Tag: Schulwesen

  • Schuljahr beginnt in Rumänien unter neuen Voraussetzungen

    Schuljahr beginnt in Rumänien unter neuen Voraussetzungen

    Das neue Schuljahr umfasst 36 Unterrichtswochen und ist wie das vorangegangene in fünf Modulen organisiert. Die Sonderveranstaltungen Grüne Woche“ und Schule einmal anders“ werden vom 11. September 2023 bis zum 26. April 2024 laufen. Diese können von den Schulen in jedem der Module 1 bis 4 in Intervallen von 5 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen geplant werden. Die Zeiten für die beiden Sonderwochen müssen von den Schulen den Eltern und Schülern bis zum 1. Oktober mitgeteilt werden.



    Auch in diesem Jahr wird es im Zeitraum 12. Februar-3. März bewegliche Ferien geben, die bisher nur von einigen Schulaufsichtsbehörden festgelegt wurden. Das Schuljahr endet am 21. Juni 2024. Für die Klassen der Sekundarstufe – den technischen Zweig und für die Berufsklassen dauert das Schuljahr 37 Wochen und endet am 28. Juni 2024.



    Dies ist das erste Jahr unter dem Schirm des neuen Bildungsgesetzes, das eine Reihe von Änderungen mit sich bringt und auch die nationalen Prüfungen betrifft. Schüler, die jetzt die 5. Klasse besuchen, werden die ersten sein, die im Sommer 2027 eine zusätzliche Aufnahmeprüfung für das Lyzeum ablegen. Am Ende der 8. Klasse werden sie zunächst die Standardprüfung in Rumänisch und Mathematik bestehen müssen. Danach werden sie eine zweite Prüfung ablegen, die von den hundertjährigen Elitegymnasien des Landes organisiert wird – dort ist die Anfrage traditionell sehr hoch. Zwischen den beiden Prüfungen wird es eine Woche Pause geben.



    Auch bei der Abiturprüfung wurden Änderungen vorgenommen, die nicht ab diesem Jahr, sondern erst für Schüler gelten, die im Schuljahr 2025-2026 in die 9. Klasse kommen. Gleichzeitig wollen die Behörden die Schule zu einem sicheren Ort machen, dem Drogenhandel und -konsum unter Schülern wurde deshalb der Kampf angesagt. Die Behörden wollen auch das Bullying eindämmen sowie das Risiko, dass Schüler Verbrechen, insbesondere Gewaltverbrechen, ausgesetzt sind. Zu diesem Zweck unterzeichneten mehrere Minister des Kabinetts Ciolacu vor Kurzem einen Plan zur Sicherheit an den Schulen.



    Was die Lehrkräfte betrifft, so wird das Bildungsministerium eine Reihe von Standards für die Unterstützung des Erstausbildungsprogramms verabschieden. Der Schwerpunkt wird ab dem Schuljahr 2025-2026 auf einer effektiven praktischen Ausbildung liegen. Die Bildungsgewerkschaften hatten im Mai wegen der niedrigen Gehälter einen Generalstreik eingeleitet. Nach mehreren Verhandlungsrunden hat die Regierung die Forderung der Gewerkschaften akzeptiert, die Gehälter um 25 % zu erhöhen und bis 2027 jährlich 1.500 Lei für Lehrkräfte und Hilfskräfte sowie 1.000 Lei für das Verwaltungspersonal bereitzustellen.

  • Generalstreik im Schulwesen: Ende des Schuljahres fristlos ausgesetzt

    Generalstreik im Schulwesen: Ende des Schuljahres fristlos ausgesetzt





    Nachdem die COVID-19-Pandemie in den vergangenen Jahren den Unterricht ins Internet verlagert und eine ganze Generation von Schülern durcheinandergebracht hat, erschüttert ein neues Erdbeben das rumänische Bildungswesen. Die Schüler müssen wieder einmal zu Hause bleiben. Die Lehrergewerkschaften sind in einen Generalstreik getreten, weil sie mit der Lohn- und Sozialpolitik der Koalitionsregierung unzufrieden sind. Mehr als 150 000 Lehrer und 60 000 bis 70 000 Hilfskräfte haben sich dem Streik angeschlossen. Sie sagen, dass der Ausstand so lange andauern wird, bis sie von der Exekutive ein glaubwürdiges Angebot erhalten, das klare Aussichten für die Lösung ihrer Probleme bietet.



    Vor dem Hintergrund einer Inflation, die im vergangenen Jahr um 15 Prozent gestiegen ist und damit die Lebenshaltungskosten in die Höhe getrieben hat, ist das grö‎ßte Problem die Vergütung der Lehrer. Die Gewerkschafter fordern Gehälter von 4 000 Lei (umgerechnet etwa 800 Euro) für junge Lehrkräfte am Anfang ihrer Karriere und bis zu 7 000 Lei (1 400 Euro) für erfahrene Pädagogen, die kurz vor dem Ende ihrer Lehrtätigkeit stehen. Auch die von der zuständigen Ministerin Ligia Deca geförderten und gelobten neuen Bildungsgesetze sorgen für Unzufriedenheit. Was das Ende des Schuljahres angeht, das normalerweise für Mitte bis Ende Juni vorgesehen ist, so sagen die Gewerkschafter, dass es der Regierung obliegt, diese Frage zu beantworten; folglich sei es noch nicht abzusehen, wann das Ende des Schuljahres in die Matrikelblätter der Schüler eingetragen werden kann. Nach Gesprächen mit Regierungsvertretern sagte Marius Nistor, Vorsitzender des Gewerkschaftsverbands Spiru Haret“, folgendes:



    Ich wünschte, und das ist der Wunsch aller, die im Bildungswesen tätig sind, dass dieser Generalstreik nicht ausgerufen worden wäre. Wir haben ihn nicht gewollt, doch sahen wir uns dazu genötigt. Es handelt sich um eine Anhäufung von Missständen, und die Dauer des Ausstandes wird ausschlie‎ßlich von der Antwort der Regierung und natürlich von den Vorstellungen unserer Kollegen abhängen.“




    Premierminister Nicolae Ciucă hielt sich wie immer bedeckt und hütete sich, zu laute Kritik an die Gewerkschafter zu üben:



    Bildung ist unsere Priorität, ebenso wie die Gesundheit. Ich glaube, wir können eine Lösung finden. Wir dürfen aber die Kinder nicht kurz vor den Prüfungen und vor dem Ende des Schuljahrs einfach in der Schwebe lassen.“




    Der Schulstreik sorgt auch für politischen Stillstand. Gemä‎ß dem Koalitionsvertrag wird erwartet, dass der Liberale Ciucă in Kürze den Posten des Ministerpräsidenten an den PSD-Vorsitzenden Marcel Ciolacu abgibt und dass die Parteien der Koalition die Ressorts untereinander neu verteilen. Ciolacu fordert jedoch, dass die Verhandlungen über das künftige Kabinett ausgesetzt werden, bis die Forderungen der Gewerkschaften geklärt sind.



    Beobachter des Politikbetriebs in Bukarest sind der Meinung, dass weder die Liberalen noch die Sozialdemokraten sehr glücklich darüber sind, die Führung der Exekutive in der heutigen Konstellation innezuhaben, denn auch die Gewerkschaften im Gesundheitswesen drohen damit, die Arbeit niederzulegen, und die Polizeibeamten fordern ihrerseits ein Recht auf Streik ein. Unabhängig von der politischen Couleur der Regierung, so die Analysten, werden alle politischen Parteien die akute Unzufriedenheit in der Gesellschaft spätestens im nächsten Jahr zu spüren bekommen und ausbaden müssen. Denn nächstes Jahr ist ein Superwahl-Jahr: In Rumänien werden dann Kommunal-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sowie die Europawahl stattfinden.

  • „Bildungsstandort Rumänien“: Was  bringen die neuen Bildungsgesetze?

    „Bildungsstandort Rumänien“: Was bringen die neuen Bildungsgesetze?





    Seit fünf Jahren koordiniert die derzeitige Bildungsministerin Ligia Deca das Projekt Bildungsstandort Rumänien“, das vom Staatspräsidenten Klaus Johannis ins Leben gerufen wurde und während seiner beiden Amtszeiten immer wieder für Schlagzeilen aufgrund der Verzögerung seiner Umsetzung sorgte. Das Projekt, das nun in Form der neuen Bildungsgesetze in die Praxis umgesetzt wird, soll eine Lösung für die schwerwiegenden Probleme im rumänischen Bildungssystem liefern.



    Die Missstände im rumänischen Bildungssektor sind gravierend und sie haben sich festgesetzt. Die Gesetze in diesem Bereich sind seit der antikommunistischen Revolution von 1989 unzählige Male abgeändert worden, und die zahlreichen Minister und Ministerinnen unterschiedlicher politischer Couleur, die sich an der Spitze des Bildungswesens die Klinke in Hand gaben, hatten kein klares Konzept, wie die Mängel zu beheben sind, auf die Lehrer, Schüler und Eltern immer wieder hingewiesen haben.



    Nach einer ersten Phase von Konsultationen in den Jahren 2016–2017 wurde das Projekt Bildungsstandort Rumänien“ 2018 zur öffentlichen Debatte gestellt. Als Beraterin des Präsidenten für Bildung koordinierte Ligia Deca das Projekt direkt, nahm an den Debatten teil und verantwortete den Abschlussbericht, der im Sommer 2021 veröffentlicht wurde. Mehr als 60 Bildungseinrichtungen und fast 13 Tausend direkt Betroffene und Experten waren an der Ausarbeitung des Abschlussberichts beteiligt.



    Im vergangenen Herbst ernannte Präsident Klaus Johannis Ligia Deca schlie‎ßlich zur Bildungsministerin und übte Druck auf den Politikbetrieb aus, damit das Programm Bildungsstandort Rumänien“ möglichst schnell per Gesetz verwirklicht wird. Genauer gesagt sind nach langem Hickhack zwei Gesetze daraus geworden. Das Gesetz über die voruniversitäre Bildung zielt unter anderem darauf ab, die Zahl der Schulabbrecher zu verringern, und mit dem Gesetz über die Hochschulbildung soll die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten in Rumänien und europäischen Partneruniversitäten gefördert werden. Die Professionalisierung der beruflichen Laufbahn der Lehrkräfte, die Verbesserung des Zugangs zur Früherziehung, die Verringerung des funktionalen Analphabetismus, die Anpassung der Lehrpläne an den Arbeitsmarkt, die Modernisierung der Test- und Bewertungsmethoden und die verstärkte Unterstützung von Kindern aus benachteiligten Verhältnissen sind weitere, ebenso wichtige Ziele.



    Die meisten Eltern und Schüler sind jedoch daran interessiert, was sich kraft der neuen Bildungsgesetze in der sogenannten Nationalen Bewertung (der Aufnahmeprüfung für die Oberschule) und dem Abitur ändern wird. Bekannt ist, dass das Abitur einen zusätzlichen Test beinhalten wird, der die Grundkenntnisse der Schüler abfragt, und dass zusätzlich ein sogenanntes technisches Abitur eingeführt wird. Ministerin Ligia Deca erläuterte kürzlich im rumänischen Rundfunk, wie die Aufnahmeprüfung für die Oberschule künftig gestaltet werden soll:



    Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Nationale Bewertung, wie wir sie jetzt kennen, die aus den Prüfungen in Rumänisch und Mathematik besteht sowie — im Falle der anerkannten nationalen Minderheiten — der Prüfung in der jeweiligen Muttersprache. Danach folgt eine potenzielle Prüfung für die Zulassung zum Gymnasium — allerdings nur für die Profile, bei denen es einen Wettbewerb gibt. Hier sprechen wir von 60 % der Ausbildungsplätze, die durch diese Aufnahmeprüfung vergeben werden können; die restlichen 40 % der werden auf der Grundlage einer computergestützten Verteilung der erfolgreichen Kandidaten auf die jeweiligen Gymnasien vergeben und auf der Grundlage der Ergebnisse der Nationalen Prüfung ermittelt. Schüler und Eltern sollten sich darüber im Klaren sein, dass diese Änderungen nicht zeitgleich mit dem Gesetz in Kraft treten werden, also nicht nächstes Jahr oder in zwei Jahren. Wir wollen Vorhersehbarkeit, und deshalb werden erst die Kinder, die im ersten Schuljahr nach der Verabschiedung des Gesetzes in die fünfte Klasse kommen, die Nationale Prüfung ablegen und nach der neuen Formel auf dem Gymnasium aufgenommen. Konkret wird die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium frühestens ab 2027 gelten, und die neue Abiturprüfung entweder 2028 oder 2029 zum Zuge kommen, je nachdem, wie schnell wir die Lehrplanreform abschlie‎ßen.“




    Mit den neuen Bildungsgesetzen sollen die Schüler in den Mittelpunkt gerückt und das Potenzial eines jeden Kindes gefördert werden. Wie soll dies erreicht werden? Ministerin Ligia Deca erläutert weiter:



    Wir sprechen hier von einem Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr um Lehrpläne nach Vorstellungen der Schule, sondern um Lehrpläne, die an die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Schüler angepasst sind, d.h., die die Schüler werden aus dem Angebot der Schule wählen dürfen. Wir wollen, dass diese Wahlmöglichkeit verstärkt wird und dem Potenzial der Kinder besser entspricht. Gleichzeitig wird es ein Schülerportfolio geben, in dem im Grunde alle Informationen über den Bildungsweg eines Kindes gesammelt werden, so dass wir bei Problemen viel früher eingreifen können, als dies jetzt möglich ist. Für jeden Bildungszyklus gibt es gesetzliche Bestimmungen, die den Schulberater, den Schulleiter, die Familie und die anderen Lehrer besser miteinander vernetzen, so dass für jeden Schüler ein individueller Plan erstellt werden kann. Au‎ßerdem werden wir durch das nationale Programm zur Verringerung des funktionalen Analphabetismus über standardisierte, jährliche Tests verfügen, die es uns ermöglichen, festzustellen, wo Nachholbedarf besteht und wo wir ein höheres Ma‎ß an Komplexität anbieten können, damit Kinder, die zu hohen Leistungen fähig sind, entsprechend gefördert werden. Wir sprechen also über Gesetze, die viel stärker auf die Bedürfnisse der Schüler ausgerichtet sind.“




    Wie ist es jedoch um die Lehrkräfte bestellt? Ändert sich etwas in der Entlohnung und der Bewertung ihrer Aktivität? Bildungsministerin Ligia Deca kommt erneut zu Wort:



    Das Bildungsministerium hat in den letzten Monaten gemeinsam mit den wichtigsten Gewerkschaftsverbänden an den Gehaltstabellen im Rahmen des neuen Entlohnungsgesetzes gearbeitet. Seit Februar haben wir unsere Vorschläge an das Arbeitsministerium gesandt, um zum Entwurf für das neue Besoldungsgesetz beizutragen. Es gab auch direkte Gespräche mit den Gewerkschaften, aber auch zwischen den Gewerkschaften und Vertretern der Parteien der Regierungskoalition. Was die Bewertung der Arbeit der Lehrkräfte betrifft, so haben wir vereinbart, gemeinsam zu prüfen, wie wir die bereits vorhandenen Instrumente wie die Leistungsvergütung anpassen können, aber auch, wie wir neue Anreize einführen können, z.B. die Regelung, dass 2 % des Gehaltsfonds dem Schulleiter zur Verfügung gestellt werden, um Lehrkräfte zu motivieren, die sich stärker in Schulprojekte einbringen.“




    Die bisherigen Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Der Schulabbruch ist immer noch eines der grö‎ßten Probleme an rumänischen Schulen, wobei Rumänien laut Eurostat den höchsten Prozentsatz an Schulabbrechern in Europa aufweist. Die Schulabbrecherquote ist in den ländlichen Gebieten am stärksten ausgeprägt. Hinzu kommt der funktionale Analphabetismus, der in den PISA-Tests unter 15-jährigen rumänischen Schülern gemessen wird. Auch hier liegt Rumänien weit über dem europäischen Durchschnitt. Mit anderen Worten: Eine beträchtliche Anzahl rumänischer 15-Jähriger versteht die Inhalte gelesener Texte nicht. Der Mangel an Lehrern und qualifiziertem Schulpersonal ist ein weiteres Problem, das seit Jahren ungelöst ist. Die niedrigen Erfolgsquoten bei den Lehramtsprüfungen der letzten Jahre sind besorgniserregend. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Gewalt an den Schulen und der Drogenkonsum unter Schülern, Phänomene, in in letzter Zeit dramatisch zugenommen haben.



    Kritiker des Projekts Bildungsstandort Rumänien“ bemängeln, dass die Initiative des Präsidenten nicht von den bestehenden konkreten Problemen ausginge, sondern nur eine Sammlung von Allgemeinplätzen sei. Daher werden die neuen Bildungsgesetze — trotz der Änderungen, die sie mit sich bringen — die derzeitigen Probleme nicht lösen können, sondern eher mehr Verwirrung mit sich bringen, so die Kritik.



    Für die Umsetzung der in den neuen Gesetzen vorgesehenen Reformen werden mehr als 3 Milliarden Euro aus dem in Brüssel genehmigten Nationalen Aufbau- und Resilienzplan (PNRR) bereitgestellt.

  • Hörbehinderte in Rumänien: Gebärdensprache kaum gefördert, Integration schwierig

    Hörbehinderte in Rumänien: Gebärdensprache kaum gefördert, Integration schwierig






    Hörbehinderte und Hörgeschädigte sind jedoch oft unsichtbar, weil sie ihre Wünsche, Anliegen oder Unzufriedenheit nicht in konventioneller Art ausdrücken können. Für die Rechte der Hörbehinderten setzen sich Menschen wie Florica Iuhas ein. Sie ist Dozentin an der Fakultät für Journalismus und Kommunikationswissenschaften der Uni Bukarest. Sie erläutert, warum zum Beispiel nur 1 % der Hörbehinderten das Abi im Fach Rumänische Sprache und Literatur bestehen:



    Eines der grö‎ßten Probleme ist die Tatsache, dass das rumänische Schulwesen den Bedürfnissen dieser Menschen nicht entgegenkommt — sie denken und träumen in Gebärdensprache, müssen aber beim Abi die Prüfung in herkömmlicher Sprache ablegen. Ein hörbehinderter Mensch hat beispielsweise keine Präpositionen und Konjunktionen im Wortschatz, versteht den Unterschied zwischen Präsens und Plusquamperfekt nicht, denn Hörbehinderte haben einen visuellen Ansatz im Umgang mit Sprache. Das ist in unserem Bildungsministerium offenbar noch nicht angekommen. Hörbehinderte Menschen werden die grammatikalischen Regeln der herkömmlichen Sprache nie meistern können, denn für sie gelten andere Regeln in der Syntax und der Satzgliedstellung. Sie sagen zum Beispiel ‚Ich gesehen schönes Mädchen‘ oder ‚Ich gehen Markt kaufen Petersilie‘ — eventuell wird dem noch eine Zeitbestimmung wie ‚heute‘, ‚gestern‘ oder ‚morgen‘ hinzugefügt. Daher müsste die Gebärdensprache auch bei den Abi-Prüfungen herangezogen werden. In Fächern wie Geographie und Geschichte lernen sie zwar Texte auswendig und auch in theoretischen Fächern wie Mathe kommen sie gut zurecht — einige werden sogar erfolgreiche Informatiker –, doch im Fach Sprache und Literatur haben Hörbehinderte gro‎ße Schwierigkeiten, denn mental ist ihre sprachliche Auffassungsgabe anders strukturiert als bei hörenden Menschen.“




    Anders gesagt macht das derzeitige Bildungsgesetz keinen Unterschied zwischen hörenden und hörbehinderten Menschen, bei Prüfungen werden alle über denselben Kamm geschoren. In Sprache und Literatur müssten Hörbehinderte erstens die Prüfung in Gebärdensprache ablegen dürfen und zweitens leichtere Aufgaben bekommen, ist der Meinung Florica Iuhas. Zudem brauche es auch Lehrer, die die Gebärdensprache beherrschen und auch anderen beibringen können, ähnlich wie es beim Fremdsprachenlernen ist. Auch im Umgang mit Behörden und Institutionen haben es Hörbehinderte schwer — am Schalter, im Krankenhaus oder vor Gericht können sie ihre Anliegen oder Beschwerden nur mühsam vortragen.



    Im Frühjahr 2020 wurde ein Gesetz verabschiedet, das nach seiner Urheberin, der rumänischen Parlamentsabgeordneten Adriana Săftoiu, benannt wurde und darauf abzielt, das Leben der hörbehinderten Menschen zu erleichtern. Die Dozentin Florica Iuhas fasst zusammen, was das Gesetz vorsieht:



    Laut dem Gesetz sind alle Institutionen des rumänischen Staates verpflichtet, hörbehinderten Personen im Umgang mit staatlichen Behörden Dolmetscher für Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen — wohlgemerkt für die rumänische Gebärdensprache, denn mit dem Gesetz wird diese als Muttersprache der hörbehinderten Personen anerkannt. Das hat eine gewisse Ähnlichkeit zur Anerkennung von Minderheitensprachen. Ein Mensch, dessen Muttersprache beispielsweise Ungarisch ist, ist berechtigt, bei Behördengängen auf kommunaler Ebene — etwa in den Landkreisen Covasna und Harghita — diese Sprache zu verwenden. Ein Hörbehinderter kann das bis heute nicht, weil es in staatlichen Institutionen gänzlich an Dolmetschern für Gebärdensprache fehlt.“




    Das Gesetz ist nun seit zwei Jahren in Kraft, und die staatlichen Institutionen hatten laut Vorschriften die Pflicht, die vorgesehenen Ma‎ßnahmen in dieser Zeit auch umzusetzen. Seit April 2022 müsste also an jeder staatlichen Stelle ein Dolmetscher für Behördensprache verfügbar sein. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus — es gibt immer noch nur ganz wenige Dolmetscher, die der Gebärdensprache mächtig oder zumindest kundig sind. Florica Iuhas wei‎ß, warum das so ist:



    Die meisten Dolmetscher für Gebärdensprache schrecken von der Unfähigkeit der staatlichen Institutionen zurück, sie angemessen zu bezahlen oder zumindest geregelte Arbeitsverhältnisse zu bieten. Praktisch sind wir keinen Zentimeter weiter, und das sieht man schon, wenn man den Fernseher einschaltet. Dem Staatspräsidenten, der das Gesetz übrigens unterzeichnet hat, steht kein Gebärdensprache-Dolmetscher zur Seite, wenn er sich an die Öffentlichkeit wendet. Das ist nicht normal. In jedem zivilisierten Land wird ein Staatspräsident, der eine Ansprache an die Nation richtet, in Gebärdensprache gedolmetscht, denn als Staatschef ist er der Präsident aller Bürger des Landes. Was kann ein hörbehinderter Mensch in dieser Situation tun? Er muss sich damit begnügen, von den Lippen abzulesen, was der Präsident sagt. Zwar setzen einige TV-Sender ihre eigenen Dolmetscher für Gebärdensprache ein, doch das Gesetz schreibt vor, dass auch staatliche Institutionen — in dem Fall das Präsidialamt — eigene Dolmetscher haben müssen.“




    Doch auch Fernsehsender beklagen sich über die geringe Anzahl an Dolmetschern für Gebärdensprache. Die Dozentin Florica Iuhas ist selbst Dolmetscherin mit dieser Spezialisierung und gibt ihr Fachwissen im Rahmen einer Vorlesung bei der Fakultät für Journalismus in Bukarest weiter. Doch vorerst ist es landesweit die einzige Lehrveranstaltung dieser Art.



    Ich bin mehrmals von Mitarbeitern des Rettungsdienstes SMURD darauf angegangen worden. Sie sagten: ‚Bringen Sie uns bitte diese Sprache bei, denn wir haben manchmal Einsätze bei Familien mit Hörbehinderungen und wir können uns kaum mit ihnen verständigen.‘. So kam ich auf die Idee, diesen Kurs anzubieten, und er richtet sich nicht nur an Studenten unserer Hochschule, sondern an alle Interessenten auch von au‎ßerhalb. Im beruflichen Leben wei‎ß man nie, ob man irgendwann mit hörbehinderten Menschen zu tun hat. Und das ist auch mein Anliegen — hörenden Menschen beizubringen, wie man sich mit Hörbehinderten verständigt.“




    In Rumänien gibt es viel Nachholbedarf. In 48 Ländern weltweit ist die Gebärdensprache seit Jahrzehnten als Muttersprache der hörbehinderten Menschen anerkannt. Und mehr als Anerkennung braucht diese spezielle Sprache auch Förderung und Weiterentwicklung. Beispielsweise hat die rumänische Gebärdensprache etwa 8.000 Zeichen, während die französische Gebärdensprache über 38.000 Zeichen hat und ihr deutsches Pendant über 50.000 Zeichen verfügt. In Rumänien gibt es nicht einmal ein Institut oder eine wissenschaftliche Stelle, die sich mit Gebärdensprache und ihrer Pflege auseinandersetzt, wei‎ß die Dozentin Florica Iuhas:



    Hörbehinderte Menschen leben unter uns und sie haben dasselbe Bedürfnis wie Hörende, sich mitzuteilen und ihr Kommunikationsinstrument weiterzuentwickeln. Ich hoffe, dass man auch in Rumänien die Notwendigkeit erkennt, die Gebärdensprache zu entwickeln, um diesen Menschen zu einer besseren Integration zu verhelfen.“

  • Online Schooling: Digitalisierung schwieriger als erwartet

    Online Schooling: Digitalisierung schwieriger als erwartet

    Online-Unterricht ist keineswegs einfach, vor allem in den vielen ländlichen oder armen Regionen, in denen Schüler und Lehrer keinen Zugang zur digitalen Technologie haben und wo die Internetverbindung mangelhaft ist. Auch Fragen nach Was, wie und wie viel können wir unterrichten?“ und Wie prüfen und bewerten wir?“ werden in der jetzigen Situation immer häufiger gestellt. Unternehmer arbeiten bereits an digitalen Lösungen für diese Fragen. Im Vordergrund sollte dabei die Antwort auf die Frage Was passen wir denn überhaupt an?“ stehen, glaubt Dragoş Iliescu, Hochschulprofessor und Psychopädagoge:



    Ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass keiner genau wei‎ß, was angepasst werden sollte. Wir können Inhalte definitiv nicht anpassen. Ich meine, dass wir Inhalte nicht löschen oder hinzufügen sollten. Und ich befürchte, einige Entscheidungsträger im Bildungsbereich werden wohl sagen: ‚Es ist ein schwieriges Jahr. Warum sollten wir die Curricula nicht etwas kürzen?‘ Das ist aber keine Option. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Lehrpläne zu überarbeiten. Es gibt fast nichts, was nicht im Fernunterricht vermittelt werden kann. Für praktisch jede Unterrichtsstunde in jedem Fach können wir uns eine neue, andere, innovative Unterrichtsmethode vorstellen. Und wenn man schon die Kenntnisse vermitteln kann, dann kann man sie auch auf die gleiche Art und Weise prüfen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass nicht alle Beteiligten — nicht nur die Lehrer — flexibel genug sind, um diesen Sprung zu wagen und die Inhalte an den Online-Unterricht anzupassen. Das andere Problem ist, dass es nicht genügend Ressourcen gibt. Einige dieser Anpassungen sind ziemlich schwer durchzuführen, unabhängig von der Online-Kompetenz der Lehrer.“




    Obwohl die Online-Bewertung auf den ersten Blick einfacher als der Online-Unterricht erscheint, ist es in der Praxis überhaupt nicht leicht, erklärt Dragoș Iliescu:



    Auch das ist keine leichte Aufgabe, denn der Wechsel in den digitalen Modus löst einige Probleme und schafft andere. So wird beispielsweise das Bewertungsproblem gelöst: Man erstellt einen Test, und theoretisch kann jedes Kind in jedem Teil des Landes daran teilnehmen. Aber er schafft zum Beispiel Sicherheitsprobleme. Inwieweit lässt sich ein Test verwenden, den jedes Kind auf einen Drucker kopieren und an seine Mitschüler weitergeben kann? Auch hier gibt es Technologien und Ansätze, die das Problem lösen, und die sind gar nicht so neu, wie einige vielleicht denken. Andere Länder haben schon vor langer Zeit Lösungen gefunden. Aber um dieses Problem zu lösen, brauchen wir mehr Ressourcen und mehr Investitionen. Das ist nicht nur die Aufgabe der Lehrer, das kann nur ein grö‎ßeres System leisten. Der Gedanke, dass dieses ein schwieriges Jahr ist und dass wir daher besser so viel wie möglich zusammenstreichen sowie auf die Semesterprüfungen verzichten sollten, ist verrückt. Solange es Semestertests gab und diese ein Teil der Bewertung der Schüler waren, ist es nicht in Ordnung, sie jetzt aufzugeben. Die Lösung besteht nicht darin, etwas, das wir brauchen, zu streichen, sondern Alternativen zu finden, um es auch unter diesen uns fremden und unglücklichen Umständen umzusetzen.“




    Mittels der Testplattform BRIO.RO zum Beispiel, an der Dragoș Iliescu gearbeitet hat, können die Schülerkenntnisse bewertet werden. Auf dieser Plattform sind die Tests so konzipiert, dass sie den Lernprozess und die Bewertung miteinander verknüpfen. Zusätzlich zu der Endbewertung erhalten die Schüler auch eine detaillierte Bewertung ihrer Fähigkeiten in dem entsprechenden Unterrichtsfach. Dragoş Iliescu:



    Auch während eines Tests lernt man. Möglicherweise geht dabei der Lernprozess sogar noch tiefer. Eine Prüfung ist an und für sich eine Lerntätigkeit. Sie strukturiert Informationen, fördert das Metakognitive, sie ist der beste Weg, Wissen zu festigen und mit anderen praktischen Aktivitäten zu verbinden. Darüber hinaus gibt sie ein Feedback über den Lernprozess: Sie zeigt auf, was man sich angeeignet hat und was nicht, und verdeutlicht, woran noch gearbeitet werden muss.“




    Paul Balogh, der seit mehreren Jahren in Gro‎ßbritannien lebt, hat verschiedene digitale Bildungsplattformen — wie Hypersay — und elektronische Lehrbücher entwickelt. Er arbeitet mit akademischen Institutionen im Vereinigten Königreich und Lehrern in Rumänien zusammen. Er bewertete seine Arbeit mit den rumänischen Lehrkräften folgenderma‎ßen:



    Das rumänische Bildungsministerium hat nicht gerade glücklich reagiert. Die Lehrer bekamen wenig bis gar keine Hilfe. Aber auf individueller Ebene leisteten viele Lehrer gro‎ßartige Arbeit und lösten ihre Probleme aus eigener Kraft. Sie lernten, wie sie die Online-Plattformen für Konferenzen und Unterricht nutzen können. Was diese Lehrer getan haben, ist meines Erachtens hervorragend, und ich verstehe nicht, warum dieses Thema nicht viel mehr in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Auf der anderen Seite arbeiteten in anderen Ländern die Ministerien kohärenter mit den Schulen zusammen. Sie entwarfen zu gegebener Zeit verschiedene Lösungen und wandten sie auch an. Die Unterstützung durch das Ministerium macht den Unterschied.“




    Die Lehrer erwiesen sich auf individuelle Ebene anpassungsfähiger als viele öffentliche Einrichtungen, schlussfolgert Paul Balogh:



    In Rumänien bestehen immer noch die individuellen Beziehungen zu den Lehrern. Es gibt Lehrer an privaten und öffentlichen Schulen, die unsere Plattform nutzen wollen, aber die finanzielle Unterstützung vonseiten der Schulen ist nahezu inexistent. Sehr oft müssen die Lehrer die Software aus der eigenen Tasche bezahlen, was nicht normal ist. Auf institutioneller Ebene haben wir weder mit dem Ministerium noch mit einer Schule oder Universität ein Zusammenarbeitsabkommen. Aber es gibt eine Reihe von begeisterten Lehrern, die unsere Plattform täglich nutzen, um besser online zu unterrichten.“




    Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen des klassischen Präsenzunterrichts können Lehrern und Schülern die Chance geben, freier und kreativer zu agieren.

  • Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen

    Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen

    Ein Gesetz, das vorschreibt, Kinder mit besonderen Bedürfnissen in reguläre Bildungseinheiten zu integrieren, existiert zwar, aber nur auf dem Papier. In den meisten Fällen findet die Integration nicht statt, wie Anemari-Helen Necşulescu in einem kürzlich erschienenen Buch mit dem Titel Tagebuch einer Mutter. Urbane Szenen mit Kindern, Verkehr, Eltern, Hausaufgaben und anderen Herausforderungen“, herausgegeben vom Cartex-Verlag, feststellt. Anemari ist die Mutter von zwei Adoptivkindern, von denen eines, ein Junge namens Emi, mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) diagnostiziert wurde.




    Das Buch erzählt die Geschichte, wie Anemari darum kämpfte, Emi in die Schule zu integrieren. Denn, wie die Autorin sagt, das Buch ist nicht unbedingt dazu gedacht, irgendwelche Probleme zu lösen, sondern Themen zur Diskussion zu stellen. […] Nicht über unsere Probleme zu sprechen und sie unter den Teppich zu kehren, ist viel gefährlicher für unsere psychische Gesundheit.“



    Die Reaktion des Bildungssystems auf Schüler mit besonderen Bedürfnissen ist seit langem eines der Themen, die in Rumänien unter den Teppich gekehrt werden. Acht Jahre lange Bemühungen — Emi ist jetzt in der 8. Klasse — fasste Anemarie Helen Necşulescu in ihrem Buch zusammen und verdeutlichte, auf welche Arten von Widerstand sie in der Schule gesto‎ßen ist:



    Es gibt viele Formen des Widerstands. Es gibt den deutlichen Widerstand, wenn von Anfang an »Nein« gesagt wird, oder »Kann ich nicht tun«, »Hab‘ ich nicht«, »Es ist nicht möglich«. Zufällig ist es genau das, was mich zum Handeln bewegt. Es gibt aber auch die Form des verdeckten Widerstandes, bei dem man so tut, als würde man das Gesetz respektieren. Diese Form war mir nicht bekannt und darum befasst sich ein gro‎ßer Teil des Buches damit und mit der Art und Weise, wie ein Elternteil damit fertig wird. Einerseits wünsche ich mir, dass die Lehrer das Buch lesen und das Einfühlungsvermögen entwickeln, diese Kinder nicht nur nach ihren Namen im Klassenbuch oder nach ihrem Gesicht im Klassenzimmer zu betrachten, sondern als Menschen mit einer eigenen Geschichte. Andererseits möchte ich, dass die Eltern die sich in meiner Situation befinden, verstehen, dass es nicht leicht ist. Einige bitten mich um Rat, und ich erkläre ihnen, was das Gesetz vorsieht und wie sie vorgehen sollten. Und es ist nicht einfach, beginnend mit dem Schreiben eines Antrags und seiner Registrierung in der Schule über das ständige Wiederkommen, um herauszufinden, was als Nächstes zu tun ist, bis hin zum systematischen Aufstieg in der Hierarchie zum Schulleiter oder Schulinspektoren. Meine Botschaft an die Eltern in meiner Situation lautet: »Sie sind die einzige Hoffnung Ihres Kindes. Ich wei‎ß, dass unser Alltag schon jetzt hart ist, aber als Eltern sind Sie die einzige Hoffnung Ihrer Kinder.« Auf diese Weise ist es mir gelungen, für mein Kind das Beste zu erreichen, was heute in Rumänien möglich ist.“




    Die Erfahrungen eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen und die Bemühungen seiner Eltern werden in diesem Buch mit Genauigkeit, Humor und energievoll von einer Mutter erzählt, die wei‎ß, dass sie — zumindest am Anfang — diesen Kampf ganz allein austrägt. Anemari-Helen Necşulescu:



    In einem Kapitel spreche ich über Emis erstes Jahr in der Grundschule und wie wir schlie‎ßlich aus der Klasse herausgeworfen wurden. Das war schmerzhaft, aber ich habe versucht, mich auf das, was ich aus dieser Lektion gelernt haben und auf das, was ich zu tun habe, zu konzentrieren. Wenn so etwas passiert, möchte man normalerweise einen Krieg anzetteln, um sich Recht zu verschaffen. Es mag sein, dass das Recht auf unserer Seite ist, aber auf diese Weise kann man es nicht erreichen. Sie sollten in der Lage sein, die anderen Eltern als Menschen zu sehen, denen es einfach an Informationen, und nicht an Empathie mangelt. Sie lieben ihre eigenen Kinder und konzentrieren sich auf Ihre Bedürfnisse. Und so gelangen sie zu dem Schluss, dass die Lösung in der Aufklärung liegt. Es ist Ihre Aufgabe, diese Eltern zu informieren, weil dieser der einzige Weg zur Integration ihres Kindes ist. In der Schule gibt es kein System, das dies ermöglicht, keine Eltern-Lehrer-Treffen, bei denen über Vielfalt, besondere Bedürfnisse und Integration gesprochen wird. Sie müssen dies tun, Sie müssen diese anderen Eltern zu Ihren Verbündeten machen.“




    Und da sie es gewohnt war, mit einem ungewöhnlichen Kind zu leben, adoptierte Anemari-Helen Necşulescu ein weiteres, ein fünfjähriges Mädchen, das mittlerweile 9 Jahre alt ist:



    Wir fanden Rebeka auf einer Liste von Kindern, die als »schwieriger zu vermitteln« galten, denn sie war als ethnische Roma aufgelistet. Deswegen, denken wir, ist sie nicht schon früher adoptiert worden. Als ich sah, dass ihre ethnische Zugehörigkeit in ihrer Akte offengelegt wurde, obwohl dies illegal ist, war ich wütend, wie ich es jedes Mal bin, wenn mir jemand sagt, dass etwas »unmöglich« ist. Rebeka hat mein Leben verändert und mir in meiner Beziehung zu Emi sehr geholfen; und die Tatsache, dass sie Roma ist, war für uns irrelevant. Sie ist aber sehr dunkelhäutig, und das führt dazu, dass sich die Menschen Ihr gegenüber sehr unangemessen verhalten, was eine weitere Herausforderung darstellt. Ich habe gesehen, wie uns die Leute anstarren, weil sie und ich so unterschiedlich aussehen. In den letzten Jahren adoptieren immer mehr Menschen Roma-Kinder und müssen sich mit diesem Segregationsproblem konfrontieren — denn nicht nur das Kind, sondern die ganze Familie erleidet diese Erfahrung. Dies betrifft zum Beispiel auch Emi. Wenn jemand Rebeka »Du, Zigeunerin!« zuruft, ist Emi vielleicht in der Nähe, und er hat ein ungutes Gefühl dabei.“




    Die Geschichte von Emi, Rebeka und ihren Eltern wird in dem Buch Das Tagebuch einer Mutter“ erzählt, zusammen mit den Geschichten all der anderen Herausforderungen, die das Leben in der überfüllten und geschäftigen Stadt Bukarest mit sich bringt, die alle mit Humor und Einfühlungsvermögen von Anemari-Helen Necşulescu beschrieben werden. Sie beweist, dass Probleme überwunden werden können, wenn man die richtige Einstellung findet.

  • Schulwesen in Zeiten der Pandemie: Was Eltern über Online-Unterricht denken

    Schulwesen in Zeiten der Pandemie: Was Eltern über Online-Unterricht denken

    Der Unterricht wurde wegen des Corona-Virus unterbrochen. Deswegen mussten sich Schüler und Lehrer an die neue Situation anpassen, sodass PCs, Tablets oder Mobiltelefone das Klassenzimmer ersetzten und zu einem unerlässlichen Unterrichtsmittel wurden. Schüler, Studenten und ihre Eltern mussten mit dem neuen Kontext und die damit verbundenen Lehrmethoden klarkommen. Die Interaktion mit Klassenkameraden und Lehrern über einen Bildschirm hat die Schule in die eigene Wohnung gebracht. Dennoch fühlten sich viele Eltern die ganze Zeit über stark unter Druck gesetzt.



    Eine vom SuperTeach-Projekt organisierte Pressekonferenz stellte die Ergebnisse der jüngsten Umfrage in Bezug auf die Wahrnehmung des Online-Unterrichts durch die Eltern sowie auf die Herausforderungen, die der Notstand mit sich brachte vor. Felix Tătaru, Mitbegründer von SuperTeach, gibt Auskunft.



    Von den Informationen ausgehend, die wir von den Lehrern erhielten, begannen wir Webinare und Konferenzen zu organisieren und Themen sowie Gäste an ihre Anforderungen anzupassen. Aber jede Aktion, besonders im Unterrichtsbereich, braucht ein Feedback. Lehrerinnen und Lehrer brauchen Rückmeldungen von Eltern, Schülern bzw. Studenten. Deshalb haben wir zusammen mit Open-l Research und Adina Nica eine zweite Umfrage durchgeführt. Die Eltern beantworteten mehrere Fragen, anschlie‎ßend luden wir zwei Experten ein, welche die verschiedenen Perspektiven darlegten: die des Unterrichtessmanagements und die der Elternorganisationen — über Themen, die von den Eltern aufgeworfen wurden.“




    Im Rahmen dieser Umfrage analysierte Adina Nica, eine Beraterin und Forscherin bei Open-I Research, die psychologischen Auswirkungen des Online-Unterrichts und dessen Auswirkungen aus der Sicht der sozialen Interaktion:



    Ich möchte zunächst die positive Einstellung der Eltern gegenüber dem Online-Unterricht ansprechen. Der Druck auf die Eltern war in dieser Zeit gro‎ß, und wir erwarten, dass der Druck ebenso gro‎ß sein wird, wenn ihre Kinder wieder zur Schule gehen. Die Eltern waren sehr besorgt, als der Unterricht unterbrochen wurde, da die Kommunikation mit den Lehrern zu Beginn des Notstands stark verzögert war. Aus der Sicht der Kinder wurde mit dem Unterricht auch das soziale Leben unterbrochen.“




    Während der Zeit der häuslichen Isolation mussten sich die rumänischen Eltern an einen neuen täglichen Lebensrhythmus gewöhnen, während sie gleichzeitig versuchten, mit den neuen Herausforderungen an ihrem Arbeitsplatz fertig zu werden und ihre Kinder während des Online-Unterrichts zu unterstützen. Oftmals überlappten sich das Homeoffice der Eltern und der Online-Unterricht ihrer Kinder.



    Die Eltern waren von diesen Umstellungen sehr stark betroffen, weil sie nicht nur ihre Arbeit von zu Hause erledigten oder manche sogar ihren Arbeitsplatz verloren, sondern sich auch in einer neuen Situation befanden, mit ihren Kindern zu Hause und mit vielen Tätigkeiten, denen sie nachgehen mussten — häusliche Arbeiten sowie auf die Kinder aufpassen und ihnen bei den Hausaufgaben und beim Umgang mit den neuen Online-Plattformen helfen. Es war eine gro‎ße Umstellung für die Eltern, es lastete ein gro‎ßer Druck auf ihren Schultern.“




    Die SuperTeach-Umfrage untersuchte auch die psychologischen Auswirkungen des Notstandes auf die Eltern, da ihre Ängste oft mit einem Gefühl der sozialen Unsicherheit verbunden waren.



    Eltern hatten viele Ängste, wobei ihre grö‎ßte Angst mit der Gesundheit ihrer Kinder und ihrer eigenen Gesundheit oder mit der Gesundheit ihrer Eltern zusammenhing. Sie hatten auch Ängste in Bezug auf das Unterrichtssystem. Die Eltern waren sich nicht sicher, ob ihre Kinder den Lehrstoff nachholen können, insbesondere die der 8. und 12. Abgänger-Klassen und all diese Ängste kamen zu der finanziellen Unsicherheit hinzu.“




    Die Eltern waren verunsichert, sie fragten sich während des Notstandes, ob sie zu nachsichtig oder zu streng mit ihren Kindern seien. Adina Nica erklärt:



    Auf die Frage nach den grö‎ßten Schwierigkeiten in dieser Zeit gaben sie an erster Stelle das Gleichgewicht zwischen Autorität und Flexibilität zu halten an. Die Lehrer hatten sich in Luft aufgelöst. Sie wussten wohl selbst nicht, wie sie reagieren sollten, sodass sie sich erst einmal für eine Weile duckten. Die Eltern waren mit ihren Kindern zu Hause und wussten nicht, was sie tun sollten. Sie wussten nicht, ob sie ihre Kinder die Mini-Ferien genie‎ßen lassen sollten oder ob sie streng sein und sie zum Lernen zwingen sollten.“




    Den Schwierigkeiten zum Trotz fassten viele schnell wieder Fu‎ß. Die meisten Eltern entschieden sich, die Dinge von der positiven Seite zu betrachten, und waren der Ansicht, dass die vielen Herausforderungen, mit denen sie in dieser Zeit konfrontiert waren, ihnen geholfen haben, ihre Anpassungsfähigkeit zu trainieren.



    Überraschender Weise haben die meisten Eltern, nach den positiven Aspekten dieser Zeit gefragt, erklärt, dass die häusliche Isolation eine Gelegenheit für ihre Kinder dargestellt hat, sich dem Wandel anzupassen. Dann führten sie die Möglichkeit an, mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und gemeinsam etwas zu unternehmen, und drittens die Möglichkeit, mit digitalen Plattformen zu experimentieren.“



    Die Gruppe EDUCATIVA und das Institut für persönliche Entwicklung SuperTeach fördern auf Betreiben der Stiftung Romanian Business Leaders“ eine Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, die angepasst an den Bedürfnissen der Kinder im Sinne der Prinzipien der Aufgeschlossenheit ist.

  • Schulwesen: Hotline für Schüler, Lehrkräfte und Eltern eingerichtet

    Schulwesen: Hotline für Schüler, Lehrkräfte und Eltern eingerichtet

    Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Jeden Tag werden neue Alternativen für den klassischen Schulunterricht vorgeschlagen. Alternativen, die sowohl den Lehrern wie auch den Schülern und den Eltern entgegenkommen. Es besteht nämlich die Hoffnung, dass dadurch die Anpassung an die durch die Coronavirus-Pandemie verursachte Notlage erleichtert wird. Au‎ßerdem ist noch ungewiss, wie lange die Situation anhalten wird. Also wird nach Lösungen gesucht.



    Um die Familien in Rumänien zu unterstützen, startete der Verein Proacta EDU in Partnerschaft mit den Elternorganisationen, dem Bildungsministerium und dem Freien Gewerkschaftsbund der Lehrkräfte die erste Hotline für psychologische Beratung zu Zeiten der Pandemie. Die Hotline soll allerdings auch nach der Überwindung der Krise weiter in Betrieb bleiben. Die genannte Initiative trägt den Namen: Botschafter für die Gemeinschaft. Wir unterhielten uns über das Projekt mit der Psychologin Nicoleta Larisa Albert, Gründungsmutter der Organisation Proacta EDU. Sie erzählt, wie das Projekt zustande kam:



    Es ist ein umfangreiches Projekt und geht über die bewusstseinsbildende Kampagne, die wir starteten, hinaus. Es ist wichtig, einzusehen, dass wir zusammen ein Team bilden — Lehrer und Eltern arbeiten zusammen. Es ist ein konkretes Unternehmen. Wir bieten psychologische Beratung an, arbeiten mit mehreren Psychologen zusammen. Diese beraten sowohl Lehrkräfte als auch Eltern, je nach Bedürfnissen. Wir betrachten den Lehrer als einen Botschafter, der seine Botschaft an die Gemeinschaft weiterleitet. Unter den heutigen Umständen — Covid19-Pandemie — glauben wir noch fester an diese Aufgabe der Lehrkräfte. Die Lehrer sind unsere Verbündeten im Rahmen unseres Unternehmens. Sie werden die Familien erkennen, die sich in einer Gefahrlage befinden, und sie zu uns schicken. Wir bieten ihnen psychologische Beratung, Sozialhilfe, Rechtshilfe an, je nach dem, was sie brauchen. Andererseits arbeiten wir mit den Lehrern zusammen und unterstützen sie bei der Findung der besten Kommunikationswege in verschiedenen schwierigen Situationen.“




    Nicoleta Larisa Albert ist davon überzeugt, dass den Menschen auch aus der Ferne geholfen werden kann. Denn es sei überaus wichtig, das emotionale Gleichgewicht — falls verloren — wiederherzustellen.



    Seit dem Start der Initiative erreichten uns viele E-Mails und Kurzmitteilungen, ich nahm auch viele Anrufe entgegen. Einige beantragten direkt psychologische Beratung. Diese leitete ich weiter an unsere Mitarbeiter. Es kamen aber auch Fragen von Schülern der 12. Klasse. Oder manche Lehrer wollten eine Botschaft an die Institutionen vermitteln, mit denen wir zusammenarbeiten. Also wandten sie sich an uns, um ihre Botschaft weiterzuleiten. Andere suchten Empfehlungen für die Zeit, die wir derzeit erleben. Wir verfügen über verschiedene psychologisch-erzieherische Materialien, die wir gerne weitergeben. Die Leute haben unsere Botschaft richtig wahrgenommen — nämlich dass wir eine offene Gemeinschaft sind. Wir haben Beitrittsanträge für unsere Facebook-Gruppe bekommen. Die Tür steht offen — alle möglichen interessierten Personen sind willkommen.“




    Viele Fragen wurden von den Schülern der 12. Klasse gestellt. Das sind nämlich die Schüler, die jetzt ihr letztes Schuljahr beenden. Die Psychologin Nicoleta Larisa Albert wei‎ß, welche ihre Sorgen sind:



    Die 12 Klasse — also das letzte Schuljahr — ist ohnehin eine gro‎ße Herausforderung für die Teenager. Die heutigen Umstände, die Coronavirus-Pandemie, spitzt die ganze Lange nur noch mehr zu. Au‎ßer dem Abi, das die Jugendlichen ablegen müssen, stellen sie sich viele Fragen darüber, was danach kommt. Sie machen sich Sorgen um das soziale Leben, sie fragen nach der künftigen Wirtschaftsentwicklung. Sie fühlen sich irgendwie unsicher in diesem neuem Zusammenhang. Sie fragen nach dem Abitur, wissen nicht, wie es um ihre Abschlussprüfungen steht. Doch ihre Ängste und Gedanken haben einen tiefergehenden Grund — nämlich die Unsicherheit ihres künftigen Werdegangs. Manche schreiben uns unmittelbar, dass sie psychologische Unterstützung brauchen, weil sie nicht wissen, wie sie ihre Angstgefühle, ihre Aufregung alleine bewältigen können.“




    Die Psychologin Nicoleta Larisa Albert gibt auch einige Empfehlungen, die uns vielleicht helfen können, diese herausfordernde Zeit zu überbrücken:



    Es ist durchaus wichtig, unsere Anpassungsfähigkeit zu üben. Es ist die wichtigste Ressource, die uns zur Verfügung steht. Und die einzige, die kein Roboter übernehmen kann. Informationen sind überall zu finden — damit kommen wir schon klar. Mit oder ohne Coronavirus erleben wir nach wie vor dynamische Zeiten, also ist die Anpassungsfähigkeit ohnehin äu‎ßerst wichtig. Der Online-Bereich hat an Bedeutung zugelegt und dieser Trend wird wahrscheinlich anhalten. Doch die Offline-Welt werden wir mit Sicherheit auch weiterhin zu schätzen wissen. Denn wir sind soziale Wesen und brauchen Umarmungen und direkte Begegnungen. Das erleben wir derzeit nur in unserer Innenwelt. Doch es sind unsere Stützpunkte. Bis auf weiteres halten wir uns fest an ihnen und führen unser Leben weiter. Wir passen uns an den neuen Gegebenheiten an. Da wir aber nichts steuern können, kommen viele Fragen auf. Und deshalb gibt es uns. Wir sind ein Team. Wir lernen ebenfalls, uns anzupassen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die heutige Lage von den Menschen unterschiedlich wahrgenommen wird, denn wir sind nicht alle gleich.“

  • Gemeinnütziger Verein bietet psychologische Beratung für Abschlussklässler und ihre Eltern

    Gemeinnütziger Verein bietet psychologische Beratung für Abschlussklässler und ihre Eltern

    In diesem Jahr haben sich die Acht- und Zwölftklässler unter besonderen Bedingungen auf ihre Abschlussprüfungen vorbereitet. Darüber hinaus wurden ihnen aufgrund der Pandemie die traditionellen Feste vorenthalten, die gewöhnlich zum Abschluss ihres jeweiligen Ausbildungsabschnitts organisiert werden. Der Verein Proacta EDU“ startete in Partnerschaft mit dem Bildungsministerium die Kampagne Ich kann“, die sich an Schüler dieser Altersgruppen richtet. Nicoleta Larisa Albert, Gründungspräsidentin des Vereins Proacta EDU“, erläutert:



    Die Idee zur Gründung dieses Vereins folgt einem Projekt, das wir zu Beginn der Pandemie begonnen haben. Es trug den Titel »Botschafter für die Gemeinschaft« und zielte darauf ab, Lehrern, Eltern und Schülern im ganzen Land psychologische Unterstützung anzubieten. Als die Lehrtätigkeit im Klassenzimmer unterbrochen wurde, haben wir uns neu organisiert, um unseren Schülern auf andere Weise zu helfen. Im Laufe dieses Projekts schickten uns die Schülerinnen und Schüler der Mittel- und Oberstufe die meisten Nachrichten in Form von E-Mails und Telefonanrufen. Konkret bestand dieses Projekt aus einem Videoclip, der eine Botschaft der Ermutigung vermittelte und von den Jugendlichen sehr gut aufgenommen wurde. Mit diesem Video, das sich an Schülerinnen und Schüler im letzten Jahr der Sekundarstufe richtete, wollten wir sie beruhigen, da sie, wie wir alle, eine atypische Phase durchleben mussten.“




    Als Psychologin hat Nicoleta Larisa Albert die Probleme der Anpassung an die neue Situation vor allem von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten erfasst:



    Auf jeden Fall handelt es sich um die mit der Adoleszenz verbundenen Schwankungen. Hinzu kommt die Veranlagung zur Angst, die in dieser Lebensphase, in der wir nicht wissen, was die Zukunft für uns bereithält, ganz normal ist. Noch komplizierter war die Situation für Gymnasiasten im letzten Schuljahr, denn au‎ßerhalb des Abiturs mussten sie alle möglichen Fragen darüber beantworten, was sie danach tun würden. Sobald sie das Gymnasium, das ihnen einen Rahmen, eine gut definierte Struktur bietet, abgeschlossen haben, werden sie eine Gleichung mit vielen Unbekannten lösen müssen.“




    In schwierigeren Zeiten für Teenager sind die Erwachsenen ihre Hauptstütze, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Die beispiellose Situation, in der sich die Schulklassen des Jahres 2020 befindet, hat die Fähigkeit von Lehrern und Eltern, zu verstehen und angemessen zu reagieren, auf die Probe gestellt. Nicoleta Larisa Albert dazu:



    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Präsenz der Erwachsenen unter den Jugendlichen, genauer gesagt das Vertrauen und das emotionale Gleichgewicht, das sie in dieser schwierigen Zeit vermittelt haben. Es ist bekannt, dass Erwachsene die ersten Vorbilder für junge Menschen sind. Bei der weiteren Analyse müssen alle Faktoren berücksichtigt werden. Sicherlich ist diese Pandemie die Spitze des Eisbergs, aber alles andere hätte an diesem Punkt im Leben der jungen Menschen passieren können. Im Hinblick auf eine wichtige Überprüfung stellten sie sich am häufigsten folgende Fragen: Was wird geschehen, habe ich die richtige Wahl getroffen, wie lange wird diese Situation andauern, wie kann ich mich vorbereiten? Vergessen wir nicht, dass dieser Generation im Gegensatz zu anderen Generationen die normalen Unterrichtsbedingungen vorenthalten wurden, die eine physische Präsenz im Klassenzimmer erfordern, das Gefühl des Zusammenseins. Es stimmt, dass sie online verbunden wurden, aber Jugendliche müssen zu einer Gruppe gehören.“




    Narcisa Ilie, Koordinatorin der Nachmittagsprogramme, bemerkte auch, dass die Schülerinnen und Schüler im letzten Jahr der Sekundarschule während der Sperre Schwierigkeiten hatten, mit dem Tempo Schritt zu halten, zumal sie sich gleichzeitig auf die Abschlussprüfung vorbereiteten:



    Sie standen im letzten Monat unter gro‎ßem Druck, da sie sich auch auf andere Fächer als die für die Abschlussprüfung geplanten vorbereiten mussten. Zwei Wochen vor den Prüfungen mussten die Schülerinnen und Schüler jedoch noch Projekte für den Biologieunterricht abgeben oder andere Schulfächer lernen, während sie meiner Meinung nach eine Pause gebraucht hätten, um sich auf die Prüfung konzentrieren zu können.“




    Narcisa Ilie ist der Ansicht, dass die besten Ergebnisse durch die direkte Einbeziehung der Familie garantiert werden, die aufgerufen ist, die Lernenden zum ständigen Lernen anzuleiten:



    Einige Schüler haben dem Lernen mehr Zeit gewidmet. Sie bestätigten mir, dass diese Zeit sehr heikel war, zumal sie ständig von den Eltern überwacht wurden. Auf der anderen Seite spielte das häusliche Umfeld eine positive Rolle. Die Ergebnisse sind sichtbar besser, wenn das Kind von Eltern umgeben ist, die sich kümmern, die es zum Lernen ermutigen, ohne zu vergessen, ihm Momente der Entspannung zu erlauben, kurz gesagt, die versuchen, ihm ein ausgewogenes Umfeld zu bieten.“




    Für jeden Erwachsenen ist Selbsterkenntnis wesentlich, um Teenager zu unterstützen und anzuleiten. In dieser Zeit der Anpassung an eine neue Realität mussten sie angesichts des Wandels und der emotionalen Widerstände die richtige Haltung einnehmen, sagt Nicoleta Larisa Albert:



    Die Begleitung von Jugendlichen muss mit der Introspektion beginnen. Erwachsene müssen sich fragen, wer sie sind und wie sie sich in Bezug auf diese oder jene Situation positionieren. Das sagen mir die Eltern, die ich am häufigsten treffe. Wenn z.B. Erwachsene einen schlechten Tag haben oder keine Energie haben, werden Jugendliche reizbarer. Dann treten sie aufs Gaspedal und verhalten sich provozierend. Es liegt jedoch nicht daran, dass sie gemein sind. Tatsächlich müssen sie die Bestätigung erhalten, dass mit Eltern oder Lehrern alles in Ordnung ist. Auch wenn sie manchmal über ihre Eltern hinauswachsen oder denken, sie seien allwissend, brauchen Teenager die Struktur, die Anleitung, die wir Erwachsenen ihnen bieten können. Niemand kann die Welt verändern, aber jeder von uns kann die angemessene, optimale Einstellung zum Wandel einnehmen.“




    Die Kampagne Ich kann“, die vom Verein Proacta EDU“ durchgeführt wird, richtete sich an alle Mittel- und Oberschüler, die in diesem für die gesamte Gesellschaft schwierigen Jahr das Ende ihrer Schulzeit erreicht haben. Das Motivationsvideo, zusätzliche Informationen zu diesem Ansatz und Kontaktinformationen waren auf der Facebook-Seite des Vereins Proacta EDU verfügbar. Die Nummern der gebührenfreien Hotlines der Kampagne Botschafter für die Gemeinschaft“ wurden auch für all jene eröffnet, die psychologische Unterstützung benötigten.

  • Trickserei im Schulranking: das Brăila-Phänomen

    Trickserei im Schulranking: das Brăila-Phänomen

    Alles beginnt im Juni, wenn die Schüler der 8. Klasse die Schule beenden und ihre nationale Bewertungsprüfung schreiben. Aufgrund dieser werden sie an Gymnasien angenommen, je nachdem, wie gut ihr Ergebnis ist. Wir sprachen mit Vertretern der Human Catalyst Organisation, einer NGO, die das Brăila-Phänomen identifizierte und benannte und es mit den nationalen Bewertungsergebnissen korrelierte. In der ostrumänischen Donaustadt Brăila haben sich im Schuljahr 2016–2017 36,5% der Schüler der 8. Klasse nicht für die Nationale Bewertung angemeldet, der höchste Prozentsatz im Land. Überraschend war jedoch, dass die Durchschnittsnote für die Studenten, die die Prüfungen abgelegt haben, mit 7,29 (Maximalbewertung: 10) sehr hoch war, die zweithöchste im Land nach Bukarest. Wir fragten Laura Marin, Präsidentin der Human Catalyst Association for Education and Social Justice, wie dies zu erklären sei:



    Das sogenannte Brăila-Phänomen ist eine Praxis unter Lehrern in Gymnasien, die Schüler mit schwachen Schulleistungen auswählen und sie nicht für die nationale Bewertung anmelden. Soweit ich sagen kann, gibt es Signale, dass es sich hierbei auch um eine Praxis im Zusammenhang mit der nationalen Prüfung zum Abitur und den Abiturienten handelt. Verschiedene Tricks werden eingesetzt, um zu verhindern, dass sich die Schüler für diese Prüfungen anmelden. Manchmal werden Eltern-Lehrer-Meetings einberufen, bei denen Eltern von Schülern mit schlechten Noten nahegelegt wird, dass sie diese Bewertungsprüfung nicht ablegen sollten. Einigen Eltern wird von Schulleitern angedroht, dass ihre Kinder das Jahr ganz und gar nicht bestehen würden, wenn sie sich anmelden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Schulen die Eltern dazu ausnutzen, ihre Kinder daran zu hindern, an der Bewertung teilzunehmen. Dies geschieht, damit die Durchschnittsnote für die Bewertung auf lokaler oder nationaler Ebene angehoben werden kann.“




    Laura Marin erzählte uns auch, warum die Ergebnisse der nationalen Bewertung so wichtig sind:



    Zunächst einmal ist es der Ruf der einzelnen Schule. Die Schulen konkurrieren untereinander um eine Klassifizierung durch die Schulaufsicht der Stadt oder des Landkreises und sie wollen so hoch wie möglich eingestuft werden. Das Brăila-Phänomen ist eine praktische Methode, um dies zu optimieren. Es ist ein einfacher Weg, die Durchschnittsnote in der Bewertung zu erhöhen, anstatt Zeit und Ressourcen in die Ausbildung der Schüler für die Prüfung zu investieren. Wenn ein Elternteil das Gymnasium auswählt, das sein Kind besuchen soll, berücksichtigt er die durchschnittliche Endnote der Bildungseinrichtung bei der Prüfung, die nationale Durchschnittszensur und das Ranking der Schule in der Stadt oder dem Bezirk. Das ist etwas, woran Eltern denken, wenn sie ihre Kinder fürs Gymnasium anmelden. Dies wirkt sich auch auf die Finanzierung der Schulen aus dem Staatshaushalt aus, der je nach Schülerzahl pro Kopf zugewiesen wird.“




    Seit letztem Jahr wurde das Brăila-Phänomen in den Medien im Detail aufgegriffen und die Statistiken scheinen jetzt auf einen Rückgang der Trickserei hinzudeuten. Die Mechanismen, die dieses System unterstützen, scheinen sich aus Angst der Beteiligten abgeschwächt zu haben. Im Schuljahr 2017–2018 sank die Quote der Schüler, die sich nicht für die Nationale Evaluation angemeldet hatten, in den meisten Landkreisen um 4,4%. Die Human Catalyst Association hat eine Erhöhung des Prozentsatzes der Schüler festgestellt, die die 8. Klasse abgeschlossen haben und die Prüfungen ablegten, aber sie haben auch etwas anderes bemerkt:



    Die Freude war kurzlebig, bevor wir die Tatsache bemerkten, dass, obwohl sich mehr Schüler für die nationale Bewertung angemeldet hatten, die Zahl der Schüler, die die 8. Klasse nicht abgeschlossen hatten, um fast 10.000 höher lag. Das bedeutet, dass das Brăila-Phänomen eine andere Dimension angenommen hat. Die Eltern werden nicht mehr dazu gedrängt, ihre Kinder nicht für die Evaluierungsprüfung anzumelden. Die Kinder bekommen einfach eine ungenügende Durchschnittsnote in der 8. Klasse, damit sie sich für die Prüfungen erst gar nicht mehr anmelden dürfen. Die Mittel für die Trickserei wurden einfach geändert.“




    Nach Berechnungen von Human Catalyst stieg die Zahl der Schüler, die 2018 die 8. Klasse nicht bestanden, im Vergleich zum Vorjahr um 70% — von 13.078 im Jahr 2017 auf 22.250 im Jahr 2018. Diese Zahl ist ungewöhnlich hoch, weil sie durch die Bewertungen und Noten der Schüler in den vergangenen Schuljahren nicht gerechtfertigt war. Gleichzeitig ist es möglich, dass dieser Unterschied die reale Situation im Bildungssystem widerspiegelt, was eine plötzliche Verschlechterung der Ergebnisse im Jahr 2018 gegenüber 2017 bedeutet, ohne die Auswirkungen des Brăila-Phänomens. Laura Marin hat jedoch gro‎ße Zweifel daran:



    Unsere Daten zeigen eine gro‎ße Ergebnislücke von Jahr zu Jahr. Plötzlich hatten wir einen Anstieg der Zahl der Schüler, die die 8. Klasse nicht bestanden haben. Das ist nicht natürlich. Normalerweise sieht man solche Lücken nicht. Es ist etwas passiert, um die Zahl der Schüler, die die 8. Klasse nicht abgeschlossen haben, um 70% zu erhöhen.“




    Im vergangenen Jahr wurden diesbezüglich Gespräche mit Vertretern des Bildungsministeriums geführt, und in diesem Jahr, als der Bildungsminister gewechselt wurde, haben Eltern und NGO Anfragen zum Dialog zu diesem Thema an die Behörden geschickt. Bisher wurde die Existenz des sogenannten Brăila-Phänomens offiziell noch nicht anerkannt.

  • Schulwesen: Erfolge rumänischer Schüler und Lehrer im Schatten der Unzulänglichkeiten

    Schulwesen: Erfolge rumänischer Schüler und Lehrer im Schatten der Unzulänglichkeiten

    Die Leistung des rumänischen Unterrichtssystem schwankt zwischen Erfolgen bei internationalen Schülerwettbewerben, den sogenannten Olympiaden, und einem erschreckend hohem Ma‎ße an funktionalem Analphabetismus unter den Durchschnittsschülern. Die Unzufriedenheit kommt oft zum Ausdruck, so dass über die Erfolge nur wenig gesprochen wird. Die Leistungen der rumänischen Schüler bleiben im Schatten der Unzulänglichkeiten.



    Die Stiftung für die Gemeinschaft“ und die rumänischen Niederlassung des ungarischen Mineralölkonzerns MOL zeichnen jährlich herausragende Schüler und ihre Lehrer aus. In diesem Jahr ging die sogenannte Mentor“-Auszeichnung an 10 Lehrer und Ausbilder oder Trainer aus ganz Rumänien. Eingereicht worden waren 250 Vorschläge.



    Petre Arnăutu, Tischtennistrainer im Sportklub Slatina und Trainer der Juniorennationalmannschaft in den letzten 20 Jahren, wurde mehrfach ausgezeichnet. Unter seinen Erfolgen zählen: Platz drei für Adina Diaconu und erster Platz für Adina Diaconu und Andreea Dragoman bei den Meisterschaften der Jugend im Doppel in Cape Town 2016. Dasselbe Duo hat im Februar 2017 bei den Europameisterschaften in Sotschi den ersten Platz errungen. Eine Bedingung, um Erfolg zu haben, sei, dass ein Trainer die Begabung eines Kindes entdeckt, meint Petre Arnăutu:



    Um Hochleistung zu erzielen, muss man in erster Linie die Sportler wählen, die wirklich begabt sind. Sie müssen spezifische und allgemeine Eigenschaften besitzen, die für den betreffenden Sport notwendig sind. Es ist sehr wichtig, mit gutem Potential zu arbeiten. Es ist sehr wichtig, dass das Kind von klein auf den Wunsch und den Willen hat, Leistungssport zu treiben. Die Leistung bedeutet 95% Arbeit und erst dann folgen all die anderen Eigenschaften.“




    Nicht alle Schulfächer erfreuen sich so gro‎ßer Beliebtheit wie der Sport, sie sind aber für die Wahl des Berufes und für Persönlichkeitsentwicklung bedeutend. Ein derartiges Fach ist Philosophie. Elvira Groza unterrichtet Philosophie in Oradea (Gro‎ßwardein) am Aurel-Lazăr-Gymnasium und wurde mit dem Mentor-Preis ausgezeichnet. Sie koordiniert die Schülerzeitschrift Lăzăriştii“ und hat Schüler vorbereitet, die Silber und Bronze bei der internationalen Philosophie-Olympiade gewonnen haben. Der Weg zum Erfolg war die nonkonformistische Art und Weise, mit Philosophie umzugehen. Die Philosophie sei ein Instrument, mit dem das ein Jugendlicher sich selbst und die Welt entdecken kann, sagt Elvira Groza:



    Ich meine, Philosophie muss heute nicht nur aus den Lehrbüchern unterrichtet werden, der Stoff endet ohnehin mit dem 20 Jh. Die Lehrbücher sind eine Sammlung von Zitaten, sonst nichts. Die Philosophie ist heute eng mit der Ethik, der Politik, der Kommunikation verbunden. Ich versuche die Schüler durch Dialog herauszufordern. Die Philosophiestunde ist die Chance zu einer Face-to-Face-Beziehung. Du kannst einem Menschen zeigen, wie er sich selbst verstehen kann.“




    Elvira Groza unterrichtet seit 23 Jahren. Sie kann sich nicht vorstellen — trotz der ermüdenden und enttäuschenden Momente –, in einem anderen Bereich zu arbeiten:



    Die Schüler sind immer weniger an Leistung interessiert. Sie lernen nur Schablonen für die Reifeprüfung. Diese sind für mittelmä‎ßige Schüler gedacht. Die Kinder haben ein pragmatisches Denken. Es gibt Situationen und Tage, in denen ich sie gar nicht herausfordern kann oder in denen es keinen Dialog gibt. Am Ende eines derartigen Tages wünsche ich mir nur noch, ein Philosophiebuch zu lesen. Nichts mehr. Am zweiten Tag fängt es von vorne an und ich vergesse, dass ich aufgeben wollte.“




    Elena Teoteoi, Chemielehrerin am Tudor-Vladimirescu-Gymnasium in Târgu Jiu, wurde ebenfalls mit dem Mentor-Preis ausgezeichnet. Sie hat jahrelang mit Schülern gearbeitet, die Gold, Silber und Bronze bei der internationalen Chemie-Olympiade gewonnen haben. Wie gelang es der Lehrerin Elena Teoteoi, die Schüler dazu zu bringen, Chemie zu lieben ? Sie sagte uns, praxisnaher Unterricht sei sehr wichtig;



    Durch Theorie bringe ich die Einführung oder bereite den Schüler vor, alle Aspekte einer Substanz oder eines Vorgangs, eines Phänomens, die Geschichte der Entdeckung der Substanz oder des Phänomens und ihre Bedeutung zu verstehen. Für den Schüler ist es wichtig, was er effektiv sieht und fühlt. Die Experimente sind der bedeutendste Teil meiner Aktivität. Im Unterricht setzt man den Akzent nicht nur auf die Theorie. Es gibt einige Fächer, wo der theoretische Teil vorherrscht und andere, wo die Interdisziplinarität eine Rolle spielt. Zum Beispiel kann man Chemie nicht lernen oder unterrichten, wenn man keine Kenntnisse aus Bereichen wie Biologie, Physik, Geographie und Geschichte hat. Chemie kommt überall in unserem Alltagsleben vor. Wir Menschen werden von einer Reihe von chemischen Prozessen beeinflusst.“




    Man könne sich nicht langweilen, wenn man Chemie unterrichtet. Chemie bedeute ständige Veränderungen wie im Leben, meint Elena Teoteoi. Der Lehrerberuf sei für sie ebenfalls eine Herausforderung:



    Es gibt keinen Tag oder keine Stunde, die so verläuft, wie du es dir vorgenommen hast. Immer wieder erscheint eine Neuigkeit in der Reaktion der Schüler oder sogar der Lehrer. Wir verändern uns auch und passen uns der Klasse an. Wir unterrichten natürlich unterschiedlich. Man kann nicht rückwärts oder im Kreis gehen. Immer wieder erscheint etwas Neues, das dich herauslockt und dich als Lehrer weiterbildet.“




    Folglich sei es niemals eintönig, wenn man als Chemielehrer unterrichtet, schlussfolgert Elena Teoteoi.

  • Schulwesen: Veraltete Prüfungsmethoden sind hinderlich für Flexibilität

    Schulwesen: Veraltete Prüfungsmethoden sind hinderlich für Flexibilität

    Das rumänische Bildungssystem wurde in den letzten 20 Jahren vielfältigen Änderungen ausgesetzt. Die jüngste Änderung betrifft die Überarbeitung der Lehrpläne in den rumänischen Schulen. Nun versucht die rumänische Schule, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu sein. Eine davon betrifft die Selbstbewertung des Systems, anders gesagt, die Bewertung der Lehrerleistung und die Beurteilung der Ergebnisse der Schüler und Studenten.



    Eine von den rumänischen Behörden in Zusammenarbeit mit der UNICEF und der OECD (der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) erarbeiteten Studie nimmt die Evaluation und die Prüfmethoden im Bildungssystem unter die Lupe. Laut dem derzeitig gültigen Bildungsgesetz legen die Schüler im voruniversitären Bildungswesen mehrere Prüfungen ab. Die von ihnen angeeigneten Kenntnisse werden erstmals in der 2. Klasse getestet. Danach müssen sie alle 2 Jahre einen Test zur Beurteilung ihrer Allgemeinkenntnisse schreiben, bis sie schlie‎ßlich in der 8. Klasse eine Abschlussprüfung ablegen. Diese wichtige Prüfung ist unter anderem als Nationale Evaluation bekannt und gilt gleichzeitig als Zulassung ins Gymnasium. Die Nationale Evaluation ist die erste wichtige Schulprüfung im Leben der 14-15- jährigen Kinder. Und wie erwartet löst sie zahlreiche Auseinandersetzungen aus. Dazu Ioana Băltăreţu, Mitglied im Landesschülerrat:



    Unser Landesschülerrat hat festgestellt, dass viel zu oft ein zu hoher Wert auf die Fächer gelegt wird, die Gegenstand der Nationalprüfung sind. In der jetzigen Form fördern diese Prüfungen viel mehr die Fähigkeit, auswendig zu lernen, als die Fähigkeit, selbst zu denken. Etwa 40% der 15-jährigen Schüler in Rumänien sind funktionale Analphabeten — so die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie. Obwohl sie lesen können, verstehen sie den Inhalt der Texte nicht. Denn in der Schule wurde vielmehr das Auswendiglernen gefördert.“




    Kinder und Jugendliche werden regelmä‎ßig während ihrer Schulzeit evaluiert. Sie wünschen sich aber, die Art und Weise, in der sie in der Schule ausgebildet und behandelt werden, selber zu bewerten. Dazu Ioana Băltăreţu:



    Die Einbindung der Schüler im Prozess der internen Evaluation ist weiterhin mangelhaft. Die Schüler schicken zwar einen Vertreter in den Schulrat, in den Bewertungs- und Qualitätsausschuss und in den Ausschuss zur Bekämpfung der Gewalt. In den meisten Fällen kommen sie aber nicht dazu, ihre Meinung zu äu‎ßern. Vermutlich wird der Vertreter der Schüler gar nicht zur Aussprache eingeladen. Es sei unerlässlich, die derzeit gültigen Gesetze zu beachten. Den Schülervertretern sollten ihre Rechte anerkannt und gewährt werden. Die Prüfungen müssen unbedingt viel mehr als eine reine Formalität werden. Denn sie sind ein Mechanismus, der ein hochwertiges Bildungssystem stärken kann. Davon werden alle profitieren.“




    Genau darauf weist auch die von der UNICEF in Zusammenarbeit mit der OECD erarbeiteten Studie Prüfungen und Evaluation im rumänischen Bildungssystem“ hin. Die Wirklichkeit, die in der Studie beschrieben wird, ist nicht gerade befriedigend. Im Vergleich zu 2012 haben die Schüler im Jahr 2015 zwar Fortschritte bei den PISA-Tests verzeichnet. Im Hinblick auf das Kapitel Wissenschaft“ erhielten aber 38,6% der 15-jährigen Kinder Ergebnisse unter dem Level 2, also unter dem bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit zu erreichenden Grundlevel. Wird dieser Grundlevel nicht erreicht, so ist der Jugendliche unzureichend für eine Wissensgesellschaft vorbereitet. Im Zusammenhang mit all den Prüfungen und Tests stellt sich die Frage, wie den Schülern geholfen werden kann, so dass sie ihre schulische Leistung verbessern. Denn die Prüfungen sollen nicht nur ein Ma‎ß für den Stand der Kenntnisse der Schüler sein. Laut den Autoren der Studie bestünde die Lösung in der Flexibilität des Bildungssystems. Die Schule sollte nicht nur ein Ort für Hochleistungen sein, sondern auch einer der Inklusion. Ein Ort, an dem alle Schüler die notwendigen Fähigkeiten entwickeln und Kenntnisse erwerben können, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Diesbezüglich sei noch Raum für Verbesserungen, so Andreas Schleicher, Direktor bei der OECD.



    Anfang 2000 gab es in Rumänien überhaupt keine unabhängige Behörde zur Bewertung der Schulen. Heute allerdings verfügt Rumänien über ein starkes Zentrum für Evaluation und Bewertung. Das Allerwichtigste ist jedoch, dass Rumänien eines der wenigen Länder in Europa ist, in dem Fortschritte verzeichnet werden. Die neu entwickelten Programme wurden an den Zielsetzungen des 21. Jahrhunderts angepasst. Demnach haben alle Jugendliche die Möglichkeit, ihre Kenntnisse zu vertiefen und Fähigkeiten und eine kritische Denkweise zu entwickeln, um sich erfolgreich an der Gesellschaft der Zukunft zu beteiligen. Doch ist die Theorie leichter als die Praxis. Denn ein Teil der Infrastruktur ist mangelhaft. Manche Lehrkräfte hinken ebenfalls den Bestrebungen im 21. Jahrhundert nach. Die Nationalprüfungen entscheiden immer noch über die Zukunft der Schüler. Doch sie basieren auf rigide akademische Kenntnisse. Die erste wichtige Prüfung dieser Art muss schon mit 14 abgelegt werden. Dieser Ansatz ist veraltet und nicht korrekt, unserer Ansicht nach.“




    Der Bericht der UNICEF und der OECD macht eine klare Empfehlung: Die in den voruniversitären Schuljahren abgelegten Prüfungen sollen einen ausbildenden Charakter haben und keine Ranglisten schaffen — so Erziehungsminister Pavel Năstase.



    Es ist wichtig, die Evaluation — sei es der Schüler, der Lehrkräfte oder der Schulen — aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Und zwar als eine Chance, Feedback zu bekommen. Als eine Möglichkeit, auf Basis von konkreten Ergebnissen, Ma‎ßnahmen zu treffen, die den Ausbildungsprozess verbessern können. Wir wünschen uns, dass die Lehrkräfte gut vorbereitet sind. Dementsprechend sollten die Lehrer während des Unterrichts, in der Klasse, und nicht wie heute nur durch Prüfungen und anderen schriftlichen Bewertungsmethoden evaluiert werden. Das gleiche gilt auch für die Schüler. Und somit könnte auch der Druck, dem die Schüler derzeit ausgesetzt werden, abnehmen. Diejenigen, die gewöhnlich Schwierigkeiten bei den klassischen Prüfungen haben, würden sich so auch behaupten können. Der Bericht der zwei internationalen Institutionen legt hohen Wert auf die formende Dimension der Evaluation. Denn die Evaluation soll letztendlich auf die Richtungen hinweisen, die noch verbesserungsbedürftig sind. Derzeit legen die Schüler Prüfungen ab, die Ergebnisse werden aber kaum verwertet.“




    Das Bildungsministerium arbeitet bereits an mehreren Programmen für die Evaluation von Schülern und Lehrern. Diese sollen mit europäischen Mitteln gefördert werden.

  • Berufliche Umorientierung der rumänischen Lehrer

    Berufliche Umorientierung der rumänischen Lehrer

    Es ist für niemand mehr ein Geheimnis, dass die Situation der rumänischen Lehrer bei weitem nicht rosig ist. Mehr sogar: Die Arbeitsstellen im Bildungswesen wurden und werden weiterhin vermieden. Au‎ßerdem entscheiden sich nicht wenige Menschen, die eine Zeitlang Lehrer waren, das System irgendwann zu verlassen, denn das zu niedrige Gehalt und das zu hohe Stressniveau sind schwer auszuhalten.



    Die Lage hat sich während der Weltkrise verschlechtert, als in Rumänien — infolge der Sparma‎ßnahmen — die Gehälter der Lehrer um 25% gekürzt wurden. Die Folge? Angeblich hätten in den letzten drei Jahren 40.000 Lehrer das Bildungswesen verlassen. Der Exodus wird laut der Befragung Das Leben des jungen Lehrers“, die der Verband der Freien Gewerkschaften im Bildungswesen durchführte, nicht hier enden.



    In der Sendung stellt Verbandsvorsitzender Simion Hăncescu die Ergebnisse der Umfrage vor. Au‎ßerdem kommt eine junge ehemalige Lehrerin zu Wort, die ihre Erfahrung schildert und über die schwere Entscheidung spricht, das Bildungswesen für eine Karriere im Fernsehen zu verlassen.