Tag: Raluca Aprodu

  • „Hunde“ – vielfach preisgekrönter Film von Bogdan Mirică kommt in rumänische Kinos

    „Hunde“ – vielfach preisgekrönter Film von Bogdan Mirică kommt in rumänische Kinos

    Seit dem 23. September ist Câini“ (Hunde“), der Debut-Spielfilm des rumänischen Regisseurs Bogdan Mirică, in mehr als 70 Kinos in ganz Rumänien zu sehen, und zwar auch in Ortschaften, wo es keine Kinosäle gibt. Einige Monate vor seiner Rumänien-Premiere erhielt Hunde“ den FIPRESCI-Preis der Kritik in der Sektion Un certain regard“ bei der 69. Auflage der Internationalen Filmfestspiele von Cannes, die Trophäe Transilvania“ beim Internationalen Filmfestival Transilvania TIFF 2016 in Cluj/Klausenburg und zwei Preise beim Internationalen Filmfestival in Sarajevo.



    Die Handlung spielt in einem Dorf im Osten Rumäniens, an der Grenze zur Ukraine. Ein Städter kommt aufs Land in ein abgeschiedenes Dorf, weil er ein Grundstück geerbt hat. Er will verkaufen, aber die Dorfbewohner sind dagegen, und der Städter muss lernen, dass fern von Bukarest ganz eigene Gesetze herrschen. Roman, die Hauptfigur, wird nach und nach Zeuge bizarrer Begebenheiten, und überall verspürt er eine unerklärliche Bedrohung. Neben dem Hauptdarsteller Dragoş Bucur sind in dem Film die Schauspieler Vlad Ivanov und Gheorghe Visu in zwei wichtige Rollen zu sehen. Weitere Darsteller sind Raluca Aprodu, Costel Caşcaval und Constantin Cojocaru. Bogdan Mirică schrieb das Drehbuch und führte Regie bei diesem Film, der sich laut Kritikern von der sogenannten Neuen Welle“ des rumänischen Kinos stark unterscheidet. Bogdan Mirică dazu:



    Ich glaube, dass eine nicht gerechtfertigte Trennung zwischen den sog. Kunstfilmen und den Publikumsfilmen entstanden ist. Viele Menschen sind der Meinung, dass die Kunstfilme langweilig sein müssen, während die Publikumsfilme oberflächlich seien. Das ist aber ein Vorurteil — Beweis dafür sind viele Spielfilme, die von den Kritikern hochgelobt wurden und zugleich gro‎ße Publikumserfolge waren. Anstatt in Kategorien zu denken, sollten wir lieber zu uns selbst ehrlich sein und genau sehen, wohin das Ganze führt. Ich hoffe, dass mein Film viele Menschen zum Nachdenken bringt, und nicht unbedingt zum gro‎ßen Kassenschlager wird.“




    Mich interessiert es nicht, einen sozialen Kommentar über das gegenwärtige Rumänien abzugeben. Mich interessiert, über gewisse Typologien zu sprechen“, erklärte der Regisseur. Die Idee zu diesem Film stammte aus seinen eigenen Kindheitseindrücken, sagte Bogdan Mirică:



    Ich wei‎ß nicht, inwieweit es sich um objektive Beobachtungen handelte — es waren eher Emotionen. Ich bin auf dem Lande aufgewachsen, ich war Zeuge gewisser Begebenheiten, die manchmal sehr brutal und willkürlich waren. In Gewaltsituationen ist Willkür furchterregend, weil man keine Kausalität feststellen kann, weil man nicht mehr einschätzen kann, wie eine Situation eskalieren könnte. Diese erdrückende Atmosphäre und eine gewisse Menschentypologie haben mich lange Zeit verfolgt. Auf einmal ist mir klargeworden, dass darin ein bestimmtes Potential liegt, welches ich in einen Spielfilm aufbauen könnte. Wenn man einen unabhängigen Film machen will, muss man von Anfang wissen, dass die ganze Geschichte vielleicht einige Jahre dauern könnte, und man muss sicher sein, dass das ganze Projekt nicht langweilig wird. Eins ist mir aber klar geworden: In mir hatten sich so viele Emotionen angestaut, dass ich dieses Projekt durchführen konnte, ohne dass es mir langweilig würde, ohne dass die darauffolgenden Ereignisse mich entmutigen könnten.“




    Von Bogdan Mirică habe ich einen neuen Terminus technicus der Schauspielkunst erfahren, und zwar »enthaltsamer« zu spielen“, sagte der Schauspieler Gheorghe Visu in einem Interview. Als er das Drehbuch für Câini“ (Hunde“) schrieb, hatte Bogdan Mirică schon in seinem Kopf zwei der wichtigsten Rollen besetzt: Er dachte die ganze Zeit an Gheorghe Visu und Vlad Ivanov. Bogdan Mirică dazu:



    Bei den Gesprächen, die ich anfangs mit den Schauspielern führte, konzentrierte ich mich vor allem auf die Welt, die ich schaffen wollte, und weniger auf die Figuren. Die Welt, die ich schaffen wollte, hatte etwas Theatralisches, eine Art Poesie, eine Art Nostalgie — es gab nichts Entsprechendes im wirklichen Leben. Ich wollte keinen realistischen Film machen, die Figuren sprechen nicht realistisch, sie schweigen nicht realistisch, sie verkehren nicht realistisch miteinander. Daher musste ich den Darstellern meine Absicht erklären, sie sollten verstehen, was für eine Atmosphäre ich schaffen wollte, und auch die stilistische Kohärenz, die ich beibehalten wollte. Deshalb erwähnte Gheorghe Visu das Wort »enthaltsam«. Als Regisseur hat man viele Instrumente zur Hand, und Gheorghe Visu ist eine starke Präsenz auf der Leinwand, er hat eine Art Aura. Die Art, wie er steht, die Art wie er sich in die Erde ‚hineinschraubt‘ ist so prägnant, dass es ermüdend werden könnte. Ich wollte diese Kraft etwas mä‎ßigen, um sicher zu sein, dass alles so wird, wie ich es mir vorgestellt hatte.“




    Der Spielfilm Câini“ (Hunde“) von Bogdan Mirică läuft bei Filmfestivals in Finnland, Norwegen, Kanada, Polen, Israel, Spanien, Portugal, Deutschland, Schweden, den USA und Italien.

  • Theaterwelt: Nachwuchsschauspieler in staatlichen Theatern kaum gefördert

    Theaterwelt: Nachwuchsschauspieler in staatlichen Theatern kaum gefördert

    In der Theaterwelt scheint im Oktober dieses Jahres mehr als in anderen Jahren los zu sein. Im Rahmen mehrerer Festivals kann man Inszenierungen der staatlichen Theater und unabhängige Aufführungen sehen, auf die Bühne steigen berühmte Darsteller, sogenannte Publikumslieblinge, und Schauspieler, die sich am Anfang ihrer Karriere befinden. Dieser Tage findet man bei den Aufführungen im Rahmen des Nationalen Theaterfestivals sehr viele junge Darsteller oder Studenten der Theaterakademie, die als Zuschauer gekommen sind. Man muss sich natürlich fragen, welchen Weg sie gehen werden, wie die Lebensumstände und Berufschancen des rumänischen Darstellers ausschauen. Die rumänische Theaterwelt scheint dort zu sein, wo die westliche Theaterwelt vor 40-50 Jahren war. Das meint zumindest die Theaterkritikerin Cristina Modreanu:



    Wir befinden uns auf einem Weg, hoffentlich auf dem guten Weg. Aber derzeit ist das System starr, zumindest in der Theaterwelt. Seit ein paar Generationen können die jungen Absolventen — das sind jährlich mindestens 150 pro Jahr im ganzen Land — keine Anstellung in den Theatern finden, weil die Stellenanzahl starr festgelegt ist. Das bedeutet, dass theoretisch sehr viele Freiberufler produziert werden, und dies in einem System, in dem die Freiberufler weder gesetzlich noch logistisch gefördert werden. Es ist schwer, sich allein durchzusetzen, weil es nicht genügend Ressourcen für diese parallele Welt, die mittlerweile entstanden ist, gibt. Ich glaube, das ist das Hauptproblem: Es gibt keine Koordinierung zwischen dem Bildungssystem, das Künstler im Theaterbereich produziert, und den Institutionen im Kulturbetrieb, die diese Arbeitskraft aufnehmen müssten. Sie müssten zusammen arbeiten, damit keiner seine Energie vergeudet. Man müsste neue Strukturen schaffen, die diesen jungen Leuten eine Chance anbieten könnten. Manche haben sich für einen Beruf, den sie nie ausüben werden, vorbereitet.“




    Sehr viele Theater-Absolventen, manche aus eigenen Stücken, die meisten aber, weil sie es nötig haben, wählen den Weg des unabhängigen Theaters. So auch Raluca Aprodu, eine Schauspielerin, die seit ein paar Jahren die Freiheit als unabhängige Künstlerin mit allen Vor- und Nachteilen genie‎ßt. Sie spielt in Aufführungen der unabhängigen Theater, aber auch in staatlichen Theatern und wurde beim Publikum auch dank ihrer Filmrollen bekannt. Wir haben sie gefragt, ob sie sich jemals gewünscht hat, in einer öffentlichen Institution zu arbeiten.



    Da schwanke ich, das muss ich zugeben. Einerseits habe ich Angst vor einem festen Arbeitsplatz. Angst wahrscheinlich wegen Klischees, die ich immer wieder gehört habe oder die ich mir einbilde. Zugleich möchte ich auch in Filmen spielen, die Freiheit haben, weg zu gehen und auch im Rahmen von unabhängigen Theater-Projekten zu spielen. Ich wei‎ß ganz genau, dass manche Theater damit nicht einverstanden sind und dass die Darsteller Probleme haben, freie Tage zu bekommen. Zugleich wei‎ß ich, dass man als Angestellter in einem Staatstheater gro‎ße Chancen hat, mit wichtigen Regisseuren zu arbeiten und diese kennenzulernen. Es gibt auch Vorsprechen für freie Mitarbeiter, aber im begrenzten Ma‎ße und nur für kleinere Rollen. Ich kenne Leute, die im Theater arbeiten und in drei Jahren mit allen gro‎ßen Regisseuren hierzulande gearbeitet haben. Im Moment bin ich mit meiner Position zufrieden, aber wenn ich mich mit der Entscheidung über einen festen Posten konfrontieren werde, hoffe ich, die richtige Entscheidung zu treffen. Ich schwanke. Wo, das spielt auch eine wichtige Rolle. Ich würde keinen Job annehmen, ohne das Team zu kennen. Ich würde Angst haben. Aber der Angst stellt man sich!“




    Auch wenn die Ressourcen im Falle der unabhängigen Projekte bescheidener sind, seien die jungen Künstler hier viel dynamischer und zukunftsorientierter, meint die Theaterkritikerin Cristina Modreanu. Sie kämpfen aber mit einer Reihe von Angelegenheiten, über die sie in der Ausbildung kaum etwas erfahren haben: Finanzierungsanträge, Projekt-Koordination, Spesenabrechnung.



    Auch Lucian Vărşăndan, der Leiter des Deutschen Staatstheaters in Temeswar, eines der leistungsfähigsten und innovativsten Theater in Rumänien, meint, dass die Darsteller, die im Bereich des unabhängigen Theaters arbeiten, für den Wettbewerb besser vorbereitet sind. Deswegen unterstützt er die befristeten Arbeitsverträge in einem System, in dem der Arbeitsplatz-Wechsel eine Seltenheit ist.



    Ich glaube, dass gerade die befristeten Arbeitsverträge ein Gleichgewicht herstellt zwischen der Strenge des auf Wettbewerb basierenden Systems einerseits und der Möglichkeit, ein ganzes Ensemble gro‎ß zu ziehen, andererseits. Ich sage nicht, dass ein Darsteller jeden Abend in einem anderen Theater spielen sollte. Vielmals ist dieses System der freien Mitarbeit chaotisch und führt nicht unbedingt zur Entwicklung einer Darsteller-Persönlichkeit. Ich glaube aber, dass alle von einem wettbewerbsfähigen System in den öffentlichen Theatern zu profitieren hätten, damit meine ich auch die befristeten Arbeitsverträge. Das entspricht auch der Repertoire-Strategie, denn das Repertoire kann sich von einer Spielzeit zur anderen und von einem Manager-Mandat zum anderen ändern.“




    Ein weiteres Problem der staatlichen Theater sei Lucian Vărşăndan zufolge die Entlohnung der Schauspieler, die sich nicht an der erbrachten darstellerischen Leistung orientiere. Die Schauspieler erhalten ihre Gehälter und Zulagen nach Kriterien wie Dienstalter, Stellung in der Hierarchie, automatische Beförderung in bestimmten Zeitabständen — all dies ungeachtet der interpretierten Rollen, der Qualität und der Anzahl der Auftritte während einer Spielzeit. Die Gehaltspolitik im rumänischen Theaterwesen sei folglich seit Jahrzehnten erstarrt, ohne Aussichten auf eine positive Entwicklung“, so der Leiter des Deutschen Staatstheaters in Temeswar.