire und die Bemerkungen über den Alltag nicht fehlen. Der Band besteht aus 25 kurzen Teilen, die sehr diskret dem Faden einer Liebesgeschichte folgen: Zwei Frauen warten auf den Mann, den sie lieben, den sogenannten Mister T., der nach einer Löwenjagd glorreich zu ihnen zurückkehrt. Jeder Teil endet mit dem Einsatz des antiken Chors. Die Sprache spielt vielerorts auf populäre Ausdrücke im heutigen Sprachgebrauch an. Der Band weist zudem starke Dada-Merkmale auf und gilt als wichtiger Schritt zur Wiederbelebung der Avantgarde.

  • Rumänisch-amerikanischer Schriftsteller Andrei Codrescu auf Lesetour in Rumänien

    Rumänisch-amerikanischer Schriftsteller Andrei Codrescu auf Lesetour in Rumänien

    Im Herbst erschien im Verlag Caiete Silvane der zweisprachige Band des Prosaautors und Dichters Andrei Codrescu The Art of Forgetting / Die Kunst des Vergessens“ in der Übersetzung von Alexandru Oprescu. Aus diesem Anlass startete der Schriftsteller einen landesweiten Lesemarathon. Zwischen dem 4. und dem 9. Oktober nahm er auch am 4. Internationalen Literaturfestival Transilvania“ im mittelrumänischen Cluj (Klausenburg) teil. Der Schriftsteller sagte in einem Interview mit der Kulturzeitschrift Observator Cultural“ über seinen zweisprachigen Band:



    Als ich für diesen Band zu schreiben anfing, nahm ich mir vor, auf rhetorische Stilmittel wie Metaphern zu verzichten, die den Text ausschmücken. Ich wollte ein direktes Gedicht schreiben, das sich von meiner bisherigen Schöpfung im Bereich Lyrik unterscheidet. Mein Gedicht sollte dennoch, so wie es die Lyrik verlangt, kompliziert bleiben. Ich habe existenzielle Lyrik geschrieben, die für mich als Anerkennung meiner Erlebnisse und meiner Lebenserfahrung gilt. Ich thematisiere zu Beginn die Beziehung zu meiner 93-jährigen Mutter, die sich im Laufe der Zeit viel verändert hat, und zum Abschluss ein langes Gespräch des Propheten Jesaja mit Gott, als Figur des einzigartigen Vaters, ein Gespräch, in einem familiären Ton verläuft. Jesaja ist zu Tode erschrocken und Gott leidet an Verdauungsstörung.“




    Was bedeutet überhaupt, Dichter zu sein? Dazu Andrei Codrescu im Interview mit Observatorul Cultural“:



    Dichter sein bedeutet vorerst, frei und bewusst zu sein. Diesen Sinn des Lebens zu finden, ist sehr schwer in einer von Geiz und Lüge verzerrten Welt. Gedichte zu schaffen, bedeutet gleicherma‎ßen Freude und Kampf.“




    Die Fakultät für Sprachwissenschaft und Literatur der Klausenburger Universität Babeş-Bolyai“ widmete dem Dichter und Prosaautor eine Konferenz, moderiert von der Schriftstelelrin Ruxandra Cesereanu, die dabei den Band The Art of Forgetting / Die Kunst des Vergessens“ präsentierte. Ruxandra Cesereanu sagte über den Gedichtband von Andrei Codrescu:



    Ein zentrales Gedicht dieses Bandes ist das erste, »Der Fotograf«. Die Mutter von Andrei Codrescu ist Fotografin in Hermannstadt, daher setzt sich der Dichter in diesem Gedicht mit der Kraft der Schnappschüsse auseinander. Dieser Band enthält allerdings einige Schnappschüsse eines Lebens, die eine Brücke über die Zeit, zwischen der Heimatstadt des Dichters, Hermannstadt, und Amerika schaffen, also das Gedicht und der Band sind wie ein grenz- und zeitüberschreitendes Bild. Ein weiteres wesentliches Gedicht, das den Kern des ganzen Buches enthält, ist »Bilingvism« (Zweisprachigkeit). Es handelt sich um ein Gedicht, das weder Neverland noch ein No man’s land thematisiert, sondern eher das sogenannte Codresculand. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Idee, dass Zweisprachigkeit zu einer kulturellen Matrix wird. Andrei Codrescu ist ein zweisprachiger Autor, der leicht von einer Sprache in die andere wechselt und ständig mit den beiden umgeht. Andrei Codrescu bringt die Zweisprachigkeit zu einer neuen und einmaligen Ebene, ich kenne keinen anderen Dichter, der im Rumänischen in dieser Art mit der Zweisprachigkeit umgeht.“




    Die Werke von Andrei Codrescu wurden zum grö‎ßten Teil auch ins Rumänische übersetzt. Im Verlag Curtea Veche Publishing erschienen in der dem Schriftsteller gewidmeten Serie die Bände Lecţia de poezie“ (Die Lyriklektion“) im Jahr 2014, Ay,Cuba! O călătorie socio-erotică“ (Ay Cuba, eine sozio-erotische Reise“) im Jahr 2012, Ghid Dada pentru postumani — Tzara şi Lenin joacă şah“ (Dada-Leitfaden für die posthumane Gesellschaft — Tzara und Lenin spielen Schach“) (2009), Prof pe drum“ (Lehrer unterwegs“) (2008) und Gaura din steag — Povestea unei reveniri şi a unei revoluţii“ (Das Loch in der Fahne. Die Geschichte eines Exilrumänen über Rückkehr und Revolution“) im Jahr 2008. Der Dichter und Prosaautor lie‎ß sich mit 19 Jahren in den USA nieder. Dort ist er Herausgeber der Zeitschrift Exquisite Corpse: a Journal of Letters & Life“, Autor einer Kultursendung im öffentlichen Radio und war auch emeritierter Professor für englische Literatur und Komparatistik an der Universität Louisiana State University.



    Im Jahr 1989 kehrte Andrei Codrescu nach Rumänien zurück, um über die antikommunistische Revolution und den Sturz des Diktators Nicolae Ceauşescu live zu berichten. Die politischen Ereignisse des Jahres 1989 beschreibt er im Buch Das Loch in der Fahne“, das zwei Jahre später von der New York Times mit der Auszeichnung Notable Book of the Year“ geehrt wurde. Seine Essays, die sich mit dem Zerfall des Kommunismus auseinandersetzen, wurden in mehreren Bänden gesammelt, darunter: The Disappearance of the Outside“ (1991), Zombification“ (1994) und The Dog with a Chip in His Neck“ (1996) — die letzteren zwei erschienen im Verlag St. Martin’s Press.

  • Schriftsteller Gheorghe Crăciun (1950–2007) mit Autorenreihe geehrt

    Schriftsteller Gheorghe Crăciun (1950–2007) mit Autorenreihe geehrt

    Der Verlag Cartea Românească“ hat ein neues Projekt angesto‎ßen, das einem der wichtigsten rumänischen Schriftsteller gewidmet wird. Es handelt sich um die Autorenserie Gheorghe Crăciun. Die ersten zwei Titel der Serie sind Acte originale/Copii legalizate (Variaţiuni pe o temă în contralumină)“, zu deutsch Originalunterlagen/Beglaubigte Kopien (Variationen über ein Thema im Gegenlicht)“, und Mecanica fluidului“, zu deutsch Mechanik der Flüssigkeit“. Die Einbände der beiden Werke werden mit Originalzeichnungen des Autors bebildert, der 2007 verstarb. Die Autorenserie, die ihm gewidmet wird, soll unter der Koordination der Literaturkritikerin Carmen Muşat und der Tochter des Autors, Oana Crăciun, ercheinen. Der Band soll sowohl Prosawerke als auch Essays, Artikel, Literaturkritik und Auszüge aus noch nicht veröffentlichten Schriften, die in seinem Nachlass in Form von Manuskripten zu finden waren.



    Ale ein Schöpfer von Welten, als ein Begeisterter der Ideen hat Gheorghe Crăciun ein einheitliches Werk hinterlassen, in dem jeder Band eine selbstständige Sequenz eines einzigartigen Textes ist, der regelmä‎ßig aufs Neue geschrieben wurde. Jede Lektüre seiner Bücher bietet die Möglichkeit, ein lebendiges Gewissen wieder zu entdecken, ein Gewissen, das im spezifischen Rhythmus seiner Phrasen pulsiert“, schreibt Muşat. Die Literaturkritikerin ist der Ansicht, dass die zwei Bände, die die Autorenserie Originalunterlagen/Beglaubigte Kopien und Mechanik der Flüssigkeit“ eröffnen, alle nachträglichen Tendenzen der Literatur von Gheorghe Crăciun enthalten. Carmen Muşat:



    Gheorghe Crăciun hatte sein Debüt als fertiger Autor, ein Autor der sein literarisches Programm bereits im Werk »Originalunterlagen/Beglaubigte Kopien« ankündigt. Die Entscheidung, beide Werke im Doppelband herauszubringen, war gewisserma‎ßen beabsichtigt, zusammen mit der Tochter des Autors, Oana Crăciun, wollte ich dieses doppelte Debüt dokumentieren und es unter die Leser zu bringen. Es sind hier sein Erstling von 1983 und ein späteres Buch vereint, mit dem der Autor ursprünglich debütieren wollte, es aber jahrelang in einer Schublade zurückhielt und erst 2003 im Verlag Cartier in Chişinău veröffentlichte.“




    Gheorghe Crăciun sagte, dass sein Debütband Originalunterlagen/Beglaubigte Kopien“ ein äu‎ßerst experimentales und daher auch weniger zugängliches Buch sei. Er sah sich selbst dennoch nicht als Mitglied der Avantgarde an. Postmodern im üblichen Sinne des Wortes sei er auch nicht, selbst wenn seine Literatur eine deutliche experimentale Komponente habe. Es gibt in mir die Faszination der Suche nach einer anderen Macht und nach einer Möglichkeit, die Welt in Worte zu fassen. Mein Experimentalismus lässt sich aber nicht auf Sprache reduzieren, wie manchmal über mich gesagt wurde. Er stammt von der Empfindung, vom Bewusstsein, dass unsere natürliche Sprache, die Wörter, die wir zur Verfügung haben, ungenügend im Vergleich zur Vielfalt und zum Reichtum des Realen sind. Es handelt sich um einen Willen, in einer Sprache tiefer zu suchen, die die Gesamtheit und den Reichtum der Welt zu beschreiben versucht“, sagte Gheorghe Crăciun über seine eigene Literatur. Literaturkritikerin Carmen Muşat:



    In unserem literarischen Raum bleibt Gheorghe Crăciun einer der Autoren, deren schriftstellerische Hypostase von einem äu‎ßerst scharfen theoretischen Verstand ergänzt wird. Aus dieser Sicht ist er Teil der Familie der Schriftsteller wie Camil Petrescu, Mircea Eliade, Mihail Sebastian. Diese sind Schriftsteller, die das eigene Werk Schritt für Schritt ersonnen haben. Ich glaube, dass in seinem Debütband »Originalunterlagen/Beglaubigte Kopien« Gheorghe Crăciun diese Sicht ausführlich präsentiert. Einer seiner Versuche war, verschiedene Spracharten in sein Werk zusammenzubringen und Literatur zu machen, indem er Malerei, Musik, Fotografie zusammenruft und sie auf die solide Grundlage, die die Literatur darstellt, setzt. Das gelingt ihm gut und die Literatur, die er schafft, hat die Fotografie und die Musik als Vorbild. Die Art und Weise, in der er seine Phrasen baut, deren Rhythmus, die Art und Weise, in der er Ideen Ausdruck verleiht, in der er eine Erzählung baut, hat ein wenig mit der Technik der Fotografie und der Musik zu tun. Etwas, das mir als äu‎ßerst wichtig erschien.“




    Ein Gedanke, ein Gefühl, eine gewisse Traurigkeit und dennoch auch die Freude, dass diese Welt existiert, in uns pulsiert, nach Aufmerksamkeit verlangt und uns dazu bringt, ihr Ausdruck zu verleihen, egal was wir denken. Ich sehe die Welt mit den Augen des Kindes, ein Kind das noch nicht erfahren hat, was es am Schönsten in der Welt gibt. Mein Auge kann sich daran auch nicht erinnern. In meinem Gedächtnis finden die bekannten Wörter und Farben keinen Platz. Weder die Ästhetik noch irgendein literarischer Text oder ein berühmtes Gemälde können meinen Blick von der Welt lenken. Nichts von dem, das ich in mir trage, kann in meinen Gedanken bleiben. Ich sehe und ich mag, was ich sehe, ich mag das Ausma‎ß und den Zeitpunkt des Betrachtens.“ Das waren ein paar Zeilen aus dem Band Originalunterlagen/Beglaubigte Kopien“, die die Autorenserie Gheorghe Crăciun eröffnet.




    Die Literaturkritikerin Carmen Muşat kommt erneut zu Wort:



    Das Prosawerk von Gheorghe Crăciun und im allgemeinen die Prosa der sogenannten Generation der achtziger Jahre wird gleich beim Debüt als realistische Prosa betrachtet. Eine realistische Prosa, die im völligen Kontrast zu dem literarischen Projekt des sozialistischen Realismus oder des sogenannten politischen Romans steht, der in den Achtzigern in Mode gekommen war. Was die Generation der achtziger Jahre macht, ist das Reale bis ins kleinste Detail zu entdecken. Das kommt einem Versuch gleich, das ideologische Sieb bei seinem Versuch zu verhindern, den Blick auf die reale Welt zu verdunkeln oder zu hindern. Die Menschen bewegen sich natürlich in der Prosa von Gheorghe Crăciun. Es handelt sich um normale Menschen, die der Autor in ihrem Alltag entdeckt: Pendler, Lehrer die irgendwo auf dem Dorf unterrichten und deren geistiger Horizont aus ideologischen Gründen eingeschränkt wird. Dennoch nimmt sich diese Prosa nicht vor, politische Verschwörungen oder Missbräuche zu enthüllen, so wie es in der Literatur über die 1950er Jahre der Fall war. Die Hauptfiguren in der Prosa von Crăciun nehmen die Wirklichkeit sehr getreu wahr und werden in ihrem Alltag mit gewöhnlichen Problemen konfrontiert. Wer sein Prosawerk jetzt liest, braucht keine zusätzliche Erklärungen, man braucht gar nicht zwischen den Zeilen zu lesen. Man muss sich nicht anstrengen, um seine Prosa zu lesen, und man braucht keine Fu‎ßnoten dafür.“




    Einige Werke Gheorghe Crăciuns wurden ebenfalls im Ausland veröffentlicht. Folgende Bände hat er als Autor oder Mitautor unterschrieben: Experiment in Romanian Post-War Literature“ (veröffentlicht 1998), Images & Texts / lmages et textes (erschienen im Jahr 2000) und Composition aux parallèles inégales“ (veröffentlicht 2001 im französischen Verlag Maurice Nadeau“, Paris, in der Übersetzung von Odile Serre). Sein Name ist auch in den Prosasammlungen Desant 83“ (veröffentlicht 1983), The Phantom Church and Others Stories from Romania“ (erschienen im Verlag University of Pittsburgh Press im Jahr 1996) und Romanian Fiction of the 80s and 90s“ (veröffentlicht 1999) zu finden.

  • Rumänische Belletristik: Bestseller 2014

    Rumänische Belletristik: Bestseller 2014

    Die Gedichtbände von Adela Greceanu und Bogdan-Alexandru Stănescu Şi cuvintele sunt o provincie“ (Die Wörter sind auch eine Provinz“) und AnaBASis“, die am Ende vorigen Jahres in den Verlagen Polirom bzw. Cartea Românească veröffentlicht wurden, zählen zu den Titeln, die auf der Buchmesse Gaudeamus 2014 die grö‎ßten Verkaufszahlen verzeichneten.



    Der erzählerische Aufbau entsteht um Situationen, Figuren und Ideen, die eine Welt skizzieren. Die Wörter sind auch eine Provinz“ ist ein Gedichtband über Einsamkeit, über Abseitsstehen, aber auch über Weiblichkeit, Sprache, ihre Grenzen und Hilfslosigkeit.“ Das ist ein Teil des auf dem Rückdeckel stehenden Klappentextes, verfasst von der Autorin Adela Greceanu über den Band Die Wörter sind auch eine Provinz“. Das Buch wurde auf der Buchmesse Gaudeamus 2014 vorgestellt.



    Die Schriftstellerin Nora Iuga und der Kulturjournalist Ovidiu Şimonca vertreten unterschiedliche Ansichten über das Thema, das im Mittelpunkt des Bandes steht. Nora Iuga ist der Meinung, dass das neue Buch von Adela Greceanu von der Einsamkeit handelt, während Ovidiu Şimonca für das Gegenteil plädiert. Adela Greceanu erläutert:



    Ich glaube, dass es dabei um ein Buch über Einsamkeit geht und gleicherma‎ßen nicht. Es gibt eine weibliche Hauptfigur, die die Einsamkeit verkörpert. Sie ist immer allein und alles, was sie tut, ist, aus dem Fenster zu schauen, zu beobachten und jeden Abend mit einem Bus zu fahren. Das Buch handelt gleicherma‎ßen nicht über Einsamkeit und das lässt sich leicht am Frontdeckel erkennen. Auf dem Frontdeckel des Buches steht die Hauptfigur vom hinten betrachtet. Im ersten Text sagt diese Figur: ‚Die Provinzbewohnerin, die ich bin, sieht all diese Sachen / es gibt aber niemanden da, um sie von hinten zu betrachten / wie sie da mit ihrem unbewegten Frauen- oder Mädchenrücken steht.‘ Diese Verse werden genau auf dem Frontdeckel illustriert. Als ich entschied, sie, die Hauptfigur Adila, auch auf dem Frontdeckel des Buches so nachbilden zu lassen, habe ich ihr eigentlich widersprochen, ihr, der einsamen Figur dieses Gedichtbandes. Die Leser sehen sie zuerst als einsame Frau, wie sie mit ihrem Frauen- oder Mädchenrücken und mit ihrer Pferdeschwanzfrisur aus dem Fenster schaut. Das klingt sehr einfach, sogar banal, aber die Gedichte helfen uns dabei, die Einsamkeit zu vertreiben.




    Vielmehr versuche sie durch ihre Lyrik, die Beziehungen zur Welt und das Verhältnis zu sich selbst zu verwalten. Dadurch fange sie immer neu an, sagt Adela Greceanu:



    Meiner Meinung nach haben wir durch Literatur und insbesondere durch Gedichte die Chance, unsere Einsamkeit zu überwinden. Wir haben nicht nur das Glück, nicht mehr allein zu sein, sondern auch an der Einsamkeit anderer teilzunehmen. Das ist nur eine der Möglichkeiten, jemandem beiseite zu stehen. Ich habe zahlreiche Meldungen sowohl von Bekannten bekommen, als auch von Menschen, die ich nicht kenne und die mein Buch berührt hat. Das hat mich sehr beeindruckt und ich fühlte, dass mein Buch mit Enthusiasmus erwartet wurde. Ich hatte daraus auf manchen Literaturfestivals vorgelesen und konnte merken, dass es beim Publikum gut ankam.“




    Bogdan-Alexandru Stănescu wurde auf der fünften Gala der Jungen Schriftsteller mit dem Preis Der junge Schriftsteller des Jahres 2014“ geehrt. Laut der Jury habe er in unterschiedlichen Genres geschrieben und in jedem davon ein au‎ßerordentliches Talent bewiesen“. Über seinen Gedichtband AnaBASis“ (mit 12 Illustrationen von Laurenţiu Midvichi bebildert), sagte der Autor:



    »AnaBASis« steht in enger Verbindung mit einem anderen Buch von mir: »Apoi, după batalie, ne-am tras sufletul«, (»Später, nach der Schlacht, haben wir uns ausgeruht«). Es ist eine Fortsetzung dieses Bandes, weil ich »Später, nach der Schlacht, haben wir uns ausgeruht« eigentlich als nicht abgeschlossen betrachtete. Ich habe mich beeilt, mit 33 Jahren ein Buch zu veröffentlichen. »AnaBASis« schlie‎ßt eigentlich diesen Zyklus, schlie‎ßt sogar eine Reihe von glücklichen Momenten. Glücklich ist eigentlich zu viel gesagt, ich spreche von den Bildern, die der gro‎ße Schriftsteller Nabokov als sogenannte Knoten-Bilder bezeichnete. Es handelt sich um Bilder, aus denen etwas entstehen kann, ein Roman oder kurze Prosa, insbesondere kurze Prosa oder ein Gedichtband. Um »AnaBASis« von »Später, nach der Schlacht, haben wir uns ausgeruht« zu trennen, kann ich sagen, dass der letztere das Bild der 10.000 Söldner zum Ausgangspunkt nahm, die das Perserreich, die Wüste, die Gebirge durchquerten. Diese Taten, von denen auch der griechische Schriftsteller der Antike Xenophon berichtete, als die Söldner das Meer erreichten, stellen einen der glücklichsten Momente der Weltgeschichte dar. Ich hatte den Eindruck, dass dieser Moment auch mit meinen kleinen glücklichen Momenten zu tun hatte, dass es eine Verbindung zwischen der persönlichen Geschichte des Einzelnen und der Weltgeschichte gibt. Ehrlich gesagt, bin ich ganz verwundert wenn ich gefragt werde, ‚was hast du wohl mit den Griechen und mit den Persern zu tun?‘ Ich bin weder der erste noch der letzte Dichter, der die Weltgeschichte als Ausgangspunkt seines eigenen Lebens und der eigenen Erinnerungen nimmt.“




    Die Bücher von Bogdan-Alexandru Stănescu besitzen die Gabe, einige der dauerhaftesten Vorurteile gegenüber der Welt der Literatur abzubauen. Laut einem davon kann man gro‎ßartige Literatur nicht schreiben, wenn man vorab Erfahrung in der Literaturkritik gesammelt hat. Ich glaube, dass Bogdan-Alexandru Stănescu Literaturkritik und Gedichte besser als zahlreiche Autoren schreibt, deren Namen in Literaturmagazinen erscheinen. Ich finde es wunderbar und sogar befreiend, dass die Gedichte aus dem Band »AnaBASis« von einem Dichter geschrieben sind, der die Literatur und die Geschichte der Literatur bis in die letzte Zelle hinein in sich aufnimmt“, schreibt der Literaturkritiker Cezar Gheorghe. Bogdan-Alexandru Stănescu dazu:



    Cezar legt den Finger auf die Wunde. Es gibt ein Vorurteil laut dem wer in einem bestimmten Bereich der Literatur tätig war, sich in einen anderen nicht versetzen sollte, weil seine Persönlichkeit somit als fragwürdig gelten kann. Einige von uns sind eigentlich Andersdenker, was die Literatur angeht. Wir sind der Ansicht, dass die Literatur ein Ganzes darstellt. Man schreibt über Lyrik oder Prosa in einer Zeitung, weil man lesen mag. Wer ein literarisches Werk liest und etwas dazu zu sagen hat, sollte es sagen, man soll dafür kein Literaturkritiker sein. Ich betrachte mich selbst nicht als Literaturkritiker. Ich will meine Artikel auch nicht zur Schau stellen, sondern versuche sie so zu kommentieren, wie es ehrlich wäre. Die Aufrichtigkeit spielt eine wesentliche Rolle in meiner Arbeit. Das sollte mich nicht daran hindern, Gedichte zu schreiben, weil sie einen fundamentalen Aspekt meines Daseins darstellen.“

  • Rumänische Schriftstellerin mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet

    Rumänische Schriftstellerin mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet

    Für die Liebhaber der Prosa, die eine Zeitreise ins Jahr 1897 ermöglicht, brachte die rumänische Schriftstellerin Ioana Pârvulescu im Jahr 2009 den Roman Viaţa începe vineri“, zu dt. Das Leben beginnt am Freitag“ auf den Markt. Ein Mann wird auf einem Feld in der Nähe Bukarests bewusstlos aufgefunden. Niemand wei‎ß, was mit ihm passierte, und jeder wagt es, eine Vermutung über seine Vergangenheit anzustellen: Sei er ein internationaler Betrüger, der versucht, seine Spur zu verlieren? Sei er ein Mörder? Sei er krank? Langsam versammeln sich viele Leute um ihn herum: ein Arzt und seine Tochter, ein Polizist, ein achtjähriger Postbote, der Briefe und Pakete mit sich herumträgt, und nicht zuletzt Journalisten, die für die lokale Zeitung Universul“ berichten.



    Die Handlung legt ein schnelles Tempo fest, alles läuft innerhalb dreizehn Tagen: ab Freitag, dem 19. Dezember, bis Jahresende, der Erzählfaden ähnelt einem Krimi-Roman, die Gestalten sind sehr lebendig. Die Schriftstellerin lässt die Atmosphäre der rumänischen Hauptstadt vom Anfang des 20. Jahrhunderts wie in einem Film aufleben. Die ersten Zeilen des Romans bringen den Leser rasch in die Vergangenheit. Für den Roman Das Leben beginnt am Freitag“ wurde Ioana Pârvulescu in Brüssel neben weiteren elf europäischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet.



    Auf die klassische Frage wie fühlen Sie sich als Preisgewinnerin“ antwortete Ioana Pârvulescu: Ich fühle mich wundervoll, insbesondere weil ich jetzt, nach der Preisgala, nicht mehr aufgeregt bin. Es ist nie einfach, Vertreterin eines Landes zu sein. Es ist das erste Mal, dass ich offizielle Vertreterin meines Landes bin und dieses Auftrags war ich mir besonders bewusst.“ Ioana Pârvulescu unterrichtet rumänische Literatur der Moderne an der Bukarester Fakultät für Sprach-und Literaturwissenschaft. 18 Jahre lang war sie als Redakteurin der Wochenzeitung România literară“ tätig. Ioana Pârvulescu hat die Sammlung Cartea de pe noptieră“, zu dt. Das Buch auf dem Nachttisch“, beim Verlag Humanitas ins Leben gerufen und koordiniert.



    Mit dem Roman Das Leben beginnt am Freitag“ machte sie ihr Debüt als Belletristik-Schriftstellerin, nachdem sie als Essay-Autorin bekannt wurde: Ich war nie eine Literaturkritikerin. Ich wurde dennoch als solche bezeichnet, aber ich hatte eigentlich Essays geschrieben und mich sehr nah mit der Literaturgeschichte befasst, jetzt schreibe ich aber gern Belletristik. Das Wort Schriftsteller schlie‎ßt alles ein.“



    In einem Interview erzählte Ioana Pârvulescu 2009, als der Roman Das Leben beginnt am Freitag“ veröffentlicht wurde: Die Gestalten haben mich gebeten, sie in die Welt des 21. Jahrhunderts reisen zu lassen, die Zukunft beschäftigte sie mehr als jede andere Sache auf der Welt. Ich habe sie davor gewarnt: Ich kann das machen, aber es ist eure Wahl, es handelt sich um eine Welt, die ihr nicht kennt, kehrt dann nicht zu mir zurück, sollte es euch nicht gefallen… Und sie haben mir gesagt, sie seien sehr neugirig und wollten wissen, was in der heutigen Welt passiert.“



    Wir sind hässlich im Vergleich zu den schönen Menschen der damaligen Zeit und Ioana Pârvulescu schafft den Ma‎ßstab unseres Niedergangs“, sagte der Leiter des Verlags Humanitas, Gabriel Liiceanu. Ioana Pârvulescu schafft es darüber hinaus, im Retro-Roman Das Leben beginnt am Freitag“ das Bukarest vergangener Zeiten aufleben zu lassen.