Das Kabinett Tudose hat vor einem Monat der Einrichtung einer Ombudsstelle für Kinder-und Jugendrechte grünes Licht gegeben. Die Institution soll sich für die Einhaltung der Kinderrechte einsetzen. An diese Behörde können Kinder und Jugendliche Beschwerde richten, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen. Mit dem Vorhaben, das mittlerweile dem Parlament zur Debatte vorgelegt wurde, versucht Rumänien dem Vorschlag des UN-Ausschusses für die Rechte der Kinder nachzukommen. Eine solche Institution könnte allerdings eine bedeutende Rolle in Rumänien spielen, einem Land, in dem Kinderrechtsverletzungen keine Seltenheit sind. Nach neuesten Studienergebnissen seien im Vorjahr landesweit über 10.000 Fälle von Gewalt an Kindern verzeichnet worden.
Aus dieser Sicht lasse sich eigentlich in den letzten Jahren ein stark steigender Trend abzeichnen. Die Ombudsstelle für Kinder und Jugendrechte soll als unabhängige Institution eingreifen, wenn andere Verantwortungsträger ihre Aufgabe zum Schutz der Kinder nicht erfüllen. Die Präsidentin der Nationalen Behörde für den Schutz der Kinderrechte und Adoption, Gabriela Coman erläutet: In Rumänien haben verschiedene Institutionen in diesem Bereich klare Zuständigkeiten, so zum Beispiel im Fall von Kindern, die in Kinderheimen erzogen und betreut werden, müssen verchiedene Behörden überprüfen, ob die Standards eingehalten werden, ob genügend Personal verfügbar ist, ob es den Bedürfnissen der Kinder nachkommt, ob man richtig um die Kinder kümmert, ob sie zur Schule gehen. Was soll der Kinder-Ombudsmann machen?
Dieser Institution können Kinder Beschwerde einreichen, falls eine dieser Behörden nicht tut, was sie gesetzmäßig tun muss”. Am Donnerstag haben der Ombudsmann, die Nationale Behörde für den Schutz der Kinderrechte und Adoption zusammen mit der Organisation Rettet die Kinder“ im rumänischen Parlament eine öffentliche Debatte über die Einrichtung einer Ombudsmann-Stelle für Kinder und Jugendrechte organisiert. Sollte das Parlament die Gründung dieser Institution beschließen, wird somit Rumänien zum 36. EU-Land, wo es eine unabhängige Institution gibt, die sich für die Rechte der Kinder und Jugendlichen einsetzt.
Das Wohlbefinden von Müttern und Kindern ist ein Indikator für die Wirtschaftsleistung und die Effizienz der Sozialpolitik eines Landes. Laut einer internationalen Studie der Stiftung Salvati copiii” (dt. Rettet die Kinder”), sind die Werte dieses Indikators in Rumänien leider nicht erfreulich. Diese jährliche Studie wurde über eine Zeitspanne von 15 Jahren durchgeführt, und enthält auch eine Untersuchung über Rumänien; dabei verwendete man auch Daten vom Rumänischen Institut für Statistik und von anderen europäischen Untersuchungen über den Gesundheitsstand von Müttern und Kindern. Adina Clapa, Mitglied der rumänischen Zweigstelle der Stiftung Rettet die Kinder” präsentiert die Lage basierend auf offiziellen Angaben von 2012:
Die Studie enthält Angaben aus 178 Staaten. Die Länder Nordeuropas schneiden dabei am besten ab, mit Finnland auf Platz 1. Rumänien ist leider zum 15. Mal das Schlußlicht Europas und Nummer 65 weltweit. Zum Beispiel hat Rumänien die höchste Kindersterblichkeit, 9 pro Tausend Einwohner, fast das Doppelte im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 4,3 pro Tausend Einwohner. 2012 starben in Rumänien 1812 Kleinkinder unter einem Jahr. Das sind beschämende und besorgniserregende Zahlen. Die Hauptursache der hohen Kindersterblichkeit sind die Frühgeburten, verschiedene Krankheiten, Atem- oder Verdauungsstörungen, sowie Hausunfälle. Bei einer genaueren Betrachtung dieser Daten wird wohl klar, dass fast ein Drittel dieser Todesfälle hätten vermieden werden können.”
Neben der Armut ist auch das niedrige Erziehungs- und Informationsniveau eine wichtige Ursache der Probleme der Mütter und Kinder in Rumänien. Viele Schwangere gehen nicht zu den Routinekontrollen bei der Schwangerschaftsüberwachung, und nach der Entbindung gehen sie nicht oft genug mit ihren Babys zum Arzt. Auch wenn diese erste, komplizierte Zeit im Leben eines Kindes überstanden ist, wird das Schicksal der rumänischen Kinder nicht besser. Dies ergibt sich aus einer weiteren Studie der Stiftung Rettet die Kinder”. Mehr dazu vom Stiftungsmitglied Ciprian Gradinaru:
Die Studie wurde in allen 28 EU-Staaten durchgeführt, zuzüglich Island, Norwegen und in der Schweiz. Es ist uns aufgefallen, dass europaweit etwa 28% der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Hauptursache dafür ist das tiefe Gefälle zwischen Reich und Arm, steht in der Studie. Leider ist in Rumänien die Zahl der bedrohten Kinder und Jugendlichen viel höher, fast doppelt: etwa 52% der rumänischen Kinder befinden sich in dieser riskanten Lage. In Punkto Armut und soziale Ausgrenzung teilen sich Rumänien und Bulgarien den traurigen ersten Platz in Europa. Die Studie hebt noch eine Tatsache hervor, die für Rumänien sehr wichtig ist: obwohl in der Familie viel Arbeit geleistet wird (über den EU-Durchschnitt), leiden doch viele rumänische Kinder unter Armut. Kinder werden als erste von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen, um 13% mehr als Erwachsene.”
Woher kommt aber dieses Armutsrisiko, wenn in Rumänien schwerer als in anderen EU-Ländern gearbeitet wird? Eine erste Antwort wäre die schlechte Entlohnung der Arbeit in Rumänien. Mehr dazu von Ciprian Gradinaru:
Mit dem Indikator Arbeitsintensität” wird gemessen, wieviele Mitglieder eines Haushalts beschäftigt sind. In Rumänien müssen möglichst viele Mitglieder eines Haushaltes arbeiten, damit die Familie überleben kann. Daher auch die Kinderarbeit. Bei genaueren Betrachtung ergibt sich, dass ein Großteil der rumänischen Kinder wirtschaftlich aktiv sind, weil sie einfach arbeiten müssen. Und auch wenn die Arbeitsintensität richtig hoch ist, wird das Armutsniveau nicht niedriger.”
Eine weitere Nichtregierungsorganisation, World Vision, beschaeftigte sich auch mit der Beteiligung der Kinder am Unterstützen der Familie. Dazu Daniela Buzducea, Advocacy-Direktorin bei World Vision:
In einer ersten Phase hatte das überraschend hohe Wirtschaftswachstum in Rumänien positive Wirkungen auf das Lebensniveau der rumänischen Familien, vor allem bei den Haushalten auf dem Lande. Die Anzahl der Familien, die sagten, sie würden das Allernotwendigste für ihr tägliches Leben nur schwer zusammenkriegen ist von 75% aud 66% gesunken; auf den ersten Blick war das eine erfreuliche Situation. Traurig und besorgniserregend war aber, dass die Kinder von diesem Wohlbefinden der Familie nicht profitierten. Die Prozentzahl der Kinder, die sagten, sie würden abends hungrig schlafen gehen, ist um 2% höher geworden. Und immer mehr Kinder sagen, sie würden nicht in die Schule gehen, weil sie arbeiten müssen. Es handelt sich um Arbeit im Haushalt der eigenen Familie oder bei Nachbarn, durchschnittlich 2 Stunden am Tag.”
Die Armut, und die Tatsache, dass viele Kinder arbeiten müssen, sind auch Ursachen für den hohen Schulausfall in Rumänien. Eine Chance für diese benachteiligten Kinder wären die EU-Fonds, unter der Bedingung, dass die Gelder vernünftig und effizient verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Zusammmenarbeit der verschiedenen Einrichtungen: das Erziehungssystem, das Kinderschutzsystem, die Sozialämter und die Kommunalbehörden sollten sich zusammenschließen, um den Schulausfall vorzubeugen.
Böses Kind“, Ich arbeite umsonst für dich“, Du verdienst nichts“… Ausdrücke, die Eltern oder Erzieher manchmal aussprechen, ohne an ihre Bedeutung, noch an die Konsequenzen zu denken. Außerdem werden diese oft von körperlicher Misshandlung zuhause und in der Schule begleitet. Wie oft und von wem werden Kinder schlecht behandelt? Auf diese Fragen versucht eine neue Studie des Verbandes Salvaţi Copiii“ (Rettet die Kinder“) und der rumänischen Regierung mit dem Namen Missachtung und Misshandlung der Kinder“ zu antworten.
Über die Ergebnisse der besagten Studie, liefert uns Psychologin Diana Stănculeanu, Programmkoordinatorin des Verbandes Salvaţi Copiii“, Einzelheiten:
Ausgehend von einer Studie, die einer, die vor 10 Jahren durchgeführt wurde, ähnelt, weisen die Zahlen eine leichte Senkungstendenz auf. Dennoch bleiben sie auf einem besorgniserregenden Stand. Über 63% der Kinder behaupten, dass sie zuhause, als Bestandteil ihrer Erziehung, geschlagen werden. 38% der Eltern geben mit Leichtigkeit zu, dass sie auch körperliche Strafen, Misshandlungen und Demütigung bei der Erziehung ihrer Kinder anwenden. 20% der Eltern glauben fest an die Vorteile einer Ohrfeige bei der Erziehung ihrer Kinder. Auch in den Schulen sieht es nicht besser aus. Über 68% der Schüler behaupten, dass die wesentlichen Reaktionen, die sie von den Lehrkräften erhalten, wann sie etwas falsch machen, Beschimpfung, Kritik und Vorwürfe sind. 33% von ihnen sprechen über Situationen, in denen sie gedemütigt und verleumdet werden und 7% erinnern sich auch an Ohrfeigen in der Schule.“
Die Gewalt in den Bildungseinrichtungen stellt auch für die Behörden einen Grund zur Besorgnis dar. Leider gibt es keine klare Statistik in diesem Sinne und auch keine einheitliche Kriterien zur Einstufung der Gewalttaten gegen Kinder. Diese sollen im Rahmen der künftigen Strategie zur Bekämpfung von Gewalt“ geklärt werden, die von dem Nationalen Bildungsministerium ins Leben gerufen wurde, sagt Minister Remus Pricopie selbst:
Ich als Minister erfahre über die Mehrheit der Gewaltvorfälle aus den Medien. Unser Berichterstattungssystem ermöglicht nur eine nachträgliche Zurkenntnisnahme. Dennoch sind in den letzten Monaten eine Reihe von Statistiken veröffentlicht worden. Es gibt Landkreise, in denen 70 solcher Vorfälle, andere in denen 2500 Vorfälle in der selben Zeitspanne gemeldet wurden. Statistisch gesehen ist das unmöglich, Das heißt eigentlich, dass man nicht genau weiß, wass man untersuchen muss. Jeder bewertet, was er möchte. Die besagte Strategie vesucht, die Gewalttaten einzustufen, sie umfassend zu dokumentieren und ein Echtzeit-Überwachungssystem umzusetzen. Wenn eine Gewalttat begangen wird, müssen die Schulverterter auf eine Datenbank zugreifen und dort den Vorfall in drei Zeilen erläutern. Zweitens: Wenn wir über eine bessere Einstufung des Phänomens verfügen werden, werden wir auch wissen, welche Förder- und Vorbeugungspolitik wir umsetzen müssen.“
Gemäß der vorliegenden Verfahrensweise zur Berichterstattung der Gewalttaten wurden im lezten Semester des Vorjahres ungefähr 140-160 Gewalttaten in den Schulen landesweit gemeldet. Unterdessen wurden im ersten Semester des selben Jahres allein in Bukarest rund 160 Vorfälle gemeldet. Außerdem werden alle Gewalttaten, von Übergriffen gegen Personen bis zu Verstößen gegen die Schulsicherheit, zusammengezählt. Folglich müsste der Gewaltgrad in den Schulen der Hauptstadt höher sein. Genaue Angaben können jedoch vorerst nicht geliefert werden. Außerdem sind keine Fälle von Lehrkräften bekannt, die aus dem Bildungswesen entlassen wurden, weil sie ihre Schüler körperlich oder psychisch misshandelt haben.
Die Vorbeugung der Gewalt ist entscheidend, vor dem Hintergrund, dass der körperliche und psychische Misshandlungen oder Beschimpfungen wie böses und dummes Kind“ tiefe Spuren in der Psyche der Kinder hinterlassen. Dazu Psychologin Diana Stănculeanu:
Ein misshandeltes Kind weist ein erhöhtes Risiko auf, in seinen Teenager-Jahren und im Erwachsenenalter psychische Störungen zu entwickeln. Wir sprechen über Angstgefühle, posttraumatisches Stresssyndrom, aggresives Verhalten, schwaches Selbstbewusstsein. Außerdem sprechen wir über eine negative Belastung der Beziehung zwischen Eltern und Kind, einer Beziehung, die eigentlich die Basis unserers Vertrauens und und unseres Zugehörigkeitsgefühls darstellen müsste. Wenn diese Beziehung beeinträchtigt wird, ist die ganze Grundlage der Erziehung und der Gesundheit des Kindes kompromittiert. Nicht zuletzt gibt es das Risiko der Übertragung eines aggresiven Vorbilds zur Problemlösung in der Gesellschaft. Wenn ein Kind zuhause lernt, dass man Konfliktsituationen nur mit Schlägen lösen kann, dann wird er das auch in der Schule, auf dem Spielplatz, in seiner Clique und weiter als Erwachsener am Arbeitsplatz, in den Liebesbeziehungen oder in der Beziehung zu seinen eigenen Kindern anwenden.“
Möglicherweise wurde auch das heutige Verhalten der Eltern von Generation zur Generation übermittelt. Diana Stănculeanu:
Mütter, die täglich in schwierige Situationen in Bezug auf Ihre Kinder versetzt werden, sind prädisponiert, leichte oder mittelmäßige körperliche Gewalt gegen ihre Kinder anzuwenden. Die Mutter ist oft diejenige, die ihrem Kind eine leichte Ohrfeige verpasst. Der Vater, der punktuell einbezogen wird, wendet entweder den verbalen Missbrauch — Demütigung, Verleumdung — oder heftige körperliche Strafen an. Sie verhängen beispielsweise Hausarrest oder befehlen ihren Kindern, zu knien.“
Um den Teufelskreis der Gewalt zu brechen, hat der Verband Salvaţi copiii“ die Kampagne Copiii fără etichete“ (in etwa: Kindern keinen Stempel aufdrücken“) ins Leben gerufen, die im Zeitraum März-Oktober 2013 stattfindet. Ziel der Kampagne ist es, die Gewalt durch Erziehungsmethoden zu ersetzen, die eine harmonievolle Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder fördern. Außerdem muss die Gewalt gegen Kinder als solche anerkannt und in der Gesellschaft verurteilt werden. In diesem Sinne soll die besagte Kampagne sich auch der Unterstützung der Blogger erfreuen, die sich auf ihren Webseiten gegen die Gewalt einsetzen.
Audiobeitrag hören: