Tag: Schauprozess

  • 25. Dezember 1989: Der Schauprozess gegen die Ceauşescus

    25. Dezember 1989: Der Schauprozess gegen die Ceauşescus

    Zwischen dem 16. Dezember, als die antikommunistische Revolution in Timişoara (Temeswar) begann, und dem 25. Dezember, als die Ceuaşescus hingerichtet wurden, kamen auf den Stra‎ßen der rumänischen Städte mehr als 1100 Menschen im Feuergefecht mit den Securitate-Truppen um. Der umstrittene Prozess gegen Ceauşescu hätte der Anfang einer neuen Epoche darstellen müssen, die Wiedergeburt einer traumatisierten Gesellschaft, die 45 Jahre lang unterdrückt worden war.



    Viele Rumänen erinnern sich jedoch mit Empörung an den Prozess des Ceauşescu-Ehepaars. Die beiden wurden in gro‎ßer Eile verurteilt. Was in der postkommunistischen Politik folgte, lie‎ß den Prozess zum Nullpunkt einer Nostalgie-Ecke werden. Normalerweise hätte es eine Erleichterung sein müssen. Der Historiker und Politanalyst Ioan Stanomir von der Bukarester Universität meint, dass die Abwicklung und die Folgen des Ceauşescu-Prozesses am 25. Dezember 1989 nichts anderes als eine Verlängerung der kommunistischen Schaujustiz war. Ioan Stanomir:



    Es war eine Revanche, die an die stalinistisch-leninistischen Prozesse und an die Hinrichtung der gefallenen Diktatoren im Subsahara-Afrika erinnert. Es hatte nichts mit der Legalität oder der Konfrontation mit der Vergangenheit zu tun. Dieser Schauprozess, diese Maskerade hat die Idee der Vergangenheitsbewältigung und der Akzeptanz der Vergangenheit in den Hintergrund gestellt. Nicolae Ceauşescu hat die Rolle des Sündenbocks übernommen, um die klassische Terminologie der Politik zu verwenden. Als Sündenbock hat er der ganzen Nation erlaubt, sich für die eigene Schwäche zu rechtfertigen und die ganze Schuld auf Nicolae Ceauşescu zu schieben. Dieser Prozess wies einige heikle Probleme auf. Erstens war die juristische Einstufung der mutma‎ßlichen Taten Ceauseşcus eine phantasievolle. Zweitens war es nicht relevant, ihn aus der Perspektive des Rechtsstaates zu beurteilen. Es war ein Revolutionsgericht, so können wir es definieren. Ein Revolutionsgericht, das an die Methoden der Tscheka während des roten Terrors erinnert.“




    Viele waren der Meinung, dass man für Nicolae Ceauşescu einen echten Prozess hätte organisieren müssen. Wir haben Ioan Stanomir gefragt, ob man unter den Umständen von damals einen fairen Prozess hätte organisieren können



    Hätte das rumänische Volk 1989 anders agieren können? Hätte der rumänische Staat 1989 etwas anderes sein können als eine Ansammlung von Gaunern, die sich gegenseitig ausschalteten? Wären die Dinge anders verlaufen, wäre auch der rumänische Kommunismus anders gewesen. Der Kommunismus hat es geschafft, den Staat in eine Bande von Mördern und Komplizen umzuwandeln. Und diese Mörder und Komplizen haben ihren Chef liquidiert. Nicolae Ceauşescu macht sich nicht des Völkermordes laut Terminologie des Völkerrechts schuldig, sondern der Organisierung und Koordinierung eines illegitimen und kriminellen Regimes, um die vom rumänischen Staat offiziell anerkannte Terminologie zu benutzen. Was hätte ein vernünftiges Land mit Nicolae Ceauşescu gemacht? Es hätte ihm das angeboten, was er als Kommunist anderen verweigert hat: einen fairen Prozess, infolge dessen er zu lebenslanger Haft oder zum Tode verurteilt worden wäre. Ich stelle nicht die Strafe in Frage, sondern die Art und Weise, wie sie beschlossen wurde. Ein faires Gericht hätte Ceauşescu sowieso zu einer sehr langen Haftstrafe verurteilt.“




    Der Ceauşescu-Prozess hätte ein Moment sein müssen, in dem die Rumänen der Macht, die sie 45 Jahre lang erniedrigt hatte, in die Augen schaut. Es hätte ein Moment der Wahrheit und der Überwindung einer Terror-Periode sein müssen. Leider war das nicht der Fall. Ioan Stanomir weiter dazu:



    Es ist die Geste, durch die wir es nicht schafften, uns vom Kommunismus zu trennen. Diese Hinrichtung beweist die tiefgreifende, ununterbrochene Kontinuität zwischen dem kommunistischen Regime und dem Regime von Iliescu. Ion Iliescu ist der Ausdruck des Versuchs der Rumänen, sich vom alten Regime loszusagen, ohne das wirklich zu tun. Ein typischer Versuch der postkommunistischen Gesellschaften, eine Schuldlosigkeit zu beteuern, die sie nicht hatten. Alle, die den Kommunismus erlebt haben — Opfer, Täter und Folterer, Mitläufer –, sind nicht unschuldig. Die totalitären Regime berauben die Menschen ihrer Unschuld.“




    Der 25. Dezember 1989 ist ein Tag, an dem sich die Nostalgie, die Frust der Nichterfüllung und das Gefühl des unerbittlichen Schicksals treffen. Das Gespenst Ceauşescus geht auch jetzt noch um, durch die Erinnerung an einen unwürdigen Prozess, der aber für die Epoche typisch war.

  • Rumänisches Kino feiert neuen Erfolg

    Rumänisches Kino feiert neuen Erfolg

    Das rumänische Kino hat bei der Preisverleihung der Europäischen Filmakademie (EFA) am Samstag in Berlin einen neuen Erfolg gefeiert. Jedes Jahr verleiht die EFA die sog. europäischen Oscars“ an die besten Filmproduktionen des alten Kontinents. Bei dem 26. Europäischen Filmpreis erhielt die rumänische Produzentin Ada Solomon, die den Berlinale-Gewinner 2013 Poziţia copilului“ (auch als Child’s Pose“ und Mutter und Sohn“ bekannt) des Regisseurs Călin Peter Netzer produziert hatte, den Europäischen Koproduktionspreis EURIMAGES. Ada Solomon wurde als bedeutende Persönlichkeit des rumänischen Kinos vorgestellt, deren unbhängige Produktionen bei wichtigen internationalen Filmfestivals, zum Beispiel in Locarno und in Berlin preisgekrönt wurden. Ihre Dankrede bei der EFA-Gala in Berlin begann Ada Solomon mit einem Zitat des gro‎ßen Politikers Nelson Mandela, der Ende dieser Woche aus dem Leben geschieden war:



    Ich werde mit einem Zitat von Nelson Mandela beginnen: ‚Alles scheint unmöglich bis zu dem Zeitpunkt, wenn es in Erfüllung geht.‘ Ich hätte nie geglaubt, da‎ß ich in Berlin, im Herzen Europas, auf derselben Bühne mit Enrico Morricone, Pedro Almodovar, Catherine Deneuve und Wim Wenders stehen würde.“



    Ferner sagte Ada Solomon, der Preis, der ihr in Berlin verliehen wurde, sei vor allem ein Preis für alle Leute, die von ihren Träumen überzeugt wurden und dazu beigetragen hatten, da‎ß diese Träume in Erfüllung gehen. Ihr gehe es mit den Filmen darum, einer gegenwartsbesessenen Zeit etwas entgegenzusetzen, das länger Gültigkeit hat. Ihre Filme hätten meistens einen Bezug zur Familie, sagte Ada Solomon. Sie produzierte auch den von EURIMAGES geförderten Film Din dragoste, cu cele mai bune intenţii“ (Best intentions“) von Adrian Sitaru, der zwei Preise beim Internationalen Filmfestival Locarno 2011 gewann sowie zweifach mit dem rumänischen Filmpreis Gopo“ ausgezeichnet wurde. Zu Solomons weiteren Arbeiten zählt zudem Radu Judes Toată lumea din familia noastră“, (Everybody in Our Family“) der, ebenfalls von EURIMAGES unterstützt, sechs Gopo“ sowie den Preis Herz von Sarajevo“ als bester Film beim Sarajevo Film Festival 2012 erhielt. Zu ihren zukünftigen Projekten gehört auch die weitere Zusammenarbeit mit Radu Jude, sagte noch Ada Solomon:



    Der nächste Film von Radu Jude trägt den Titel ‚Aferim‘ (ein türkisches Wort, das in etwa ‚bravo‘ bedeutet) und ist eine Art minimalistischer Balkan-Western, wenn man so etwas sagen darf. Der Film präsentiert alt eingesessene Mentalitäten, die Art und Weise, wie Mentalitäten von Generation zu Generation über längere Zeit übermittelt werden und welchen Einflu‎ß diese tiefverwurzelten Mentalitäten auf unsere heutige Entscheidungen haben. Sehr oft vergessen wir, unsere Aktionen aus einer sozial-historischen Perspektive zu betrachten.“



    Und noch eine Erfolgsmeldung aus der Filmbranche: Closer to the Moon“, der jüngste Spielfilm des rumänischen Regisseurs Nae Caranfil, eröffnete als Weltpremiere das Filmfestival Making Waves“ in New York und wurde von den Amerikanern sehr gut aufgenommen. Der Film erzählt die Geschichte des sogen. Gro‎ßen Kommunistischen Bankraubes“ von 1959. Es geht dabei um den spektakulären Überfall und Raub eines Geldtransportes der Rumänischen Nationalbank. Die Überraschung dabei: Die sechs mutma‎ßlichen Täter waren alle überzeugte Kommunisten jüdischer Abstammung, die bis dahin gute Verbindungen zum damaligen Machtapparat und zur Securitate gehabt hatten. Fünf von ihnen wurden nach einem Schauprozess hingerichtet, bis heute sind aber viele Fragen offen geblieben. Das renommierte US-Filmmagazin Variety bezeichnete den Streifen als überraschend amüsante schwarze Komödie, die beim amerikanischen Publikum Erfolg haben könnte.