Tag: Sexualkunde

  • Minderjährige Schwangere und Mütter: Ohne Bildung kein Fortschritt

    Minderjährige Schwangere und Mütter: Ohne Bildung kein Fortschritt





    10 % der Geburten in Rumänien entfallen auf Mütter im Teenageralter, während europaweit 45 % der Geburten bei Mädchen unter 15 Jahren sich in Rumänien ereignen, womit das Land in dieser Hinsicht einen negativen Rekord aufstellt und den ersten Platz in der EU-Statistik einnimmt. Dies berichtet die Organisation Save the Children“, die in einem Bericht auch den Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und dem Alter der minderjährigen Mütter in benachteiligten ländlichen Gemeinden aufzeigt. 85 % der Mütter und schwangeren Frauen unter 18 Jahren gehen nicht zur Schule, die meisten brechen sie vor der Schwangerschaft ab. Rund 10 % der jungen Frauen in dieser Situation haben noch nie eine Schule besucht, und drei Viertel von ihnen haben die Schule vor der 8. Klasse abgebrochen.



    Besorgniserregend ist au‎ßerdem, dass 4 von 10 schwangeren Frauen oder minderjährigen Müttern während der Schwangerschaft keine ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen oder höchstens ihren Hausarzt aufsuchen. Ein Drittel der jungen werdenden Mütter gibt an, dass sie während der Schwangerschaft keine medizinischen Untersuchungen durchführen lie‎ßen, wobei der Hauptgrund dafür Geldmangel ist — die Hälfte der betroffenen Familien hat ein monatliches Einkommen von weniger als tausend Lei, was umgerechnet nur etwa 200 Euro entspricht. Gleichzeitig nutzten 80 % keine Verhütungsmethode, weil sie sich darüber nicht informiert hatten.



    Dieser Teufelskreis aus Armut und bildungsfernem Milieu scheint sich au‎ßerdem im eigenen Familien- oder Bekanntenkreis zu reproduzieren. Die von Save the Children“ veröffentlichte Statistik zeigt auch, dass drei Viertel der Mütter oder schwangeren Minderjährigen Verwandte oder Bekannte haben, die ebenfalls ein Kind bekommen haben, als sie unter 18 Jahre alt waren. Und ein Drittel dieser jungen Mütter wurde selbst von Minderjährigen auf die Welt gebracht.



    Im Landkreis Sălaj (im Nordwesten Rumäniens) werden Dutzende von Mädchen durch ein Programm unterstützt, das von einer speziell dafür gegründeten Arbeitsgruppe initiiert wurde. Im Rahmen des Programms erhalten minderjährige Mütter medizinische, soziale und erzieherische Hilfe, um die Integration in die Gesellschaft zu erleichtern. Violeta Milaș, Leiterin des örtlichen Amtes für Sozialhilfe und Kinderschutz, kennt den sozialen Hintergrund dieser jungen Mütter:



    Die meisten von ihnen kommen aus ländlichen Gebieten, wo diese jungen Mädchen — minderjährige Mütter fast noch im Kindesalter — keine Ausweispapiere oder Geburtsurkunden haben, ihre Familienangehörigen arbeiten im Ausland und sind folglich weit weg. Wenn sie im Krankenhaus ankommen und entbinden, haben sie weder eine Geburtsurkunde noch einen Personalausweis. Die Registrierung des Kindes wird somit zu einem Problem. Die Erziehung und Bildung in diesen Familien sind äu‎ßerst prekär; viele gehen davon aus, dass es normal sei, in diesem Alter Kinder auf die Welt zu bringen. Wir mussten ihnen grundlegende Dinge über Hygiene beibringen, und dann müssen sie es schaffen, ihre eigenen Kinder zu erziehen. In Gemeinden, in denen es geschulte Sozialarbeiter und medizinische Hilfskräfte gibt, sieht man schon positive Ergebnisse — in dem Sinne, dass die Fälle bekannt und registriert sind, dass wir ihnen etwas beibringen und dass für diese Mütter die Situation dadurch etwas einfacher wird.“




    In Bukarest wurde im Gesundheitsministerium vor einem Jahr nach langer Zeit wieder ein Referat für die Gesundheit von Müttern und Kindern eingerichtet. Darüber hinaus wird an der Einrichtung von landesweit rund 200 integrierten Gemeindezentren gearbeitet. Sie sollen ihre Arbeit in Gebieten aufnehmen, in denen gefährdete Bevölkerungsgruppen leben, und sowohl medizinische als auch soziale Dienste anbieten. Minister Alexander Rafila bestätigt jedoch, dass die zentralen Behörden auf eine Partnerschaft mit den lokalen Behörden angewiesen sind, damit schwangere Frauen und junge Mütter Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten bekommen können. Der Minister ist auch der Ansicht, dass die Bildung von entscheidender Bedeutung ist und dass die Zahl der minderjährigen Mütter in Rumänien nur dann verringert werden könnte, wenn sie zur Schule gingen und die Gesundheitserziehung zu einem festen Bestandteil des Lehrplans würde.



    Ich denke, das Hauptproblem ist der Zugang zur Bildung und zweitens — aber nicht unbedingt zweitrangig, sondern in direktem Zusammenhang damit — der Zugang zur Gesundheitserziehung. Der Zugang zur Gesundheitserziehung ist sehr wichtig, der Ansatz ist multidisziplinär, es geht nicht allein um Sexualkunde, und wir sollten vermeiden, uns auf diesen Bereich der Sexualerziehung zu beschränken. Wir haben eine neue Bildungsministerin, und ich bin überzeugt, dass wir eine Lösung finden werden, damit die Gesundheitserziehung ein reguläres Lehrfach wird, das für alle Altersgruppen geeignet und Teil des Lehrplans ist. Aber wir können keine Gesundheitserziehung betreiben, wenn diese Kinder nicht zur Schule gehen. Es liegt auf der Hand, dass das Problem mit dem kulturellen Hintergrund zusammenhängt: Minderjährige Mütter gehören oft Minderheiten an, sind ein Teil sozial gefährdeter Gruppen, die traditionell sehr jung heiraten und deshalb so früh Kinder bekommen.“




    Im Juli 2022 wurde in Rumänien ein Gesetz verabschiedet, das ab der 8. Klasse der Sekundarstufe Gesundheitsunterricht einführt, an dem die Schüler mit Zustimmung ihrer Eltern teilnehmen können. Nach Ansicht der Präsidentenberaterin Diana Păun müsste die Gesundheitserziehung auch deshalb vorrangig sein, weil sie den heutigen und künftigen Generationen ermöglichen würde, sich angemessen zu informieren und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.



    Im Rahmen der Gesundheitserziehung ist die Sexualkunde ein wichtiger Bestandteil, der das Potenzial hat, diese wenig erfreulichen — um nicht zu sagen: schwarzen — Statistiken zu ändern. In ländlichen und abgelegenen Gemeinden ist der Bedarf an funktionsfähigen Arztpraxen in Schulen, an Sexualerziehung und Familienplanungsdiensten am grö‎ßten, und der Nationale Wiederaufbau- und Resilienzplan räumt diesem Bereich Priorität ein. Investitionen in die Ausstattung und Instandsetzung von Familienplanungskliniken in gefährdeten Regionen mit einer hohen Zahl von Teenager-Schwangerschaften und einer hohen Zahl von sexuell übertragbaren Krankheiten sind ein wichtiger Pfeiler in den Zuwendungen für die Gesundheit und werden zu erheblichen Verbesserungen beitragen.“




    Eine Reform, die zu weitreichenden Veränderungen führt, muss sich auch mit den Humanressourcen im Gesundheitswesen befassen — mit der erforderlichen Anzahl von Fachkräften mit geeigneten Spezialisierungen und ihrer optimalen geografischen Verteilung auf landesweiter Ebene. Au‎ßerdem müssen Informationen gesammelt und ein umfassendes Bild der Gesundheit von Müttern und Kindern in sozial isolierten und nicht integrierten Gemeinschaften entwickelt werden. Die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Sozialämtern, dem Gesundheitsressort und den Bildungseinrichtungen sind ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. All diese Schritte sind unerlässlich, denn Experten sind sich einig, dass eine Schwangerschaft in äu‎ßerst jungen Jahren mit grö‎ßeren gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Au‎ßerdem setzt eine frühe Mutterschaft junge Mütter dem Risiko aus, die Schule abbrechen zu müssen und in den Teufelskreis der Armut zu geraten — mit Auswirkungen, die von Generation zu Generation weiterreichen.

  • Sexualkunde in der Schule: Wie die Sexualaufklärung an Spitzfindigkeiten und Prüderie scheitert

    Sexualkunde in der Schule: Wie die Sexualaufklärung an Spitzfindigkeiten und Prüderie scheitert

    Das Nationale Institut für Statistik hat in letzter Zeit eine Reihe von beunruhigenden Daten veröffentlicht. Demnach entfielen von den gemeldeten 200.000 Geburten im Jahr 2019 mehr als 700 auf Mädchen unter 15 Jahren und fast 18.000 auf Mütter zwischen 15 und 19 Jahren. Eine der Ursachen für dieses Problem ist der Mangel an Sexualaufklärung, obwohl diese in einem Wahlfach mit der Bezeichnung Erziehung zur Gesundheit“ enthalten ist. Der Kurs wird schon seit vielen Jahren unterrichtet, und zwar bereits in der 1. Klasse. In einigen Fällen werden solche Kurse auch von Fachleuten unterrichtet, die für verschiedene Vereine arbeiten: z.B. Youngsters for Youngsters“. Seit fast 30 Jahren engagiert sich der Verein für die Gesundheitserziehung der Schüler in Rumänien.



    Bei den Programmen von »Youngsters for Youngsters« arbeiten wir mit Gymnasiasten aus dem klaren Grund, dass wir einen solchen Mangel in unserem nationalen Bildungssystem decken müssen“, sagt Vereinschefin Adina Manea. Es ist ja am Gymnasium, im Alter von 15, 16, 17 oder so, dass die Jugendlichen ihr Sexualleben beginnen, also ist es wichtig, dass sie all diese Dinge wissen, bevor sie anfangen, Sex zu haben. Aber wir sprechen mit ihnen auch über Selbsterkenntnis und Kommunikation, wir sprechen über Werte, über Entscheidungen, über verantwortungsvolle Verhaltensmuster, darüber, wie wir kommunizieren… Dann sprechen wir das Thema Verhütung an und natürlich die HIV-Prävention und was mit den AIDS-bezogenen Themen passiert“, fügt Adina Manea hinzu.




    Der Rechtsrahmen ist seit 2014 in Kraft, aber relativ wenige Kinder besuchen die Kurse. 2019 haben sich gerade einmal 140.000, also 4,6 % aller Schüler dafür angemeldet. Und ebenfalls 2019 wurde dem Parlament eine Initiative zur Änderung des Gesetzes über den Schutz und die Förderung der Rechte des Kindes vorgelegt, das von 2004 stammt. Präsident Iohannis weigerte sich, die novellierte Fassung auszufertigen und schickte es ans Parlament zurück. Im Gro‎ßen und Ganzen zielen die Änderungen auf die Ersetzung des Begriffs Sexualerziehung“ durch den Begriff Gesundheitserziehung“ ab. Die Zustimmung des Erziehungsberechtigten soll zudem zwingend erforderlich sein, damit Schulen Programme zur Gesundheitserziehung durchführen können. Adina Manea von Youngsters for Youngsters kritisiert die Initiative:



    Die Einführung eines solchen Passus zur zwingenden Zustimmung der Eltern ist eine Überregulierung. Das Bildungsministerium hat für alles, was in der Schule passiert, spezifische Methoden, die alles regeln“, sagt Manea — es gibt Lehrpläne, die sowohl die Pflichtfächer, als auch die Wahlfächer regeln, somit auch den Gesundheitskurs. Die Schulen arbeiten auch mit Vereinen zusammen, die sie aber überprüfen und gut kennen und denen sie vertrauen. Niemand von au‎ßerhalb der Schule kann dort ohne das Einverständnis der Eltern unterrichten kann, egal worum es geht.



    Adina Manea und andere Vertreter der Zivilgesellschaft geben zu bedenken, dass im Kurs auch auch Themen wie Schwangerschaft und Infektionsprävention behandelt werden, was auch für die Eltern nützlich sein kann.



    Die Erwachsenen, also die Eltern der Kinder oder Schüler, haben selbst nicht genug Informationen, die sie an ihre Kinder weitergeben können. Das ist statistisch belegbar. Und ein Argument ist, dass die Aufklärung grundsätzlich in der Familie stattzufinden hat — was auch gut so ist! Das sollte durchaus in der Familie gemacht werden! Aber dort, wo die Familie das nicht kann, nicht in der Lage ist, das zu tun, oder einfach nicht da ist für das Kind, was sollen wir da machen?“, fragt Manea.




    Sexualerziehung“ durch Hygieneerziehung“ zu ersetzen, könnte durchaus sinnvoll sein, meint Iulian Cristache, der Vorsitzende des Elternvereinsverbandes:



    Es ist wahr, dass der Begriff Sexualerziehung bei den Eltern eine gewisse Zurückhaltung hervorruft, und auch wir vom Verband teilen die Überzeugung, dass es besser wäre, von Gesundheitserziehung zu sprechen, die in der Tat ein Modul zur Sexualerziehung enthalten sollte. Keine Frage, Sexualerziehung muss sein, aber sie sollte natürlich altersgerecht unterrichtet werden. Sexualerziehung in der Grundschule zu unterrichten, ist eine Sache, das für die Mittelstufe zu tun, ist etwas anderes, während es in der Oberstufe wiederum eine ganz andere Sache ist. Aber alles in allem brauchen wir auf jeden Fall Sexualerziehung, denn wir haben sehr viele Mädchen, die Kinder kriegen. Leider sind wir diesbezüglich absolute Spitze in Europa, und wir brauchen diese Art von Bildung wirklich.“




    Beim Verfahren für die Gesetzesänderung wurde die Elternvereinigung nicht herangezogen, erzählt Iulian Cristache, obwohl es sehr viele Eltern gebe, die Sexualerziehung als Tabuthema betrachten, was keineswegs normal sei. Verständlich also, dass die Menschen skeptisch seien. Das Problem könnte aber auch einfacher gelöst werden, meint Cristache. Das derzeitige Wahlfach Gesundheitserziehung sollte viel stärker gefördert werden.



    Wenn die Eltern darüber nicht informiert werden und der Schulleiter die Wahlfächer weiterhin nur als Mittel zur Lehrerauslastung sieht, können wir leider nichts dagegen tun. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass man dieses existierende Modul der Sexualerziehung unterrichtet. Wir haben den Lehrplan geprüft und gesehen, dass er sehr gut an die aktuellen Bedürfnisse angepasst ist. Ich glaube also nicht, dass es noch wesentliche Änderungen gibt, die vorgenommen werden müssen. Und was das neue Projekt angeht: Ja, im Lehrerkollegium sollten in der Tat Profis sitzen, die diese Dinge unterrichten können. Es gibt die Biologielehrer, aber es sollten auch ausgebildete Krankenschwestern dabei sein, es sollten auch Ärzte aus den Familienplanungsbüros dabei sein. Wir brauchen Fachleute, damit die Informationen richtig weitergegeben werden, ohne dass sie verfälscht werden“, fordert der Verband der Elternvereine.

  • Sexualkunde in rumänischen Schulen: Wahlfach zurückhaltend und kontrovers aufgenommen

    Sexualkunde in rumänischen Schulen: Wahlfach zurückhaltend und kontrovers aufgenommen

    Selbst wenn in anderen europäischen Schulsystemen Sexualkunde Pflichtfach ist, gibt es auch Länder wie Rumänien, wo das Thema in der Schule noch Tabu ist und heftige Debatten auslöst. Laut einem entsprechenden Gesetz über den Schutz und die Förderung der Rechte von Kindern, das 2014 im Amtsblatt erneut veröffentlicht wurde, seien die zuständigen Behörden sowie öffentliche oder private Institutionen verpflichtet, unter gesetzlichen Bedingungen alle Ma‎ßnahmen zu treffen, um in den rumänischen Bildungseinrichtungen die Sexualkunde als Prävention von Krankheiten und Teenager-Schwangerschaften zu fördern“.



    Ob die Sexualkunde zum Pflichtfach werden soll, ab wann soll sie den Schülern beigebracht werden, ob das Fach sexuelle Bildung oder Bildung für Gesundheit hei‎ßen soll, das löst zahlreiche Debatten in der rumänischen Gesellschaft aus. Es gibt auch Verbände, die gegen die Einführung dieses Faches in den Lehrplan plädieren, dies während sich das Land mit dem Problem der Teenager-Mütter konfrontiert. Ab 2004 gibt es in den öffentlichen Bildungseinrichtungen das Wahlfach Bildung für Gesundheit“, das ab der ersten bis zur zwölften Klasse unterrichtet werden kann.



    Das Projekt entstand 1999, aus Initiative einiger Nichtregierungsorganisationen in Partnerschaft mit dem Gesundheitsministerium und dem Bildungsministerium. Diese haben das Nationale Programm Bildung für Gesundheit in rumänischen Schulen“ in die Wege geleitet. Das Projekt hat anschlie‎ßend die Form eines Wahlfachs in den rumänischen Schulen genommen. Adina Manea ist Direktorin für Programme in der Stiftung Jugendliche für Jugendliche“ und eine der Initiatorinnen des Projektes:



    Sexualkunde wird in den rumänischen Schulen als Wahlfach unter der Bezeichnung »Bildung für die Gesundheit der Fortpflanzung und für Familienwerte« unterrichtet. Sie steht in enger Verbindung mit der mentalen Gesundheit, mit emotionaler Intelligenz, sie ist ein Ausdruck der Emotionen und deren Identifizierung. Hygiene, Anatomie und Physiologie, sogar die Prävention von Unfällen und Krankheiten haben etwas mit Sexualkunde zu tun. All diese Themen sind Teil der sogenannten Bildung für Gesundheit, wie sie von Anfang an geplant wurde, und diese Bereiche sind sehr harmonisch miteinander verschmolzen, in dieser Form stellen sie eine richtige Herangehensweise an einen gesunden und vernünftigen Lebensstil unserer Kinder dar.“




    Vierzehn Jahre nach Einführung der Sexualkunde als Wahlfach in den rumänischen Schulen sei die Zahl der Kinder, die den Unterricht auch besuchen, immer noch gering, sagt unsere Gesprächspartnerin von der Stiftung Jugendliche für Jugendliche“:



    Laut Statistik wird dieses Wahlfach von 5-6-7% der Schüler in den öffentlichen Bildungseinrichtungen besucht. Landesweit gilt das Fach als das langjährigste und zwischen 2001 und 2004 wurde es in den Schulplan in 15 Landkreisen eingeführt. Im voruniversitären Bildungssystem gibt es rund 3 Millionen Schüler, 150.000 Schüler besuchen den Kurs jährlich — für ein Wahlfach das ist nicht schlecht.“




    Der Vorsitzende des Nationalen Verbands der Eltern, Iulian Cristache, ist jedoch der Meinung, dass die Zahl der Schüler, denen in den rumänischen Schulen sexuelle Bildung beigebracht wird, sehr niedrig sei.



    Das ist nicht so, weil sich die Eltern weigern würden, dass ihre Kinder das Fach Sexualkunde besuchen, sondern einfach weil es ihnen nicht zur Kenntnis gebracht wird. Zudem sind die Wahlfächer so gedacht, dass sie den Lehrplan nur ergänzen, was nicht richtig ist, die Wahlfächer an sich sollten einfach im Lehrplan stehen. Unsere Kinder brauchen Bildung für Gesundheit, weil es so viele Teenager-Mütter in Rumänien gibt. Es gibt aber starke Widersprüche zwischen den Wünschen der Eltern. Wir wissen auch nicht klar, was wir wollen, deswegen brauchen wir die Unterstützung der Experten vom Institut für Bildungswissenschaften und des Instituts für öffentliche Gesundheit.“




    Wer unterrichtet aber Sexualkunde oder eben Bildung für Gesundheit“? Das ist ein weiteres heikles Thema, worüber in der rumänischen Gesellschaft heftig debattiert wird. Alle Lehrkräfte sind geeignet, sofern sie sich bereit zeigen, mit den Kindern darüber zu diskutieren, was in ihren Leben passiert, und den Kindern bewusst machen können, dass sie ein gesundes Leben führen sollen“, sagt Adina Manea:



    Diese Lehrer müssten aber extra dafür weitergebildet werden, denn es handelt nicht nur um die Vermittlung neuer Kenntnisse, sondern auch um die Berichtigung bereits erworbener Kenntnisse, die sich als falsch erweisen. Das gilt insbesondere für Pubertierende und Teenager, die sich im Internet sehr leicht Informationen beschaffen. Es handelt sich eigentlich um die Übermittlung von Einstellungen und Fähigkeiten.“

  • Hörerpostsendung 27.11.2016

    Hörerpostsendung 27.11.2016

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI. Heute möchte ich einen einzigen ausführlichen Hörerbrief zitieren, der Anlass zu mehreren Ausführungen zu diversen Themen gibt.



    Fritz Andorf ist in Meckenheim (NRW) zu Hause und meldete sich unlängst per E-Mail mit Eindrücken von unserem Programm:



    Liebe Mitglieder der deutschsprachigen RRI-Redaktion,



    nach dem Ende der Sommerzeit und dem damit verbundenen Frequenzwechsel am letzten Oktobersonntag habe ich natürlich den Empfang auf allen Frequenzen untersucht. Und ich kann Ihren Technikern wieder ein gro‎ßes Kompliment machen, denn sie haben erneut eine sehr gute Wahl getroffen. Der Empfang ist auf allen Frequenzen gut und störungsfrei. Damit sollte die Kurzwelle noch eine Weile erhalten bleiben.



    Einige Bemerkungen zum heutigen Programm: In den Nachrichten war die Präsidentenwahl in Moldawien eine Schlagzeile. Nun, inzwischen steht das Ergebnis fest, und ich habe mich doch sehr gewundert, dass man ausgerechnet den Russland-freundlichen Kandidaten, und nicht den EU-Befürworter gewählt hat. Da frage ich mich, ob auch in Rumänien eine EU-kritische Stimmung herrscht und man sich lieber nach Russland orientieren will.



    Aufgefallen ist mir auch die meines Erachtens recht hohe Zahl von 466 Parlamentsabgeordneten in Rumänien.



    Etwas traurig macht mich die europaweit höchste Zahl von Schwangerschaften im jugendlichen Alter. Da kann doch etwas nicht mit der Sexualerziehung oder dem Zugang zu Verhütungsmitteln stimmen.



    Anfang des Monats haben meine Frau und ich einen 8-tägigen Urlaub in Malta verbracht. Obwohl nur 2.000 km südlich gelegen, war es dort noch bedeutend wärmer, man konnte sogar noch im Meer baden, und der Regenschirm blieb im Koffer. Nach Malta fährt man allerdings nicht, um dort einen Badeurlaub zu machen, denn die Küste ist stark zerklüftet und hat nur wenige Badebuchten. Dafür ist sie malerisch reizvoll. Malta hat eine gro‎ße Geschichte mit Überresten aus vielen Epochen. Es ist sozusagen Stein-reich“, also stark bebaut und mit nur wenigen Bäumen. Die alte Hauptstadt Mdina mitten auf der Insel ähnelt mit ihren engen Gassen zwischen den hohen Häusern ganz einer arabischen Stadt. Die jetzige Hauptstadt Valletta ist im kommenden Jahr Kulturhauptstadt Europas“. Die maltesische Sprache ist eine Mischung aus Arabisch und Italienisch. Erstaunlich voll war der Sonntagsgottesdienst in diesem überwiegend katholischen Land. Wir haben zwar kein Wort der maltesischen Sprache verstanden, aber es war trotzdem eindrucksvoll, vor allem der Gesang der beiden jungen Vorsängerinnen mit ihrer Gitarre. Aber da Englisch zweite Amtssprache ist, hatten wir ansonsten keine Verständigungsschwierigkeiten. Keine Probleme gibt es auch mit dem Geld, weil Malta seit 2008 Euro-Land ist. Es war jedenfalls eine lohnenswerte Reise in dieses kleine Land mit seinen nur 400.000 Einwohnern, verteilt auf zwei gro‎ße Inseln.




    Lieber Herr Andorf, vielen Dank für Ihr ausführliches Feedback. Sie haben recht viele Sachen angesprochen, auf die ich Punkt für Punkt eingehen will. Zunächst einmal zu den Wahlen in der Moldaurepublik: Es stimmt, dass der prorussische Kandidat die Wahl gewonnen hat, aber der Sieg war nur knapp erzielt. Mit 52% gegen 48% der Wahlstimmen setzte er sich im zweiten Wahlgang durch, während seine proeuropäische Kontrahentin vom ersten zum zweiten Urnengang sogar um 10 Prozent zulegte. Das ist umso mehr erstaunlich, da Maia Sandu keine gro‎ßen Parteistrukturen wie der Sozialist Igor Dodon hinter sich hatte und daher eher auf freiwillige Wahlhelfer und soziale Netzwerke setzte. Dementsprechend wählten eher junge Stadtbewohner Sandu, während ältere Landbewohner überwiegend für Dodon stimmten. Auch gab es eine massive Wahlbehinderung im Ausland. Ähnlich wie bei den Wahlen 2014 in Rumänien wurden Auslandsmoldauer durch diverse Methoden daran gehindert, ihre Stimme abzugeben — beispielsweise durch unzureichend vorhandene Wahlzettel in den Wahllokalen. Die Moldaurepublik bleibt also ein zutiefst gespaltenes Land und hoffentlich kommt es zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen. Es bleibt auch abzuwarten, was der neue Präsident tatsächlich tun wird, denn trotz seiner Ankündigung, sein Land näher an Russland zu führen und die Annäherung an Europa wieder rückgängig zu machen, dürfte Igor Dodon es dennoch nicht leicht haben, seine Wahlversprechen zu erfüllen. Experten sind da der Meinung, dass man z.B. das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht einfach mit einem Fingerschnippen au‎ßer Kraft setzen kann.



    Was Rumänien anbelangt, sehe ich kurz- und mittelfristig kein Umschwenken in der geopolitischen Orientierung und erst recht nicht eine Annäherung an Russland. Die Rumänen sind immer noch erstaunlich europafreundlich gesinnt — ein Eurobarometer von Ende 2015 ergab, dass 72% der Rumänen der Auffassung waren, dass die Mitgliedschaft in der EU dem Land Vorteile gebracht habe. Und 64% meinten, dass die EU-Mitgliedschaft generell eine gute Sache sei.Mehr noch: Eine weitere rumänische Meinungsumfrage vom Juli 2015 zum Thema Brexit beinhaltete u.a. die Frage Wie würden Sie abstimmen, wenn man auch in Rumänien ein Referendum über den Austritt aus der EU abhalten würde?“. 77% der Befragten äu‎ßerten sich für den Verbleib in der EU.



    Eine Umorientierung hin zu Russland ist daher in Rumänien mittelfristig unwahrscheinlich, zumal Russland alles andere als ein positives Image hat. Eine von einer rumänischen Zeitung zitierte Umfrage von Ende 2015 fand Interessantes über Feindbilder heraus. So glauben über ein Drittel (35%) der Rumänen, dass Russland der grö‎ßte Feind Rumäniens sei. Unter den befreundeten Ländern rangieren hingegen die USA mit 24% und Deutschland mit 20% auf den ersten beiden Plätzen. 51% glauben, dass Russland eine Gefahr für die Sicherheit Rumäniens darstelle, aber zugleich sind 49% der Auffassung, dass Rumänien im Falle eines Konflikts zwischen Russland und einem anderen Land sich neutral verhalten solle. Diese Abneigung gegenüber Russland ist historisch aus der Angst vor einem übermächtigen und unberechenbaren Nachbarn erwachsen. Und die Töne aus Moskau tragen nicht unbedingt zum Abbau dieser Ressentiments ab. Gerade vor einigen Tagen gingen ein paar Bilder durch die Medien (im verlinkten Youtube-Video ca. ab Min. 1:00), die Präsident Putin bei einer Schulfeier oder so ähnlich zeigten. Dabei wurden einem vermutlich sorgfältig ausgelesenen Musterschüler seine Geographie-Kenntnisse abgefragt. Auf die Frage, wo die Grenzen Russlands endeten, die er mit in der Beringstra‎ße“ richtig beantwortete, intervenierte Putin mit einem kühlen Lächeln und konterte: Die Grenzen Russlands enden nie.“ Das findet man im Baltikum, Rumänien oder Polen verständlicherweise gar nicht witzig, zumal man sich an einen Witz aus der kommunistischen Zeit erinnern mag. Da wird ebenfalls im Geographie-Unterricht gefragt, an welche Länder z.B. die Sozialistische Republik Rumänien grenze, eine Frage, die brav beantwortet wird. Auf die Folgefrage, an wen denn die Sowjetunion grenze, lautet die richtige Antwort: An wen sie will.“



    Nach diesem Witz gehe ich zum nächsten Thema über: Schwangerschaften bei Minderjährigen in Rumänien. Da sind nicht Verhütungsmittel Mangelware in Rumänien, Sexualerziehung aber sehr wohl, denn im Unterricht wird Sexualkunde so gut wie gar nicht angeboten. Und wenn, dann laufen christliche Fundamentalisten und einige konservative Elternverbände dagegen Sturm. Die Diskussion gibt es auch in Deutschland, Frühsexualisierung“ lautet dort der Vorwurf, und bedient wird dieser Begriff meistens von der AfD und ihren Anhängern. Ich habe dazu einen sehr guten Artikel in der Zeit Online“ gelesen, aus dem ich ein paar aufschlussreiche Sätze zitieren möchte. Unter dem Titel Kampfbegriff Frühsexualisierung“ schreibt Uwe Sielert folgendes:



    Mit dem Begriff der Frühsexualisierung wird suggeriert, Sexualpädagogik wolle Kinder und Jugendliche mit Themen konfrontieren, die nichts mit ihrem Leben zu tun hätten, als pflanze man die schuldige Sexualität der Erwachsenen in unschuldige Kinder. Sie würden als sexuelle Wesen betrachtet, obwohl das ihren Bedürfnissen und Lebensäu‎ßerungen widerspräche. Das Wort Frühsexualisierung impliziert, dass Kinder keine sexuellen Wesen seien, dass sie keine körperliche Neugierde, Lusterfahrungen, zärtlichen Gefühle oder Bindungs- und Beziehungswünsche hätten. Das widerspricht jedoch jeder wissenschaftlichen Evidenz und persönlichen Alltagserfahrung. […]



    Die Angst, Kinder würden überfordert, muss sich also eher auf die Konsumindustrie und jene Eltern richten, die ihre Kinder mit aufreizenden Kleidungsstücken ausstatten, oder auf jene Familien, in denen die Kinder in sexuell getönte Auseinandersetzungen und erotische Konsumgewohnheiten hineingezogen werden. Dann passiert so etwas wie sexuelle Überforderung, die mit dem Begriff der Frühsexualisierung jedoch nicht adäquat beschrieben ist. Der Begriff ist also lediglich ein emotionalisierter Kampfbegriff ohne jeden inhaltlichen Sinn, der die Sexualerziehung diskreditieren soll. Dabei kann nur sexuelle Bildung Kinder und Jugendliche gegen die tatsächlichen gesellschaftlichen Gefährdungen — einschlie‎ßlich des sexuellen Missbrauchs — stärken.“



    Ich empfehle den Artikel wärmstens, er ist sehr gut argumentiert und bleibt sachlich.








    Zu Ihrem Malta-Ausflug, lieber Herr Andorf, kann ich nur sagen: Ich war selber auf Malta vor einigen Jahren (ebenfalls nur auf der Hauptinsel), genauer gesagt war das im April 2008, kurz nach der Einführung des Euro, und mir hat es auf Malta genauso gut gefallen. ​

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    Ausblick über Hauptstadt Valletta von den Oberen Barrakka-Gärten aus (Foto: Sorin Georgescu)



    Und ich bin auch mal kurz in eine Sonntagsmesse reingegangen und war erstaunt, wie andächtig die Kirchengänger dem zelebrierenden Priester lauschten. Und selbst in der Messe kommt das interessante Gemisch von Arabisch und Italienisch zum Durchschein: Jesus wird Ġesù (wie im italienischen Gesù) und Gott schlicht Alla (wie im Arabischen) genannt, nur ein bisschen anders werden beide Wörter geschrieben. Die Sprache bleibt allerdings ein semitisches Idiom arabischen Ursprungs, auch wenn es vor italienischen, französischen und englischen Lehnwörtern nur so wimmelt und die Sprache mit lateinischen Buchstaben mit einigen Sonderzeichen geschrieben wird.







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    Die alte Hauptstadt Mdina habe ich ebenfalls besucht, die engen Gassen zwischen den Mauern habe ich eifrig fotografiert, und ein Abstecher ins malerische Fischerdorf Marsaxlokk bot die Gelegenheit, die besten Meeresfrüchte zu kosten, die ich je gegessen habe. (Mdina“ bedeutet im Arabischen übrigens Stadt zwischen Mauern“.)
    Hafen von Marsaxlokk (Foto: Sorin Georgescu)




    So, damit habe ich die Sendezeit verbraucht, ich hoffe, Sie fanden meine Ausführungen interessant, zum Schluss nur noch die Postliste:



    Briefe lasse ich mir nächste Woche wieder zukommen. E-Mails erhielten wir bis vergangenen Samstagnachmittag von Klaus Nindel, Willi Seiser, Heinrich Eusterbrock, Herbert Jörger und Calvin Knott (alle aus Deutschland) sowie von Dmitrij Kutusow (aus Russland). Das Internetformular nutzten Christian Hieke und Peter Emde (aus Deutschland) sowie Paul Gager (aus Österreich).




    Audiobeitrag hören:




  • Familienplanung Fehlanzeige: Schwangerschaft und Abtreibung unter Minderjährigen besorgniserregend

    Familienplanung Fehlanzeige: Schwangerschaft und Abtreibung unter Minderjährigen besorgniserregend

    Fast jedes zehnte Kind wird in Rumänien von einer jugendlichen Mutter im Alter von 15 bis 19 Jahren auf die Welt gebracht. Damit nimmt Rumänien einen der ersten Plätze in der EU in puncto Teenage-Schwangerschaften ein. Unter diesen Umständen muss man sich fragen: Gibt es überhaupt so etwas wie Familienplanung hierzulande?



    Eine Schwangerschaft sollte in der Theorie einen Kinderwunsch erfüllen und zu dem Zeitpunkt erfolgen, wenn die Eltern erwachsen genug sind, um ein Kind gro‎ßziehen zu können. In der Praxis sieht die Lage anders aus: Laut einer UNICEF-Statistik von 2012 gab es in Rumänien die meisten minderjährigen Mütter europaweit. Und eine Studie, die das Nationale Statistikinstitut zwischen Januar 2012 und März 2013 durchgeführt hat, zeigte, dass von etwa 12.000 schwangeren jungen Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren etwa 7.500 sich für eine Abtreibung entschlossen haben. In den letzten Jahren stieg die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Rumänien kontinuierlich, warnen die Frauenärzte. Die Frauenärztin Monica Cârstoiu von der Universitätsklinik Bukarest bringt weitere Details:



    Wie die jüngste UNICEF-Studie zeigte, belegt Rumänien den ersten Platz bei minderjährigen Müttern — durchschnittlich 8.500 pro Jahr. In Rumänien wählen die Frauen am häufigsten die Abtreibung als Verhütungsmethode gegen eine unerwünschte Schwangerschaft, und wir haben uns vorgenommen, diese Situation zu ändern. Es gibt doch viele andere Verhütungsmethoden zum Vermeiden einer unerwünschten Schwangerschaft. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation hat Rumänien die höchste Abtreibungsrate in Europa: 480 Abtreibungen bei 1000 lebend geborenen Kindern.“




    Diese besorgniserregenden Statistiken werden dadurch bestätigt, dass rumänische Frauen nicht regelmä‎ßig zum Frauenarzt gehen. Die Hauptursache dafür ist der Mangel an sexueller Erziehung über die Bedeutung der regelmä‎ßigen Untersuchungen, meinen die Frauenärztin Monica Cârstoiu und ihre Berufskollegen. Dabei fehlt es an mehr als nur an Erziehung über die gesunde Fortpflanzung; in Rumänien gibt es nur wenig Informationen darüber, wie eine moderne Frau über ihren eigenen Körper entscheiden kann. Daniela Drăghici setzt sich für sexuelle Erziehung und Information im Rahmen der Gesellschaft für Feministische Analysen ANA ein:



    Ein gro‎ßes Problem besteht aus der Methode und Möglichkeit, junge Frauen (und nicht nur) darüber zu informieren, dass sie das Recht haben, in voller Kenntnis der gesunden Fortpflanzung über ihren eigenen Körper zu bestimmen. 2003 hatte der rumänische Staat gewisse Fortschritte in diesem Bereich erzielt — es gab ein Zusammenarbeitsprotokoll zwischen dem Gesundheitsministerium, dem Bildungs- und Jugendministerium und der rumänischen Regierung. Besagtes Protokoll sah vor, dass Grundschüler bereits in der zweiten Klasse Sexualerziehung auf dem Stundenplan haben. Diese Initiativen wurden aber nicht verwirklicht — unter anderen haben die amerikanischen Stiftungen, die Fonds dafür angeboten hatten, nach dem EU-Beitritt Rumäniens ihre Finanzierungen zurückgezogen.“




    Im Rahmen dieses leider nicht mehr existierenden Programms wurde sogar ein Lehrbuch für Sexualkunde erarbeitet und von allen beteiligten Ministerien angenommen. Das Lehrbuch war das Resultat einer Zusammenarbeit mit fachkundigen NGOs. Alles war so bedacht worden, damit bei den Stunden für Gesundheit in der Familie“ (das war die offizielle Bezeichnung des neuen Schulfachs) die Empfindlichkeit und das Unbehagen der Beteiligten berücksichtigt werden sollten. Daniela Drăghici dazu:



    Wenn dieses Projekt sehr langsam, mit kleinen Schritten gelaufen wäre, wäre alles stufenweise geschehen, so dass weder die Eltern noch die Kinder sich dadurch gestört oder beängstigt gefühlt hätten. Ferner hätten sich auch die Ärzte für Familienplanung daran beteiligt. Mit externer Finanzierung wurden Ärzte für Allgemeinmedizin im Fach Familienplanung weitergebildet — diese Ärzte sind jetzt Experten für Familienplanung, aber sie können leider ihre Fachkenntnisse nicht voll einsetzen.“




    Eine solche Ärztin ist Iuliana Balteş, stellvertretende Direktorin einer Klinik, wo auch eine Praxis für Familienplanung funktioniert. Es ist eine der weniger noch funktionierenden Stellen für Familienplanung, die von der Verwaltung des 1. Bukarester Bezirks finanziert wurden. Iuliana Balteş spricht über die Folgen der mangelnden Informationen über die gesunde Fortpflanzung:



    Vor einigen Jahren hatten wir ein gesamtes Nationalprogramm zur Familienplanung erarbeitet — alles lief sehr gut, die Abtreibungsrate war gesunken. Das Programm wurde aber gestoppt, und inzwischen gibt es leider immer mehr Abtreibungen und unerwünschte Schwangerschaften bei Teenagers. Finanziell betrachtet wäre es viel günstiger, ein gut strukturiertes nationales Programm zur Familienplanung durchzuführen, als die Folgen der unerwünschten Schwangerschaften oder der Abtreibungen zu behandeln.“




    In den Anfangsjahren der Familienplanung gab es in ganz Rumänien etwa 240 Fachpraxen für Familienplanung. Mit der Zeit wurden die meisten dieser Fachpraxen geschlossen — in Bukarest gibt es nur noch 4 oder 5, und nur wenige Frauen nehmen sie in Anspruch. Warum? Iuliana Balteş antwortet:



    Erstens weil die Frauen keine korrekte Informationen bekommen. In der Regel informieren sie sich gegenseitig, und schlie‎ßlich kommen sie auch in die Fachpraxis. Zweitens: Durch das erwähnte Nationalprogramm für Familienplanung hatten wir vor einigen Jahren kostenlose Verhütungsmittel für Schüler und Studenten, die nicht genug Geld hatten, um Verhütungsmittel zu kaufen und zu Risikogruppen wurden. Leider ist unser Programm in Vergessenheit geraten, die Regierung hat nichts mehr dafür getan, und wir können keine kostenlosen Verhütungsmittel mehr verteilen. Folglich sind auch immer weniger Frauen in die Praxen für Familienplanung gekommen. Zwei Drittel der Frauen waren vom Lande, aus ärmlichen Verhältnissen, sie kamen regelmä‎ßig und waren sehr zufrieden, dass sie Verhütungsmittel gratis erhielten. Jetzt, da wir keine kostenlosen Verhütungsmittel mehr haben, kommen die Frauen nicht mehr zu uns.“




    Fazit: Die Fachärzte für Familienplanung empfehlen, dass die Behörden, die Ministerien und die Nichtregierungsorganisationen ihre Zusammenarbeit wiederaufnehmen und die Informationsprogramme über gesunde Fortpflanzung und Familienplanung wieder ins Leben rufen.

  • Hörerpostsendung 5.6.2016

    Hörerpostsendung 5.6.2016

    Herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI. Letzte Woche hat mich eine schlimme Erkältung dahingerafft, und auch jetzt bin ich nicht ganz schnupfenfrei, was an meiner Stimme vermutlich noch zu hören ist. Bei den Wetter-Kapriolen mit heftigen Temperaturschwankungen ist es auch kein Wunder, dass man sich leichter erkältet. Und in den vergangenen Tagen gab es im Nordosten Rumäniens Überschwemmungen mit Toten und Sachschaden. Wie ich den deutschen Medien entnehmen konnte, wurde auch Deutschland von extremen Regenfällen und Hochwasser heimgesucht. Ich hoffe, dass niemand von unseren Hörern oder ihren Angehörigen davon betroffen ist.



    Von Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus) erhielten wir Mitte Mai einen ausführlichen Empfangsbericht und einen Brief, in dem er sich über das Erstarken der europafeindlichen politischen Kräfte besorgt zeigte:



    Mittlerweile nehmen ja die europakritischen Stimmen immer mehr zu. Parteien gründen sich mit dem Ziel, die EU abzuschaffen. Bei genauerer Analyse der Parteiprogramme soll Europa nur dazu dienen, die wirtschaftlichen Interessen der Konzerne zu befriedigen. Verpflichtungen in einer Gemeinschaft werden nicht akzeptiert — Rechte aber gern angenommen. Was gern vergessen wird: Wir leben auf einem Kontinent, in dem es über 70 Jahre keinen Krieg gegeben hat. Auch das ist eine Leistung von Europa und der EU. Und so machen mir die Kräfte eher Angst, die scheinbar einfache Lösungen postulieren, aber keine Diskussion darüber zulassen. Die Welt ist scheinbar komplexer geworden — und es gibt keine einfachen Lösungen. Mit einfachen Lösungsversprechen ist Deutschland zweimal in der Geschichte katastrophal gescheitert. Gibt es in Rumänien eigentlich Parteien und Kräfte, die gänzlich aus der EU aussteigen wollen?




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Winkler. Ich bin da ganz Ihrer Meinung, was all diese illiberalen Tendenzen und Gruppierungen oder Parteien anbelangt — Lösungen haben sie nicht parat, stattdessen schüren sie nur die begründeten oder weniger nachvollziehbaren Ängste der Menschen, um sich zu profilieren. Und Europa läuft tatsächlich Gefahr, an dieser Welle von Rechtspopulismus und Illiberalität zu zerbrechen, wenn wir nur an den möglichen Brexit denken. In Rumänien gibt es derzeit keine Partei, die sich den EU-Austritt ausdrücklich auf die Fahne geschrieben hätte. Das hei‎ßt aber nicht, dass es keine antidemokratischen Kräfte in der rumänischen Gesellschaft gibt, nur sind diese vorerst eher diffus und überwiegend im Internet tätig. Es sind Gruppierungen, die sich Neue Rechte, Nationalisten, orthodoxe Jugend und dergleichen mehr benennen und im Internet Sturm laufen gegen den vermeintlich unmoralischen Westen, der die traditionellen Werte und Sitten der Rumänen vernichten und das Land in die Verderbnis treiben wolle. Noch sind diese Gruppierungen wie gesagt eine Randerscheinung, die beispielsweise bei Schwulenparaden mit Gegenaufmärschen und Handgreiflichkeiten Schlagzeilen machen, obwohl man auch sagen muss, dass die Polizei es in den letzten Jahren geschafft hat, offene Konfrontationen auf der Stra‎ße zu verhindern. Aber eine illiberale Grundhaltung ist auch hierzulande verbreitet und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis eine rechtspopulistische Bewegung oder Gruppierung zum Sammelbecken für antidemokratische Tendenzen wird.



    Davon zeugt eine unlängst veranstaltete Unterschriften-Aktion: Ein sich als Koalition für die Familie“ bezeichnendes Bündnis von mehreren Vereinen hat drei Millionen Unterschriften für die Änderung eines Paragraphen des Grundgesetzes gesammelt, in dem die Ehe und die Familiengründung definiert ist. Dabei stie‎ßen sich die Unterschriftensammler an der Ausformulierung des Begriffs Ehe, weil in der Verfassung nicht ausdrücklich steht, dass eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen könne. Kurzum — damit werde ein Hintertürchen für schwule Ehen offen gelassen; um dem entgegenzutreten, solle die Verfassung entsprechend abgeändert werden, fordern die Unterschriftensammler, als normale Familien“ seien nämlich nur jene zu postulieren, die aus Mann und Frau bestehen. Mal abgesehen davon, dass die Verfassung nicht so ohne weiteres oder infolge von Unterschriftenaktionen verändert werden kann, ist es grober Unfug, was diese da Leute behaupten. Schwule Ehen sind in Rumänien nämlich ohnehin nicht zulässig und das ist im Zivilgesetzbuch fest verankert. Also war die Unterschriftensammlung an sich umsonst, doch wurde sie medienwirksam inszeniert — mit LKWs brachten die Organisatoren die Listen mit den drei Millionen Unterschriften zum rumänischen Parlament. Stellen Sie sich vor: Drei Millionen Menschen in Rumänien, das sind mehr als 15% der Bevölkerung, halten also alleinerziehende Elternteile, Patchwork-Familien, schwule Partnerschaften oder sonst wie aus dem Rahmen des Herkömmlichen fallende Lebensbeziehungen für abnormal und wollen das auch in der Verfassung so formuliert sehen. Dass rumänische Familien nicht an der Homo-Ehe zerbrechen, die ohnehin nicht möglich ist in Rumänien, sondern an Armut, Arbeitsmigration der Eltern, Alkoholismus und Gewalt, wollen 15% meiner Landsleute aber nicht wahrhaben.



    Und ebenfalls vor kurzem gab es einen weiteren hirnrissigen Vorsto‎ß: Da hatte ein Parlamentsabgeordneter eine Gesetzesinitiative, mit der Sexualkunde in den Schulen verboten und bei Zuwiderhandlung mit Gefängnis bestraft werden soll. Als Begründung vertrat er die von manchen Eltern geteilte Auffassung, dass unter dem Vorwand der Sexualkunde die Kinder der Pornographie und einer LGBT-freundlichen Ideologie ausgesetzt würden. Man darf sicherlich darüber streiten, ab welchem Alter Kinder Sexualkunde unterrichtet bekommen sollen. Und über die Inhalte muss man natürlich auch diskutieren dürfen. Dass Sexualkunde aber auf jeden Fall notwendig ist, zeigen Statistiken — Rumänien belegt seit Jahren den ersten Platz in der EU in puncto Zahl der Abtreibungen, der minderjährigen Mütter und der ausgesetzten Kinder.




    Ralf Urbanczyk ist in Eisleben in Sachsen-Anhalt zu Hause und hört immer wieder unsere Medienrubrik Vernetzte Welt“ gerne. Folgende schrieb er uns unlängst per E-Mail:



    Endlich sind in der Innenstadt von Bukarest die vielen Kabel und Leitungen in der Erde, wie ich dem heutigen Bericht in der Rubrik “Vernetzte Welt” entnehmen konnte. Es war aber auch schlimm. Als ich im Jahr 2010 kurz die Gelegenheit hatte, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu besuchen, blieben mir neben der sehenswerten Vorkriegsarchitektur auch die vielen dicken und dünnen schwarzen Elektroleitungen in Erinnerung, welche den Blick auf die Gebäude in den alten Stadtteilen erheblich störten. Neben den Einwohnern wird es auch die Besucher der Stadt freuen, welchen jetzt ein Spaziergang durch die Stadt noch mehr Freude bereiten dürfte.




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Urbanczyk. Bukarest hatte tatsächlich lange Zeit einen 1990er-Jahre-Look mit dem Kabelsalat und den von riesigen Werbeplakaten bedeckten Fassaden. Letzteres ist z.T. immer noch anzutreffen und es bleibt zu hoffen, dass die Menschen und die Stadtverwaltung irgendwann begreifen, dass Gebäude dadurch einfach nur hässlich gemacht werden.




    Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) meldete sich ebenfalls per E-Mail mit Eindrücken zum Programm:



    Im heutigen Funkbriefkasten fand ich die Erinnerungen des deutschen Unterhändlers an den Freikauf von Rumäniendeutschen unter Securitate-Regie besonders interessant. Bei diesem Geschacher ohne Quittungen haben sich bestimmt die Nackenhaare der deutschen Verantwortlichen, besonders des Bundesrechnungshofes, gesträubt. Und die Securitate konnte wertvolle Devisen einnehmen, die sicher in irgendwelchen Taschen klammheimlich versickert sind. Interessant wäre es, einmal von dem Freikauf Betroffene zu interviewen.



    Bei der Musikecke fällt mir auf, dass sie sich immer auf Jazzmusik beschränkt. Gern würde ich auch einmal Ausschnitte anderer Musikgenres hören wie Volksmusik, Klassik, Chormusik der Orthodoxen oder die derzeitigen Schlagerfavoriten.



    In der Sonntagsstra‎ße wurde unter anderem die Zunahme von Online-Käufen im Buchhandel thematisiert, wobei offenbar nur bestimmte Bukarester Buchhändler betroffen sind. Gibt es in Rumänien nicht auch einen Allround-Versender wie Amazon, bei dem man mittlerweile nicht nur Bücher, sondern Waren aller Art online ordern kann?




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Andorf. Ich fang mal von hinten an. Einen Allround-Versender wie Amazon gibt es nach meinem Wissen hierzulande nicht, daher bieten nur bestimmte Buchhandlungen Online-Käufe an. Ihren Musikwunsch richte ich der Musikredaktion aus. Und den zweiten Teil der Erinnerungen von Heinz-Günther Hüsch werden Sie gleich hören. Zuvor möchte ich aber erneut auf den einfühlsamen Dokumentarfilm Ein Pass für Deutschland — Trading Germans“ des deutsch-rumänischen Regisseurs Răzvan Georgescu verweisen, der das Thema Freikauf der Rumäniendeutschen im Gespräch mit Betroffenen erläutert. Der Film hatte 2014 seine rumänische Premiere. Seit vergangenem Jahr war er vereinzelt auch in Deutschland zu sehen, dieses Jahr zuletzt Ende März beim Lichter-Filmfest in Frankfurt und Anfang April in Wiesbaden. Sollte ich von weiteren Vorführungen im deutschsprachigen Raum erfahren, werde ich entsprechende Hinweise geben. Der Film kann auch als DVD mit deutschen, englischen und rumänischen Untertiteln in einer rumänischen Buchhandlung online bestellt werden.



    Bevor es zur angekündigten Aufzeichnung geht, verlese ich noch die Posteingangsliste. Postbriefe lie‎ß ich mir erst vergangenen Freitag aushändigen und lese sie bis nächstes Mal. E-Mails erhielten wir in den letzten zwei Wochen bis einschlie‎ßlich Freitagnachmittag von Dmitrij Kutusow (Russland), Ernst Witibschlager (Österreich) sowie von Reinhold Meyer, Erik Öffinger, Petra Kugler, Bernd und Andrea Seiser, Fritz Andorf, Herbert Jörger, Michael Lindner, Marco Hommel, Dieter Feltes, Hans Kaas und Heinz-Günther Hessenbruch (alle aus Deutschland). Das Internetformular nutze Paul Gager, unser Stammhörer aus Österreich.



    Im Mai 2014 fand in Bukarest eine Konferenz zum Thema Freikauf der Rumäniendeutschen durch die deutsche Bundesregierung statt. Zugegen war auch Dr. Heinz Günter Hüsch, der Chefunterhändler Deutschlands in der Geheimsache Kanal“, wie die Akte in den Securitate-Unterlagen genannt wurde. Im ersten Teil der Ausführungen, den wir vor zwei Wochen sendeten, erinnerte sich Hüsch an die Umstände, die 1968 zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien führten, und an die ersten mündlichen Vereinbarungen zum Freikauf der Rumäniendeutschen durch die Bundesrepublik. Im zweiten Teil seiner Ausführungen beschreibt Heinz-Günther Hüsch die ab 1969 schriftlich festgelegten Vereinbarungen und den weiteren Verlauf des wohl umfangreichsten Menschenhandels zu Zeiten des Kalten Kriegs. Bleiben Sie also dran, Sorin Georgescu sagt an dieser Stelle danke fürs Zuhören und bis nächsten Sonntag!




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