Tag: Seuchen

  • Seuchen in den rumänischen Fürstentümern: Wie die Pest im 19. Jh. behandelt wurde

    Seuchen in den rumänischen Fürstentümern: Wie die Pest im 19. Jh. behandelt wurde

    Im 18. und 19. Jahrhundert wurde sie als Seuche der Levante“, walachische Seuche“ und klebrige Seuche“ bezeichnet und galt als eine der gefährlichsten Krankheiten angesichts der Anzahl der Todesfälle und eines fehlenden Heilmittels. In den rumänischen Fürstentümern gab es in dieser Zeit nur wenige Pest-Herde, dennoch brachten manchmal ausländische Händler und Reisende die Krankheit mit.



    Die Pest wurde durch die Flöhe der Ratten übertragen, wobei die Form mit Bläschen am meisten verbreitet war. Die Pest war durch starkes Fieber, Blasen, Erbrechen, Blutungen und Halluzinationen gekennzeichnet, die schlie‎ßlich zum Tod führten.



    In den rumänischen Fürstentümern war die Pest jedoch nicht ständig präsent, die Region war au‎ßerdem auch kein Infektionsherd. Die Krankheit wurde stets von Kaufleuten, Soldaten, Pilgern und anderen Orientreisenden eingeführt, die Flöhe in ihrer Kleidung und Handelswaren mittrugen, oder von den Karawanen- und Schiffsratten. Historiker Sorin Grigoruţă vom Historischen Institut A. D. Xenopol“ in Iaşi hat ein Buch über die Pest und deren Behandlung veröffentlicht. Auf die Wahrnehmung der Krankheit angesprochen, verweist der Autor auf den damaligen Zeitgeist.



    Die Jahrhunderte vor dem 19. Jahrhundert waren von der Auffassung geprägt, dass Pestseuchen die Folge von Störungen der natürlichen Bedingungen sind, die durch eine Reihe astronomischer Faktoren wie Planeten-Konjunktionen, Finsternissen, Kometen und Katastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen verursacht wurden. Die Pest wurde als Strafe Gottes für die Vielzahl der Sünden der Menschen angesehen. Die Bewohner der rumänischen Gebiete und die Behörden lie‎ßen diese Auffassungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend fallen und erkannten die Rolle menschlicher Faktoren bei der Ausbreitung der Pest an. Im Laufe der Jahre und nach der Konfrontation mit mehreren epidemischen Wellen wird eine Reihe empirischer Befunde zur Planung antiepidemischer Ma‎ßnahmen führen. Die einzigen Methoden waren die Flucht oder die Entfernung der Kranken aus den Ortschaften.“




    Die Pest war überwiegend eine städtische Krankheit. Die von den damaligen Behörden getroffenen Ma‎ßnahmen würden heute als repressiv bezeichnet werden, erklärt Sorin Grigoruţă.



    In dem Bewusstsein, dass Ballungsgebiete das Risiko einer Ausbreitung der Pest erhöhen, haben die Behörden strenge Ma‎ßnahmen ergriffen, um den Kontakt zwischen den Menschen einzuschränken. Darunter die Einstellung der Tätigkeit von Gerichten, die Schlie‎ßung von Schulen, Kirchen, Cafés, der nachlassende Handel und Einschränkungen des Stra‎ßenverkehrs, insbesondere während der Nacht. Im Jahr 1785 befahl der Fürst seinem gro‎ßen Schwertträger, die Cafés zu schlie‎ßen, aber der Kaffee konnte noch durchs Fenster verkauft werden. Die Verkehrsbeschränkungen auf den Stra‎ßen während der Nacht waren darauf zurückzuführen, dass Kranke und Tote au‎ßerhalb der Stadt transportiert wurden. Es war kein angenehmes Bild und man versuchte auch, die emotionale Wirkung auf den Rest der Bevölkerung zu verringern.“




    Die zweite Ma‎ßnahme gegen die Pest sei die Isolation gewesen — Historiker Sorin Grigoruță beschreibt dies in seinem Buch.



    Die Isolation der Häuser, in denen die Pest nachgewiesen worden war, war die zweite der von den Behörden ergriffenen Ma‎ßnahmen. Die erste Form der Isolation bestand darin, die Kranken im Haus zu halten, sie wurden effektiv in ihren Häusern eingesperrt. Ich möchte erwähnen, dass diese Methode nicht nur in den rumänischen Gebieten zur Anwendung kam, sondern in ganz Europa verbreitet war. Wenn jemand überlebte war das in Ordnung, wenn nicht, dann wurden alle Bewohner des Hauses krank und starben. Die zweite Form der Isolation bedeutete, dass sowohl die Kranken als auch die Gesunden aus den angesteckten Haushalten entfernt wurden und diese Häuser einem Desinfektionsprozess unterzogen wurden. Das konnte sich auf die Belüftung und Reinigung des Hauses beschränken, aber auch bis zu einer teilweisen oder vollständigen Zerstörung reichen, meistens durch Inbrandsetzung. Ştefan Episcupescu [ein rumänischer Arzt und Publizist, 1777–1850, — Anm. d. Red.], nach dessen Ansicht die Pest ein »Geist des Todes« war, erinnerte sich 1824 daran, was die Heilmittel gegen die Pest waren. Ich zitiere aus seinen Schriften: »Von allen Mitteln der Heilkunde sind Wasser, Essig und Feuer die wirkungsstärksten gegen die Pest. Das Wasser wäscht und reinigt den Haftstoff der Pest, der Dampf des Essigs schwächt die Schärfe dieser Haftung und beseitigt das Gift, und das Feuer zieht den Geist der Seuche aus der Ferne seiner Glut an, verbrennt sie und löscht sie vollständig aus.«“




    Die wirksamste Methode zur Bekämpfung der Pest im Westen war die Quarantäne. Die erste europäische Quarantäne wurde vom Hafen von Ragusa beschlossen, der 40 Tage lang alle aus dem Orient kommenden Schiffe au‎ßerhalb der Stadt anhielt. Die Idee wurde von anderen europäischen Häfen und Städten übernommen. An Land war der sogenannte österreichische Sanitärkorridor äu‎ßerst effizient — dieser war an der Struktur der Militärgrenze orientiert. Die russische Quarantäne war derweil nur vorübergehend, sie galt nur während der Epidemie und war weitgehend unwirksam. Quarantänen gab es im rumänischen Raum auch, jedoch mit bescheidenen Ergebnissen, wie der Historiker Sorin Grigoruţă wei‎ß:



    Ohne die Ursache der Ausbreitung der Seuche bewusst anzugehen, brachten allmählich alle Ma‎ßnahmen, die zur Isolation der Kranken oder der Verdächtigen führten, einige Ergebnisse. Als nächstes bestand der erste Schritt darin, diejenigen, die aus von Pest betroffenen Gebieten kamen, für einige Tage zu isolieren und zu untersuchen, egal ob diese Gebiete im Land oder au‎ßerhalb des Landes lagen. Zur gleichen Zeit wurde ein System sogenannter Streckenscheine oder Gesundheitskarten entwickelt, die bescheinigen sollten, dass der Reisende aus pestfreien Gebieten kam. So entstanden interne und externe Quarantänen.“




    Die Pest verschwand Mitte des 19. Jahrhunderts aus den rumänischen Fürstentümern mit der Gründung des Nationalstaates und der Entstehung streng überwachter Grenzen.

  • Seuchen und ihre Geschichte: Pest-Epidemien in den rumänischen Fürstentümern

    Seuchen und ihre Geschichte: Pest-Epidemien in den rumänischen Fürstentümern

    Wie jedes bedeutende Ereignis würden die Epidemien einen gro‎ßen Einfluss auf die Zivilisation haben, meinen Historiker. Die Seuchen mit den grö‎ßten Auswirkungen waren die Pest-, Pocken-, und Cholera-Epidemien. Der schwarze Tod“ oder die schwarze Pest“, die in den rumänischen Fürstentümern unter dem Namen schwarze Wunde“ bekannt wurde, ist die Krankheit, die die meisten Menschen getötet hat. Zwischen 25 und 75 Millionen Menschen — es gibt unterschiedliche Einschätzungen — soll die Pest Mitte des 14. Jahrhunderts getötet haben. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts, im Jahr 1894, hat der schweizerisch-franzöische Alexandre Yersin den Pesterreger und anschlie‎ßend auch das Heilmittel gegen die schrecklichste Krankheit, die es je gab, entdeckt. Vor der Entdeckung von Yersin konnten nur diejenigen, die entweder immun gegen das Bakterium waren oder eine leichte Form der Krankheit entwickelten, überleben.



    Auch in den rumänischen Fürstentümern gab es Epidemien, die das Weltbild der Menschen geprägt haben. Octavian Buda, Professor für Medizin-Geschichte an der Medizin- und Pharmakologie-Universität Carol Davila“ in Bukarest, erwähnt die Zeitzeugnisse über die Pest im 15. Jahrhundert in den rumänischen Fürstentümern:



    Es gibt einige Beschreibungen von fremden Ärzten, die an unterschiedlichen Fürstenhöfen, am Fürstenhof von Stefan dem Gro‎ßen, am Hof von Matei Basarab und von Vasile Lupu, tätig waren. Das Problem ist, die klinischen Anzeichen zu identifizieren, weil der rumänische Begriff ›bubă‹ (= Wunde, Schramme, Beule, Krankheit) sehr vieldeutig ist. Im Volksmund verstand man darunter auch Krankheit schlechthin. Und deshalb ist es schwierig, zu erfahren, wann wir es tatsächlich mit einer Seuche zu tun hatten. Sehr konkrete Informationen über den Fall von Johann Hunyadi, der ja auch an der Pest gestorben sein soll, haben wir nicht. Es könnte etwas mit der südlichen Kriegsfront zu tun gehabt haben. Einer der letzten Ausbrüche der westeuropäischen Pest-Epidemie erfolgte durch den Adria-Hafen Dubrovnik oder Ragusa. Es gibt eine ziemlich neue Idee eines rumänischen Medizinhistorikers, Nicolae Vătămanu. Dieser spekuliert mit ziemlich guten Beweisen, dass während der Schlacht von Războieni, die mit einem Pyrrhussieg der Osmanen des Sultans Mehmet II. gegen Stefan den Gro‎ßen endete — Zehntausende starben im Kampf –, auch ein Pest-Ausbruch aus dem Ural-Gebiet und von der Krim her eine Rolle gespielt hätten. Es ist eine Theorie, die man näher untersuchen sollte.“




    Pest-Epidemien gab es periodisch auch in den nächsten Jahrhunderten. Erschreckend war die Epidemie in London von 1666, auch wenn ihr Ausma‎ß kleiner war. Im 18. Jahrhundert begann in den rumänischen Fürstentümern die phanariotische Epoche. Der erste phanariotische Fürst, Nicolae Mavrocordat, erlag der Pest im Jahr 1730. Die grö‎ßten Auswirkungen hatte aber die Caragea-Pest von 1813-1814, benannt nach dem damaligen Herrscher. Die phanariotische Epoche gilt metaphorisch als eine dunkle Periode in der rumänischen Geschichte, weil sie mit einer Pest-Epidemie begann und mit einer anderen endete. Octavian Buda sprach auch über die von den Behörden der Walachei getroffenen Ma‎ßnahmen im Kampf gegen die Epidemie:



    Man hat eine Art Quarantäne-Korridor auf dem Weg vom Donauufer bis nach Bukarest errichtet, es wurde ein Lazaret-Verwalter ernannt, Wachtmeister in den ärmeren Vierteln eingeführt und gerade eine Berufsgruppe nimmt zahlenmä‎ßig stark zu: jene der Leichenträger. Sie mussten die Toten tragen und die Gräber, in denen die Opfer begraben wurden, ordentlich herrichten. Die Leichenträger-Zunft wird sehr aktiv, diese Menschen wurden sehr gut bezahlt und sie mussten die Toten tragen und beerdigen. Die Totengräber wurden aus den Reihen der ehemaligen Pest-Kranken, die die Krankheit überlebt hatten, rekrutiert — das war eine interessante antiepidemische Idee. Man hat erkannt, dass diese Menschen eine Art Immunität gewonnen hatten. Der Historiker Ion Ghica schrieb sehr negativ über die Totengräber. Wenn sie an ein reiches Haus vorbei gingen, rissen sie den Pest-Toten die Kleider vom Leibe, um die Krankheit zu verbreiten, berichtet Ghica. Auch wenn sie die Todesstrafe riskierten, töteten sie die Pest-Kranken unterwegs oder beerdigten diese lebendig, um sie nicht mehr ins Krankenhaus bringen zu müssen, so der Schriftsteller und Historiker. Interessant ist die folgende Episode aus dem Bericht eines Leichenträgers: ‚Heute habe ich etwa 15 Tote aufgesammelt, die ich auf den Karren auf dem Dudeşti-Feld gelegt habe, aber ich bin nur mit 14 angekommen, weil einer wegrannte.‘“




    Die Verzweiflung der Menschen konnte weder vom Priester noch vom Volksheiler gelindert werden. Der einzige Trost war der Alkohol, die alte Ausflucht des Menschen in schweren Zeiten. Octavian Buda:



    In Ermangelung effizienter Behandlungen beruhigte der in gro‎ßen Mengen verbrauchte Alkohol. Da wurden aber auch Verbote eingeführt. Es gab auch Quacksalber, die den Pest-Kranken vorgaukelten, sie würden geheilt, wenn sie eine Schildkröte berührten. In Bukarest gab es ein Pest-Krankenhaus — Dudeşti — und darüber hinaus noch das Sankt-Visarion-Krankenhaus. Dort richtete man nach venezianischem Vorbild ein Lazarett ein, in dem die Pest-Kranken eingeschlossen wurden. Die Behandlungsweise ähnelte der in den Abteilungen für Infektionskrankheiten.“




    Der Frost im Winter 1813-1814 hat die Auswirkungen der Pest etwas gedämpft, aber nicht beseitigt. Laut den Berichten des österreichischen Konsuls in Bukarest, Fleischhackl von Hackenau, sind während der Caragea-Pest etwa 4.500 Menschen gestorben. Dieser Pest-Ausbruch trägt diesen Namen, weil die Krankheit von einer Person aus der Entourage des Fürsten nach Bukarest gebracht wurde. Caragea wollte den Thron schnellstens besteigen und hat die Quarantäne-Vorkehrungen nicht beachtet. Mit der Caragea-Pest endete die phanariotische Epoche und begann die Moderne.