Tag: Straßenproteste

  • Jahresrückblick 2019

    Jahresrückblick 2019

    Schweres politisches Leben in der Moldaurepublik



    2019 war ein hektisches Jahr im politischen Leben der Republik Moldau. Ende Februar gewann die Sozialistische Partei die Parlamentswahlen, gefolgt vom rechtsgerichteten Block ACUM und der Demokratischen Partei des umstrittenen Geschäftsmanns Vlad Plahotniuc. Gleich nach den Wahlen brach in der Republik eine politische Krise aus, die fast drei Monate dauerte. Im Juni kam es zu einer Vereinbarung zwischen den Sozialisten und dem ACUM-Block und bildeten eine Regierung unter der Führung der proeuropäischen Maia Sandu. Die Meinungsverschiedenheiten traten jedoch rasch auf, die Sozialisten verließen die Macht und stimmten im November gemeinsam mit den Demokraten einem Misstrauensantrag zu, der zum Sturz des Sandu-Kabinetts führte. Der pro-russische Präsident der Republik Igor Dodon hat seinen ehemaligen Berater Ion Chicu zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Ebenfalls im Jahr 2019, zum ersten Mal seit der Unabhängigkeitserklärung der Republik Moldau, Anfang der neunziger Jahren, gewann der Vertreter der linksorientierten Partei Ion Ceban das Amt des Bürgermeisters von Chisinau.



    Die Europawahlen und der Brexit



    In der Europäischen Union stand das Jahr 2019 im Zeichen der Europawahlen vom 23. bis zum 26. Mai. Im Juli kündigten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten die neuen Amtsinhabern in vier Spitzenpositionen an: die Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates (Ursula von der Leyen und Charles Michel), die Präsidentin der EZB (Christine Lagarde) und den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik ( Josep Borrell Fontelles).


    Gleichzeitig wählte das Europäische Parlament seinen Präsidenten – David Sassoli. Die Amtszeit von Ursula von der Leyen, die am 1. Dezember ihre Tätigkeit aufnahm, ist voller Herausforderungen darunter der Brexit. Der von den Briten per Referendum beschlossene Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union, der ursprünglich für den 29. März 2019 vorgesehen war, wurde in Ermangelung einer gemeinsamen Vereinbarung über die Austrittsbedingungen dreimal verschoben. Die Londoner Abgeordneten lehnten das mit Brüssel geschlossene Dokument von Premierministerin Theresa May, die im Juni zurücktrat, sowie das von ihrem Nachfolger Boris Johnson ausgehandelte Dokument ab. Er schaffte die Organisierung von vorgezogenen Parlamentswahlen im Königreich, die die Konservative Partei Mitte Dezember gewann. Unter diesen Umständen würde der Brexit spätestens am 31. Januar 2020 stattfinden.



    Donald Trump oder die internationale US-Politik



    Anfang August 2019 gab der republikanische US- Präsident Donald Trump bekannt, dass sich die USA von dem während des Kalten Krieges mit Moskau geschlossenen Vertrag über Atomwaffen mittlerer Reichweite zurückziehen. Im Namen der Losung America First hat Trump im Laufe des Jahres die überraschenden Ankündigungen vervielfacht: den Rückzug der Amerikaner aus dem Nordosten Syriens, den Rückzug aus dem Pariser Umweltabkommen oder vor allem einen Handelskrieg gegen China. Ende September leiteten demokratische Parlamentarier das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump wegen Machtmissbrauchs ein. Der mächtigste Mann der Welt hätte in der Ukraine Lobbyarbeit betrieben, um die Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn – wahrscheinlich Trumps Gegenkandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2020 – fortzusetzen. Donald Trump hat die Anschuldigungen der Demokraten als lächerlich verurteilt.



    Straßenproteste auf der Welt



    2019 haben Straßendemonstrationen in zahlreichen Ländern stattgefunden. Zu erwähnen sind die im Juni in Hongkong. Hongkong, ehemals eine britische Kolonie, hat damit die schlimmste Krise seit seiner Rückkehr unter Chinas Verwaltung im Jahr 1997 erlebt. Die zum Teil gewaltsamen Proteste gegen Pekings Einmischung haben mit dem Sieg der pro-demkratischen Kandidaten bei den Kommunalwahlen im November nachgelassen. Kräftige Proteste mit Todesopfern und Verletzten fanden auch in Frankreich statt, wo das Jahr 2019 von Straßengewalt geprägt war, insbesondere in Paris, die durch die gelben Vesten“ hervorgerufen wurden, die mit der Sozial- und Steuerpolitik von Präsident Emmanuel Macron und seiner Regierung unzufrieden waren.



    Klimaänderungen und Umwelt-Aktivismus



    Der Juli 2019 war der heißeste Monat aller Zeiten mit Temperaturrekorden in Europa aber auch am Nordpol. Im August verabschiedete sich Island vom ersten vermissten Gletscher, während weitere 400 vom Schmelzen bedroht sind. Im September hielt die schwedische Teenagerin Greta Thunberg eine äußerst harte Rede vom UN-Pult. Sie machte unter anderem auf die Brände, die 2019 auch den Amazonaswald verwüsteten, aufmerksam. Im Dezember wurde die Teenagerin, die von einigen für ihr Engagement für die Umwelt bewundert wurde, und von anderen eingeladen wurde, die Schule zu besuchen, von der Zeitschrift American Time zur Persönlichkeit des Jahres gewählt.



    Ebenfalls 2019 …



    Denken wir zum Schluss daran, dass im April das Holzdach der berühmten Kathedrale Notre Dame in Paris von einem großen Feuer niedergebrannt wurde. Französischen Feuerwehrleuten gelang es, das gotische Bauwerk zu retten, indem eine Menschenkette gleichzeitig fast alle Werke und Relikte von unschätzbarem Wert von innen beschützte. Das Feuer löste eine planetarische Erregung aus, für den Wiederaufbau der Kathedrale wurden Spenden in Höhe von über 900 Millionen Euro zugesagt. Vergessen wir nicht, dass wir uns 2019 vom ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac, dem großen italienischen Filmregisseur Franco Zeffirelli, dem berühmten Designer Karl Lagerfeld und dem ehemaligen österreichischen Formel-1-Piloten Niki Lauda oder von der Amerikanerin Toni Morrison – der ersten farbigen Frau, die den Nobelpreis für Literatur erhalten hat, verabschiedet haben.

  • Nachrichten 03.01.2018

    Nachrichten 03.01.2018

    Bukarest: Rumäniens Präsident Klaus Iohannis hat am Mittwoch die Gesetze über den Staatshaushalt und den Sozialversicherungshaushalt für 2018 verabschiedet. Der Staatschef verwies gleichzeitig auf die Schwachstellen der Gesetzgebung und die Herausforderungen der aktuellen steuerlichen Rahmenbedingungen. Rumänien brauche einen glaubwürdigen und ausgeglichenen Haushalt, der die Erfüllung makroökonomischer Ziele konsequent verfolge, sagte der Präsident. Eckdaten der beiden Haushaltsvorlagen sind 5,5% Wachstum, ein Wechselkurs von 4,55 Lei für einen Euro, 3,1% Inflation, ein Haushaltsdefizit von unter 2,97% des BIP und ein Durchschnittslohn von 2.614 lei (umgerechnet 565 Euro).




    Bukarest: Die rumänische Ministerin für Wasser und Wald Doina Pană (PSD) ist am Mittwoch zurückgetreten. Als Grund nannte sie ihre Gesundheit. Pană wird aber weiterhin Parlamentsmitglied bleiben. Sie hatte im vergangenen Juni das Amt übernommen. Pană war noch Ministerin für Wasser und Wald im Jahre 2014. Sie ist ebenfalls Vizepräsidentin der Kommission für Umwelt und ökologisches Gleichgewicht der Abgeordnetenkammer sowie Mitglied der Delegation des rumänischen Parlaments bei der Parlamentsversammlung der Union für den Mittelmeerraum.




    Bukarest: Rumäniens Hausärzte, die keine Zusatzverträge mit der Nationalen Krankenkasse abgeschlossen haben, können ab Mittwoch keine kostenlosen Rezepte mehr ausstellen und keine Überweisungen veranlassen. Die Hausärzte kündigten an, sie wollen ihre Protestaktion fortsetzen und weiterhin die Unterzeichung der Zusatzverträge verweigern. Ihre Vertretungen zeigten sich unzufrieden mit den zugewiesenen Mitteln und der weiterhin hohen Bürokratie im System. Damit werden Patienten gezwungen sein, für die Medikamente und teilweise für die Untersuchungen zu bezahlen, die nicht kostenlos angeboten werden. Die Entscheidung der Ärzte wurde angekündigt, nachdem die Regierung ihre Versprechen vom November, nach den Straßenprotesten, nicht eingehalten hat. Mehr als 60% der rumänischen Hausärzte unterzeichneten dennoch die Zusatzverträge mit der Nationalen Krankenkasse.




    Chişinău: In der Moldau hat der prowestliche Parlamentspräsident Andrian Candu interimistisch die Präsidentenbefugnisse übernommen. Er soll das Dekret zur Ernennung von sieben neuen Ministern unterzeichnen. Das kündigte der Pressedienst der Legislative an, nachdem der Verfassungsgerichtshof einen Beschluss gegen den prorussischen Präsidenten Igor Dodon gefasst hat. Dodon könne erneut des Amtes enthoben werden, wenn er sich wiederholt weigert die Regierungsänderungen zu unterzeichnen. Die Radio Rumänien-Korrespondenten in Chişinău berichten, die Lösung sei bereits im Oktober bei der Ernennung von Verteidigungsminister Eugen Sturza getroffen worden. Premierminister Pavel Filip kündigte den Austausch von 13 Regierungsmitgliedern zum Zwecke der Reformbeschleunigung an. Zu den neuen Ministern gehören auch zwei ehemalige Ministerpräsidenten – Iurie Leancă, Vizepremier für europäische Integration und Chiril Gaburici, Wirtschaftsminister.

  • Hörerpostsendung 19.2.2017

    Hörerpostsendung 19.2.2017

    Die Massendemonstrationen der letzten Wochen gegen die Korruption in Rumänien und gegen die rumänische Regierung sind unseren Hörern nicht entgangen — nicht nur Radio Rumänien International, sondern auch zahlreiche Medien aus dem Ausland haben ausführlich darüber berichtet. So meldeten sich in letzter Zeit mehrere Hörer zu den aktuellen Geschehnissen in Rumänien.



    Jörg-Clemens Hoffman (aus Alsbach-Hähnlein, Hessen) schickte uns folgende Zeilen per E-Mail:



    Ich freue mich, dass Radio Rumänien International weiterhin in sehr guter Qualität auf Kurzwelle zu empfangen ist. Gerade während der derzeitigen Proteste und politischen Auseinandersetzungen ist es wichtig, aktuelle Nachrichten und Informationen aus Ihrem Land zu erhalten. Am Donnerstagabend (02.02.) wurde in der ARD-Tagesschau ein längerer Bericht von den Demonstrationen in Bukarest gesendet. So sind die deutschen Programme aus Bukarest eine wichtige Bereicherung, um umfassend über die Stra‎ßenproteste gegen die Lockerung der Gesetze gegen Korruption zu informieren. Für mich ist es ein beachtenswertes Zeichen für Demokratie, wenn sich so viele Bürger Ihres Landes an den Demonstrationen gegen die Änderung des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung beteiligen.




    Michael Lindner ist in Gera (Thüringen) zu Hause und berichtete uns in einer E-Mail über seinen Alltag zum Jahreswechsel und ging auch auf die Ereignisse in Rumänien ein:



    Meine lieben Freunde in der deutschen Redaktion!



    So langsam wird es Zeit, mich wieder bei Ihnen in der deutschen Redaktion zu melden. Schlie‎ßlich schreiben wir schon den Tag 38“ im neuen Jahr, ohne dass Sie ein Lebenszeichen von mir bekommen haben. Aber das soll sich mit dieser Mail ändern.



    Über den Jahreswechsel konnte ich leider die deutschsprachigen Sendungen aus Bukarest nur selten hören. Es gab viele andere Dinge zu erledigen, so dass das Radiohobby etwas darunter gelitten hat. Schlie‎ßlich ist Weihnachten auch das Fest der Familie, welches man bestimmt nicht vor dem Kurzwellenempfänger verbringt. Aber so langsam ist der Alltag wieder eingezogen und es läuft alles wieder in geregelten Bahnen. Das bedeutet auch, dass ich die deutschsprachigen Sendungen aus Bukarest wieder in gewohnter Weise empfangen und genie‎ßen kann.



    Leider hört man ja momentan aus Rumänien nichts Gutes. Seit Tagen gibt es gewaltige Demonstrationen gegen die rumänische Regierung. Die Massen sind auf die Stra‎ßen gegangen, um ihre Empörung bzgl. der Korruptionsaffäre in der rumänischen Regierung zum Ausdruck zu bringen. Ganz ehrlich, meine Sympathien liegen auf der Seite der zurecht aufgebrachten Volksmassen. Wie kann es sein, dass eine Regierung Gesetze schaffen will, wo Korruption von Politikern bis zu einer gewissen Summe straffrei bleibt? Das ist einfach nur kriminell! Auch wenn die Regierung diese Pläne vorerst wieder zurückgenommen hat, ist doch die Tatsache beschämend, wenn Politiker korrupt sind. Ich wei‎ß, Korruption ist ein weltweit umfassendes Problem, so schlimm wie die Pest. Deshalb müsste jedes Land knallharte Antikorruptionsgesetze schaffen, so dass alle korrupten Personen einschlie‎ßlich Politiker streng bestraft werden. Dennoch hoffe ich, dass die Unruhen nicht blutig ausarten und bald Lösungen geschaffen werden.




    Aus Thüringen geht es zurück nach Hessen, und zwar nach Schmitten im Taunus, wo unser Hörer Lutz Winkler zu Hause ist. Auch Herr Winkler hat die politischen Turbulenzen in Rumänien verfolgt.



    Liebe Freunde der deutschen Redaktion in Bukarest,



    Wenn ich die Nachrichten aus Rumänien höre, bin ich einfach fassungslos. Die Dreistigkeit, mit der Eilverordnungen verabschiedet wurden, um politische Freunde aus dem Gefängnis zu holen und Korruption zu legalisieren — das ist ein echtes Husarenstück. Viele Parteien in Rumänien haben keine völlig wei‎ße Weste. Doch die Regierungspartei PSD ist wohl die korrupteste von allen. Und dass diese Partei nach dem Rücktritt 2015 wieder gewählt wurde — sicher mit den vielen Versprechen der Lohnerhöhung, der Rentenerhöhungen usw. — dies hatte mich schon damals gewundert. Und nun diese “Eilverordnung”. Einen Hoffnungsträger gibt es aber scheinbar doch noch: Staatspräsident Klaus Iohannis. Er ist zumindest jemand, der klare Worte findet. Vielen Dank an dieser Stelle für die ausführliche Berichterstattung in den Sendungen von Radio Rumänien International. Und ich hoffe, dass die Proteste und Gegenproteste friedlich bleiben.




    Und auch Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) machte sich Gedanken über die Rolle des rumänischen Präsidenten und schickte auch einen Nachtrag zum Weltradiotag:



    In den vergangenen Tagen stand nach langer Zeit wieder einmal Rumänien im Blickpunkt der Medien. Da wurde berichtet von ständigen Demonstrationen gegen die Regierung im Zusammenhang mit einer Verordnung zur Korruptionsbekämpfung, die aber offenbar auf bestimmte Personen zugeschnitten war und ihnen damit Straffreiheit zusicherte. Das ist natürlich ein Unding, und jetzt hat man auf Druck der Stra‎ße diese Verordnung erst einmal zurückgezogen, ohne dass man aber endgültig von den Plänen abgerückt ist. Damit kann das Volk natürlich nicht zufrieden sein, und die Demos gehen deshalb weiter.



    Als Au‎ßenstehender habe ich natürlich Verständnis für den Wunsch der Bevölkerung. Was mich aber bei diesen Streitigkeiten gewundert hat, ist die Stellung des Staatspräsidenten. Ist die denn in der rumänischen Verfassung so schwach, dass er nicht einmal ein Machtwort sprechen und die Regierung zurückpfeifen kann? Er war ja selbst auch gegen diese dubiose Verordnung und hätte sich wohl am liebsten den Demonstranten angeschlossen. Aber konnte er denn kraft seines Amtes nicht mehr machen als nur ein erzürntes Gesicht?



    Im heutigen Funkbriefkasten wurden die Stellungnahmen der Hörer zum Weltradiotag verlesen. Darin wurden wieder die gleichen Argumente vorgetragen wie schon in den vergangenen Jahren: Wie wichtig die analoge Kurzwelle ist für eine schnelle und direkte Information, für Leute ohne Internet und besonders für die Dritte Welt. Das ist ja alles richtig, dennoch hat wohl die Kurzwelle auf Dauer keine Zukunft, wie auch das Gebaren der gro‎ßen Stationen erkennen lässt. Bei meinen vielen Reisen in aller Welt konnte ich früher überall das deutsche Programm der Deutschen Welle auf Kurzwelle empfangen, sei es in Neuseeland, Australien, Korea, China oder sogar auf den Galapagos-Inseln. Und heute lohnt es sich gar nicht mehr, ein Kurzwellenradio mit in den Urlaub zu nehmen. Die Deutsche Welle sendet nicht mehr in deutscher Sprache, dafür werden die Ergebnisse der Fu‎ßballbundesliga in der Sprache Kisuaheli auf Kurzwelle nach Afrika ausgestrahlt. Soweit zu den Vorteilen der Kurzwelle für die Dritte Welt.




    Liebe Freunde, Ihnen allen vielen Dank für das Interesse an das Geschehen in Rumänien. Ich darf Sie vorerst beruhigen: Die Demonstrationen und Gegendemonstrationen sind friedlich verlaufen und sind bereits am Abflauen. Die umstrittene Eilverordnung ist durch eine neue aufgehoben worden, über beide soll am kommenden Montag im Parlament debattiert werden. Die Sachlage ist viel komplizierter, als auf den ersten Blick wahrzunehmen ist. Zum einen gibt es tatsächlich einige Paragraphen im rumänischen Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung, die reformbedürftig sind. Darauf haben sowohl das rumänische Verfassungsgericht als auch die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, die sogenannte Venedig-Kommission, schon vor Jahren verwiesen. Die Details erspare ich Ihnen, da sie selbst unter Juristen umstritten sind. Was die Menschen aber auf die Stra‎ße gebracht hat, ist die Art und Weise, wie die Eilverordnung verabschiedet wurde — nämlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, in einer unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehaltenen Regierungssitzung, ohne vorherige Bekanntmachung der Agenda dieser Sitzung, ohne die gesetzlich vorgeschriebene Beratung mit den Selbstregulierungsgremien der Justiz, ohne eine Debatte mit Experten und der Zivilgesellschaft. Und wenn die abgemilderten Paragraphen dann auch noch wie ma‎ßgeschneidert für bestimmte Politiker erscheinen, die Prozesse am Hals haben oder bereits verurteilt sind und Korruptionsbekämpfung zynisch als Bullshit bezeichnen, ist es kein Wunder, dass den Menschen der Kragen platzte.



    Zur Frage von Herrn Andorf zur Stellung des Staatspräsidenten: Rumänien hat ein sogenanntes semipräsidentielles Regierungssystem, das hei‎ßt, dass der Staatspräsident zwar mehr Befugnisse als beispielsweise der Bundespräsident in Deutschland oder in anderen rein parlamentarischen Demokratien hat, aber weniger Macht im Staat ausübt als in einem Präsidialregime, wie es beispielsweise die USA und viele lateinamerikanische Staaten kennen, wo der Präsident die Funktionen des Staatsoberhauptes, des Regierungschefs und regelmä‎ßig auch des militärischen Befehlshabers innehat. In Rumänien ist die Institution des Staatspräsidenten in Kapitel II (in den Artikeln 80-101) der rumänischen Verfassung geregelt. Der Präsident darf z.B. Regierungen oder Minister nicht absetzen, sondern bei Regierungsumbildungen nur auf Vorschlag des Premierministers bestimmte Minister von ihren Ämtern befreien und neue ernennen, ebenfalls auf Vorschlag des Premiers. Der Präsident darf ferner an Regierungssitzungen zu wichtigen Fragen der Innen- und Au‎ßenpolitik sowie der nationalen Sicherheit aus eigenen Stücken oder auf Einladung des Premierministers teilnehmen und in diesem Fall leitet er diese Sitzungen. Das Parlament auflösen darf der Präsident nur, wenn innerhalb von 60 Tagen drei Versuche in Folge scheitern, einem Kandidaten für das Amt des Premierministers das Vertrauen im Parlament auszusprechen und dadurch mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das Parlament darf allerdings höchstens einmal im Jahr aufgelöst werden, allerdings nicht während der letzten sechs Monate eines Präsidentenmandats, bei Mobilmachung, Kriegszustand, Belagerung oder sonstigen Ausnahmezuständen. Und der Staatspräsident ist in Rumänien auch der oberste Befehlshaber der Streitkräfte.




    Zum Schluss noch die Zeilen von Andreas Pawelczyk aus Mannheim, der ebenfalls einen kleinen Nachtrag zum Welthörertag schickte:



    Der Radiotag der letzten Woche hat mir mal wieder sehr gut gefallen. Richtig lobenswert, dass es so einen Tag gibt. Die gesendeten Beiträge waren sehr aufschlussreich und auf alle Fälle eine Bereicherung für Radio Rumänien International. Es gibt Hörer, die von Ihrer Sendung mit den Beiträgen sehr begeistert waren, obwohl sie sich bei Ihnen noch nie gemeldet haben.



    Bleibt von mir nur noch hinzuzufügen, was der leider schon verstorbene Peter Scholl-Latour in einem Buch schrieb. Er meinte: Pressefreiheit bzw. Medienfreiheit ist die Freiheit von 800 Leuten, die Geld haben, ihre Meinung zu verbreiten. Dies ist natürlich eine Freiheit, die nachdenklich macht.




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Pawelczyk. Ich wei‎ß nicht, in welchem Buch und in welchem Zusammenhang Peter Scholl-Latour diese Äu‎ßerung zitiert oder abwandelt — sie stammt nämlich vom Publizisten Paul Sethe, dem Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ist aus dem Jahr 1965 und lautet genau: Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Die Äu‎ßerung stammt aus einem Leserbrief an den Spiegel“ und galt dem Zustand der Printmedien in der damaligen Bundesrepublik. Dort hie‎ß es auch: Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer grö‎ßeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer grö‎ßer und immer gefährlicher.“ Er, Sethe, wisse, dass es im deutschen Pressewesen Oasen gebe, in denen noch die Luft der Freiheit weht, […] aber wie viele von meinen Kollegen können das von sich sagen?“, wird Sethe weiter von diversen Quellen zitiert.



    Ganz zum Schluss die Postliste: Postbriefe lasse ich mir nächste Woche wieder aushändigen. E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Anna und Bernd Seiser, Burkhard Müller. Fritz Andorf, Hans Kaas, Andreas Pawelczyk (alle aus Deutschland) sowie von Josef Robl und Friedrich Albert (aus Österreich) und Andy Martinjuk (aus Russland), der demnächst für ein paar Tage nach Bukarest kommt und unseren Sender gerne besuchen möchte.



    Das Internetformular nutzten Rainer Selle und Dirk Molder (beide aus Deutschland) sowie Paul Gager (aus Österreich), der uns Tipps zu Fernsehreportagen über Rumänien in den deutschsprachigen Medien schickte.




    Audiobeitrag hören:


  • Sonderausschuss des Parlaments lehnt Goldförderung in Roşia Montană ab

    Sonderausschuss des Parlaments lehnt Goldförderung in Roşia Montană ab

    Der infolge der Stra‎ßenproteste gegründete Sonderausschuss des Parlaments hat den Demonstranten Recht gegeben. Der Gesetzentwurf der Regierung über die Goldförderung in Roşia Montană wurde negativ begutachtet. Kommentatoren behaupten jetzt, die Ablehnung des Entwurfs im Parlament sei lediglich eine Frage der Zeit.



    Mehrere Wochen lang hatte der Sonderausschuss Geologen, Physiker, Chemiker, Umweltschützer, Vertreter der Rumänischen Akademie-Gesellschaft und der einflussreichen Rumänisch-Orthodoxen Kirche angehört. Die meisten hatten sich für eine Ablehnung des Projekts ausgesprochen. Allerdings ist die endgültige Entscheidung erst nach den Beratungen zwischen den Führungspolitikern der regierenden Sozialliberalen Union (USL) getroffen worden: das sind der sozial-demokratische Ministerpräsident Victor Ponta und der liberale Senatsvorsitzende Crin Antonescu, deren Parteien gemeinsam über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügen. Anstelle des alten Gesetzentwurfs soll jetzt ein allgemeines Rahmengesetz für zukünftige Förderprojekte in Roşia Montană erarbeitet werden, so die Erklärung der USL-Chefs, die dem kanadischen Abnehmer der Förderlizenz in der westrumänischen Ortschaft gewidmet ist.



    Laut Angaben von Geologen sei dort das grö‎ßte Goldvorkommen des kontinentalen Europa verborgen: mindestens 250 Tonnen zu einem Marktwert von circa 11 Milliarden US-Dollar. Darüber hinaus könnten in Roşia Montană auch 1600 Tonnen Silber zu finden sein, deren Wert auf trei Milliarden Dollar geschätzt wird, sowie weitere seltene Metalle, wie Titan, Vanadium,Nickel, Kobalt, Wolfram, die in der Luftfahrt, Militärindustrie und in der Medizin verwendet werden. Experten schätzen diese Metalle sogar wertvoller als Gold und Silber ein.



    Der Skandal war nach der Ankündigung des kanadischen Unternehmens, bei der Goldförderung Zyanid verwenden zu wollen, ausgebrochen. Die Fördermethode könnte verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und das archäologisch wertvolle Bergwerk aus der römischen Zeit haben, sagten die Kritiker des Vorhabens. In dem Bericht des Sonderausschusses des Parlaments wird jetzt die Offenlegung vertraulicher Dokumente sowie der Förderlizenz gefordert. Damit könnten zuständige Behörden den Korruptionsanschuldigungen nachgehen. Die Parlamentsmitglieder fordern ferner die Untersuchung alternativer und ungefährlicher Technologien für die Metallgewinnung — au‎ßerdem sollten unabhängige Institutionen mit der Durchführung von Umweltverträglichkeitsstudien beauftragt werden. Die archäologisch wichtige Stätte sollte zudem in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen werden.



    Wenn die Ablehnung des Gesetzentwurfs aus Sicht der liberal-demokratischen Opposition einem Misstrauensantrag gleichzustellen ist, sind die Debatten der Zivilgesellschaft nuancierter. Die Mehrheit freut sich über die überwundene Gefahr des Zyanid-Sees, gleichzeitig wünscht sie sich eine Verwertung der Bodenschätze Rumäniens mit sichereren Methoden. Das eher arme Land kann es sich nicht leisten, seine natürlichen Vorkommen nicht auszubeuten.