Tag: Schadensersatz

  • Neues Gesetz lässt Tausende Gefangene frei

    Neues Gesetz lässt Tausende Gefangene frei

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Rumänien am 25.04.2017 in einer Grundsatz-Entscheidung wegen überfüllter Gefängnisse zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Häftlinge lebten zum Teil auf weniger als drei Quadratmetern, bemängelten die Stra‎ßburger Richter in ihrem Urteil. Hinzu kämen unhygienische Toiletten, zu wenig Tageslicht und zu kurze Möglichkeiten, die Zelle zu verlassen. Dies sei eine inhumane Behandlung.



    Der Gerichtshof sah darin ein strukturelles Problem. Rumänien müsse deshalb die Haftbedingungen grundsätzlich verbessern, hie‎ß es. Innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Urteils soll die Regierung dafür einen präzisen Zeitplan vorlegen. Die Stra‎ßburger Richter regten dabei an, die Zahl der Gefangenen zu reduzieren. In Rumänien waren erst im Februar zahlreiche Menschen gegen einen umstritten Amnestieplan tagelang auf die Stra‎ße gegangen.



    Als Antwort auf die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verabschiedeten die rumänischen Behörden am 19.10.2017 ein neues Gesetz zur Entschädigung der Inhaftierten, die ihre Freiheitsstrafe unter schlechten Bedingungen absitzen mussten (das sog. Gesetz über den Kompensationsrekurs). Gemä‎ß des neuen Gesetzes werden 30 Hafttage, die von einem Gefangenen in einer Strafvollzugsanstalt unter unangemessenen Haftbedingungen abgesessen wurden, mit einem Straferlass von 6 Tagen kompensiert.



    Laut Justizminister Tudorel Toader wurden durch die Umsetzung des neuen Gesetzes etwa 530 Gefangene auf Bewährung freigelassen, und weitere 3.300 Gefängnisinsassen haben auch die Chance auf eine vorzeitige Entlassung bekommen. Die Inhaftierten können bei den entsprechenden Kommissionen der Strafvollzugsanstalten und Gerichte Anträge auf eine sog. “Kompensation der Haftstrafe” stellen, und die Richter werden entscheiden, ob die Antragsteller eine Strafaussezung auf Bewährung bekommen können.



    Die Gefangenen, die ihre Freiheitsstraffen völlig abgesessen haben, aber auch Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht hatten und deren EGMR-Verfahren noch laufen, könnten vom rumänischen Staat auch einen finanziellen Schadensersatz bekommen – zwischen 5 und 8 Euro für jeden Hafttag, den sie unter unangemessenen Haftbedingungen abgesessen haben. Eine ähnliche Ma‎ßnahme sei auch in anderen EU-Ländern umgesetzt worden, wenn eine Freilassung auf Bewährung nicht in Frage gekommen war. Dazu der rumänische Justizminister Tudorel Toader:



    “Manche Ex-Gefangene haben ihre Freiheitsstrafe völlig abgesessen und sind nach Hause gegangen, aber sie haben noch laufende Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Diesen Menschen kann man keine Tage mehr von der Freiheitsstrafe erlassen, da sie bereits zu Hause sind; daher wird ihnen ein finanzieller Schadenssersatz gewährt. Die Summen werden nicht von mir festgelegt. Darüber kann ich Ihnen aber zwei Beispiele geben: Durch eine ähnliche Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in Ungarn 5 Euro und in Italien 8 Euro pro Hafttag unter unangemessenen Haftbedingungen bezahlt. Wahrscheinlich wird auch für Rumänien ein ähnlicher Schadensersatz festgelegt.”



    Ferner sagte Tudorel Toader, er hoffe, dass die Anwendung des Gesetzes über den sog. “Kompensationsrekurs” nicht zu einer Steigerung der Kriminalität führen werde. Der Justizminister kam mit den Leitern der Bewährungsdienststellen zusammen, um die Details betreffend die Bewährungszeit und die soziale Integration der vorzeitig Freigelassenen zu besprechen.

  • Staatsanwaltschaft enthüllt Verstrickungen im Fall Bica

    Staatsanwaltschaft enthüllt Verstrickungen im Fall Bica

    Die OK-Bekämpfungsstelle der Generalstaatsanwaltschaft hat am Freitag eine Bilanz gezogen. In den vergangenen 10 Jahren hat sie fast 65.000 Fallakten bearbeitet, in über 10.000 Fällen wurden Anklageschriften erarbeitet und über 30.000 Personen angeklagt. Die aktuelle Führung der Behörde jubelt. Allerdings nur zur Hälfte, glauben viele Beobachter.



    Zur Zeit wird die Direktion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität interimistisch geleitet. Das, nachdem die Ex-Chefin der rumänischen Anti-Mafia-Stelle, Alina Bica, selbst in einem Korruptionsfall verhaftet wurde. Sie wird des Amtsmissbrauchs verdächtigt, eine Tat, die sie als Mitglied des Aussschusses für die Rückgabe von unter dem kommunistischen Regime beschlagnahmten Grundstücke, begangen haben soll. Bica soll 2011 einen Schadensersatz in Höhe von 84 Millionen Euro für einen Geschäftsmann bewilligt haben, obwohl das betroffene Grundstück in Bukarest angeblich einen viel geringeren Wert hatte. Die Entscheidung wurde auch von weiteren Mitgliedern des Ausschusses gebilligt, der entstandene Schaden soll sich laut Angaben von Ermittlern auf mehr als 60 Millionen Euro belaufen.



    Die Verwicklungen in dieser Affäre sind jedoch vermutlich noch tiefer und umfassender. Mit jeder Ermittlung kommen auch andere Straftaten ans Tageslicht, wie die jüngsten Enthüllungen vom Sonntag belegen. Seitdem ist nämlich bekannt, dass gegen Alina Bica, die derzeit in U-Haft sitzt und ihres Amtes enthoben wurde, auch in einem weiteren Fall ermittelt wird: Staatsanwälte vermuten, dass sie von einem weiteren Unternehmer ein Schmiergeld in Höhe von 3,5 Millionen Euro erhalten hat, um das gegen diesen laufende Strafverfahren bis zur Verjährungsfrist hinauszuschieben. Der Unternehmer soll Bica ferner das Amt des Oberstaatsanwaltes in Aussicht gestellt haben, eine Ernennung, die er angeblich dank seinen Beziehungen zur Politik in die Wege leiten konnte. Der derzeitige Vize-Ministerpräsident Liviu Dragnea hätte Bica dafür Unterstützung geboten, den Vorwurf lehnte der Sozialdemokrat allerdings entschlossen ab.



    Ich höre diese Information zum ersten Mal und….sicherlich, wäre es nicht sehr traurig, könnte man darüber lachen. Gott behüte, wie könnte ich so etwas tun? Mir wurde gesagt, dass ich den Namen des Oberstaatsanwalts vorgeschlagen haben soll. Ich bin doch kein Justizminister, ich war nie Justizminister, wem soll ich sie dann vorschlagen?“ (Liviu Dragnea)



    Indes gehen die Ermittlungen der Anti-Korruptions-Staatsanwälte zum unrechtmä‎ßigen Schadensersatz weiter. Die extrem komplizierten Verstrickungen dahinter und die gehandelten Geldsummen sind für den Durchschnittsbürger schwindelerregend. Alina Bica soll zum Beispiel ein Grundstück bei Bukarest erhalten haben, ohne etwas dafür zu zahlen. Auch der Geschäftsmann Dorin Cocos, bis 2013 Ehemann der präsidentennahen Vorsitzenden der Volksbewegung, Elena Udrea, soll verwickelt sein. Sein Sohn und die Ex-Ehefrau Udrea, die in diesem Herbst bei der Präsidentenwahl angetreten war, sollen von der Entschädigungen finanziell profitiert haben. Die Vorsitzende der Volksbewegung, die bekanntlich mit Bica befreundet ist, leugnet die Verwicklung in den Fall.