Tag: Stalinismus

  • „Reflector“: Mutige TV-Sendung nahm es mit kommunistischen Bonzen und Korruption auf

    „Reflector“: Mutige TV-Sendung nahm es mit kommunistischen Bonzen und Korruption auf

     

     

    Es ist eine Binsenwahrheit: In totalitären Gesellschaften ist die Presse gleichgeschaltet, und jeder weiß, dass er in staatlichen Medienprodukten mit Lügen konfrontiert wird und meistens nur Propaganda schlucken muss. So auch im kommunistischen Rumänien geschehen.

     

    Doch die Geschichte der Presse während der kommunistischen Jahre in Rumänien wies auch – für kurze Zeit – ein einigermaßen ehrenwertes Kapitel auf, in dem die Journalisten versuchten, ihre Berufsethik anzuwenden und die Stimme der Gesellschaft zu sein. Die Zeit zwischen 1966 und 1971 war die beste für die Presse unter dem kommunistischen Regime in Rumänien, und einige Medien-Produktionen waren beim Publikum besonders erfolgreich. So z.B. die Sendung „Reflector“ (zu deutsch in etwa: „Im Scheinwerferlicht“), die im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darin wurden institutionelle Missstände und Missbräuche durch Politiker oder Leiter staatlicher Behörden vor Augen geführt.

     

    Die Sendung „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“) war ein Versuch, verantwortungsvollen Journalismus zu betreiben – allerdings setzte das kommunistische Regime dabei klare Grenzen. Die offizielle Ideologie der rumänischen kommunistischen Partei durfte nicht in Frage gestellt werden, ebenso wenig wie das Wesen der Staatsmacht und der sozialen und politischen Ordnung. Ein Tabu waren auch die Person des Führers Nicolae Ceaușescu, seine Familie und die Verwandten, die führenden Aktivisten der Partei, die Armee, der Repressionsapparat, bestehend aus der Miliz und der Securitate, sowie Mitarbeiter der Justiz und des staatlichen Finanz- und Bankensektors. Daher befasste sich die Sendung „Reflector“ meistens mit Missständen und Fehlleistungen in der sozialistischen Konsumwirtschaft.

     

    Die Sendung wurde beginnend mir 1967 ausgestrahlt und orientierte sich an ähnlichen Sendungen in der westlichen Presse. Die Öffnung des rumänischen Fernsehens gegenüber dem Westen ist den Journalisten Silviu Brucan und Tudor Vornicu zu verdanken. Der zu erst Genannte war damals Intendant des Senders und zuvor Botschafter des sozialistischen Rumänien in den USA und bei der UNO gewesen und war von den amerikanischen Medien besonders angetan. Ironie des Schicksals – oder rumänische Paradoxie – der Mann war in den 1950er Jahren einer der schlimmsten Hetzer in der kommunistischen Presse gewesen – und in den 1990ern wieder als Talkshow-Gast gefragt. Tudor Vornicu hingegen, Chefradakteur der Sendung „Reflector“, hatte als Korrespondent des Rumänischen Rundfunks in Frankreich Karriere gemacht und war wiederum mit den französischen Medien vertraut. Aus diesem fragwürdigen Mix sollte ein halbwegs gutes Medienprodukt entstehen. Und darüber weiß der Journalist Ion Bucheru zu berichten, damals Vizeintendant des rumänischen Fernsehens und Koordinator des Teams, das die Sendung machen durfte. In einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks von 1997 erinnerte sich Bucheru, was den Erfolg der Sendung ausmachte.

     

    Ich war damals verantwortlich für die Sendung, die inzwischen zweimal wöchentlich ausgestrahlt wurde und 20 bis 25 Minuten dauerte. Die Sendung wurde bald zu einer sozialen Instanz. Die fünf Hauptakteure, die routinemäßig in der Sendung auftraten, führten sich wie Staatsanwälte auf und glaubten, einen sozialen Auftrag zu haben und ausüben zu müssen. Sie hatten einen direkten Draht zu den Menschen, sie wurden einfach von Bürgern angerufen, die keine andere Hoffnung mehr im Kampf mit der Bürokratie oder mit staatlichen Institutionen hatten.“

     

    Es war einfach ein schlechtes Omen, im Fernsehen vorgeführt zu werden, vor allem wenn es um skandalöse Fälle von Missbrauch, Inkompetenz oder Gleichgültigkeit in Umgang mit öffentlichen Geldern ging. Deshalb war selbst in den kleinsten Läden oder an Marktständen Panik angesagt, wenn das Kamera-Team von „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“)“ urplötzlich auftauchte. Ion Bucheru, der Chefredakteur von damals, erinnert sich weiter:

     

    Wir schlugen damals ziemlich über die Stränge: Wir beendeten die Sendung immer mit einem Standbild und einem Text. Das Bild zeigte ein schwarzes Auto, das in einer Abgas- oder Staubwolke davon düste, und der sarkastische Text lautete: »In diesem Auto verlässt Genosse Minister Soundso das Ministerium, wahrscheinlich in Eile, um an irgendeiner Sitzung teilzunehmen. Und er hatte es so eilig, davonzukommen, dass er nicht einmal die Zeit hatte, mit dem Reporter der Sendung zu sprechen.« Sie können sich vorstellen, was es für einen Wirbel veursachte, wenn ein Redakteur der Sendung den Leiter eines staatlichen Unternehmens oder einen stellvertretenden Minister anrief, um ihm nur mitzuteilen, dass das Journalisten-Team von »Reflector« bald vorbeikäme oder schon auf dem Gelände angekommen sei.“

     

    Doch dann kam der Moment Juli 1971, als der Diktator Nicolae Ceaușescu seine ominösen Thesen verkündete, mit denen eine 180-Grad-Wende eingeleitet wurde: vom relativ liberalen Kommunismus zum National-Kommunismus, in dem jede Kritik am System nicht mehr willkommen war. Es war im Grunde eine Rückkehr zur stalinistischen Epoche der 1950er Jahre, was eine große Bestürzung in den Ländern der freien Welt auslöste, die bis dahin die angebliche Distanzierung des rumänischen Führers von der Sowjetunion geschätzt und unterstützt hatten. Diese Rückentwicklung beeinflusste auch die Sendung „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“), die nach und nach an Schärfe verlor und uninteressant wurde, wie sich der damalige Chefredakteur Ion Bucheru erinnerte:

     

    Die sogenannten Juli-Thesen entsprangen Ceaușescus Geist, Kopf und Feder im Zuge eines Fernsehskandals. Es war der Moment, als Ceaușescu nach 1968 den Höhepunkt seiner Popularität und seines nationalen und internationalen Ansehens erreicht hatte. Es war eine Zeit, in der Rumänien international als ein kleines Weltwunder in dieser Ecke Europas galt. Es war eine Zeit, in der die Staatsoberhäupter Rumänien ihre Türen öffneten, selbst die konservativsten, selbst diejenigen, die es bis dahin abgelehnt hatten, Ceaușescu zu empfangen oder ihm die Ehre eines Staatsoberhauptes zu erweisen. Wenn man damals als rumänischer Journalist im Ausland unterwegs war – und ich habe das selbst erlebt –, wurde man nicht nur mit Sympathie, sondern mit einer Art von Brüderlichkeit betrachtet. Wir waren oft schlecht ausgestattet, ohne logistische Möglichkeiten unterwegs, und waren obendrein auch sehr schlecht bezahlt. Aber es gab eine solche Welle der Sympathie um uns herum, dass uns die ausländischen Kollegen beisprangen und uns vieles zur Verfügung stellten.“

     

    Mitte der 1980er Jahre, als das Fernsehprogramm nur noch zwei Stunden am Tag umfasste, wurde die Sendung „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“) eingestellt. Nach der Wende von 1989 gab es den Versuch, sie wiederzubeleben, doch sie konnte nie wieder an ihren vorherigen Erfolg anbinden.

  • „L’homme qui n’adhère à rien“ – die ideologischen Irrwege des Panait Istrati

    „L’homme qui n’adhère à rien“ – die ideologischen Irrwege des Panait Istrati

    Panait Istrati hat sich als junger Schriftsteller der kommunistischen Bewegung angeschlossen. Er ist auch einer der Intellektuellen, der sich nach einem kurzen Besuch in der Sowjetunion von dieser politischen Ideologie abwendet. Der Politikwissenschaftler und Publizist Ioan Stanomir erläutert den politischen und intellektuellen Werdegang des Schriftstellers:



    Die Beweggründe seiner Hinwendung in jungen Jahren zum Kommunismus ist — genau wie bei anderen Intellektuellen der Zeit in Europa — die Unzufriedenheit mit der damaligen sozialen Ordnung. Wie dürfen nicht vergessen, dass Panait Istrati erstens ein Sozialist war, ein Anhänger und guter Bekannter des bulgarischen Revolutionärs Christian Rakowski, ein Zeuge der Streiks, die Anfang des 20. Jahrhunderts unterdrückt wurden. Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass Istrati aus bescheidenen, ja prekären Verhältnissen stammte. Das alles mag ihn in seiner späteren Befürwortung des Kommunismus beeinflusst haben. Eine ausschlaggebende Rolle spielte dabei aber auch die Tatsache, dass er mit französischen Intellektuellen Kontakte knüpfte. Im französischen Kulturmilieu galt er als ein wahrer Gorki des Balkans, als Stimme der Verfolgten und Unterdrückten. Nicht zufällig habe ich den Vergleich mit Gorki erwähnt, die Schicksale Panait Istratis und Maxim Gorkis unterscheiden sich auf den ersten Blick voneinander, im Grunde genommen sind sie sich jedoch sehr ähnlich. Istrati war zunächst ein Kommunist, wurde dann aber von der Realität desillusioniert und folgte dem Weg der Nüchternheit, während Gorki hingegen ein Freund und Befürworter der Bolschewiken und Lenins war, der in einer ersten Etappe des Bolschewismus dennoch ins Exil ging. Später kehrte er in sein Heimatland zurück und schloss sich der Ideologie von Stalin an. Istrati und Gorki haben doch etwas gemeinsam: einen europäischen Ruhm und ein ideologisches Engagement, das Bild eines Schriftstellers, der die Berufung hat, den Bedürfnissen der Menschen, aus deren Milieu er selber stammt, Ausdruck zu verleihen.“




    1927 besuchte Istrati Moskau und Kiew. 1929 reist er wieder in die Sowjetunion und das ist der Zeitpunkt, an dem er den Schleier vor den Augen fallen lässt. Dem jungen Intellektuellen wird dann klar, dass das kommunistische Regime seine Worte nicht in Taten umsetzte. In seinem politischen Reisebericht Vers lautre flamme. Confession pour vaincus“ (rumänischer Titel: Spre o altă flacără”, deutscher Titel: Auf falscher Bahn. Geständnisse für Besiegte“), erschienen in französischer Sprache, prangert er den Totalitarismus der kommunistischen Ideologie an. Nachdem das Buch veröffentlicht wird, sieht sich der Schriftsteller Faschismus-Vorwürfen ausgesetzt. Dazu Ioan Stanomir:



    In zahlreichen Fällen war eine Reise in die Sowjetunion in der Regel kein Anlass, sich vom Kommunismus abzuwenden, sondern hingegen ein Anlass, sich in diese Ideologie weiter zu vertiefen. Die Ausnahmen bestätigen aber die Regel und es gibt wenige Intellektuelle der Zeit, die die Kraft finden, diesen ideologischen Schleier über die Augen zu lüften. Der englische Schriftsteller Herbert George Wells hat beispielsweise die Sowjetunion besucht und die Reise wirkte sich überhaupt nicht auf seine Weltanschauung aus. Es gibt zwei Namen, die hingegen ein gutes Beispiel für die Ernüchterung darstellen: Panait Istrati und André Gide. Die beiden sind nach Moskau gereist und haben Bücher geschrieben, die sie in heikle Situationen ihren Kampfgenossen gegenüber brachten. Nachdem Istrati »Auf falscher Bahn« geschrieben hatte, wurde ihm vorgeworfen, er würde den antifaschistischen Kampf verraten und eine Verleumdungskampagne gegen die Sowjetunion führen.“




    Panait Istrati prangert aber die Verbrechen von Stalin, nicht die kommunistische Ideologie an. Er bleibt ein Anhänger von Trotzki und gilt als einer der Intellektuellen, die nach einer reinen, unbefleckten Seele der Revolution“ suchten. Ioan Stanomir ist der Ansicht, dass Istrati eigentlich nur dem Stalinismus den Rücken kehrt:



    Trotzki war ein bewaffneter Prophet, der gegen sein eigenes Volk vorging. Die rote Armee, die Trotzki gegründet hatte, war ein Unterdrückungsinstrument gegen das russische Volk. Die rote Armee hat im russischen Bürgerkrieg die Bauern vernichtet. Trokzi stellte die antibürokratische und antitotalitäre Alternative aus Sicht der radikalen Linken dar. Istrati wendet sich von der politischen Ideologie Lenins ab, weil er einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Leninismus aus Sicht der Linken und dem Stalinismus aus Sicht der antistalinistischen Linken merkt. Istrati streift seine linksextremistischen Überzeugungen niemals ab, sieht aber ein, dass Stalins Russland die Prinzipien Lenins nicht einhält. Genau wie andere Intellektuelle lässt sich Panait Istrati täuschen, dass der Leninismus unterschiedlich vom Stalinismus und dass der Leninismus kein totalitäres Regime sei.“




    Wie hat das kommunistische Regime in Rumänien den Schriftsteller für seine Zwecke instrumentalisiert? Dazu Ioan Stanomir:



    Panait Istrati wird in den 1960er Jahren in Rumänien ideologisch ausgeschlachtet. Es war kein Zufall, dass gerade in jenen Jahren die rumänisch-französische Kooperation in vielen Bereichen ausgebaut wurde. Aus der Zeit stammt die rumänisch-französische Film-Koproduktion »Codin«, die auf einem Text von Istrati beruht, ebenso die Verfilmung seines Romans »Die Disteln des Baragan«. Bei der Wiederanspornung der Beziehungen zu Frankreich spielte sein literarischer Nachlass auf jeden Fall eine ausschlaggebende Rolle. Istrati war ein geistiges Kind Frankreichs, ein balkanischer Gorki, der von dem linken Kulturmilieu Frankreichs gefördert wurde. Zu jenem Zeitpunkt waren zahlreiche französische Kommunisten nach Rumänien gekommen, Regisseure aus Frankreich machten sich für eine volksdemokratische Filmkunst in Rumänien stark. Zahlreiche Werke Istratis wurden dann ins Rumänische übersetzt, weil ein guter Teil ursprünglich auf französisch verfasst worden war. Wenn man einen Blick in die rumänischen Werkausgaben jener Zeit wirft, ist die Interpretation seines Lebenslaufes im Vorwort ebenfalls aufschlussreich: Istratis Abkehr vom Stalinismus sei zwar ein gravierender zeitweiliger Fehler gewesen, den er jedoch durch seine Verdienste um die Arbeiterbewegung wieder gut zu machen vermocht habe.“




    1933, zwei Jahre vor seinem Tod, veröffentlichte Panait Istrati den Essay L’homme qui n’adhère à rien“ (zu dt. in etwa Der Mensch, der sich zu nichts verpflichten lässt“), in dem er dem Stalinismus erneut eine Absage erteilte und seine Unabhängigkeit innerhalb linker Ideologien betonte.

  • Gheorghe Gheorghiu-Dej, Vertreter des Stalinismus in Rumänien

    Gheorghe Gheorghiu-Dej, Vertreter des Stalinismus in Rumänien

    1965 starb Gheorghe Gheorghiu-Dej, der erste kommunistische Anführer Rumäniens. Er war einer der Hauptverantwortlichen für die 1945 unter Aufsicht der Roten Armee begonnene Sowjetisierung des Landes und ein Exponent der totalitären Politik rund um die kommunistische Einheitspartei. Historiker attestieren ihm eine Aktivität als Agent der Komintern in der Zwischenkriegszeit und eine unrühmliche Rolle in der Zerstörung der rumänischen Demokratie nach dem Krieg.




    Gheorghe Gheorghiu-Dej wurde 1901 in einer Arbeiterfamilie geboren. Er heiratete — damals selbstverständlich — jemand aus dem eigenen Milieu, eine Arbeiterin. Dej arbeitete bei den Griviţa-Werken der rumänischen Eisenbahn CFR als Elektriker. Mit 29 im Jahre 1930 schrieb er sich in die Kommunistische Partei ein. Dej wurde 1933 wegen seiner Rolle im Streik von Griviţa verhaftet. In den 1940er Jahren teilte er die Gefängniszelle mit Nicolae Ceauşescu, seinem späteren Nachfolger als Staats- und Parteichef. Nach dem Frontenwechsel Rumäniens am 23. August 1944 wurde Dej befreit und zum Führer der Kommunistischen Partei.



    Ştefan Bârlea, Jahrgang 1934, ehemaliger Kader der Kommunistischen Partei Rumäniens (PCR), hat beide Diktatoren kennengelernt. Im Jahr 2002 interviewten ihn unsere Kollegen von der Rundfunk-Abteilung für mündlich überlieferte Geschichte. Im folgenden erinnert er sich an die Machtergreifung von Dej und an die Umstände, unter denen Ceauşescu sein Nachfolger wurde.



    Das System hat zwei Posten für den Leiter der Partei und des Staates geschaffen: Dej und Ceauşescu. Meine Meinung ist, dass andere Führer, egal ob sie besser oder schlechter gewesen wären, die wesentlichen Eigenschaften des Systems nicht verändert hätten. Wer die Geschichte des 20. Jahrhunderts kennt, kann sehen, dass in zahlreichen Ländern eine ähnliche Doppelbesetzung wichtiger Ämter stattgefunden hat. Der Schöpfer der wirtschaftlichen und politischen Strukturen im Rumänien der Nachkriegszeit war Gheorghiu-Dej. Er hat Ceauşescu erschaffen. Ich glaube, Dej war überzeugt, dass die Partei die beste Lösung bezüglich seines Nachfolgers finden wird. Deshalb hat er keinen Nachfolger ernannt. Das ist allen autoritären Führern typisch. Stalin, Lenin oder Mao haben nach meinem Wissen ebenfalls die Aufgabe der Partei überlassen.“




    Dej war ein schlauer und grausamer politischer Führer, der sogar davor nicht zurückschreckte, seine Gegner physisch beseitigen zu lassen. Einige behaupten, der Tod des kommunistischen Politikers Ştefan Foriş im Jahre 1940 sei von Dej angeordnet worden. Die Hinrichtung von Lucreţiu Pătrăşcanu, eines weiteren kommunistischen Aktivisten, war ebenfalls von Dej geplant worden. Die Beseitigung der von Ana Pauker geleiteten Gruppierung war ebenfalls Dejs Werk. Er war ein Befürworter der Sowjetisierung Rumäniens und hatte auch einen entscheidenden Beitrag am späteren Versuch der rumänischen Kommunisten, sich von der Sowjetunion ab 1960 zu distanzieren. Einigen Spekulationen zufolge sei Dej deswegen während einer Moskau-Visite vorsätzlich atomarer Strahlung ausgesetzt worden, woran er dann gestorben sei. So soll die Sowjetunion versucht haben, die Distanzierung Rumäniens von Moskau zu verhindern. Ştefan Bârlea dazu:



    Ich spürte, dass Gheorghiu-Dej ein Wort in der Wirtschaft zu sagen hatte. Nach 1945-1946 bekleidete er verschiedene Führungsämter in bedeutenden Ministerien. Er war erster Vizepräsident der Regierung und leitete die Ausschüsse für den Wiederaufbau der Wirtschaft. Dej beförderte zahlreiche Mitglieder des Politbüros der Partei in die Regierung Rumäniens, die im Zeitraum 1952 – 1955 von ihm geleitet wurde. Damals traten drei Minister zurück, der Finanzminister Vasile Luca, die Au‎ßenministerin Ana Pauker und der Innenminister Teohari Georgescu. Gheorghiu-Dej verbuchte zwei Erfolge gleichzeitig: Er schaffte es, die Leitung der Partei und die Regierung von seinen Gegnern zu säubern. Praktisch hat er die Regierung übernommen und dann den Ministerpräsidenten Groza zum Vorsitzenden des Präsidiums der Gro‎ßen Nationalversammlung ernannt.“




    Ştefan Bârlea erinnert sich, dass Nicolae Ceauşescu als Favorit unter den möglichen Nachfolgern von Dej galt:



    Alle wussten, dass Dej krank war, dass er einen Harnblasen-Polypen hatte und einer Operation unterzogen worden war. Niemand kannte aber seinen genauen Gesundheitszustand, vielleicht nur die Leute in seinem engsten Umkreis. Die letzte Sitzung des Zentralkomitees der Union der Kommunistischen Jugend fand einen Monat vor Dejs Tod statt. Ceauşescu, damals Leiter der Jungkommunisten, war sehr müde. Wir hatten einen Bericht vorbereitet, Trofin war erster Sekretär, und wir wollten Rechenschaft ablegen. Ceauşescu hat uns kaum zugehört und sprach in einem fort über die Rolle und Bedeutung der Jugend. Sie sei die Kader-Reserve der Partei, sagte er. Erst nach dem Tod von Gheorghiu-Dej habe ich begriffen, worüber er eigentlich sprach. Er warb im Unterton um Unterstützung, um die Führung der Partei zu übernehmen. Wir bei der Jugendorganisation waren alle ohnehin überzeugt, dass Ceauşescu der Nachfolger von Gheorghiu-Dej sein wird. Und genau so kam es.“




    Gheorghe Gheorghiu-Dej starb am 19. März 1965 in Bukarest. Die Parteiführung (später auch die Staatsführung) übernahm für die kommenden knapp 25 Jahre Nicolae Ceauşescu.

  • Nachrichten 22.08.2014

    Nachrichten 22.08.2014

    BUKAREST: Die rumänische Regierung hat ein Gesetzesprojekt angenommen, laut dem die Folterknechte des kommunistischen Regimes den Opfern des Kommunismus Entschädigungen in Höhe von 25% bis 75% ihrer Monatsgehälter bezahlen müssen. Dies gab am Freitag der Berater des rumänischen Ministerpräsidenten, Corneliu Vişoianu, bekannt. Vişoianu brachte eine Botschaft des Ministerpräsidenten Victor Ponta beim 21. Kongress der Internationalen Assoziation ehemaliger politischer Gefangenen und Opfer des Kommunismus in Osteuropa (INTERASSO), der in Bukarest statfindet. An dem Kongress beteiligen sich Delegierte aus Deutschland, Kroatien, Ungarn, aus der Slowakei, Lettland, Litauen, Estland, Albanien und aus der Republik Moldau. Die Teilnehmer sind bedeutende Vertreter des antikommunistischen Widerstands. Rumänien wird beim Kongress vom Verband der ehemaligen politischen Gefangenen (AFDPR), Mitglied der INTERASSO, vertreten. Beim Kongress in Bukarest werden 25 Jahre seit dem Fall des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa begangen; dabei gedenken die Kongressteilnehmer den Opfern des totalitären kommunistischen Regimes und würdigen den Kampf gegen die Diktatur. Seit 2009 ist der 23. August der Europäische Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus.



    BUKAREST: Der rumänische Aussenminister Titus Corlăţean hat seine Empörung über die Ermordung des US-Journalisten James Foley von der Terrormilitz Islamischer Staat geäu‎ßert. Corlatean hat das Terrorverbrechen scharf verurteilt und betont, es sei inakzeptabel, dass Journalisten Ziele von Terrorangriffen in bewaffneten Konflikten und Opfer bei der Ausübung ihres Berufes werden. Solche grausame Taten müssten von der ganzen internationalen Gemeinschaft scharf verurteilt und die Täter müssten vor Gericht gebracht werden, fügte Rumäniens Aussenminister hinzu. Rumänien werde auch ferner als NATO-und EU-Staat seinen Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus leisten; Terrorismus sei eine ernste Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der ganzen Welt, so Titus Corlatean.



    CHISINAU: Der russische Vizepremierminister Dmitri Rogozin bespricht mit Vertretern der prowestlichen moldauischen Regierung in Chisinau die angespannten bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Laut dem Radio-Rumänien-Korrrespondenten dürften dabei der von Russland verhängte Importstopp gegen moldauische Produkte und die russischen Gaslieferungen nach Chisinau im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Der aktuelle Vertrag, der die russischen Gaslieferungen für die Republik Moldau regelt, läuft am 31. Dezember aus. Ferner soll Rogozin die prorussische separatistische Region Transnistrien besuchen. Neulich hatte der Präsident der nicht anerkannten abtrünnigen Republik, Evgheni Şevciuk , einen Erlass über die militärische Teilmobilmachung unterzeichnet. Die separatistische Region Transnistrien sei von der Republik Moldau und der benachbarten Ukraine einer Wirtschaftsblockade ausgesetzt, erklärte Şevciuk. Transnistrien steht faktisch seit 1992 nicht mehr unter der Kontrolle Chisinaus, nach einem bewaffneten Konflikt, der hunderte Opfer forderte und mit dem Einsatz Russlands auf der Seite der Separatisten endete. Selbst wenn Moskau offiziell erklärt, es respektiere die territoriale Integrität der Republik Moldau, unterstützt Russland die separatistische Bewegung in Transnistrien.



    SPORT: Der rumänische Pokalsieger Astra Giurgiu hat sich am Donnerstag auswärts mit 2 zu 1 gegen den mehrfachen Meister Frankreichs, Olympique Lyon, im Playoff-Rückspiel der Europe League durchgesetzt. Ein anderer Vertreter Rumäniens in der Europe League, Petrolul Ploiesti verlor im Heimspiel mit 1 zu 3 gegen die Kroaten von Dinamo Zagreb. Am Dienstag setzte sich Rumäniens Meister Steaua Bukarest im Playoff-Spiel der Champions League mit 1 zu 0 gegen den Meister Bulgariens, Ludogoreţ Razgrad durch. Die Rückspiele finden nächste Woche statt.

  • Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)

    Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)

    Die Literatur war eine der von den Kommunisten bevorzugten Kunstformen. Die Überzeugungskraft des literarischen Textes, die Profile der rudimentär skizzierten Charaktere, die auf die Instinkte der Menschen einwirkten, verhalfen dem Regime zu viel grö‎ßeren Erfolgen, als es Literaturhistoriker einräumen wollen.



    Die Methode des literarischen Schaffens in den 1950er Jahren wurde als sozialistischer Realismus bezeichnet und von den sowjetischen Kulturagenten eingeführt. Ab 1965 hatte das Regime des jungen Führers Nicolae Ceauşescu die Erneuerung des Landes durch eine vermeintliche Aufhebung der Ideologie geplant. Im Zuge dessen wurde die Literatur von den Zwängen des sozialistischen Realismus befreit. So konnte das Regime einige Intellektuelle zur Zusammenarbeit überreden, die in der Tat dachten, ein neues Zeitalter würde gerade eingeläutet. Allerdings sollten die Hoffnungen derjenigen, die ihre Dienste zur Verfügung gestellt hatten, in den 1980er Jahren zertrümmert werden: Es stellte sich heraus, dass das Regime von Nicolae Ceauşescu nichts Anderes als ein Stalinismus mit verändertem Antlitz war.



    Der Historiker Cristian Vasile vom Nicolae Iorga“ – Institut in Bukarest nennt zwei Fälle von Intellektuellen, die sich dem neuen literarischen Kanon des kommunistischen Regimes von Ceaușescu zwischen 1965 und 1974 angepasst hatten. Das war zum einen der Übersetzer und Literaturhistoriker Alexandru Balaci und zum anderen der Schriftsteller Alexandru Ivasiuc. Über Alexandru Balaci sagte Vasile, er habe als stellvertretender Kulturminister versucht, bei einem Besuch in Bulgarien 1967 die neue literarische Methode des sozialistischen Humanismus in Schutz zu nehmen.



    Balaci hatte auch Treffen mit den Parteiaktivisten in mehreren Städten, mit Kulturpersönlichkeiten, er besuchte unterschiedliche Kultureinrichtungen und, was mir am wichtigsten scheint, er hielt mehrere Konferenzen an der Oberen Parteischule in Sofia. Die rumänischen Quellen erwähnen vier Konferenzen mit Alexandru Balaci in der Hauptrolle, bei denen er nicht weniger als 80 Fragen gestellt bekam. Darunter waren einige Fragen, die ihn vielleicht nicht vor ein Problem stellten, aber immerhin eine aufmerksame, nuancierte Haltung verlangten, begleitet von diplomatischem Geschick und eventuell ausweichenden Antworten. Einige der Fragen bezogen sich zum Beispiel auf die Literatur der mitwohnenden Nationalitäten und den Stand der kulturellen Beziehungen zur UdSSR. Die interessanteste Frage aber lautete wie folgt: ‚Welchen Standpunkt haben die rumänischen Intellektuellen zum sozialistischen Realismus?‘ Die Frage schien einen anachronisch-dogmatischen und irgendwie provozierenden Charakter zu haben, und das aus zwei Gründen: Der sozialistische Realismus war die einzige zulässige Schaffensmethode, die mit dem Stalinismus in Verbindung gebracht und von den Sowjets auferzwungen wurde, dazu standen die bulgarischen Kommunisten dem Kreml noch näher als die Rumänen. Zweitens hatten Nicolae Ceauşescu und die Parteibürokratie zumindest offiziell darauf verzichtet, von den Intellektuellen die Einhaltung des sozialistischen Realismus zu verlangen. Die einzige Schaffensmethode der 1950er Jahre war im Prinzip von dem sozialistischen Humanismus ersetzt worden, ein Begriff, der in den Parteidokumenten und den Vorträgen von Ceauşescu vorkam. Alexandru Balaci hat seine Verwirrung zum Ausdruck gebracht und seine Gesprächspartner gebeten, den sozialistischen Realismus im neuen Kontext zu definieren.“




    Der zweite Fall, der des Schriftstellers Alexandru Ivasiuc, birgt eine viel traurigere Geschichte, wie der Historiker Cristian Vasile erzählt.



    Der spätere Schriftsteller hatte 1956, als Philosophie-Student und vor dem Hintergrund der Revolte in Budapest, den Sinn der Vorlesung »Grundlagen des Marxismus-Leninismus« hinterfragt, eine Vorlesung, die an allen Universitäten zur Grundausbildung gehörte. Ivasiuc lehnte die marxistisch-leninistische Disziplin ab und wurde wegen seiner trotzenden Haltung zu sieben Jahren Haft und Hausarrest verurteilt. Neben der Anfechtung des Studienplans hatte er eine Solidarisierungsaktion der Studenten mit der Revolte in Ungarn geplant. Als Erwachsener erlebt Alexandru Ivasiuc allerdings einen tiefen Wandel. Er wählt eine seltsame Form von Marxismus, die ihm eine Annäherung an das politische Regime ermöglicht, das ihn zehn Jahre zuvor als Feind, Anstifter und Konterrevolutionär bezeichnet und ins Gefängnis geschickt hatte. Obwohl er zwischen 1956 und 1963 allen Erniedrigungen der einsamen Haft und des Hausarrests ausgesetzt worden war, schien er jetzt von den Beziehungen zwischen dem Individuum und der Machthaber besessen zu sein. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre strebte er eine soziale Wiedereingliederung an, die ihn den ideologischen Herrschern näherbringen sollte. Unmittelbar nach Verbü‎ßung der Strafen 1963 wird er zum Beamten in der US-Botschaft in Bukarest. Gleichzeitig widmet er sich der literarischen Arbeit, später wird er in Führungsämter gelangen. Und in derselben Zeitspanne wird die Verwandlung von Ivasiuc bemerkbar, die in seinen Romanen »Intervall«, »Nachtforschung«, »Die Vögel«, »Erleuchtungen« zu spüren ist. Einige Kritiker und Literaturhistoriker haben auf eine bemerkenswerte Tatsache hingewiesen: In der politischen Prosa jener Zeit, den sogenannten Romanen des sogen. ‚eindringlichen Jahrzehnts‘, wurden die von dem Regime bedrängten Personen fiktiv rehabilitiert, während in den Schriften des ehemaligen politischen Häftlings Ivasiuc die Folterer rehabilitiert und die Opfer noch einmal verurteilt werden. Unabhängig der Frage, ob Ivasiuc ein ehrlicher konvertierter Marxist oder lediglich ein Zyniker war, spiegelt sein Fall offenbar den Erfolg der perversen Mechanismen der kommunistischen Pädagogie wider. Viele seiner Ausdrucksformen in der Öffentlichkeit haben den Eindruck hinterlassen, dass sie von einem Menschen stammten, der einen starken inneren Wandel erlitten hat.“



    Der sozialistische Humanismus ist 1989 mit der gesamten Kulturpolitik des Ceaușescu-Regimes verschwunden. Er war lediglich ein weiteres Kapitel der betrügerischen Kunst, die auch mit politischer Unterstützung sich nicht als authentischer Wert etablieren kann.



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  • Stalin und der Stalinismus

    Stalin und der Stalinismus


    Am 5. März 1953 starb Josef Wissarionowitsch Stalin, der als einer der blutrünstigsten Führer eines verbrecherischen Regimes in die Geschichte einging. Eine solche Bezeichnung kommt nicht von ungefähr: Der sowjetische Diktator und sein Regime haben Millionen von Menschen, ganze Völker und Volksgruppen auf dem Gewissen. In Pro Memoria sprachen wir mit zwei rumänischen Historikern über Stalin und den Stalinismus.


    Stalinismus ist der Name der totalen Tyrannei. Der Stalinismus war die abscheulichste Regierungsform, in der ein einziger Mann und der von ihm ausgelöste Terror das Sagen hatten. Das Mitläufertum so mancher Bürger hat es erleichtert. Liviu Rotman ist Professor an der Hochschule für Politische und Administrative Studien (SNSPA) in Bukarest. Seiner Meinung nach habe die ideologische Verblendung vieler Menschen und der Personenkult um Stalin die Entstehung und das Überleben des Stalinismus ermöglicht.


    In der Audiodatei erklärt Professor Rotman seine Auffassung, dass der Kommunismus unweigerlich in Terror und Tyrannei münden müsse. Au‎ßerdem erläutert der Historiker Cristian Vasile vom Geschichtsforschungsinstitut Nicolae Iorga“ das politische Gedankengut Stalins und seiner Anhänger sowie dessen historischen Ursprünge.


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