Tag: Stadtflucht

  • Zurück aufs Land: die Städter im Dorf

    Zurück aufs Land: die Städter im Dorf

    Octavian Viorel war in seinem Inneren immer noch ein Dorfkind, auch wenn er vor vielen Jahren in die Stadt gezogen war. Deshalb beschloss er, sein Leben während der Pandemie auf dem Lande weiterzuführen. Er wusste die Ruhe und das einfache Leben zu genie‎ßen, allerdings spürte er das Bedürfnis, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben und auszutauschen. Demnach startete er eine Initiative zur Wiederbevölkerung seines Dorfes. Viele Ortsbewohner nahmen die Initiative erfreut an. Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Octavian Viorel zu unterhalten. Und er erzählte uns mehr zu seinem Projekt, das er symbolisch Eine Handvoll Stadtmenschen“ nannte:



    Die Projektidee entstand direkt im Dorf. Ich bin ein Stadtmensch, der ins Dorf der Gro‎ßeltern vor der Pandemie flüchtete. Meine Gro‎ßeltern wohnten im Dorf Slătioara, im Kreis Vâlcea. Vor Ort konnte ich feststellen, dass das Dorfleben nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile aufweist. Ein gro‎ßes Minus war die Gemeinschaft — oder eher gesagt, die mangelnde Gemeinschaft. Ich fand vor Ort keine Leute wie mich, mit denen ich mich unterhalten oder meine Freizeit verbringen könnte. Zusammen mit einem Freund, der ebenfalls ein Stadtmensch ist und ins Dorf zurückgekehrt war, sprachen wir den Bürgermeister an, um zu schauen, ob sie ein Interesse dafür hätten, die örtliche Gemeinschaft zu entwickeln. Wir wollten nämlich das Dorf fördern und Stadtbewohner zurück aufs Land locken. Nachdem uns bestätigt wurde, dass Interesse bestünde, beantragten wir eine Finanzierung und erhielten sie auch. Wir bildeten eine Forschungsgruppe und untersuchten, welche Bedürfnisse ein Stadtbewohner haben könnte, der sein Stadtleben aufgibt, um in einem Dorf weiterzuleben.“




    Die in Rumänien lebenden Menschen beklagen oft die mangelnde Infrastruktur, vor allem im ländlichen Raum. Daher versuchte Octavian Viorel, die Nachteile eines solchen Umzugs herauszufinden. Und das sind seine Schlüsse:



    Ich stellte fest, dass sich die Menschen nach Natur und Freizügigkeit sehnen. Und das finden sie auf dem Lande. Das Dorf, in dem ich jetzt lebe, Slătioara, wurde in den letzten Jahren modernisiert. Die Haushälter verfügen über flie‎ßendes Wasser und Internetzugang. Die Stra‎ßen sind asphaltiert. Die Ortsbewohner freuten sich auf unsere Ankunft, auf neue Nachbarn. Derzeit sehe ich nur die Vorteile meiner Umsiedlung. Der einzige Nachteil ist im Moment die gealterte gesellschaftliche Struktur. Es leben lediglich alte Leute im Dorf.“




    Die Pandemie schränkte unsere Bewegungsfreiheit stark ein. Also träumen viele Stadtbewohner von den Freuden der Natur. Das konnte unser Gesprächspartner auch im Zusammenhang mit dem Projekt feststellen:



    Es ist eine allgemeine Entwicklung, wir zogen nur die Schlüsse. Immer mehr Leute kommen vorbei und fragen nach freien Häusern oder nach Grundstücken, auf die sie ein Haus bauen könnten. Wir sprachen mit dem Bürgermeister über die nächsten Schritte. Wir wollen nämlich den Neuankömmlingen den Umzug erleichtern.“




    Octavian Viorel sagte uns, worauf das von ihm gestartete Projekt abziele und was für Vorteile sich für die Bevölkerung der Ortschaft daraus ergeben könnten:



    Mit dem Zuzug der Neuankömmlinge wird sich das Dorf entwickeln. Auch das Durchschnittsalter der Dorfbewohner wird zurückgehen. Das bedeutet, im Dorf werden mehr erwerbsfähige Menschen wohnen. Die Neuankömmlinge kommen aus dem städtischen Umfeld, bringen die dort erworbenen Gewohnheiten mit. Wir gehen davon aus, dass sie ihre eigenen Geschäfte vor Ort gründen und dabei die örtlichen Ressourcen nutzen werden. Die Neuankömmlinge werden demnach zur Weiterentwicklung des Dorfes in den kommenden Jahren beitragen.“




    Octavian Viorel fordert die Menschen nicht auf, die Stadt zu verlassen und aufs Land zu ziehen. Er schickt vielmehr eine Botschaft hinaus, nämlich dass alle, die es sich wünschen, dem Stadtleben zu entfliehen, willkommen seien. Er selbst lebe, zusammen mit seiner Familie, ein hybrides Leben. Er pendelt nämlich zwischen Stadt und Dorf:



    Derzeit wird das hybride Schulmodell gefördert. Wir haben uns dem Zeitgeist angepasst und führen ein hybrides Leben. Meine Kinder lernen in Bukarest. Sie gehen jede zweite Woche in die Schule. Zwischendurch lernen sie von zu Hause aus — online. Ich und meine Frau arbeiten auch viel online. Also pendeln wir regelmä‎ßig zwischen Stadt und Dorf. Was ich nur empfehlen kann. Das Leben auf dem Lande setzt viel mehr körperliche Anstrengung voraus. Da gibt es viele Arbeiten, die drau‎ßen erledigt werden. Die Zeit vergeht anders und ist nicht mehr so wichtig. Der Tagesablauf hängt hier vom Naturzyklus ab. Was mich anbelangt, ich bin ein Dorfenkelkind. Ich verbrachte alle meine Ferien bei meinen Gro‎ßeltern auf dem Bauernhof, also kenne ich dieses Leben und wei‎ß es hochzuschätzen. Auch mein Vater lebt dieses hybride Leben und pendelt zwischen Stadt und Dorf. Er steht mir zur Seite mit Rat und Tat. Somit wei‎ß ich immer, was im Haushalt und auf dem Bauernhof gerade fehlt.“




    Eine hervorragende Idee für diesen schönen Herbst, der kunterbunt ist, nach dürren Blättern, kahlen Bäumen, eingelegtem Gemüse und dem weltbesten Gemüsebrei, der sogenannten Zacuscă, riecht.

  • Hörerpostsendung 30.10.2016

    Hörerpostsendung 30.10.2016

    Ich hoffe, dass Sie die Zeitumstellung gut überstanden haben, zumal wir alle eine Stunde länger schlafen konnten, und dass unsere Sendung über die neuen Frequenzen gut reinkommt bei Ihnen.



    Sie haben es bestimmt in unseren Nachrichten gehört: Das rumänische Parlament hat am vergangenen Dienstag auf Initiative des Parteichefs der Sozialdemokraten beschlossen, die Rundfunkgebühr ab kommendem Jahr abzuschaffen. Dies trotz der Bedenken, die mehrere NGOs und Medienverbände geäu‎ßert hatten. Die Ma‎ßnahme kommt einher mit der Abschaffung von insgesamt 102 Gebühren. Über den Sinn jeder dieser Gebühren mag man sich streiten, die Finanzministerin hat beispielsweise eine Erhöhung der Steuern als Gegenma‎ßnahme in Aussicht gestellt, doch die Abschaffung der Rundfunkgebühr ist kein gutes Omen für die Pressefreiheit. Denn wenn die öffentlich-rechtlichen Sender nun ausschlie‎ßlich am Tropf des Staatshaushaltes hängen, kann man viel leichter unbequeme Journalisten oder kritische Programme einfach wegrationalisieren. Beispiele dazu gibt es: Im benachbarten Ungarn sind die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten und die amtliche Nachrichtenagentur zu einem einzigen staatlichen Medienbetrieb vereint worden — seitdem ist regierungskritische Berichterstattung in diesen Medien eher selten. Natürlich garantiert eine Rundfunkgebühr nicht automatisch die Unabhängigkeit der Berichterstattung, vor allem wenn die Führungsgremien politisch besetzt werden. Die finanzielle Abhängigkeit vom Staat ist aber ein erster Schritt in der Degradierung eines öffentlich-rechtlichen Senders zu einer staatlichen Medienanstalt. Noch ist das letzte Wort nicht gefallen, das entsprechende Gesetz muss erst vom Staatspräsidenten promulgiert werden, um in Kraft zu treten. Au‎ßerdem wollen mehrere Organisationen — darunter auch eine Gewerkschaft der Journalisten von Radio Rumänien — gegen die Abschaffung der Rundfunkgebühr beim Verfassungsgericht klagen. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.



    Ich habe auch eine gute Nachricht: Ab 1. November kommt die Mitarbeiterin unserer Postbearbeitungsstelle aus dem Krankenurlaub wieder zurück, also dürfte sich die QSL-Karten-Zustellung in den kommenden Wochen allmählich wieder normalisieren. Viele Hörer haben der Kollegin Genesungswünsche ausrichten lassen, wofür wir uns an dieser Stelle bedanken. Stellvertretend für alle verlese ich ein paar Zeilen von Heinrich Eusterbrock aus Kaufbeuren im schwäbischen Allgäu:



    Dass Ihre Postbearbeiterin erkrankt ist, tut mir leid für sie. Bitte richten Sie ihr beste Genesungswünsche von mir aus. Bei so einem Rückenleiden ist aber wohl Geduld angesagt. Eine zu frühe Wiederaufnahme der Arbeit könnte ernste Folgen haben. Sie sollte sich also Zeit nehmen und sich richtig auskurieren. Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist, warum bei erwartet langer Abwesenheit keine Vertretung geregelt wird. So ein Betrieb wie Ihr Sender kann doch nicht monatelang auf Postbearbeitung verzichten.




    Vielen Dank nochmals für die Genesungswünsche, lieber Herr Eusterbrock. Es gibt leider niemanden, der die Dame in unserer Postbearbeitungsstelle ersetzten könnte. Die Stelle ist mit einem einzigen Posten belegt — früher waren es vier — und daran wird sich in Zeiten des Sparens und der Personalknappheit wohl nichts ändern.



    Von Erhard Lauber (der in Bad Berleburg-Girkhausen in NRW zu Hause ist) erhielten wir unlängst einen Postbrief. Darin berichtete er u.a. über eine Rumänien-Reise im September.



    Liebes RRI-Team,



    Die heutige Sendung war mal wieder sehr interessant. Die Sendung Radio Tour zum Thema der Auswilderung der Wisente im Ţarcului-Gebirge habe ich mit gro‎ßer Aufmerksamkeit verfolgt. Ein Projekt zur Auswilderung von Wisenten gibt es auch hier in Bad Berleburg. In 2013 wurde eine achtköpfige Herde (mittlerweile auf 22 angewachsen) hier im Rothaargebirge / Wittgensteiner Land ausgewildert. Zudem gibt es auch noch ein Schaugehege. Über den Kamm des Rothaargebirges verläuft auch der Rothaarsteig. So können Wanderer mit Glück die freilaufende Herde zu Gesicht bekommen. Derzeit gibt es jedoch viel Streit um das Projekt, da die Tiere vom Wittgensteiner Land ins Hochsauerland wechseln und dort in den privaten Wäldern der Waldbauern gro‎ße Schäden anrichten. Dieser Streit ist inzwischen auch vor Gericht angekommen, da die Sauerländer Waldbauern die Einsperrung der Tiere verlangen. Das Oberlandesgericht in Hamm/Westfalen hat jedoch vorerst dem Wisent-Trägerverein in Bad Berleburg Recht gegeben und die Tiere als mittlerweile herrenlos betrachtet. Ende offen.



    Wie im meinem Brief vom 07.08.2016 bereits angekündigt, habe ich vom 6. – 13. September Ihr Land besucht. Die Rundreise für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge führte von Bukarest nach Braşov/Kronstadt, zur Kirchenburg Prejmer/Tartlau, dann zum Roten See und über die Bicaz-Klamm nach Iaşi, Focşani, Galaţi, Constanţa und zurück nach Bukarest. Besucht haben wir die deutschen Soldatenfriedhöfe in Bukarest (Pro Patria), Braşov, Iaşi, Focşani und Galaţi. Auch ich habe einen weitläufigen Angehörigen am Ende des 2. Weltkrieges in Rumänien verloren. Der Bruder meiner Gro‎ßmutter ist seit August 1944 bei Ploieşti.



    Die Reise wurde geleitet von Frau Professor Marcela-Ileana Rîmbaşiu aus Bukarest. Sie hat uns Ihr Land in sehr herzlicher Weise näher gebracht und sich auch um die Belange der Gruppe gekümmert. Die Reise hat mir sehr gut gefallen und ich denke, dass ich Ihr Land auf jeden Fall nochmals besuchen werde.




    Vielen Dank für Ihren Brief, lieber Herr Lauber, und es freut uns, dass es Ihnen in Rumänien gefallen hat. Von NRW geht es nun nach Hessen, und zwar nach Schmitten im Taunus, wo unser Hörer Lutz Winkler zu Hause ist. In einer E-Mail von Mitte Oktober gab er uns Feedback zu unseren Sendungen und berichtete über den Herbstanfang in seiner Heimatregion.



    Liebe Freunde der deutschen Redaktion in Bukarest,



    wieder einmal habe ich Dank zu sagen für die vielen Sendungen, Beiträge und Informationen aus Rumänien.



    Die Reihe “Sozialreport” gefällt mir sehr gut. Ja die Stadtflucht ist ein Problem — auch in Deutschland. Aber als Landkind möchte ich eigentlich nicht in der Gro‎ßstadt leben, wenn ich auch die Vorzüge erkennen kann: bessere Erreichbarkeit der Infrastruktur — sei es für die Gesundheit mit den Ärzten oder für die kulturelle Infrastruktur. Im Rhein-Main-Gebiet sind viele sehr weit aus der Stadt gezogen — ein täglicher Anfahrtsweg nach Frankfurt von 70-90 km ist keine Seltenheit. Und entsprechende Staus auf den Strecken in die Stadt bzw. abends dann aus der Stadt auch kein Wunder. So steigen viele auf das Auto um, weil die Ticketpreise des öffentlichen Nahverkehrs extrem teuer sind. Eine Wochenkarte von Kronberg nach Frankfurt — das sind 25 Minuten Fahrtzeit — kostet mittlerweile stolze 39 Euro und meist muss man auch noch für den Parkplatz am Bahnhof zahlen. Das hat zur Folge, dass die S-Bahnen — auch im Berufsverkehr — nur mä‎ßig besetzt sind. Aber es gibt auch die andere Tendenz, dass Menschen wieder in die Stadt ziehen. Erste Bewegungen erkennen wohl die Statistiker. Ich denke, dass alles Vor- und Nachteile hat — jeder sollte sich überlegen, wo sein Mittelpunkt ist, was er am liebsten mag: Stadt oder Land.



    Nun ist auch der Herbst bei uns da, die Tage werden kälter und kürzer, der Garten muss winterfest gemacht werden, letzte Früchte werden geerntet. Aber es ist auch mehr Zeit für das Hobby — abends über die Kurzwellenbänder zu streifen, ist immer noch wunderschöne Musik für meine Ohren.



    Wir waren Ende September zu einem gro‎ßen Familiengeburtstag. Im Anschluss daran haben wir auch einige Ausflüge in Mitteldeutschland gemacht: Freiburg an der Unstrut, die Burg Quedlinburg mit ihrer historischen Kulisse, die Stadt Freiberg in Mittelsachsen mit der historischen und wunderbar restaurierten Altstadt sowie der gro‎ße und mächtige Freiberger Dom mit dem Goldenen Tor und den beiden Silbermann-Orgeln sowie noch einigen Abstechern nach Leipzig und Weimar. In Freiburg an der Unstrut befindet sich ja ein kleines, aber feines Weinanbaugebiet, der Saale Unstrut Wein. Wir trinken diesen Wein sehr gern — zumal er ja auch aus der unmittelbaren ehemaligen Heimat kommt.



    Sie haben ja schon oft über die rumänischen Weinbaugebiete gesprochen — leider ist der rumänische Wein noch nicht in den deutschen Läden angekommen. Wie sieht die Ernte voraussichtlich in diesem Jahr aus? Haben Sie zufällig Informationen, wo man in Deutschland rumänischen Wein kaufen kann?




    Vielen Dank für Ihre ausführlichen Zeilen, lieber Herr Winkler. Es stimmt — in deutschen Supermärkten ist rumänischer Wein nur selten erhältlich. Das ist auf den ersten Blick verwunderlich, denn das Land steht auf Platz 13 in der Rangliste der grö‎ßten internationalen Weinhersteller weltweit und belegt den sechsten Platz innerhalb der EU in puncto Weinproduktion. Vor etwa einem Jahr haben wir darüber im Sozialreport berichtet. Darin kam der Vorsitzende des rumänischen Winzervereins zu Wort, der beklagte, dass Rumänien zu wenig exportiere. Weinhersteller würden vielmehr in die tatsächliche Produktion und in die Aufbereitung investieren und dabei Produktförderung und Werbung vernachlässigen. Das ist eine gute Erklärung, warum man in gewöhnlichen Läden beispielsweise in Deutschland keinen rumänischen Wein findet. Daher würde ich Ihnen raten, sich nach Online-Portalen umzuschauen. Ich darf hier keine Werbung für bestimmte Webseiten machen, aber wenn Sie einfach die Worte rumänische Weine kaufen“ bei Google eingeben, werden Sie einige Adressen unter Internet Domains in Deutschland, Österreich oder der Schweiz finden, wo man rumänische Weine online bestellen kann. Ich kann natürlich nichts über die Zuverlässigkeit der einzelnen Händler sagen — das muss man eben selbst herausfinden.



    Zum Schluss noch die Zeilen von Andreas Pawelczyk (aus Mannheim), der dieselbe Sendung über Stadtflucht hörte:



    Mit gro‎ßer Freude konnte ich in einer Ihrer Sendungen den Sozialreport hören. So wird in letzter Zeit eine Menge von Autos auf den Stra‎ßen Bukarests gesehen, die in Richtung Vororte fahren. Dies soll ein Indikator für die Stadtflucht sein. Immer mehr Bukarester ziehen ins Umland, vielmehr als Landbewohner in die Stadt ziehen. Dies ist ein gro‎ßer Aderlass. Die, die wegziehen, sollen Kinder haben und viele davon im Alter zwischen 20-30 Jahre sein. Die Gründe für diese sogenannte Stadtflucht sollen das billigere Leben auf dem Lande sein. Insbesondere soll die hohe Miete einer ganzen Menge von Leuten in Bukarest stark zusetzen.


    Nun will man ja nicht unbedingt die Vergangenheit vor 1989 wieder aufleben lassen, aber die Tendenz war damals gerade umgekehrt. Die Wende vom Kommunismus in Rumänien zur Marktwirtschaft hat eine tiefe Umkehr in diesem Bereich gebracht.




    Vielen Dank für das Feedback, lieber Herr Pawelczyk. So ist es: Vor der Wende herrschte bittere Armut auf dem Land, die enteigneten Bauern hatten nichts mehr und mussten in den LPGs für einen Hungerlohn schuften. In einem Land, das früher als Kornkammer Europas gerühmt wurde, war selbst das Brot in allen Städten au‎ßer Bukarest rationiert, und Landbewohner durften ohnehin keins kaufen, sofern sie sich in der Stadt aufhielten. Auch andere Grundnahrungsmittel wie Speiseöl, Zucker oder Mehl bekam man nur in begrenzten Mengen und nur gegen Aufzeigen des Personalausweises. Kein Wunder also, dass damals viele Menschen in Richtung Stadt flohen. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei, auch wenn es in Rumänien immer noch ein starkes Entwicklungsgefälle zwischen Stadt und Land gibt.



    Postbriefe erhielten wir von Johannes Gutacker, Werner Schubert (mit einer beigelegten Postkarte mit Volkstrachten aus dem oberbayrischen Grafing), Klaus Huber (mit einer kleinen Spende für unsere Kaffeekasse — herzlichen Dank!), Christoph Paustian, Michael Willruth, Peter Möller und Sven Marsen (alle aus Deutschland).



    E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Petra Kugler, Alexander Bușneag und Heinrich Eusterbrock (aus Deutschland) sowie von Paul Gager (aus Österreich).



    Das Internetformular nutzten Christian Laubach und Mirko Raschke (beide aus Deutschland).




    Nächsten Sonntag haben wir den Hörertag, das Thema lautet Wo leben die glücklichsten Menschen und was macht für Sie Glück aus“. Fünf Beiträge haben wir bislang von den Hörern der deutschsprachigen Programme erhalten, falls Sie sich noch zum Thema äu‎ßern möchten, bitten wir Sie, es bis spätestens kommenden Mittwoch zu tun, damit wir die Sendung rechtzeitig planen können, denn es müssen auch Zusendung an die anderen Redaktionen übersetzt und eingesprochen werden.



    Ich sage an dieser Stelle danke fürs Zuhören und bis übernächsten Sonntag.




    Audiobeitrag hören:




  • Stadtflucht: Zurück aufs Land?

    Stadtflucht: Zurück aufs Land?

    An einem normalen Wochentag sind am Morgen die Hauptstra‎ßen, die das Zentrum Bukarests mit den Vororten verbinden, voll von Autos und Kleinbussen. In den letzten Jahren sind viele Menschen aus Bukarest in die Vororte der Hauptstadt umgezogen. Sie kommen aber täglich zur Arbeit zurück in die Stadt. Diese interne Migration hat schon immer stattgefunden, wichtig ist aber ihre Intensität, meint Vladimir Alexandrescu, Sprecher des Nationalen Statistikamts:



    Vom Lande in die Stadt sind 78 Tausend Personen gewandert, in die entgegengesetzte Richtung, von Stadt zu Dorf, waren es 107 Tausend Personen. Beginnend mit dem Jahr 2000, also seit 16 Jahren, kann man Schlussfolgerungen betreffend die Richtung und Intensität des Phänomens ziehen. So zum Beispiel sind im Jahr 2000 47 Tausend Personen in die Stadt gezogen, von Stadt zu Dorf waren es 82 Tausend. Der Unterschied ist offensichtlich. Diese Tendenz ist seitdem relativ konstant geblieben. Vor 1989 war die Tendenz eine andere: Die Menschen verlie‎ßen das Dorf und zogen in die Stadt auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Nach 1989 und insbesondere nach dem Jahr 2000 hat sich die entgegengesetzte Tendenz entwickelt. Das Phänomen erreichte seine höchste Intensität am Anfang der Wirtschaftskrise, in den Jahren 2008-2010. 2010 wurde der Höhepunkt erreicht, als 133 Tausend Personen aus der Stadt aufs Land zog. Seit dem Jahr 2000 lag der Unterschied bei ewta 30-40 Tausend Personen jährlich. Der grö‎ßte Unterschied wurde 2010 verzeichnet, als 133 Tausend die Stadt verlie‎ßen und 96 Tausend in die Stadt zogen.“




    Viele derjenigen, die die Stadt verlassen, haben Kinder. Die Altersgruppe 20-30 Jahre ist dabei sehr stark vertreten. Auch die Migration der Rentner oder derer, die kurz vor dem Pensionierungsalter sind, hat zugenommen. Diejenigen, die Häuser auf dem Land besa‎ßen, sind nach der Pensionierung zurückgegangen, denn das Leben auf dem Land kostet weniger als das Leben in der Stadt“, fügt Vladimir Alexandrescu hinzu. Ein Haus auf dem Land kommt meistens mit einem Grundstück, die Luft ist reiner und der Hof und der Garten können auch manche Lebensmittel liefern. Andra Matzal ist Journalistin und Übersetzerin und hat diesen Schritt gewagt. Sie wohnt jetzt 30 Kilometer von Bukarest entfernt:



    Ich habe diese Wahl getroffen, nachdem ich viele Jahre in Bukarest gelebt hatte. Diese Stadt ermüdete mich. Zudem fabulierte ich über all die einfachen Dinge, die man in einer Metropole vergisst. Dinge wie dein eigenes Essen züchten. Monatlich in Bukarest Miete zu zahlen, ist nicht gerade einfach. Alles kostet Geld. Ein Kaffee kostet viel. Seitdem ich entdeckt habe, dass man auch mit 3 Lei, und nicht mit 8, Kaffee bekommen kann, fällt es mir schwer, mehr zu zahlen. Und das ist die Regel, der echte Preis der Dinge ist ein anderer.“




    Andra Matzal lebt aber nicht als Landwirtin, sondern führt ein hybrides Leben zwischen Dorf und Stadt:



    In diesen vier Jahren habe ich mich viel verändert. Ich habe eine ganze Menge praktischer Dinge gelernt, von Feldarbeiten bis hin zur Vorbereitung der geernteten Sachen. Darüber hinaus ist die Beziehung zur Natur direkter. Andererseits wurde ich selektiver mit meinen sozialen Tätigkeiten. Als Journalist bist du immer in Versuchung, da zu sein, wo etwas passiert. So habe ich viele Menschen kennengelernt. Normalerweise bist du mit Menschen zusammen, die dir ähnlich sind. Hier entdeckst du andere Leute, mit anderen Lebensgeschichten, und du kannst viel von ihnen lernen. Nicht zuletzt glaube ich, dass ich jetzt besser organisiert und pragmatischer bin. Vielleicht auch mutiger.“




    Andra Matzal hat in letzter Zeit auch andere Bukarester getroffen, die die Stadt verlassen haben. Manche führen, so wie sie, ein hybrides Leben, andere möchten ein echtes ländliches Leben führen. Für alle bedeutete aber dieser Schritt eine Anpassung, die langfristig die ganze Gesellschaft beeinflussen wird.

  • Raus aus der Großstadt Bukarest – aber wohin?

    Raus aus der Großstadt Bukarest – aber wohin?

    Bukarest, die Hauptstadt Rumäniens, wirkte schon immer wie ein Magnet auf diejenigen, die besser bezahlte Jobs und mehr Komfort suchten. Viele Jahre lang war die Landflucht in Richtung Hauptstadt von keinem entgegengesetzten Phänomen ausbalanciert. Seit 2009, das hei‎ßt seit dem Anfang der Wirtschaftskrise in Rumänien, machte sich auch die Stadtflucht bemerkbar — man wollte aus Bukarest heraus, und viele Gro‎ßstadtbewohner entschieden sich für kleinere Städte oder sogar Dörfer.



    Manche verlassen die Hauptstadt endgültig; andere suchen sich Wohnungen oder Häuser in der Umgebung von Bukarest und pendeln jeden Tag zu ihrem Arbeitsplatz in der Hauptstadt. Über die Bukarester, die nicht mehr in Bukarest leben wollen, über die Gründe, die sie bewogen haben, die Hauptstadt zu verlassen, spricht Ioana Mihai, Journalistin bei der Zeitung Ziarul Financiar“:



    Erstens haben wir die Rentner, die sich entscheiden, Bukarest zu verlassen, weil sie ein altes Elternhaus oder Verwandte auf dem Lande oder in Provinzstädten haben. Dann gibt es die Studenten, die der Auffassung sind, da‎ß sie sich in Bukarest nicht integrieren können. Bukarest bietet in der Tat besser bezahlte Arbeitsplätze; dafür ist aber das Leben viel stressiger, man verliert viel Zeit mit den einfachsten Alltagssachen, und das zehrt an den Nerven. Sehr oft regt man sich furchtbar schon am frühen Morgen im Verkehr auf, auf dem Weg zur Arbeit. Wenn man endlich angekommen ist, ist man schon nervös. So etwas passiert in anderen Städten Rumäniens einfach nicht. Ferner haben wir die Kategorie derer, die bereits ein gewisses Niveau in ihrer Karriere erreicht haben, und frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder in einer ruhigeren Stadt gro‎ßziehen wollen. Ich kenne einige Topmanager, die höhere Stellungen als Manager in Bukarest aufgegeben haben, um als Angestellte bei Firmen in der Provinz zu arbeiten, oder als Selbständige eine Existenz fern von Bukarest zu gründen.“



    Die meisten Bukarester beschlie‎ßen, nicht sehr weit zu ziehen, etwa in den Landkreis Ilfov, in die ländliche und landwirtschaftliche Umgebung von Bukarest. Andere wiederum entscheiden sich für Landkreise, wo in den letzten Jahren viel investiert wurde, wie zum Beispiel für den Landkreis Timiş. Fast 11.000 Rumänen aus dem ganzen Land sind 2011 in den Landkreis Timiş gezogen. Was Bukarest betrifft, auch wenn hier die meisten Arbeitsplätze zu finden sind, auch wenn das Einkommen am höchsten ist, so sind auch die Lebenskosten sehr hoch. Die Journalistin Ioana Mihai erläutert:



    Wenn wir uns mal anschauen, wie hoch die Mieten in Bukarest sind oder wieviel ein Quadratmeter Wohnraum in einer neugebauten Eigentumswohnung kostet, dann verstehen sowohl die Unternehmer als auch die Familien, die ein Budget auf längere Zeit planen, da‎ß es preisgünstiger ist, au‎ßerhalb von Bukarest zu leben. Man sollte auch die Spritkosten nicht vergessen. Es gibt Städte in Rumänien, wo man die gesamte Hauptstra‎ße von einem Ende der Stadt zum anderen in 5 Minuten durchfährt. In Bukarest steht man ganze 5 Minuten nur an einer Stra‎ßenampel. Es gibt also eine ganze Reihe von verschiedenen Kosten, die man als Stadtmensch in Kauf nehmen mu‎ß. Es gibt viele Leute, die lieber eine oder zwei Stunden mehr mit ihrer Familie verbringen, als jeden Morgen und jeden Abend diese Zeit im Verkehr zu vergeuden. In der Provinz käme diese Zeit der Familie zugute.“



    Ebenfalls an die Familie, vor allem an die Kinder, dachte auch Sabina Dumitrescu, als sie, zusammmen mit ihrem Ehemann und noch einem befreundeten Ehepaar, eine selbständige, landwirtschaftich orientierte Existenz im Landkreis Ialomiţa, etwa 60 Km von Bukarest entfernt, gründeten. Es handelt sich um ein Gemüse-Anbau — dieser naturverbundene Lebensstil garantiert gesunde Lebensmittel, frische Luft und sichere Spielplätze für die Kinder der zwei Familien. Sabina und ihr Ehemann haben ihre Stadtwohnung in einem Bukarester Neubauviertel verlassen und sind aufs Land umgezogen. Zweimal die Woche fahren sie zu ihren Anbauflächen und kümmern sich um das Geschäft. Sabina Dumitrescu beschreibt ihr neues Zuhause:



    Wir wollten keine Umweltverschmutzung mehr. Von der ersten Nacht an, die wir in unserem neuen Haus verbrachten, fühlten wir uns wirklich zu Hause. Und die Kinder waren überglücklich, weil sie auf dem Hof spielen konnten. Vorher lebten wir in einer Hochhauswohnung, in der Nähe gab es schon einen gro‎ßen Park, aber das war nicht zu vergleichen mit dem Leben auf dem Lande. Unser Kinder entdeckten den Wald, das Feld, den Gemüsegarten, die Obstbäume auf dem Hof. Das ist ein ganz anderes Leben!“



    Die Anpassung an den neuen Lebensstil fiel keinem schwer. Im Gegenteil. Die Region, wo sie jetzt leben, sieht schon wie eine grüne Umgebung der Hauptstadt aus. Man hat den Stadtkomfort und die Ruhe des Landlebens. Sabina Dumitrescu:



    Die Entfernungen sind schon etwas grö‎ßer, man mu‎ß sich die Fahrten und das gesamte Tagesprogramm genauer einplanen. Aber das ist die Mühe wert, meine ich. Wenn man zu Hause ankommt, ist es schon etwas anderes. Man hat mehr Raum, man hat den Hof, die frische Luft, die Natur. Früher interessierte ich mich weniger für die Natur oder für Pflanzen. Ich war ein richtiger Stadtmensch, ich ging gerne mit Freunden aus, ich führte ein aktives Stadtleben. Aber sobald die Kinder auf die Welt gekommen waren, verstand ich, da‎ß andere Dinge wichtiger sind, und es schien mir natürlich, unseren Lebensstil zu ändern.“



    Zum Zeitpunkt ihrer Stadtflucht“ waren die zwei befreundeten Ehepaare etwa 30 Jahre alt. Als sie ihr neues Geschäft als Existenzgründung starteten, verstanden sie fast nichts von Landwirtschaft. Jeder der vier jungen Leute hatte etwas ganz Unterschiedliches studiert: Psychologie, Informatik, Architektur und Mathematik. Heute, etwa vier Jahre später, wollen sie sich auf Öko-Landwirtschaft spezialisieren. Matei Dumitrescu, der Ehemann Sabinas:



    Generell bauen wir Gemüse an. Obst haben wir weniger. In punkto Gemüse konzentrierten wir uns auf die Sorten, die saisonbedingt und ganz natürlich schon immer in Rumänien angebaut wurden. Wir haben ein ganzes Mitarbeiterteam — vor allem im Sommer stellen wir Tagelöhner ein. Das ist auch das Geheimnis eines gut laufenden Unternehmens — wir suchen uns die besten Arbeiter aus. In zwei oder drei Jahren hoffen wir, das Zertifikat für Öko-Landwirtschaft zu erhalten, so da‎ß unsere Erzeugnisse mit dem Bio-Siegel gekennzeichnet werden. Zurzeit orientieren sich alle neuen Unternehmer in Richtung Öko-Landwirtschaft, und das könnte schon einige Jahre dauern.“



    Mitten in der Wirtschaftskrise scheint es, doch verschiedene Lösungen für ein besseres Leben in Rumänien zu geben. Die Rumänen, die ein anderes Lebensniveau anstreben oder sich für ein umweltgerechtes Leben entscheiden, versuchen, solche Lösungen auf nationaler Ebene zu finden. Auf diese Weise wird die Auswanderung oder die Arbeitssuche im Ausland ausbalanciert.



    Audiobeitrag hören: