Tag: Silberner Bär

  • „Ana, mon amour“ seit dieser Woche in rumänischen Kinos zu sehen

    „Ana, mon amour“ seit dieser Woche in rumänischen Kinos zu sehen

    Ana, mon amour“ hat auf der 67. Berlinale den Silbernen Bären für Schnitt erhalten. Der rumänische Spielfilm erkundet die heilende und zugleich zerstörerische Dynamik einer Liebesbeziehung. Drehbuchautoren sind — neben dem Regisseur Călin Peter Netzer — Iulia Lumânare und Cezar Paul-Bădescu, der Spielfilm basiert auf dem Roman des letzteren, Luminiţa, mon amour“.



    Als er den Roman für den Film adaptiert und die Darsteller gesucht habe, habe sich der Regisseur allerdings vor die grö‎ßte Herausforderung gestellt gefühlt, sagt Netzer. Wir haben den Drehbuchautor Cezar Paul-Bădescu gefragt, worin die grö‎ßten Unterschiede zwischen seinem Roman und dem Spielfilm bestehen:



    Als ich den Roman geschrieben habe, wollte ich die Welt um uns herum richtig wahrnehmen und eine Kritik an dieser Welt zum Ausdruck bringen. Was mich besonders interessierte, war, wie die Gesellschaft mit nervösen Erkrankungen umgeht. In unserer heutigen Welt halten sie viele für befremdlich. Psychisch Kranke werden heute stigmatisiert. Darüber hinaus war für mich von gro‎ßem Interesse, zu erfahren, welche Lösungen die heutige Gesellschaft für solche Probleme und im Allgemeinen für persönliche Probleme anbietet. Die Lösungen ziehen wirklich ins Lächerliche. Die zwei Hauptgestalten versuchen, ihr Problem zu überwinden, und ziehen dafür die Lösungen heran, die ihnen die Gesellschaft zur Verfügung stellt. All diese Rezepte zum Glücklichsein, zum Gesundsein, zum Erfolghaben erweisen sich hingegen als sinnlos und vergeblich. Im Drehbuch legte jedoch Călin Peter Netzer den Fokus weniger auf die Au‎ßenwelt, auf den Kontakt mit der Gesellschaft, und mehr auf die innere Welt, auf die persönliche, psychische und vor allem psychoanalytische Seite.“




    Vor der Uraufführung in Rumänien haben die Hauptdarsteller Mircea Postelnicu und Diana Cavallioti verraten, dass sie sich an einen Psychotherapeuten gewendet haben, um besser in die Rolle zu schlüpfen. Das Drehbuch habe sehr stark auf die Hauptdarstellerin Diana Cavallioti gewirkt:



    Meine Reaktion auf die ersten 10-15 Seiten des Drehbuchs: Ich legte es einfach beiseite. Ich sagte mir, das wäre zu viel für eine einzige Figur. Dann habe ich es ausgelesen. Am Anfang hatte es mich wirklich erschrocken, ich wollte nicht mehr daran denken, ob ich es schaffe oder nicht. Ich habe die Herausforderung angenommen, denn ich wollte es ausprobieren, und daher war das kein Thema für mich mehr, ob ich es schaffe oder nicht.“




    Für den Hauptdarsteller Mircea Postelnicu, der im Film die Rolle von Toma bekleidet, war Ana mon amour“ ein langer Weg, an dessen Ende eine Entdeckung stand“:



    Die Rolle hat mich zur Selbstbeobachtung gebracht und mir dabei geholfen, mich mit meinen Gefühlen und Gedanken abzufinden. Der Film hat mir dabei geholfen, meine eigenen Grenzen abzubauen und meine Ängste loszulassen. Nicht zuletzt bin ich mir dank dieses Films bewusst geworden, wo diese Ängste herkommen.“




    Ana mon amour“ ist der vierte Spielfilm von Călin Peter Netzer. Seine Produktion Maria“ wurde im Jahr 2003 auf dem Filmfestival in Locarno geehrt, Die Goldmedaille“ erhielt 2009 beim Internationalen Filmfestival in Thessaloniki den Silver Alexander“-Preis und der Kassenschlager Die Stellung des Kindes“ (deutscher Titel: Mutter und Sohn“) gewann 2013 den Goldenen Bären auf der Berlinale. Ana, mon amour“ ist ein Projekt der Produktionsfirmen Parada Film, Augenschein Filmproduktion und Sophie Dulac Productions.

  • „Ana mon Amour“: Neuer Film von Călin Peter Netzer bei der Berlinale 2017

    „Ana mon Amour“: Neuer Film von Călin Peter Netzer bei der Berlinale 2017

    2013 wurde der rumänische Regisseur Călin Peter Netzer für sein Familiendrama Mutter & Sohn“ mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. In seinem neuen Werk untersucht er die Dynamik der wichtigsten Beziehungen im Laufe eines Menschenlebens. Ana, mon amour“ ist die Analyse einer Liebesgeschichte, ein untypischer Einblick in die kritischsten und zärtlichsten Momente in der Entwicklung eines Liebespaares. Das Drehbuch dazu schrieben Călin Peter Netzer, Cezar Paul Bădescu und Iulia Lumânare, als Grundlage diente Cezar Paul Bădescus Roman Luminiţa, mon amour“. Es sei allerdings Netzers Film, der lediglich von meinem Roman ausgegangen ist“, betont Bădescu. Wir fragten den Schriftsteller nach seinem ersten Eindruck nach der Vorführung des Films.



    Es ist seltsam, denn obwohl ich wusste, was in dem Film passiert, war ich nach der ersten Vorführung völlig von der Rolle. Es ist ja auch ein Film, der sich in den Zuschauer hineinarbeitet. Der Zuschauer wird eingeladen, sich zu erforschen, das eigene Sein zu erkunden und sehr, sehr tief zu graben. Der Film erzählt eine völlig andere Geschichte als der Roman. Der Regisseur Călin Peter Netzer hat einen anderen Ansatz gewählt, er hat versucht, etwas anderes zu verfolgen als ich im Roman. In der Tat ist die Ausgangsbasis dieselbe. Kurz zusammengefasst, handelt es sich um eine Liebesgeschichte mit einer Zutat, die daraus einen Sonderfall macht: eine Nervenkrankheit. Und diese Erkrankung, auch wenn sie eine leichte Form annimmt, wirkt sich auf die Beziehung zwischen den beiden aus. Das ist nicht eine Verfilmung des Romans, das Drehbuch und der Film haben lediglich meinen Roman als Ausgangspunkt. Als wir das Drehbuch schrieben, hat Călin Peter Netzer einige Szenen aus meinem Buch ausgewählt und die haben wir dann in ein Drehbuch verwandelt. Schlie‎ßlich haben wir daraus Geschichten gewoben, die sich aber nicht im Buch wiederfinden und vor allen Dingen Călins Geschichten sind.“




    Diana Cavallioti ist dem breiten Publikum für ihre Rolle im zweiten Teil des Spielfilms Erinnerungen aus dem goldenen Zeitalter“ und den Auftritten in den TV-Serien Einen Schritt nach vorne“ und Eine verrückte Woche“ bekannt. Zum ersten Mal arbeitete sie mit Călin Peter Netzer zusammen. Im Interview mit Radio Rumänien berichtete sie über ihre Erfahrung.



    Es war eine erschütternde Erfahrung. Ja, die Dreharbeiten haben lange gedauert, auch die Proben waren relativ lang, etwa drei Monate, und sie waren so intensiv, dass es am Ende bei mir Spuren hinterlassen hat. Ein halbes Jahr war ich mit »Ana, mon amour« beschäftigt, von morgens bis abends, sieben Tage die Woche. Eine solche Rolle zu konstruieren, bedeutet, dich in recht schwierige Situationen zu versetzen. Und vor allem die Art und Weise, in der ich mit dem Regisseur des Films, Călin Peter Netzer, gearbeitet und all die Dinge, die ich im Vorfeld für den Film gemacht habe, etwa, dass ich zur Psychotherapie gegangen bin. Das waren Dinge, die einen völlig aus der letzten, winzig kleinen Komfortzone rei‎ßen. Und ich glaube, dass es diesem Film gelungen ist, unseren ganzen Komfort zu erschüttern. Und das ist auch gut so.“




    Neben den Hauptdarstellern Diana Cavallioti und Mircea Postelnicu spielen in Ana, mon amour“ auch Adrian Titieni, Vlad Ivanov, Carmen Tănase, Vasile Muraru, Tania Popa und Igor Caras Romanov mit. Für Mircea Postelnicu war es aber die erste Hauptrolle in einem Spielfilm, wie er selbst berichtet.



    Ich konnte aus dieser Erfahrung nur Positives mitnehmen, vor allem das von Călin angeschnittene Thema und seine Herangehensweise waren entscheidend. Auch für mich waren es glückliche Begegnungen, mit Călin, mit Iulia, mit Diana, und auch mit dem Thema an sich. Für mich hat der Film sehr viel bedeutet und ich habe gemerkt, dass er einige Ventile geöffnet hat, die bei mir seit Langem geschlossen waren, hier meine ich den psychoanalytischen Teil der Geschichte. Würde ich die Geschichte zusammenfassen, würde ich sagen, dass es um eine etwas ungesunde und gar kranke Beziehung geht, denn sie basiert vor allem auf Projektionen, Gedanken, die sowohl von Ana als auch von Toma genährt werden, und damit eine völlig ungesunde Grundlage für ihre Beziehung schaffen. Es handelt sich um eine Art Erkundungsreise der beiden Hauptfiguren, die auf der Suche nach einem Gleichgewicht und der Rückbesinnung auf die Grundlage der Beziehung und die Wahrheit dahinter sind. Und diese Geschichte wird allmählich zu deiner eigenen Erkundungsreise, einer Suche in dir selbst. Es geht um eine Suche und eine Reise, auf die die beiden Charaktere geschickt werden, und über Wege, die jeder finden muss, um zu Antworten und einem Gleichgewicht zu finden.“




    Ana, mon amour“ ist Călin Peter Netzers vierter Spielfilm. Davor führte er bei drei anderen erfolgreichen Filmen Regie: Maria“ (2003), beim namhaften Filmfestival in Locarno ausgezeichnet, Die Ehrenmedaille“ (2009), ein Film, der den Silver Alexander in Thessaloniki gewann und eben Mutter & Sohn“, der den Rekord als grö‎ßter Box-Office-Erfolg der letzten 15 Jahre brach. Ana, mon amour“ ist eine Produktion von Parada Film in Zusammenarbeit mit der Augenschein Filmproduktion (Deutschland) und Sophie Dulac Productions (Frankreich).

  • Rumänischer Balkanwestern „Aferim!“ feiert Erfolge beim amerikanischen Publikum

    Rumänischer Balkanwestern „Aferim!“ feiert Erfolge beim amerikanischen Publikum

    Aferim!“ ist ein lustiger und zugleich brutaler Historien-Film, der eine ungeschminkte Vision der Vergangenheit zum Ausdruck bringt, berichtete The New York Times nach der US-Premiere der rumänischen Produktion. Die Zeitung lobt auch die schauspielerische Leistung von Teodor Corban. Dass der Streifen keine Oscar-Nominierung in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film“ erhielt, wundert die Journalisten der berühmten amerikanischen Zeitung.



    Die Handlung spielt in der Walachei Anfang des 19. Jahrhunderts. Ein Landjäger und sein Sohn suchen einen entlaufenen Roma-Sklaven und begegnen dabei Menschen unterschiedlicher Herkunft. Der Film setzt sich mit verschiedenen Themen auseinander, darunter der Roma-Diskriminierung, der Sklaverei, der Situation der Frauen im 19. Jahrhundert. Teodor Corban verkörpert den Landjäger, die Rolle des Sklaven übernimmt der Darsteller Cuzin Toma.



    Der wichtigste rumänische Film seit 2010 (also seitdem Die Autobiographie von Nicolae Ceauşescu“ des Regisseurs Andrei Ujică und Aurora“ von Cristi Puiu auf den Markt kamen) hei‎ßt »Aferim!« und bringt seinen Regisseur Radu Jude sehr nah an die führende Position der neuen rumänischen Kinowelle. Dieses Kunstwerk, das künftig zu einem Klassiker des rumänischen Films wird, geht pointiert auf gegenwärtige Themen ein“, schreibt der Filmkritiker Andrei Gorzo über die Produktion von Radu Jude.



    Die Rezension in der The New York Times preist den schwarz-wei‎ßen Film, dessen Eleganz und die theatralische Darstellung der Schauspieler. Der Film bringt die Grausamkeit und die tief verborgenen Vorurteile ans Licht“, steht weiter in der berühmten Zeitung. Die spielerische Leistung des Hauptdarstellers Teodor Corban bezeichnen die Journalisten von The New York Times als aus dem Herzen entsprungene und nicht zu bändigende Performance“. Der rumänische Schauspieler habe etwas von der harten Ausstrahlung von Anthony Quinn und ein wenig von der Exzentrizität, dem freien Charakter der schauspielerischen Leistung und dem Humor, die John Wayne in seine letzten Western brachte“, fügen die Journalisten von The New York Times hinzu.



    Aferim!“ läuft in den US-amerikanischen Kinos seit dem 22. Januar 2016 und wird von Big World Pictures kommerziell vertrieben. Vor der offiziellen Premiere wurde der Film von Radu Jude bereits in Los Angeles und New York im Rahmen von Sonderveranstaltungen unter der Schirmherrschaft des Rumänischen Kulturinstituts gezeigt. Den Vorführungen wohnte die Filmproduzentin Ada Solomon zusammen mit dem Schauspieler Cuzin Toma bei. Dazu die Produzentin Ada Solomon:



    Die US-Tournee war anstrengend, aber gleicherma‎ßen auch interessant und angenehm, weil der Film für zahlreiche Reaktionen sorgte und derma‎ßen vom Publikum aufgenommen wurde, wie ich es nie erwartet hätte. Ich habe es nicht erwartet, dass ein Publikum, das einer anderen Kultur angehört, so empathisch darauf reagiert. Insbesondere weil dieser Film im Kontext der regionalen Komplexität zu verstehen ist, und daher haben wir erwartet, dass er eher beim rumänischen Publikum auf gro‎ße Resonanz stö‎ßt. Eine umso grö‎ßere Überraschung und Begeisterung haben wir erlebt, als er auch im angelsächsischen Raum eine gute Resonanz fand. Beim renommierten Filmfestival des amerikanischen Filminstituts in Los Angeles waren alle Karten schon früh ausverkauft und es war uns ein echtes Vergnügen, das Publikum in Los Angeles zu treffen. Es gab unter den Zuschauern selbstverständlich auch zahlreiche Rumänen, die in den USA leben. Aber das ist weniger wichtig, denn die stärksten Reaktionen und auch die interessantesten Fragen kamen vom amerikanischen Publikum. Wir haben über Fremdenhass, Sklaverei und das damit verbundene Trauma diskutiert, was sie heute noch bedeuten, denn es handelt sich um Probleme, deren sich die rumänische Gesellschaft zu wenig bewusst ist. Ich spreche nicht nur von der Roma-Minderheit, sondern meine, dass die gesamte rumänische Gesellschaft sich meiner Ansicht nach diesen Problemen stellen sollte. In New York haben wir den Streifen bei den Filmfestspielen Making Waves sowie beim Rumänischen Filmfestival, organisiert von Film Society of Lincoln, präsentiert und dort fand er auch eine hervorragende Resonanz.“




    Die Filmproduzentin Ada Solomon erzählte auch, welche die interessantesten Fragen des amerikanischen Publikums waren:



    Sie haben sich insbesondere für die frühere Sklaverei interessiert und gefragt, wie sich heute die Roma-Minderheit mit diesem Teil der rumänischen Geschichte auseinandersetzt. Wir selber kennen unsere Geschichte nicht sehr gut, umso weniger kennen sie die Amerikaner. Es gab wenige Zuschauer, die einige Kenntnisse über den historischen Kontext hatten und die wussten, dass in Rumänien die Sklaverei hunderte Jahre lang existierte. Daher haben sie viel darüber gefragt. Die Fragen des amerikanischen Publikums betrafen auch den überraschend xenophoben und nationalistischen Diskurs, der im Film durch einige Gestalten angedeutet wird. Es gab auch Fragen zur Weitergabe der Mentalität von einer Generation zur nächsten, das stellt allerdings eine der zentralen Themen im Film dar.“




    Der Spielfilm Aferim!“ von Radu Jude wurde auf der 65. Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Dieses Jahr feierte die rumänische Produktion am 5. Februar ihre US-Premiere. Aferim“ gilt als eines der umfangreichsten rumänischen Kinoprojekte der letzten Jahre. Der Streifen wurde zudem unter anderen mit der Trophäe der Stadt Barcelona, mit dem Preis Le Bayard dOr“ für das beste Bild beim Internationalen Festival des frankophonen Films in Namur, mit dem Publikumspreis beim Filmfestival Lets CEE“ in Wien und mit der Auszeichnung des internationalen Verbands der Filmkritik FIPRESCI in Miskolc, Ungarn, geehrt.

  • Nach Erfolg mit Balkan-Western „Aferim!“: Gespräch mit Produzentin Ada Solomon

    Nach Erfolg mit Balkan-Western „Aferim!“: Gespräch mit Produzentin Ada Solomon

    Eine Bestätigung für ihren Mut“ sei der Preis gewesen. Damit meinte die Produzentin Ada Solomon den Silbernen Bären für die beste Regie, mit dem der Balkan-Western Aferim!“ in Berlin ausgezeichnet wurde. Und natürlich den Filmemacher Radu Jude, mit dem sie das besonders komplexe“ Filmprojekt zu einem guten Ende führen konnte.



    Aferim!“ gilt bereits jetzt als eines der umfassendsten rumänischen Filmprojekte der letzten Jahre. Die Handlung des historischen Streifens spielt sich Anfang des 19. Jahrhunderts ab, als die Roma in Rumänien als Sklaven gehalten wurden. Teodor Corban spielt einen Landjäger, der sich mit seinem Sohn (Mihai Comănoiu) auf die Suche nach einem entlaufenen Roma (gespielt von Cuzin Toma) begibt.



    Die Dreharbeiten zu Aferim!“ fanden in der ostrumänischen Dobrudscha, im Măcin-Gebirge sowie im südrumänischen Giurgiu statt. Die Produktionskosten beliefen sich auf 1,4 Millionen Euro, die meisten Filmkulissen wurden für die Veranschaulichung türkischer Einflüsse nachgebaut. Überhaupt sei der Spielfilm Aferim!“, der im März seine Kinopremiere in Rumänien hatte, das komplexeste Projekt ihrer Produzentenkarriere, sagt Ada Solomon.



    »Aferim!« ist der Film mit dem grö‎ßten logistischen Aufwand von all meinen bisherigen Projekten. Es ist ein historischer Film, mit sehr vielen Statisten, bei dem fast 70% der Kulissen nachgebaut wurden… und die bereits existierenden Kulissen mussten angepasst werden. Darüber hinaus besteht die Komplexität dieses Films auch darin, dass das Drehbuch eine ganze Reihe von sozialen Themen behandelt. Es ist ein Film, der sich auf sehr wertvolle historische Quellen beruft, die jedenfalls bislang noch nie visuell erforscht worden waren. Das Drehbuch basiert auf der Volksliteratur und der Belletristik des 19. Jahrhunderts, es sind Literatur-Fragmente, denen der Film neues Leben einhaucht. All das macht »Aferim!« zu einem bedeutenden Film, nicht nur für mich, sondern für das rumänische Kino im Allgemeinen.“




    Der bekannte Kritiker Andrei Gorzo spricht in seiner Kolumne von dem wichtigsten rumänischen Film seit 2010“ — in Anlehnung an das Jahr der Premieren von Die Autobiographie von Nicolae Ceauşescu“, unter der Regie von Andrei Ujică, und Aurora“, unter der Regie von Cristi Puiu. Aferim!“ sei ein Kunstwerk, das in Zukunft zu den Klassikern des rumänischen Kinos gezählt werden wird… ein relevanter Eingriff in die Agenda der öffentlichen Debatten unserer Zeit“, so Gorzo. Dabei habe man sich nicht genau das vorgenommen, berichtet die Produzentin Ada Solomon:



    Ich glaube nicht, dass der Künstler sich etwas vornimmt, dass er nach einem bestimmten Programm arbeitet. Der Künstler geht nach seinem Gefühl vor, nach seiner Stimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es ist die Aufgabe der Kritiker, Filme einzuordnen, sie zu vergleichen, Werturteile abzugeben. Das, was über den Film gesagt wurde, ehrt uns zutiefst, und ich bin überwältigt von dem Ausma‎ß der Reaktion in Rumänien. Ich habe mir gewünscht, dass der Film auf Interesse stö‎ßt und gute Kritiken erhält, aber ich habe mir nicht vorgestellt, dass das Interesse so gro‎ß sein wird, dass man soviel darüber schreiben und dass er so tiefgründig untersucht werden wird. Für mich bleibt die Weitergabe der Lehren von Vater zu Sohn der Hauptbestandteil dieses Films… und irgendwie ist das auch ein Verbindungselement im Werk von Radu Jude, denn alle seine Filme haben Familienbeziehungen, das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in ihrem Mittelpunkt. Und dieser Film kommt als natürliche Fortsetzung. Auch wenn die Handlung in eine vergangene Zeit, in eine andere Kulisse platziert wurde, erzählt der Film vor allen Dingen die Geschichte der Beziehung zwischen Ioniţă und Costandin.“




    Ada Solomon machte bei den wichtigsten Filmen von Radu Jude als Produzentin mit: etwa bei Lampe mit Hut“ (2006), dem erfolgreichsten Kurzfilm in der Geschichte des rumänischen Kinos. Der Streifen wurde mit über 50 Auszeichnungen bei internationalen Festivals belohnt, darunter bei Sundance, in San Francisco, Los Angeles und Uppsala. Auch für seinen Kurzspielfilm Alexandra“ erhielt Radu Jude im Jahr darauf wichtige Filmpreise wie den Hauptpreis der Kurzfilmtage Oberhausen. Wie ihre Beziehung zum Regisseur überhaupt zustande kam, wollten wir von der Produzentin Ada Solomon wissen.



    Ich wei‎ß nicht, ob ich Radu gewählt habe oder ob wir uns gegenseitig füreinander entschieden haben. Ich glaube, es beruht auf Gegenseitigkeit, ich bin sehr glücklich darüber, dass Radu mir vertraut hat und mich für die richtige Person hielt, die ihm dabei helfen kann, seine Ideen durchzusetzen. Unsere Beziehung hat sich mit der Zeit ergeben, dabei haben wir uns gegenseitig unterstützt, denn das ist keine Einbahnstra‎ße. Was mich an Radu fasziniert, ist seine Weitwinkel-Perspektive. Denn die Elemente in seinen Filmen sind stets begründet, sie haben stets mehr Wurzeln als auf den ersten Blick, das Fundament ist folglich sehr solide. Ich habe sehr viel von Radu gelernt, der Dialog und der Gedankenaustausch mit ihm ist immer ein Vergnügen, auch wenn wir uns nicht immer einig sind. Der Austausch erzeugt eine Art Attitüdenübung — und daran bin ich sehr interessiert. Alle Filme von Radu sind auch Beispiele von Verhaltensweisen. Es sind nicht nur einfache Kunstwerke, sie sagen mehr aus, sie werfen eine ganze Reihe von Fragen auf. Und ihr Verdienst ist es ferner, dass sie keine Werturteile abgeben, keine endgültigen Schlüsse ziehen, sie lassen die Dinge offen.“




    Es sei zwar unmöglich, die Vorurteile gegenüber den Roma abzubauen, dennoch sei sie sehr zufrieden über die unzähligen Reaktionen auf den Film Aferim!“, so Ada Solomon:



    Es war für mich herausragend, zu beobachten, dass Menschen aus allen möglichen Schichten sich mit dem Film aus unterschiedlichen Perspektiven auseinandersetzen. Egal ob ihnen die politische Herangehensweise oder die soziale Betrachtung wichtig war, der Film hat offenbar nicht nur Menschen aus der Filmwelt angezogen. Ich finde es interessant, dass viele Politikexperten auf den Film reagiert haben, auch in sozio-anthropologischer Sicht ist der Film ein sehr gutes Forschungsinstrument, er kann Debatten und Denkanstö‎ße auslösen über die Frage, wer wir sind und woher wir kommen und wie wir sind. Ich habe mich intensiv mit der Haltung der Mehrheit gegenüber der Minderheit beschäftigt, es ist weniger wichtig, ob es die Roma-Minderheit oder die jüdische Minderheit ist. Im Falle der Roma-Minderheit ist es normal, dass ihre 500-jährige Versklavung Spuren hinterlassen hat, es ist normal, dass die Minderheit sich nicht traut, die Erniedrigungen der Vergangenheit hinter sich zu lassen.




    Ada Solomon hat bereits in der Vergangenheit bei mehreren Filmprojekten mitgewirkt, die vielfach ausgezeichnet wurden. Etwa bei Cristian Nemescus Kurzfilm Marilena aus P7“, den Debütwerken von Răzvan Rădulescu (Allen voran Felicia“), Paul Negoescu (Einen Monat in Thailand“), Vali Hotea (Roxanne“) sowie den Dokumentarfilmen von Alexandru Solomon (Kapitalismus, unser Geheimrezept“, Cold Waves — Krieg auf den Wellenlängen“). 2013 wurde Ada Solomon mit dem Eurimages-Preis für Koproduzenten ausgezeichnet — dem Preis, mit dem die Europäische Film-Akademie die Bedeutung der Koproduktionen für die europäische Filmindustrie anerkennt. Au‎ßerdem ist Solomon Mitbegründerin und Direktorin des Internationalen Filmfestivals Next“ in Bukarest, des grö‎ßten Kurzfilm-Festivals in Rumänien, das den verstorbenen Filmemachern Cristian Nemescu und Andrei Toncu gedenkt.

  • Berlinale 2015: Radu Jude gewinnt silbernen Bären für “Aferim”

    Berlinale 2015: Radu Jude gewinnt silbernen Bären für “Aferim”

    Vor zwei Jahren hatte Calin Peter Netzer in Berlin mit seinem Film Mutter und Sohn” den ersten Goldenen Bären” für einen rumänischen Regisseur gewonnen. Jetzt rückte das rumänische Kino erneut ins Rampenlicht: Der junge Filmemacher Radu Jude wurde mit dem Silbernen Bären” für Regie ausgezeichnet. Sein Streifen Aferim” war als einziger Beitrag aus Rumänien für den Hauptwettberb ausgewählt worden. Der Goldene Bär ging an den iranischen Dissidenten Jafar Panahi, für sein Werk Taxi”.



    Hätte ich gewusst, dass ich so einen wichtigen Preis gewinnen würde, dann wäre ich beim Drehen dieses Films seriöser gewesen”, scherzte der rumänische Regisseur bei der Preis-Gala in Berlin. Kritiker hatten Aferim” gleich zu Beginn der Berlinale angesichts der Originalität des Films gro‎ße Chancen eingeräumt. Der silberne Bär” sei gleicherma‎ßen das Verdienst des Drehteams, so Jude.



    Es ist eine gro‎ße Freude, sicherlich vor allem weil meine Bemühungen Anerkennung finden, das scheint mir aber weniger wichtig als die Tatsache, dass die Bemühungen und das Talent des gesamten Drehteams Anerkennung finden. Andererseits hoffe ich, dass der Film dadurch noch breiter verteilt wird, sowohl international, als auch vor allem in Rumänien. Für das rumänische Kino ist die Auszeichnung vielleicht auch ein Signal, dass die Autorenfilme, die Kunstfilme, die Filme, die wichtige Fragen aufwerfen, von wesentlicher Bedeutung sind und auch bedeutender sind als was wir gewöhnlich als komerzielles oder Konsumkino nennen.”



    Aferim“ gilt als eines der umfangreichsten rumänischen Kinoprojekte der letzten Jahre. Die Handlung des historischen Westerns spielt in der Walachei Anfang des 19. Jahrhunderts. Ein Landjäger und sein Sohn suchen einen entlaufenen Roma-Sklaven und begegnen dabei Menschen unterschiedlicher Herkunft und Gesinnung. Der Film behandelt dabei mehrere Themen, beginnend mit der Diskriminierung der Roma, über die Sklavenhaltung und die Situation der Frauen im 19. Jahrhundert, bis hin zu mehr oder weniger umstrittenen Sitten.



    Das Drehbuch dazu schrieben Radu Jude und Florin Lăzărescu, der Film hatte für Rumänien ein Rekordbudget von einer Million Euro. In der Besetzung sind unter anderem Teodor Corban (der für den Silbernen Bären für die beste männliche Rolle nominiert wurde), Cuzin Toma, Victor Rebengiuc, Luminiţa Gheorghiu oder Şerban Pavlu. Der von Bulgarien und Tschechien mitfinanzierte Film soll im März seine Rumänien-Premiere feiern. Aferim“ ist nach Alle Menschen aus unserer Familie“ und Das glücklichste Mädchen der Welt“ Radu Judes dritter Spielfilm.

  • Nachrichten 15.02.2015

    Nachrichten 15.02.2015

    Bukarest: Rumäniens Au‎ßenminister Bogdan Aurescu trifft am Monntag in Bratislava auf Einladung seines slowakischen Gegenübers Miroslav Lajcak ein. Auf der Agenda des rumänischen Au‎ßenministers stehen auch Gespräche mit dem slowakischen Präsidenten Robert Fico. Aktuelle au‎ßenpolitische Themen wie die derzeitige Situation in der Ukraine, der europäische Kurs der Republik Moldau, die Beziehung zwischen Russland und NATO dürften dabei diskutiert werden, hei‎ßt es in einer offiziellen Mitteilung des Bukarester Auswertigen Amtes.



    Bukarest: Rumäniens Präsident Klaus Iohannis verurteilt in aller Schärfe die Terroranschläge in Kopenhagen und bekräftigt das Engagement Rumäniens im Kampf gegen internationalen Terrorismus. Der rumänische Au‎ßenminister Bogdan Aurescu verurteilte seinerseits die Terrorangriffe und betonte, es sei besonders wichtig, dass alle EU-Staaten im Kampf gegen Terrorismus zusammenstehen. Die dänische Polizei wurde nach den tödlichen Angriffen auf ein Kulturzentrum und eine Synagoge in Kopenhagen in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Der mutma‎ßliche Täter, der die beiden Angriffe verübt haben soll, ist Sonntagfrüh von der Polizei erschossen worden. Bei den beiden Angriffen am Samstagnachmittag und in der Nacht zu Sonntag war jeweils ein Mann getötet worden und insgesamt fünf Polizisten wurden verletzt.



    Der Angreifer hatte zunächst dutzende Schüsse auf eine Podiumsdiskussion über Meinungsfreiheit und Islam in einem Kulturzentrum in Kopenhagen verübt, tötete dabei einen Zuschauer und verletzte drei Polizisten. Nur wenige Stunden später kam es zu einem ähnlichen Angriff auf eine Synagoge im Kopenhager Stadtzentrum. Die Presseagentur Reuters sieht eine Parallele im Ablauf der Anschläge in Kopenhagen und Paris.



    Berlin: Der rumänische Filmemacher Radu Jude wurde bei der 65. Berlinale für seine Produktion Aferim!” mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet. Der Streifen von Radu Jude feierte seine Weltpremiere im Wettbewerb der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Den Preis für die beste Regie teilte sich Radu Jude mit der polnischen Regisseurin Malgorzata Szumowska, die in Wettbewerb mit der Produktion Body” antrat. Der Goldene Bär wurde in diesem Jahr für den Film Taxi” an den iranischen Regimekritiker Jafar Panahi verliehen. Die Silbernen Bären der 65. Berlinale für die besten Schauspieler gingen an das Hauptdarsteller-Duo des Dramas 45 Years”, von Regisseur Andrew Haigh: Tom Courtenay und Charlotte Rampling.



    Kiew: Die im Kriegsgebiet Ostukraine in der Nacht zu Sonntag in Kraft getretene Waffenruhe wird im Allgemeinen” eingehalten, schätzen die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die ukrainischen Behörden. Kiew wirft dennoch den prorussischen Separatisten Brüche der Feuerpause vor. Diese sollen Stellungen der Regierungstruppen nach Beginn der vereinbarten Waffenruhe bombardiert haben. Am Samstag hatte der rumänische Verteidigungsminister Mircea Duşa seine Hoffnung geäu‎ßert, dass das Minsker Abkommen und die damit verbundene Waffenruhe in der benachbarten Ukraine eingehalten werden. Ferner bekräftigte Duşa den Wunsch Rumäniens, dass der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine auf diplomatischem Weg gelöst wird. Über 5.300 Menschen sind seit Beginn des Konflikts im benachbarten Land Rumäniens ums Leben gekommen.



    Chişinău: Der moldauische Präsident Nicolae Timofti hat den Liberal-Demokraten Chiril Gaburici zum Premierminister nominiert. Der von der Minderheitskoalition aus Liberal-Demokraten und Demokraten vorgeschlagene Kandidat ist ehemaliger Geschäftsführer eines der grö‎ßten Handy-Untenehmens in der Republik Moldau. Gaburici soll in den nächsten 15 Tagen die Vertrauensfrage im Parlament überstehen. Am Donnerstag war das Programm und das Kabinett des amtierenden Ministerpräsidenten Iurie Leancă an der Vertrauensfrage im Parlament gescheitert. Leancă und sein neues Kabinett waren ebenfalls von der Minderheitskoalition der Liberal-Demokraten und Demokraten vorgeschlagen worden.



    Bei den Parlamentswahlen vom 30. November 2014 erhielten die Liberal-Demokraten und die Demokraten 42 der 101 Parlamentssitze. Um das von ihnen unterstützte Kabinett ins Amt zu führen, benötigen sie aber auch die Stimmen ihrer ehemaligen Koalitionspartner, der proeuropäischen Liberalen, oder der prorussischen Kommunisten. Sollte sich die moldauische Legislative bis zum 9. März auf eine neue Regierung nicht einigen, werden folglich in Republik Moldau vorgezogene Wahlen stattfinden.


  • Berlinale 2015: „Aferim!“ von Radu Jude gewinnt Silbernen Bären für Regie

    Berlinale 2015: „Aferim!“ von Radu Jude gewinnt Silbernen Bären für Regie

    Ein Balkanwestern in Schwarz-Wei‎ß: In der Walachei des Jahres 1835 suchen ein Landjäger und sein Sohn einen entlaufenen Roma-Sklaven und begegnen dabei Menschen unterschiedlicher Herkunft und Gesinnung. Am Mittwoch war der Film Aferim!“ des rumänischen Regisseurs Radu Jude auf der Berlinale zu sehen, Samstagabend wurde der Streifen mit dem Silbernen Bären für die beste Regie (zusammen mit Body“ von Małgorzata Szumowska) geehrt.



    Der bis jetzt beste, originellste Film von Radu Jude“, schreibt die amerikanische Fachzeitschrift Variety über Aferim!“, den dritten abendfüllenden Spielfilm des rumänischen Regisseurs, eine Produktion, die für den offiziellen Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin 2015 ausgewählt wurde. Variety lobt die Regie des Films und das Drehbuch von Radu Jude und Florin Lăzărescu über Ausgrenzung und Ständeordnung in der Walachei des 19. Jh. Bemerkenswert seien auch die Leistung der Darsteller, vor allem jene Toma Cuzins als flüchtiger Sklave, sowie die exzellente Kameraführung von Marius Panduru in diesem Schwarz-Wei‎ß-Streifen. Auch The Hollywood Reporter schreibt nur Gutes über den Spielfilm von Radu Jude: Das ist ein starker Wettbewerbsteilnehmer: Der Film macht einen sehr guten Gesamteindruck, das Thema ist aktuell, das Drehbuch ist hart und amüsant zugleich. Der gegenwärtige Rassismus gegen die Roma in Osteuropa war eine Inspirationsquelle für mehrere starke Spielfilme der letzten Jahre. »Aferim!« geht aber an die historischen Wurzeln dieses so aktuellen Themas — in ihrem Drehbuch erzählten Radu Jude und Florin Lăzărescu echte Erfahrungen der Roma-Sklaven im Donaufürstentum Walachei. Am wichtigsten ist, dass es den Drehbuchautoren gelungen ist, dieses dunkle Thema auf amüsante und persönliche Art darzustellen, ohne daraus eine hölzerne, realsozialistische Predigt zu machen“, so The Hollywood Reporter.



    Aferim!“ (ein im Rumänischen veraltetes Wort türkischer Herkunft, zu deutsch in etwa: Bravo!“, Gut gemacht!“) ist ein Historien-Film in Schwarz-Wei‎ß, man könnte sagen ein Western im Fürstentum Walachei des Jahres 1835. Im “Tagesspiegel” wurde nach der Berliner Premiere der Film folgenderma‎ßen vorgestellt:



    “Zwei Männer, Vater und Sohn, reiten durch die Walachei, durch Wälder, Steppe und Sümpfe. Der Vater ist Hauptmann, er hat einen Steckbrief dabei. Gesucht wird der junge Carfin, er soll die Frau des Bojaren verführt haben. Carfin ist Zigeuner — das Wort Roma gibt es im Sprachgebrauch der Mehrheitsbevölkerung noch nicht. Roma sind Sklaven, Gesindel. Die Leibeigenschaft wurde in den Donaufürstentümern erst um 1850 verboten, vorher konnten die Fürsten mit ihren“ Roma beliebig verfahren, sie weiterverkaufen (aber nur als ganze Sippschaft) oder wie Tiere behandeln, nur getötet werden durften sie nicht. Zigeuner“, das bekommt man in Aferim!“ reichlich zu hören, sind Krähen, Maden, mieses Pack. Der Hauptmann und sein Sohn sprechen eine räudige, aggressive Sprache, wie überhaupt alle, die sie auf ihrem Ritt treffen, Bauern und Popen, Türken, Kinder, Trinker in einer Spelunke. Eine Welt voller Ausbeutung, Willkür, Korruption, in der auch Frauen Menschen zweiter Klasse sind und Ehebruch grausam bestraft wird. Und das mitten in der spröden Schönheit der Walachei, die der Film in grobkörnigen Schwarz-Wei‎ß-Aufnahmen festhält.”



    Gedreht wurde Aferim!“ in der Dobrudscha, im Măcin-Gebirge und im Süden Rumäniens, in der Umgebung von Giurgiu, mit einem Budget von 1,4 Mio. Euro. Eine zentrale Frage des Films ist die Roma-Sklaverei in der Walachei des 19. Jh. Mehr dazu vom Regisseur Radu Jude:



    Der Film handelt nicht nur von der Leibeigenschaft. Da aber über diesen Teil der rumänischen Geschichte nur wenig gesprochen wird, kommt die Sklaverei der Roma am stärksten in Erscheinung. In dem Film geht es um viele andere Themen: die Situation der Frauen, die Religion, die Art und Weise, wie Ideen von einem Menschen zum anderen weitervermittelt werden, die Toleranz, all diese Themen kommen in meinem Film vor. Was ich damit sagen wollte, ist, dass ein soziales Phänomen, wie auch ein Phänomen im Privatleben, tiefe Wurzeln in einer näheren oder entfernteren Vergangenheit hat. Oft vergessen wir diesen Aspekt. Wir sollten aber die Verantwortung für unsere Vergangenheit übernehmen, und das wollen wir meistens nicht, weil es uns nicht leicht fällt. Auch bei ganzen Gesellschaften gilt, was Freud über das Individuum sagte: Was wir zu verdrängen versuchen, kommt auf uns zurück. Deshalb bin ich der Ansicht, dass jede Gesellschaft die unangenehmen Zeiten und Ereignisse in ihrer Geschichte immer wieder in Erinnerung bringen sollte.“




    Aferim!“ ist die wichtigste rumänische Kinoproduktion seit 2010, als Die Autobiographie des Nicolae Ceauşescu“ von Andrei Ujică und Aurora“ von Cristi Puiu gedreht wurden. Der 1977 geborene Regisseur Radu Jude ist bereits bei seinem dritten abendfüllenden Spielfilm und kommt in die Reihen der besten rumänischen Kinomacher. Dieses Kunstwerk wird zum Klassiker des rumänischen Kinos und ist bereits eine starke Präsenz in den öffentlichen Debatten“, schreibt der Filmkritiker Andrei Gorzo. Der Regisseur Radu Jude spricht über seine Inspirationsquellen für Aferim!“:



    Für meinen Film hatte ich unterschiedliche Inspirationsquellen, nicht nur kinematographische. Was mich am meisten interessierte, war, wie man eine geschichtliche Rekonstruktion schaffen kann, ohne die Kinogänger an der Nase herumzuführen. Ich wollte eine Scheibe echten Lebens mit der Kamera aufnehmen. Darüber gibt es lange Diskussionen, manche Kinotheoretiker erklären sich gegen historische Spielfilme, weil sie meinen, solche Streifen seien ein Versto‎ß gegen den Grundsatz der Kinokunst. Ich wollte aber einen Spielfilm drehen (auch wenn mein Projekt vom geschichtlichen Gesichtspunkt schwer einzustufen ist) und deshalb gab ich den Zuschauern gewisse Hinweise, dass sie sich eigentlich einen Spielfilm anschauen, und dass sie sich darüber gewisse Fragen stellen sollten, um ihre eigenen Antworten zu finden. In »Aferim!« wurde alles dicker aufgetragen — das ist weder gut noch schlecht. Es ist blo‎ß ein Versuch, den Zuschauern zu signalisieren, dass sie das Vorgeführte nicht als vorgefertigte Kost aufnehmen sollten.“




    Der Spielfilm Aferim!“ von Radu Jude ist eine Produktion von Hi Film Productions und wird Anfang März in die rumänischen Kinos kommen.