Tag: Straßenfest

  • Geschlechter im Dialog: Straßenfest für Frauen und Männer im Turnus

    Geschlechter im Dialog: Straßenfest für Frauen und Männer im Turnus

    Der Herbst ist die Jahreszeit der Feste. Zwar denken wir im Herbst in der Regel an Erntefeste, die die Feldarbeit und ihre Früchte feiern, doch diesmal handelt es sich um ein verschiedenes Fest. Wir bleiben nämlich in der Stadt, in Bukarest, der rumänischen Hauptstadt, um genauer zu sein. Denn heuer findet hier ein den Männern gewidmetes Festival statt. Das Fest findet in der Mătăsari-Stra‎ße statt, wo alljährlich im Sommer das Fest Frauen in der Mătăsari-Stra‎ße“ veranstaltet wird. Dieses Mal treten aber die Männer in den Vordergrund. Handwerker, Künstler, Kunstgewerbler stellen sich und ihre Geschäfte zu diesem Anlass vor.



    Iulian Văcărean vertritt den Verein Beneva. Der Verein hat auch in der Vergangenheit verschiedene ähnliche Veranstaltungen organisiert. Er gab uns mehr Einzelheiten zur Entstehung des Festes:



    Wir glauben, Männer und Frauen sind gleich. Auch wenn derzeit viel über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen gesprochen wird. Nach 8 Jahren, in denen in der Mătăsari-Stra‎ße ein lediglich den Frauen gewidmetes Fest stattgefunden hat, wollten wir ein Fest für Männer veranstalten. Unsere Absicht war, begabte Handwerker, Künstler, Kunstgewerbler, Designer bekannt zu machen. Wir wollten sie an einem Ort zusammenbringen, so dass sie auch die Möglichkeit haben, die Ergebnisse ihrer Arbeit vorzustellen.“




    Iulian Văcărean erzählte uns darüber hinaus, was wir beim Fest finden werden:



    Es beteiligen sich bewährte Handwerker wie z.B. Daniel Leş mit seinem Töpferrad — denn die Erde ist der Ursprung von allem. Es kommen Schmiede und bauen hier in der Stra‎ße eine Werkstatt auf, wo sie den Leuten zeigen, wie das Eisen bearbeitet wird. Darüber hinaus kommen auch Vertreter jüngerer Berufe: Designer, Schneider, die mit Leder arbeiten, Männer, die Werbeagenturen leiten, Musiker, Maler. Die Mătăsari-Stra‎ße wird sich in einem Begegnungsort der Freunde verwandeln. Unter dem Motto »Friends Forever« bieten wir Frauen und Männern aus verschiedenen Berufskategorien die Möglichkeit, sich anzufreunden.“




    Und zumindest dem Anschein nach ist es auch geschehen. Neben den Karikaturisten, die sich nach dem Motto Noch hat sich keiner über dich lustig gemacht, allerdings ist noch Zeit genug dafür!“ richteten, trafen zusammen Fahrrad-Ingenieure, die kundenspezifische Fahrräder entwerfen, die Jungs von der legendären Fahrradmarke Pegas, die häufig aktiv mitwirken, aber auch Modedesignerinnen, begeistert von ihrem Erfolg.



    Simona Gonciulea erzählte uns, warum sie zum Festival Männer in der Mătăsari-Stra‎ße“ kam.



    Ich schaffe Produkte für Männer — verschiedene Taschen, gewobene Schuhe — und ich wollte sie den Männern zeigen. Die Besucher waren sehr begeistert, ich habe einige Produkte verkauft und ich nehme auch Bestellungen im Internet an.“




    Cristina ist Modedesignerin. Sie ist seit weniger Zeit mit ihren Produkten auf den Markt eingetreten. Allerdings schätzt sie das Fest Frauen in der Mătăsari-Stra‎ße“ hoch und dachte, es sei eine gute Gelegenheit, ihre Ware bekannt zu machen:



    Ich stelle eine Kleiderkollektion für Kinder im Alter zwischen 1 und 7 Jahren vor. Es sind einfache Kleidungstücke, geschlechtsneutral, in schwarz, grau und hellbraun. Die einzige starke Farbe ist gelb. Ich entschied, am Festival »Männer in der Mătăsari-Stra‎ße« teilzunehmen, weil ich es eine gute Initiative finde. Es kommen anständige Menschen zusammen. Ich habe alljährlich an das Festival für Frauen teilgenommen, doch mein Geschäft besteht seit lediglich 7 Monaten. Am Festival im Sommer war ich nicht bereit, als Ausstellerin teilzunehmen, deshalb wollte ich es jetzt unbedingt versuchen.“




    Iulian Văcărean bestätigte einmal mehr den nicht ausschlie‎ßenden Charakter der Veranstaltung:



    Die Veranstaltung richtet sich nicht ausschlie‎ßlich an Männer. Zwar wollen wir die Männer in den Vordergrund bringen, doch auch die Frauen sind herzlichst willkommen. Männer und Frauen arbeiten sehr gut zusammen, vor allem in kreativen Bereichen. Eben das wollen wir hervorheben.“




    Bei dem Fest Frauen in der Mătăsari-Stra‎ße“ ist das Rennen auf Absätzen einer der lustigsten und unterhaltsamsten Momente. Daher wollten wir von Iulian Văcărean erfahren, was für eine Probe die Männer bestehen müssen:



    Ich glaube, die Männer hacken Holz. Ein Fachmann wird den Teilnehmern beibringen, wie Holz professionell gehackt wird. Wir werden mit der Kettensäge Baumstämme formen. Es gibt zahlreiche interessante Tätigkeiten. Das den Männern gewidmete Fest findet im Herbst statt, deshalb war es schwierig, die gleichen Aktivitäten wie im Sommer anzubieten. Dieses Fest will eine Verlängerung des sommerlichen Festes sein — eine Herbstausgabe. Künstler, Handwerker, Geschäftsmänner, die Bukarest in eine schönere, freundlichere Stadt verwandeln möchten, beteiligen sich daran.“




    Gute Laune und Heiterkeit herrschten beim diesjährigen Fest. Die Musik der 1980er Jahre begleitete die Veranstaltungen. Hausgemachte Getränke und Speisen ergänzten das Angebot. Sollte es ein gro‎ßes Erfolg werden, so versprechen die Veranstalter, das Fest Männer in der Mătăsari-Stra‎ße“ alljährlich zu wiederholen.

  • Block Party – das etwas andere Bukarester Straßenfest

    Block Party – das etwas andere Bukarester Straßenfest

    Leseempfehlungen, Bücherpyramiden auf der Stra‎ße, Lesungen zeitgenössischer Poesie und organisierte Stadtführungen, kulinarische Delikatessen, zubereitet vom Meisterkoch Liviu Lambrino für eine gemeinsame Mahlzeit (ein langer Tisch, aufgedeckt für etwa 30 Personen) — das alles erwartet die Einwohner von Bukarest im Oktober in der Innenstadt. Au‎ßerdem lädt Paul Dunca die Bukarester zum Tanzen ein, zur Musik von Jim Felix. Die Open-Air-Filmprojektionen ziehen ebenfalls viele Besucher in die Innenstadt der rumänischen Hauptstadt an.



    Edmund Niculuşcă ist der Leiter des Rumänischen Kulturvereins Bildung und Normalität“, kurz ARCEN, und zugleich Urheber der Veranstaltung. Er lieferte uns folgende Einzelheiten zum Event:



    Wir verwandeln die Stra‎ße in einen vielschichtigen Raum. Innerhalb von 12 Stunden sollen ganz viele Veranstaltungen in der Stra‎ße I.L. Caragiale stattfinden: Es kommt die Ausstellung, die Rumänien an der Internationalen Architektur-Biennale in Venedig vertreten hat, Mnemonix, »În faţa blocului« (»Vor dem Wohnblock«), das Projekt, das alle Kindheitsspiele in einem Buch vereinigt. Block Party, unsere Veranstaltung, umfasst einige Schlüsselmomente: das Spiel, den Tanz, den Dialog.“




    Liegestühle, Teppiche, Sitzpolster, Decken, Bücherregale — das alles gab es in der Innenstadt am Wochenende. Die Besucher hatten die Gelegenheit, ein freundliches Wohnzimmer direkt in der Stra‎ße zu genie‎ßen. Eine Buch-Installation lädt direkt vor Ort zum Lesen ein. Eine an einem Ziegelstein befestigte Metallstange mit einer Platte am Ende, worauf das Buch stand — so sah die Buch-Installation aus. Sobald ein Leser das Buch von der Platte hob, fand er darunter einen Zettel, mit der Begründung der Buchempfehlung. Edmund Niculuşcă erzählte uns mehr über die Projektentstehung:



    Bukarest braucht ein neues historisches Kulturzentrum. Die Umgebung von Icoanei ist der richtige Ort dafür. Icoanei ist ein historischer Stadtteil und liegt im Zentrum von Bukarest. Sein kulturelles Potenzial kann genutzt werden. Icoanei kann sich zu einem anderen historischen Zentrum entwickeln.“




    Die Geschichte hat in diesem Stadtteil eine kulturelle Dimension. Sie lässt sich gerne enthüllen, so Edmund Niculuşcă:



    In der Stra‎ße I.L. Caragiale befinden sich alle Partner von District 40: das Französische Institut, die Zentralschule, die Residenz Scena 9, Point, die Buchhandlung Cărtureşti und Cinetics. Es sind sechs Partner, die bereits an diesem Netz — District 40 — teilnehmen. Während der Museennacht fanden verschiedene Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten statt. Nun vereinigen sich all diese Kulturinstitutionen und begegnen einander in einer Stra‎ße. Sie beweisen, dass es möglich ist, zusammenzuarbeiten und das Unmögliche möglich zu machen. Ursprünglich hatten wir das Projekt als »Stadtteil im Zentrum« bezeichnet, bevor wir auf den Namen »District 40« kamen. Wir wollten nämlich ein verschiedenartiges Stadtzentrum schaffen. Die Philosophie, die dem Projekt zugrunde steht, haben wir bewahrt, auch wenn sich der Name geändert hat.“




    An den Stra‎ßenveranstaltungen nahm auch die Dichterin Nora Iuga teil. Sie las aus ihrer Poesie vor. Anwesend waren auch Vertreter verschiedener Urbanismusprojekte, unter anderem der Kurator des Projekts MNEMONICS sowie die Architekten Şerban Sturdza und Şerban Radu. Letzterer ist übrigens der Begründer der Buchhandlung Cărtureşti. Debattiert wurde auch über das Projekt Catalog 40. Das Vorhaben zielte darauf ab, die Menschen mit den geschützten Gebieten in Bukarest vertraut zu machen. Alberto Groşescu, stellvertretender Vorsitzender des rumänischen Kulturvereins ARCEN, mit mehr Einzelheiten:



    Von allen ARCEN-Projekten, die wir bislang umsetzten, war dieses das dynamischste. Es erfuhr die meisten Änderungen. 2015 haben wir zwei weitere bebaute geschützte Gebiete identifiziert. Das war unsere Demo-Version. Bei dieser Gelegenheit stellten wir die Dynamik der Stadt fest. Wir beobachteten, wie schnell sich die Stadt weiterentwickelt. Daher überlegten wir, wie wir die Schutzgebiete innerhalb der Stadt bewahren können: Wir schauten, was noch zu retten war. 2017 fingen wir mit der Datenerfassung an. Das zentrale Stadtviertel Icoanei kam schnell dran. Doch damals wussten wir nicht, das es zur Umsetzung des Projekts District 40 kommen würde.“




    Wir schlichen uns zwischen den Gästen, um von ihnen zu erfahren, was sie von der Block Party hielten. Wir trafen Dana, eine 43-jährige Frau, die in Begleitung ihres Sohns war. Warum sie an der Veranstaltung teilnehme, wollten wir von ihr erfahren:



    Ich las im Internet darüber und wollte schauen, was hier vor sich geht. Ich fand hier Leute wie ich, Bücher, einen ruhigen Ort, wie es kaum in Bukarest gibt. Leute, die uns ähnlich sind, die die Ruhe lieben, gerne lesen und sich eine Stadt wünschen, wie sie hier zu erleben ist.“




    Radu, Danas Sohn, ist 13 Jahre alt. Er sagte uns auch, warum er zur Block Party kam:



    Ich war neugierig, was hier los ist. Es ist eine angenehme Freizeitalternative für einen Sonntag. Da kann man sich entspannen, ein Buch lesen, sich auf einem Liegestuhl ausruhen. Ich glaube, meine Schulkommilitonen würden so etwas nicht unbedingt zu schätzen wissen!“




    Beide Abende gingen im Tanzschritt zu Ende. Von den existenziellen Fragen, die zur Musik gestellt wurden, ist bei mir eine hängen geblieben: Wie lange willst du leben? Stimmt es, dass du mit der Zeit das Älterwerden anders wahrnimmst?“ Ein Thema zum Überlegen!

  • Festival mit feministischem Anspruch: Frauen auf der Mătăsari-Straße

    Festival mit feministischem Anspruch: Frauen auf der Mătăsari-Straße

    Die Mătăsari-Stra‎ße war lange für ihre Rotlicht-Szene bekannt. Zum fünften Mal schon versucht ein Stra‎ßenfestival das zu ändern: Femei pe Mătăsari“, zu deutsch Frauen auf der Mătăsari“, hat der Nebenstra‎ße im Nordosten Bukarests am Wochenende mit Musik, bunten Stände und Cafés Leben eingehaucht. Die Idee zum Festival kam Iulian Văcărean von der Organisation Beneva“ an einem lauen Sommerabend vor gut fünf Jahren. Zusammen mit einer Freundin stand er an der Mătăsari-Stra‎ße vor ihrem kurz zuvor dort eröffneten Kulturhaus. Es war schon spät, irgendwann fuhr ein Taxi vorbei. Der Fahrgast rief aus dem Wagen: Junge, wieviel kostest du?“ Da dachte sich Văcărean, dass es dem Viertel gut tun würde, wenn andere Fragen gestellt würden:



    Wir haben entschieden, dass es an der Mătăsari nicht mehr darüber gesprochen wird, wieviel du kostest, sondern was die Stadt für dich bedeutet, was die Stra‎ßen bedeuten, was Menschen bedeuten und zuletzt, was wir bedeuten.“




    Neben witzig gemeinten Aktionen, wie einem High-Heels-Wettrennen (Bilder davon in unserer Fotostrecke) gab es auch ernst gemeinte Aktionen wie Diskussionen und Stadtviertelführungen. Edmond Niculușcă von A.R.C.E.N. (Rumänischer Verein für Kultur, Bildung und Normalität) erklärt, was der Sinn dahinter ist:



    Die Mătăsari-Gegend ist eine der ältesten Gegenden Bukarests, das Ende der Mătăsari-Gasse, der Moșilor-Markt und der Moșilor-Weg sind sehr alte Stra‎ßen, die dreihundert Jahre alt sind. Wir spazieren mit den Bukarestern durch diese Stra‎ßen zum einen wegen der Architektur dort, zum anderen erzählen wir ihnen alle möglichen Geschichten von den Menschen, die dort gelebt haben. Wir versuchen, die Leute mit Geschichten der Stadt zu bewegen, weil, wenn du von Stadtgeschichten bewegt worden bist, dann wirst du dich mit Sicherheit aktiv einbringen, wenn es um das Verständnis des Schutzes des baulichen Erbes der Hauptstadt geht.“




    Ganz dem Kommerz entziehen konnte sich das Festival jedoch nicht. Die Stände mit Schmuck, Kleidung waren augenscheinlich das Herzstück der Veranstaltung. Was die politische — und feministische — Botschaft des auf dem Festival angebotenen Workshops Wie wirst du berühmt?“ sein sollte, bei dem auch Stylisten als Redner eingeladen waren, blieb ebenfalls etwas fragwürdig. Zu Gute halten kann man dem Festival jedoch in jedem Fall eines: Es hat den urbanen Raum zumindest für ein Wochenende den Fu‎ßgängern zugänglich gemacht. In Bukarest, wo das Auto immer noch am meisten Raum bekommt, ist das gerade im Sommer eine schöne Abwechslung.



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