Tag: Superwahljahr

  • Zusammenlegung von Wahlgängen: Erste Sondierungsgespräche in der Koalition ergebnislos ausgegangen

    Zusammenlegung von Wahlgängen: Erste Sondierungsgespräche in der Koalition ergebnislos ausgegangen





    In Rumänien finden in diesem Jahr gleich vier Wahlgänge statt — Europawahlen, Kommunalwahlen, Parlamentswahlen und Präsidentschaftswahlen. Ein noch nie dagewesenes Superwahljahr 2024, und die politischen Parteien fiebern schon jetzt dem Wettbewerb um die Gunst der Wähler entgegen. Allen voran die Sozialdemokraten und Liberalen, die trotz der regierenden Koalition auch Kontrahenten bei den Wahlen bleiben. Vor diesem Hintergrund gibt es seit vergangener Woche Überlegungen, einige Wahlgänge zusammenzulegen. Doch geht es dabei nicht nur ums Ansinnen, Geld zu sparen oder den Wählern den Urnengang zu erleichtern — für die PSD wie für die PNL steht auch politisches Kalkül dahinter, daher wird vorerst noch taktiert.



    Die am gestrigen Montag stattgefundenen Beratungen der Koalitionspartner sind ergebnislos ausgegangen — konkret wurde kein Einvernehmen über eine mögliche Zusammenlegung verschiedener Wahlgänge erzielt. Im Raum steht die Zusammenlegung der Wahlen für das Europäische Parlament mit den Kommunalwahlen am 9. Juni, und später im Herbst könnten die Parlamentswahlen zeitgleich mit dem ersten oder zweiten Urnengang für die Präsidentschaftswahlen stattfinden, so die Überlegungen. Den Liberalen würde eher die zweite Variante passen, wie PNL-Chef Nicolae Ciucă noch vor den Unterredungen mit dem Koalitionspartner eröffnete:



    Die Rede ist von einer Zusammenlegung mehrerer Wahlgänge, damit die Wähler nicht gleich fünfmal innerhalb von sechs Monaten zu den Urnen müssen. Die Parlamentswahlen gleichzeitig mit der Stichwahl für das Präsidentenamt stattfinden zu lassen, könnte daher eine Lösung sein. Nach unserer Auffassung wäre allerdings der erste Urnengang für die Präsidentenwahl auch im Sinne der Wahlgesetzgebung besser geeignet gewesen für eine Zusammenlegung mit den Parlamentswahlen. Deshalb haben wir noch vor diesen Unterredungen grünes Licht vom Ständigen Büro der Partei für Verhandlungen zu diesem Vorsto‎ß eingeholt.“




    Doch dem Koalitionspartner PSD schwebt eher eine Zusammenlegung der Kommunalwahlen mit den Europawahlen vor — als grö‎ßte Partei mit einer disziplinierten Wählerschaft würde sie davon profitieren. Zudem hat sich aus dem bisherigen Verlauf der Wahlgänge im postkommunistischen Rumänien gezeigt, dass regierende Parteien mit dem grö‎ßeren Gewicht in der Regel besser bei Kommunalwahlen abschneiden. Ein weiteres Treffen der Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten und Liberalen ist auf kommenden Freitag anberaumt, und es ist fraglich, ob bis dahin ein für alle tragbarer Kompromiss ausgehandelt werden kann. Dennoch stehen beide Gro‎ßparteien unter Druck — bis Anfang März muss die Exekutive die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen für die Europawahlen erlassen. Marcel Ciolacu, Chef der Sozialdemokraten und amtierender Premierminister, drängt auf die Festlegung eines klaren Zeitplans für die Wahlen, an dem nicht mehr gerüttelt werden sollte:



    Für mich als Premierminister, aber auch als Parteivorsitzender, ist es wichtig, dass wir vor den Wählern als Koalition auftreten, die den Bürgern Respekt entgegenbringt — daher müssen klare Termine für alle Wahlen festgelegt werden, um endlose Diskussionen über Zusammenlegungen oder Terminverschiebungen zu vermeiden. Deshalb brauchen wir einen klaren Kalender, alle demokratischen Parteien sollten sich dazu bekennen, und damit treten wir dann auch an. Wir haben alle möglichen Wahlen in einem Jahr — das ist eine Premiere in Rumänien.“




    Die Opposition läuft Sturm gegen eine mögliche Zusammenlegung unterschiedlicher Wahlgänge. Die querbeet von linksliberal bis rechtsnationalistisch zu verortenden Oppositionsparteien sind der Auffassung, dass eine Überschneidung der Wahlen nur für die Regierungsparteien von Vorteil wäre. Allesamt erachten sie die Zusammenlegung unterschiedlicher Wahlgänge als undemokratisch und verfassungswidrig und wollen im Falle einer derartigen Entscheidung vor das Verfassungsgericht klagen.

  • Superwahljahr 2024: Was kommt auf Rumänien und Europa zu?

    Superwahljahr 2024: Was kommt auf Rumänien und Europa zu?





    Die Wahlen 2024 haben das Potenzial, die aktuelle politische Landschaft Rumäniens umzukrempeln. Zunächst einmal wird es ein Kräftemessen zwischen den beiden Gro‎ßparteien geben, den beiden derzeit regierenden Parteien, die PSD und die PNL, die in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal in Rumänien die Vereinbarung einer regelmä‎ßigen Rochade an der Spitze der Exekutive ausgehandelt und eingehalten haben. Die Sozialdemokraten kommen laut jüngsten Umfragen auf 30 %, die Liberalen auf 20 % der Wählerstimmen.



    Auf der anderen Seite ist die Opposition eher zerstückelt. Zum einen gibt es eine demokratische Opposition, die sich aus der neu gegründeten Vereinigten Rechten Allianz zusammensetzt. Zur Allianz gehören die Union Rettet Rumänien (USR), die Partei der Volksbewegung (PMP) um den ehemaligen Staatspräsidenten Traian Băsescu und die Rechte Kraft (FR). Der Ugarnverband UDMR stützt sich wie immer auf die ungarischstämmigen Wähler, eine konstante Wählerschaft, die dem Bündnis bislang als Juniorpartner oder Scharnierpartei die Beteiligung an Regierungskoalitionen ermöglicht hat.



    Ebenfalls in der Opposition befindet sich die Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR), eine nationalistische, europaskeptische und in Teilen pro-russische Partei, die laut Meinungsumfragen 19,5 % der Wählerstimmen erhalten würde. Hinzu kommt der abtrünnige Flügel der AUR um die Senatsabgeordnete Diana Şoşoacă. Die aggressiv und medienwirksam auftretende Politikerin, die Verschwörungstheorien aller Art verbreitet, Parlamentssitzungen immer wieder mit Skandalauftritten stört und keinen Hehl aus ihrer pro-russischen Position macht, gründete ihre eigene Fraktion namens S.O.S. Rumänien. Laut Umfragen steht sie aktuell bei rund 5 % in der Gunst der Wähler in Rumänien und könnte somit bei den kommenden Parlamentswahlen auch die Wahlhürde einnehmen.



    Folglich könnten Parteien, die nahe der Rechtsau‎ßen-Grenze agieren, insgesamt etwa 25 % der Stimmen erhalten, einen Prozentsatz, der sich vor den Wahlen noch etwas erhöhen dürfte, während 70–75 % der rumänischen Gesellschaft immer noch für eine gemä‎ßigte Politik eintreten. Das Superwahljahr wird im Juni mit den Wahlen zum Europäischen Parlament eingeleitet. Der Soziologe Remus Ștefureac erläutert den innen- und au‎ßenpolitischen Kontext der diesjährigen Wahlen:



    Die Europawahlen werden nicht nur Rumänien, sondern die gesamte EU beeinflussen und meiner Meinung nach den Stand der Dinge angesichts des Aufkommens bestimmter Strömungen ein wenig umgestalten. Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind ebenfalls eine heikle Angelegenheit — sie haben eine wichtige geopolitische Dimension für unsere Region, für die Entwicklung des Konflikts in der Ukraine und implizit für das Sicherheitsklima, von dem Rumänien direkt abhängt. Nicht zuletzt folgen die Wahlen 2024 auf eine Reihe von Krisen in den letzten vier Jahren, die von der Pandemie über eine Gesundheitskrise und eine Vertrauenskrise bis hin zu einer veränderten Art der Informationsvermittlung reichen. Im Grunde haben wir nach der Pandemie auch eine Explosion von Verschwörungstheorien, Desinformation und kollektiven Ängsten erlebt, gepaart mit einer Wirtschaftskrise, mit Inflation, einer Energiekrise und einem angsterregendem Sicherheitsklima. In der Praxis hat sich Rumänien seit fast 70 Jahren nicht mehr in einer solchen Situation befunden, mit einem Krieg vor der eigenen Haustür konfrontiert, in dem Russland der Aggressor ist. All dies führt zu einem erhöten Angstzustand, der die öffentliche Wahrnehmung stark beeinflusst, und die Ängste in der Gesellschaft sind breit gefächert, auch wenn sie sich im Moment auf innenpolitische Themen konzentrieren.“




    Sebastian Fitzek, Experte für Kommunikation in der Politik, ist der Auffassung, dass die politischen Auseinandersetzungen vor allem im Internet ausgetragen werden. Seiner Meinung nach wird es der erste vollständig digitalisierte Wahlkampf sein, mit massiver Nutzung von Social-Media-Plattformen durch alle Parteien:



    Facebook, Instagram, Tik Tok — sie alle werden zu hei‎ßen Zonen der Konfrontation, in denen die Kandidaten viel in gezielte Werbung und Armeen von Trollen, manchmal auch Fake News, investieren werden. Die Wahlkampfthemen werden sich im Allgemeinen um die Wirtschaft drehen, um die Anhebung des Lebensstandards, aber auch Kritik und das Thema Steuern werden natürlich immer präsent sein. Es wird einen heftigen Kampf zwischen dem AUR-Lager und den anderen Parteien geben, was bereits absehbar ist, es wird also ein extrem enger Kampf mit realen Chancen auf einen Regierungswechsel zwischen der PNL und der PSD. Offensichtlich werden beide Gro‎ßparteien, die nach dem Regierungsjahr 2023 bereits moralisch erschöpft sind, wahrscheinlich auch ein wenig Platz für die USR und dieses erst kürzlich geschlossene Rechtsbündnis machen. Dieses Bündnis wird versuchen, in die Regierungskoalition einzutreten, insbesondere wenn die PNL in der Wählergunst einbricht.“




    Auf europäischer Ebene werden Fragen der Sicherheit und der Migration ein Hauptthema der Wahlkämpfe sein, betont zum Schluss unseres Features der Universitätsprofessor und ehemalige Au‎ßenminister Adrian Cioroianu. Er verweist dabei auch auf die Anschläge in Europa in den letzten Jahren:



    Die Attentate hinterlassen Spuren. Das Gefühl, dass die eigene Identität als Gesellschaft verwässert wird, aber mehr noch, dass man einen Wurm in seinem sozialen Körper hat, der den Apfel von innen frisst, und dieser Wurm könnte der religiöse Extremismus sein, all das hat ein Problem aufgeworfen, an das wir vor 20 Jahren nicht gedacht hätten. Und ich denke, der Erfolg der nationalistischen und rechtsextremen Parteien hat auch viel mit der Einwanderungsproblematik zu tun, über die sie ein wenig mehr reden als die etablierten Parteien, die den Ton in der europäischen Politik angeben. Schauen Sie sich an, was in den Niederlanden passiert ist, was in den skandinavischen Ländern vor sich geht oder auch in südlichen Ländern wie Italien. Schauen Sie sich den Erfolg an, den Viktor Orbán mit seiner Politik in Ungarn einfährt, oder die Beliebtheit des österreichischen Bundeskanzlers Nehammer, der das Thema Migration am Leben erhält. Und diese Themen sind für immer breiter werdende Bevölkerungsschichten äu‎ßerst relevant.“

  • Superwahljahr 2024: Kompliziertes Kräftemessen

    Superwahljahr 2024: Kompliziertes Kräftemessen





    Die in der Regierungskoalition verbündeten Sozialdemokraten und Liberalen haben beschlossen, getrennt in die Wahlen zu gehen, und der Wettbewerb zwischen den Gro‎ßparteien könnte die Bildung einer Regierungsmehrheit nach den Wahlen erheblich erschweren. Für die PSD werden die besten Ergebnisse prognostiziert: Einer jüngsten Umfrage zufolge würde sie rund 30 % der Stimmen erhalten, während die PNL bei 20 % in der Wählergunst verharrt. Politikbeobachtern zufolge war den Liberalen ihr Bündnis mit dem traditionellen Rivalen nicht zuträglich, während die Sozialdemokraten geringere Verluste einsteckten, weil sie eine stabile Wählerschaft haben. Ob zusammen oder getrennt auf dem politischen Parkett — die etablierten Parteien verlieren angesichts der wirtschaftlichen Probleme und ihrer Unfähigkeit, dauerhafte Lösungen zu finden, immer mehr an Zuspruch.



    Hingegen sind sogenannten Anti-System-Bewegungen und Parteien mit populistischen bis radikal nationalistischen Untertönen oder gar extremistischem Diskurs überall in Europa auf dem Vormarsch. In Rumänien ist der Sammelbecken für diese Strömungen die Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR), die in Meinungsumfragen auf 19,5 Prozent kommt. Die AUR hat bislang diffus agierende nationalistische Kräfte um sich geschart und einen Gegenpol zu den etablierten Parteien geschaffen. Sie hofft, bei den Europawahlen am 9. Juni den entscheidenden Schritt in Richtung gro‎ße Politik zu machen, und die Europawahl könnte ihr eine perfekte Plattform dazu bieten.



    Doch vorerst ist auch das nationalistisch-populistische Lager gespalten. Schon bald nach ihrer Gründung konfrontierte sich die AUR mit einem abtrünnigen Flügel rund um die Senatsabgeordnete Diana Şoşoacă. Die aggressiv und medienwirksam auftretende Politikerin, die Verschwörungstheorien aller Art verbreitet, Parlamentssitzungen immer wieder mit Skandalauftritten stört und keinen Hehl aus ihrer pro-russischen Position macht, gründete ihre eigene Fraktion namens S.O.S. Rumänien. Laut Umfragen steht sie aktuell bei rund 5 % in der Gunst der Wähler in Rumänien und könnte somit bei den kommenden Parlamentswahlen auch die Wahlhürde einnehmen.



    Es gibt jedoch auch eine demokratische Opposition zu den etablierten Gro‎ßparteien: Die Union Rettet Rumänien (USR), die Partei der Volksbewegung (PMP) und die Rechte Kraft (FD) haben Ende letzten Jahres offiziell eine Allianz der Vereinigten Mitte-Rechts-Parteien gegründet, die als Alternative zur gro‎ßen Koalition gilt. Besagte Parteien haben sich auch schon auf die Kandidatenliste für die Wahlen zum Europäischen Parlament geeinigt. Die USR war bislang die drittstärkste politische Kraft im Parlament, doch die ideologisch unklare Ausrichtung, missglückte Auftritte einiger ihrer Politiker und die mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit haben die Partei mit nur noch knapp 12 Prozent auf den vierten Platz in den Wahlabsichten gedrückt. Die PMP und die FR haben mit dem ehemaligen Staatspräsidenten Traian Băsescu und dem ehemaligen liberalen Premierminister Ludovic Orban zwar prominente Gesichter an ihrer Spitze, doch beide Parteien dürften laut Umfragen auf weniger als 2 % der Wählerstimmen hoffen.



    Konstant mit rund 4 % dürfte der Ungarnverband UDMR bleiben, ein Bündnis von zumeist national-konservativen Kleinparteien, die sich der Wahrung der Rechte der ungarischen Minderheit verschrieben haben. Mit einer disziplinierten Wählerschaft hat es der UDMR bislang immer wieder ins Parlament geschafft und als Juniorpartner oder Scharnierpartei auch für Stabilität in so mancher Regierungskoalition gesorgt. Alles in allem: Das Superwahljahr 2024 wird auf jeden Fall spannend.