Tag: Tanz

  • Interdisziplinäre Auftritte: Das Caleido-Festival der darstellenden Künste

    Interdisziplinäre Auftritte: Das Caleido-Festival der darstellenden Künste

    Die 4. Ausgabe des Festivals hatte als Ziel, den interdisziplinären, interkulturellen und interethnischen Dialog in der Reihe Caleido Talks zu erweitern. Dabei handelte es sich um Diskussionen in Form von Podcasts, die sich wiederum mit dem Thema des Festivals auseinandersetzten: die Gesellschaft vielseitig gesehen, durch den Filter von Stereotypen, Beziehungen, Frauen, Gemeinschaften und der jüngsten Geschichte. Künstlerische Leiterin des Festivals war in diesem Jahr Andreea Novac, eine unabhängige Künstlerin, Choreografin und Performerin.



    Diese ist die erste Ausgabe, an der ich aus dieser Perspektive beteiligt bin, die der Person, die die künstlerische Auswahl trifft. Frühere Ausgaben standen ganz im Zeichen von Vielfalt und Multikulturalität, und – soweit ich von den Initiatoren und Organisatoren erfahren durfte – entstand das Festival aus einem Bedürfnis heraus. Aus der Notwendigkeit heraus, im gleichen Raum und Kontext extrem diverse Leistungen zusammenzubringen. Und wenn ich sage divers, dann meine ich das Thema, den ästhetischen Modus und Diskurs. Und die Idee war, wie ich schon sagte, dass diese Performances am selben Ort präsentiert werden sollten, damit das Publikum Verbindungen herstellen und die Phänomene beobachten kann, denen die Künstler nachgehen, um mehrere Perspektiven auf dieselbe Sache zu haben.



    Ich bin Choreographin. 2019 produzierte das Caleido Festival eine Aufführung, die ich mit dem Schauspieler István Téglás gemacht habe. Und weil den Leuten, die das Festival vor zwei Jahren organisiert haben, diese Aufführung gefallen hat, schlugen sie vor, dass ich dieses Jahr die Veranstaltung im Bereich Tanz und Performance weiterentwickle. Ich habe zugesagt, weil mir die Idee sehr gut gefiel, vor allem, weil ich nicht der Meinung bin, dass die Aufführungen spezialisiert sein sollten, dass sie ausschließlich Tanz- oder Theateraufführungen sein sollten. Ich glaube, dass eine Aufführung eine Mischung aus verschiedenen Künsten sein kann, und unter diesem Gesichtspunkt war Caleido genau die Plattform, die ich brauchte, eine Plattform, die mir half, meine Möglichkeiten zu entwickeln.



    Andreea Novac, die künstlerische Leiterin des Festivals, stellte uns auch die vier Produktionen des Caleido-Festivals vor, eine Veranstaltung, die auf die unsichere und instabile Situation des unabhängigen Theaters und der darstellenden Künste im Allgemeinen aufmerksam machen will.



    Wir haben auch mit den Vorschlägen der Organisatoren gearbeitet und wir haben zwei Ausschreibungen eingeplant. Eine für Aufführungen, die wir zum Festival einladen und eine andere Ausschreibung für Aufführungen, die wir während des Festivals produzieren, ein sehr wichtiger Aspekt von Caleido. Caleido hat im Jahr 2020 vier Aufführungen produziert, was für ein Festival und für ein so schwieriges Jahr wie 2020 sehr viel ist, und in diesem Jahr kamen diese Premieren heraus. In Bezug auf die Ausschreibung, war es mir ein großes Anliegen, Aufführungen von außerhalb Bukarests in das Festival einzubeziehen. Es gibt eine Menge unabhängiger Künstler landesweit, mit sehr starken Vorschlägen und ich wollte ihre Absichten kennenlernen und, soweit es mir möglich war, sie zum Festival einladen und diese vier Aufführungen zu produzieren.


    Um die Geschichte knapp zu erzählen: Ich habe Paul Duncă/Paula Dunker, einer queeren Aktivistin, die volle Freiheit gewährt, ein Team zu gründen, mit dem sie eine Aufführung mit dem Titel Anbetung der radikalen Performance auf die Beine gestellt hat. Es ist eine Aufführung über die Voguing-Bewegung (eine Tanzart, die sich in den 80er Jahren in Harlem entwickelte). Soweit ich weiß, ist es eine der wenigen Produktionen in unserem Land, die sich mit diesem Phänomen befasst und es auf eine tiefe Art und Weise behandelt, die mehreren Ebenen folgt. Es gibt eine persönliche Ebene, aber es gibt auch viele Informationen in der Aufführung über die Voguing-Kultur, die in unserem Land nicht sehr bekannt ist. Umso mehr lohnt es sich, das Stück wegen dieser sehr starken pädagogischen Dimension zu sehen. Es ist eine Aufführung, die einen mit Energie erfüllt, visuell sehr schön und vom Publikum leicht zu empfangen.


    In diesem Jahr präsentierte Caleido auch Bildungswoman unter der Regie von Elena Morar, eine Aufführung, die dem Projektaufruf entspricht. Bildungswoman ist eine Produktion, die visuell viel zu bieten hat, aber auch eine Aufführung mit Inhalt ist. Es ist eine Aufführung über Frauen und über das Erwachsenwerden. Ich zögere, es ein feministisches Manifest zu nennen, aber das Stück hat eindeutig eine sehr starke feministische Dimension. Eine weitere Caleido-Produktion war Fräulein Iulia, eine Produktion unter der Regie von Andreea und Andrei Grosu. Fräulein Iulia ist ein Ende des 19. Jahrhunderts geschriebener, aber sehr aktueller Text. Und die letzte Caleido-Produktion war Libretto Impostura, in der Regie von Matei Lucaci-Grünberg, der zweite Teil einer Trilogie. Eine Aufführung, die mit Humor und Ironie und auf eine sehr gesunde Weise über Hochstapelei spricht.


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  • Freiheit für Tänzer: Das AREAL-Zentrum in Bukarest

    Freiheit für Tänzer: Das AREAL-Zentrum in Bukarest

    Der unkonventionelle choreografische Entwicklungsraum im Zentrum von Bukarest wurde vor kurzem das 46. offizielle Mitglied des European Dancehouse Network. Er ist kreativ, offen für alle Tanzliebhaber, aber auch für diejenigen, die sich selbst durch den Tanz entdecken wollen. Und er ist kostenlos. Wir unterhielten uns über AREAL – den choreographischen Entwicklungsraum – mit einem der Choreographen, der ihn leitet, Cosmin Manolescu. Er erzählte uns auch über einen herausfordernden Workshop, der Anfang Juni stattfand. Der Workshop hieß Körper. Träume. Herausforderungen. Cosmin Manolescu erzählte uns Folgendes dazu:



    Der Workshop bei AREAL – dem choreographic development space“ – ist ein neues Format der Begegnung und des Dialogs. Ich denke, es ist auch ein Raum der Kreativität, rund um Träume, zeitgenössischen Tanz und natürlich Herausforderungen, denn meine Workshop-Formate sind eher untypisch. Areal ist ein neuer Raum, der in Bukarest eröffnet wurde und von vier Choreographen geleitet wird. Ich bin einer von ihnen, Cristina Lilenfeld, Alexandra Bălășoiu und Valentina De Pliante geben auch Tanzkurse und Workshops in verschiedenen Formaten. Auch ein Retreat für zeitgenössischen Tanz auf den griechischen Inseln Gavdos und Kreta steht an, und Anfang August werden wir in Techirghiol und am Schwarzen Meer tanzen.



    Wir haben Cosmin Manolescu gefragt, warum dieser Workshop eine Herausforderung ist:



    Zunächst einmal denke ich, dass die von den Teilnehmern vorgeschlagenen Themen herausfordernd sind. Ich denke, wir müssen uns bewegen und Emotionen in verschiedenen Formen erleben. Und es ist wichtig, aus dem Zustand herauszukommen, in den uns die Pandemie gebracht hat, einem Zustand der Weichheit, der Trägheit, des Zuhauseseins, des Alleinseins, ziemlich weit weg von Menschen, von kulturellen Aktivitäten. Dieses Format schafft einige Verbindungen zwischen Menschen, es öffnet die Seele und den Körper. Dazu kommt noch die Begegnung mit Emotionen, mit den Traumata des Körpers, mit einer persönlichen Arbeitsmethode, die sich um den emotionalen Körper dreht.



    Im Workshop diskutierten die Teilnehmer über Körpertraumata und -zeichen, über Träume, sie erforschten verschiedene Gefühle, indem sie im Kreis tanzten und dabei, mit geschlossenen Augen, die wunden Körperteile berührten, sie tanzten von ganzem Herzen bis in die Morgendämmerung hinein, zur Freude oder vielleicht zum Erstaunen oder auch zur Empörung der Passanten.



    Wir fragten Cosmin Manolescu, wer an seinen Workshops teilnimmt:



    Es sind ganz unterschiedliche Leute, Kulturjournalisten, Leute, die schon mal mit mir getanzt haben, Leute, die zum ersten Mal den zeitgenössischem Tanz erleben. Und das ist es, was ich sehr mag – nämlich, wenn neue Leute ein Universum entdecken, das ich für sehr kreativ und sehr frei halte. Im Grunde sind es schöne und freie Menschen, die auf der Suche nach sich selbst sind.



    Und natürlich kamen wir auch auf die grundlegende Frage: Was ist zeitgenössischer Tanz?



    Es ist eine Frage, die wir uns immer wieder stellen und die ich mir selbst auch schon mehrfach gestellt habe: Was ist zeitgenössischer Tanz? Zeitgenössischer Tanz ist für mich eine Form der Freiheit, eine Form des Mutes, bestimmte Dinge anzunehmen, sich selbst und seinem Körper und seinen Emotionen zu begegnen. Es ist eine unkonventionelle Form der Begegnung mit den Mitmenschen, mit der Stadt, der Natur. Denn das sind die Elemente, mit denen ich im Allgemeinen schon seit einer Weile arbeite. Ich habe den Eindruck, dass der zeitgenössische Tanz unser Leben verändert, und zwar auf eine positive Art und Weise, er bringt uns den Menschen näher und ich glaube, er hilft uns, bessere Menschen zu werden.



    Wir haben Cosmin Manolescu eingeladen, uns eine Frage zu stellen, die ihm noch nicht gestellt wurde und die er gerne beantworten würde:



    Eine mögliche Frage ist zum Beispiel: Warum entwickelt sich der zeitgenössische Tanz nicht? Es gibt eine Reihe von Faktoren, einige sind objektiv, andere vielleicht subjektiv. Zunächst einmal wird der Tanz überall als eine Art Aschenputtel angesehen, obwohl er meiner Meinung nach eine Kunst ist, die sowohl die Seele als auch den Geist und den Körper entwickelt. Es ist eine komplexe Kunst, die in erster Linie den Körper benutzt, und ich denke, wenn wir von klein auf mehr tanzen würden, und wenn wir an der Universität tanzen würden, wenn er statt Sport ein Wahlfach wäre, dann wäre das ein großer Gewinn für uns, für alle.



    Und weil es stimmt, dass die Workshops hauptsächlich von Frauen besucht werden, sprach ich mit Cosmin Manolescu über die Abwesenheit von Männern bei diesen Workshops:



    Das ist eine Frage, die ich mir oft stelle. Ich glaube, Männer fühlen sich nicht zu diesem Bereich hingezogen, der etwas emotional ist. Sie bevorzugen in der Regel den Sport, der für sie die volle Möglichkeit ist, sich vorzustellen, ihre Muskeln zu schärfen, ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu trainieren. Und irgendwie, denke ich, kommt das auch von der Bildung, die ja die Basis von allem ist. Das Bildungssystem, in dem wir uns befinden, begünstigt überhaupt nicht die Begegnung von Jungen, von Männern mit dieser Kunst. Nur wenige kommen mit dem zeitgenössischen Tanz in Berührung, meist per Zufall oder weil eine Frau dahinter steckt. Die meisten Männer, die an unseren Workshops teilnahmen, kamen nicht aus eigener Initiative. Ich glaube, wenn es viel mehr Aufklärung gäbe, wenn auch die Massenmedien den Tanz mehr fördern und wir es schaffen würden, mehr über den Tanz zu reden, vielleicht, wer weiß, würden dann irgendwann auch die Männer den zeitgenössischen Tanz mit mehr Offenheit betrachten. Ich muss gestehen, dass ich froh bin, dass sich immer mehr Jungs für den Gesellschaftstanz interessieren. Für bestimmte Tanzstile sehen wir bereits eine gewisse Offenheit. Ich denke, es ist eine Frage der Zeit und der Investitionen sowie der Arbeit in dieser Richtung, und ich hoffe, eines Tages werden wir eine gleiche Anzahl von Jungen und Mädchen bei zeitgenössischen Tanzworkshops haben.



    AREAL organisiert weiterhin Workshops, entweder in ihren Räumen oder im Freien, geleitet von Valentina De Piante Niculae, Alexandra Bălășoiu, Cristina Lilienfeld.

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  • Burlesque-Tanz: Wiederentdeckung weiblicher Sinnlichkeit

    Burlesque-Tanz: Wiederentdeckung weiblicher Sinnlichkeit

    Sie sind Mütter. Und sie üben einen Beruf aus: Einige sind Lehrerinnen, andere Sekretärinnen oder Architektinnen oder Ärztinnen. Sie haben zwar verschiedene Hobbys, doch verbindet sie alle eine einzige Leidenschaft — der Burlesque-Tanz. Sie trainieren zweimal pro Woche in einer Tanzschule in Bukarest. Sie wollen nämlich fit bleiben, aber auch ihren weiblichen Reiz bewahren. Als Burlesque-Tänzerinnen glauben sie, den richtigen Weg gefunden zu haben, um ihr Ziel zu erreichen. Wir unterhielten uns mit der Tanzlehrerin Camelia Maxim. Sie war früher Lehrerin an einer Grundschule. Jetzt ist sie Lehrerin für Burlesque-Tanz:



    Ich probierte verschiedene Tanzstile, entschied mich letztendlich für den sinnlichen Tanzstil. Der Burlesque-Tanz war der passende Tanzstil für mich. Ich finde ihn inspirierend. Und ich wollte auch anderen Frauen helfen, zu sich wiederzufinden. Den Burlesque entdeckte ich durch Zufall. Ich kannte diesen Tanzstil nicht. Doch ich stie‎ß auf YouTube auf mehrere Burlesque-Tanzfestivals. Meiner Ansicht nach ist der Burlesque die vollständigste sinnliche Tanzrichtung. Er ist eine harmonische Kombination zwischen Sinnlichkeit und Humor, gespickt mit spielerischen Elementen.“




    Von der Entdeckung des Tanzstils bis zum Unterricht war nur noch ein Schritt notwendig — erzählte uns Camelia Maxim:



    Ich beteiligte mich an einer Frauengruppe, die auf der Suche nach der Weiblichkeit war. Es war der Weg zur seelischen Entfaltung. Und in dieser Gruppe wurde ich aufgefordert, den Burlesque-Tanzstil auch den anderen beizubringen. Ich war nämlich schon Tanzlehrerin. Die Frauen sollten ihre Sinnlichkeit wiederfinden. Denn viele Frauen sind sehr beschäftigt, sie beteiligen sich zwangsweise an diesem alltäglichen Marathonlauf und vergessen, Frauen zu sein. Sie vergessen ihre Sinnlichkeit, sie vergessen eigentlich ganz viele wichtige Dinge.“




    Camelia Maxim erzählte uns mehr über die Kursteilnehmerinnen:



    Am Tanzkurs beteiligen sich Frauen, die zwischen 22 und 50 Jahre alt sind. Manche kommen zum Kurs, weil sie meinen, sie seien viel zu männlich in ihrem Verhalten. Sie wünschen sich, ihre weibliche Seite zu entwickeln. Es gab eine Zeit, in der ich mehrere Kursteilnehmerinnen hatte, die von ihrem Therapeuten hierher geschickt wurden. Sie hatten nämlich eine Blockade in ihrem Kopf diesbezüglich. Andere Frauen beteiligen sich an dem Tanzkurs, weil sie ihren Partner überraschen möchten.“




    Wir unterhielten uns mit einer Kursteilnehmerin. Sie hei‎ßt Monica, ist 38 Jahre alt und ist Mutter. Schon seit mehr als zwei Jahren ist sie Burlesque-Tänzerin. Sie liebt diesen Tanzstil. Doch wie kam sie darauf?



    Ich war auf der Suche nach einem Tanzstil, der mich aus meiner Komfortzone herausgerissen hätte. Ich wollte nämlich mein Selbstvertrauen aufbauen und meine weiblichen Reize wiederfinden. Meine Sinnlichkeit erforschen — das war mein Ziel. Es war mir wichtig, mich so zu akzeptieren, wie ich halt war. Ich wollte mich im Hinblick auf meine Weiblichkeit, Sinnlichkeit und mein Selbstvertrauen weiterentwickeln. Und so kam ich auf den Burlesque. Ich hatte schon vor mehreren Jahren einen Film gesehen, in dem Burlesque-Tänzerinnen mitmachten. Ich suchte nach Informationen über diesen Tanzstil, ich ging näher darauf ein und begriff, worin er eigentlich bestand, wie er innerhalb der Gesellschaft wahrgenommen wurde. Ich wusste gleich, es war das Richtige für mich.“




    Die Erfahrung war allerdings anders als erwartet — erzählte uns Monica:



    Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich am Anfang wie für ein Training im Fitness-Studio vorbereitet hatte. Ich zog mir einen Trainingsanzug an, ein lockeres, bequemes T-Shirt. Und als ich in den Raum trat, erblickte ich Frauen, die einen Korsett trugen und Strumpfhalter und lange seidene Handschuhe. Und ich dachte, ich würde mich niemals in der Art anziehen können. Ich dachte, all die Frauen seien so mutig und schön und weiblich. Und ich schaute mich an und sah mich wie eine Versagerin. Damals wog ich auch 13 Kilo mehr als heute. Ich hatte ganz viele Minderwertigkeitsgefühle. Ich schaute mir diese Frauen bewundernd an und wünschte mir, an ihrer Stelle zu sein. Und nun trage ich auch ein Korsett oder ein Spitzenbody. Und ich bin weiblich und reizend und habe viel mehr Selbstvertrauen. Und was meinen persönlichen Stil betrifft, fand ich wieder zurück zur Art und Weise, in der ich mich in meinen Jugendjahren kleidete — ich trage jetzt wieder Miniröcke und enge Blusen, ich habe viel mehr Selbstvertrauen.“




    Camelia Maxim, die Tanzlehrerin, begleitet ganz gewissenhaft die Entwicklung ihrer Schülerinnen. Ihre Schülerin Monica ist ganz begeistert:



    Cami bringt uns nicht nur die Bewegungen, den Tanzstil bei. Sie hilft uns auch psychisch, weiterzukommen. Sie hilft uns, unsere Weiblichkeit weiterzuentwickeln. Zu Beginn regte sie uns immer an, in den Spiegel zu schauen. Bewundert euch! — forderte sie uns stets auf. Am Anfang war es schwierig, ich wusste nicht, wie ich mich mit Bewunderung anschauen könnte. Doch Cami begleitete und orientierte uns während dieses Prozesses, und somit bauten wir mehr Selbstvertrauen auf. Und wir wurden sinnlicher und weiblicher. Sie brachte uns bei, wie wir gehen oder uns hinsetzen sollen, um Weiblichkeit und Eleganz auszustrahlen. Burlesque ist eine Haltung, nicht allein ein Tanzstil!“




    Beim Burlesque geht es um die Akzeptanz der eigenen Person, über Körpermodellierung, Körperformung, Verhalten und Selbstvertrauen. Letztendlich geht es um die Gesundheit — die Training Sessions werden nämlich sehr ernst genommen. Monica bringt mehr Einzelheiten dazu:



    Alle Tanzstunden beginnen mit einer Aufwärmung. Kabarett-Elemente können nicht eingesetzt werden, ohne die Beine davor richtig aufzuwärmen. Die Übungen am Stuhl fordern die Bauch- und Rückenmuskulatur besonders stark. Eine richtige, elegante Körperhaltung wird durch eine gut trainierte Muskulatur gestützt. Im Laufe der letzten zwei Jahre habe ich abgenommen, meinen Körper schön geformt. Meine Muskeln haben einen guten Tonus, sie sehen aber weiblich aus, nicht kräftig, wie die männlichen Muskeln. Ich werde viel schwerer müde, halte viel mehr aus. Muskelkater habe ich auch immer seltener. Also geht es nicht lediglich ums Tanzen, es ist auch Fitness!“




    Unter normalen Lebensbedingungen treten die Burlesque-Tänzerinnen auch in Tanzshows auf — in etwa zweimal pro Jahr, mit der gesamten Tanzschule. Doch auch letzten Sommer brachten sie eine eigene Show über die Bühne.

  • Musikpädagogik in Schulen: NGO versucht unkonventionelle Methoden

    Musikpädagogik in Schulen: NGO versucht unkonventionelle Methoden

    Unkonventionelle pädagogische Mittel für Kinder, die sich auch für Erwachsene eignen, gehören seit einigen Jahren zur Erziehungspraxis in Rumänien. Besonders wichtig sind dabei Musik und Bewegung, die sowohl für die Aneignung von Kenntnissen als auch für die Anspornung der persönlichen Kreativität und für spezifische Therapien angewandt werden. Diese Alternativkurse gibt es in Rumänien seit 1993, als der deutsche Klangforscher und Musikpädagoge Hannes Heyne seine Erziehungsmethode in unserem Land präsentierte. Es handelt sich um eine Erziehungsmethode durch Musik, die sich auf einem einfachen Grundsatz stützt: Für die Menschen ist Musik genauso wichtig wie Sprache, sie ist ein uraltes Kommunikationsmittel. Mit Hilfe der Musikpädagogie werden die Kinder der Musik näherkommen, sie als Teil ihres Lebens aufnehmen. Auch die fast immer ungeduldigen, nervösen Erwachsenen bekommen dadurch die Chance, einander zuzuhören und zu verstehen. Hannes Heyne:



    Die alten Volksstämme haben Klänge und Instrumente geschaffen. Die Instrumente waren zunächst einfach: Kiesel- und Klangsteine aus verschiedenen Landschaften, geschnitzte Hölzer unterschiedlicher Bäume, geschmiedete Metallstäbe, Klangplatten, Gongs. Wenn sie keine Instrumente zusammenbastelten, benutzten die Menschen Muschelschalen oder Meeresschnecken, Steine, Holzstäbchen, und sie versuchten, durch Klänge zu kommunizieren. Was man damals in der Natur finden konnte, finden wir auch heute. Wir müssen nicht unbedingt mit Hilfe von elektronischen Geräten kommunizieren, wir können es genauso gut mit Steinen, Stäbchen, Muschelschalen tun. Auf diese einfache Weise kann jeder Musik machen, ohne besondere theoretische Kenntnisse haben zu müssen.“




    Die Klangmethode entwickelt die Kommunikationsfähigkeiten und die emotionelle Intelligenz sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Mit Hilfe der Klänge werden die Erwachsenen von der inneren Spannung befreit, die sich infolge von stressigen und schwierigen Aktivitäten angestaut hatte, und manchmal werden sie auch wieder lernen, miteinander zu kommunizieren. Hannes Heyne erläutert:



    Es ist besonsders wichtig, einander zuzuhören. Wenn ich dem anderen zuhöre — sei es, wenn er spricht oder wenn er singt –, bedeutet das, dass ich seinen Wert anerkenne. Dasselbe können wir lernen, indem wir Musik machen. Mit Hilfe von Musik können wir zuhören und auch antworten. Es entsteht ein musikalisches Gespräch, die Grundlage der Kommunikation.“




    Hannes Heyne ist in die ganze Welt gereist und hat seine Klangerziehungsmethode in vielen europäischen Ländern, in den USA, in Mexiko und in Japan praktisch umgesetzt. Auch in Rumänien veranstaltet er oft Workshops für Wahrnehmung, Improvisation, Instrumentenbau und Kunst sowie Klangerlebnisse für Kinder, aber auch Musiktherapie-Kurse für Erwachsene. Mehr dazu von Hannes Heyne:



    Ich wurde von Schulen und anderen Erziehungsanstalten eingeladen, Workshops zu halten. Ich arbeite gern mit Kindern. Wenn sie ganz klein sind, beginnen wir mit einer Geschichte, mit einem musikalischen Märchen. Die kleinen Kinder lieben die Märchen, und in meinen Geschichten ist jedes Musikinstrument eine Märchenfigur. Die etwas grö‎ßeren Kinder stellen schon gezielte Fragen über die Musikinstrumente: wozu sie dienen, wer sie erfunden und gebaut hat, wie sie funktionieren. Die Erwachsenen wiederum wollen wissen, wie sich die Musik auf die Menschen auswirkt, ob sie einen Einfluss auf die Gesundheit hat, wie Musik einen Menschen beeinflussen kann, ob man von einer Therapie durch Musik sprechen kann, ob man lernen könnte, andere Menschen mit Hilfe von Musik zu erziehen… Ich arbeite gern mit verschiedenen Einrichtungen zusammen. In Rumänien hatte ich eine gelungene Zusammenarbeit mit dem Bauernmuseum in Bukarest, ich veranstaltete dort Kreativitäts-Workshops. Ich hatte auch Projekte in Arad, in Braşov — eigentlich überall in Rumänien.“




    Die Methode, die Hannes Heyne anwendet, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den sogenannten aktiven Methoden zur musikalischen Erziehung der Kinder, die Anfang des 20. Jh. von den Komponisten Émile Jaques-Dalcroze und Carl Orff entwickelt wurde. Diese Methode der Musikpädagogie wurde in Rumänien zuerst bei Kursen im Rahmen einiger Nichtregierungsorganisationen praktiziert und neulich wird sie auch in öffentlichen Schulen angeboten. MiMaMuzica ist eine NGO, die eine aktive Methode der Musikpädagogie verwendet. Lucian Nicolae, Musikpädagoge bei MiMaMuzica, wei‎ß mehr:



    Ein Kind mu‎ß eine gewisse Sprache sprechen und verstehen, bevor es die Buchstaben des Alphabets lernt und damit Wörter bilden und später auch schreiben kann. Ein Kind lernt zuerst seine Muttersprache — bevor er das Lesen oder Schreiben erlernt. Dasselbe Prinzip funktioniert auch in der Musik: Als Erstes lernen wir ‚Musik sprechen‘, das hei‎ßt, Musik praktizieren, Musik machen; dann entziffern wir die spezifischen Kodifizierungen der Musik und verstehen auf kognitiver Ebene, was Musik bedeutet, wie wir eine Partitur lesen und schreiben können. Ich persönlich fühle mich Carl Orff sehr nahe — seine Methode kombiniert vokale Rezitation, Sprache, Bewegung, Tanz, vokaler und körperlicher Ausdruck, Theater, Gesang und Spielen von Instrumenten, die keine komplizierte Technik benötigen.“




    Diese aktive Methode bildet die Grundlage für die Kurse, die bei MiMaMuzica angeboten und teilweise auch von Lucian Nicolae gehalten werden:



    Die MiMaMuzica-Workshops richten sich an Kinder zwischen 0 un 8 Jahren. Die Pädagogen von MiMaMuzica haben des öfteren mit Kindergärten und Grundschulen in Bukarest zusammengearbeitet. Wenn wir in Schulen gehen, müssen wir all unsere Instrumente mitbringen; deshalb ist es einfacher, wenn die Kinder zu uns kommen.“




    Die Musikpädagogie könnte, unter gewissen Bedingungen, ins öffentliche Erziehungssystem integriert werden, meint Lucian Nicolae:



    Ich bin davon überzeugt, dass unsere Musikpädagogie in die öffentlichen Schulen integriert werden kann. In den französischen Schulen gibt es bereits sogenannte ‚Bewegungssäle‘, wo Musikstunden, Tanzstunden, Bewegungsstunden und Gymnastikstunden stattfinden. Auch in Rumänien wurde der Lehrplan mindestens theoretisch an diese Tendenzen angepasst — von der Klasse Null (Vorschule) bis zur 4. Klasse gibt es Musik- und Bewegungsstunden. Ich empfehle dieses Erziehungsystem aus ganzem Herzen und ich stütze mich dabei auf das gute Beispiel Frankreichs, wo viele Schulen mit Musikinstrumenten und Bewegungssälen ausgestattet sind. Der Lehrplan ist in Rumänien sehr gro‎ßzügig, er wurde von Fachleuten erarbeitet, die sich mit den aktiven Erziehungsmethoden auskennen. Von der Erstellung eines Lehrplans bis zu dessen praktischen Umsetzung ist aber noch ein langer Weg — alles hängt von der musikalischen Erziehung der Lehrer ab.“

  • Bukarester Tanzzentrum: Performance zu Ehren des Avantgardisten Isidore Isou

    Bukarester Tanzzentrum: Performance zu Ehren des Avantgardisten Isidore Isou

    Der 1925 im nordrumänischen Botoşani geborene Isidore Isou lie‎ß sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich nieder. In seinem Heimatland ist er nur den wenigsten bekannt — das war auch der Grund für die Veranstaltung des ihm gewidmeten Abends in Bukarest und die Fortsetzung der Reihe im Rahmen weiterer Projekte. Kurator des Events am Bukarester Landeszentrum des Tanzes (CNDB) war Igor Mocanu.



    Isidore Isou hatte selbstverständlich, wie jeder Vertreter der Avantgarde, und auch weil er ein Künstler mit vielfältigen Interessen war, ein Manifest des Tanzes und mehrere theoretische Texte über den Tanz. Als Gegengewicht zu den Sprüngen im deutschen Expressionismus der ersten Tanzavantgarde der 1920er-30er Jahre schlug er eine Choreographie des Falls, der stürzenden Körpers vor. Vielleicht wird es bei CNDB auch eine Vorstellung aufgrund dieser Ausprägung im Schaffen Isidore Isous geben. Für heute haben wir aber einen französischen Komponisten eingeladen, der in Berlin wohnt und der einen zeitgenössischen Kunst- und Soundraum leitet — La Plaque Tournante –, dabei hat er eine britische Mezzosopranistin als Partnerin. Sie hei‎ßen Frédéric Acquaviva und Loré Lixenberg. Neben ihrem Interesse für die zeitgenössische Kunst, mit Sound oder ohne Sound, sind sie auch sehr gute Deuter des Werks von Isidore Isou. Frédéric ist übrigens im Besitz einer beeindruckenden Sammlung von Büchern und anderen Werken von Isou.“




    Die Veranstaltung rund um Isidore Isou begann mit der Videoprojektion eines zweiminütigen Auszugs aus einem Dokumentarfilm von Orson Welles mit dem Titel Around the World in Saint-Germain des Prés“. Der Film wurde 1955 im Buchladen Fischbacher in Paris gedreht, und in dem am CNDB vorgeführten Auszug sind Isidore Isou, Maurice Lemaître, Jacques Spacagna und Orson Welles zu sehen. Der anschlie‎ßende Auftritt von Loré Lixenberg beinhaltete einige Stücke des Künstlers aus dem Zeitraum 1947-1984, wie die Mezzosopranistin selbst erklärt.



    Wir haben Stücke aus einer sehr langen Zeitspanne ausgewählt, die nach 1945 und bis 1984 entstanden sind. Wir haben eines seiner ersten Arbeiten ausgewählt, »Neige«/»Schnee«, die die geniale Arbeitsweise Isous widerspiegelt: Er nimmt ganz einfach eine Situation, in der er sich befindet, und verwandelt sie eher in etwas anderes, anstatt sie theatralisch zu verarbeiten. Dann führe ich einige Arbeiten aus seinem aphonen System vor, mit anderen Worten stille Gedichte, die Gesten und Bewegung voraussetzen. Aus Sicht eines Performers ist es faszinierend, weil es ein derartig reichhaltiges Material ist, es enthält eine Fülle an unterschiedlichen Lauten. Und au‎ßerdem liebe ich diese Trennung der Laute von ihrer Bedeutung. Es fühlt sich sehr gut in meinem Mund an. Das nennt sich auch »good mouth feel«.“




    Gegen sein Lebensende hat sich Isou der Musik stark genähert. Deshalb enthielt der zweite Teil der Veranstaltung in Bukarest eine Komposition aus dieser Periode. Es handelt sich um die Symphonie Nr. 4: Juvenal, die 2001 entstand und 2003 von Frédéric Acquaviva orchestriert wurde. Der französische Komponist lernte Isou in seinen letzten zehn Lebensjahren persönlich kennen und gemeinsam komponierten sie einige Symphonien, die Acquaviva dann orchestrierte. Am Tanzzentrum in Bukarest schilderte Acquaviva die Begegnung mit dem musikalischen Schaffen Isidore Isous.



    Er hat Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen und ist 1945 in Paris angekommen. Seine Idee war es, lettristische Poesie zu schaffen, das war eigentlich ein Gemisch aus Gedicht und Musik. Deshalb hätte einer später den Begriff Poesie nutzen können, aber eigentlich ist die lettristische Poesie eine Art Dichtung, bei der nur die Stimme und alle Bewegungen und Laute zum Einsatz kommen, die mit Hilfe des Körpers erzeugt werden können. Also ist es eine Art »Lied des Körpers« /»body sound« und es ist eine sehr fortschrittliche Gattung, es ist eine völlig abstrakte Poesie. Seine Musik hört sich ein wenig primitiv an, weil sie in Schleifen aufgebaut ist. Sie mutet sehr bizarr an. »Juvenal« ist die vierte Symphonie von den fünf, die wir gemeinsam geschaffen haben. Diese habe ich über die Stimmlage des Chors hinweg orchestriert, also würde ich behaupten, dass man nicht genau wei‎ß, in welcher Zeit man sich befindet, in welchem Land, und das ist sehr interessant und etwas Besonderes.“




    Der Komponist Frédéric Acquaviva hat bereits mehrere Veranstaltungen europaweit organisiert, die Isidore Isou gewidmet sind. Er möchte seine Projekte fortsetzen, sagt er.



    Wir haben bereits einige Ausstellungen organisiert, einige Bücher über ihn geschrieben. Gemeinsam mit dem Rumänischen Institut in Stockholm haben wir einen Band über seine hypergraphischen Romane herausgebracht. Aber, weil wir hier am Landeszentrum für Tanz sind, muss gesagt werden, dass er einige phantastische Choreographien geschaffen hat, die seiner Zeit um mindestens 40 Jahre voraus waren. Denn das, was er in den 1950er Jahren schrieb, findet sich im zeitgenössischen Tanz der 1990er Jahre, etwa in Frankreich, wieder. Jetzt arbeite ich gerade an einigen Projekten über ihn, allen voran an einer Monographie seiner gemalten Bilder und Kunstwerke. Ich hoffe, dass sie noch in diesem Jahr von den Editions du Griffon veröffentlicht wird, die kurioserweise auch die erste Brâncuşi-Monographie in den 1950er Jahren herausbrachte.“

  • Nationales Theaterfestival 2016: Mehr Tanz als Theater

    Nationales Theaterfestival 2016: Mehr Tanz als Theater

    Vom 21.-30. Oktober 2016 fand in Bukarest das Nationale Theaterfestival statt. Im Mittelpunkt jedes Theatertreffens stehen der Dialog und die Idee, dass Künstler zusammenkommen und Erfahrungen austauschen, das ist auch, was wir beim 26. Nationalen Theaterfestival unseren Gästen anbieten werden“, erklärte die Theaterkritikerin Marina Constantinescu, Intendantin der Festspiele, auf der ersten Pressekonferenz des Festivals.



    Die 26. Auflage des Nationalen Theaterfestivals wurde der Choreographin Miriam Răducanu gewidmet, einer herausragenden Persönlichkeit des rumänischen Gegenwartstanzes. Bei der offiziellen Eröffnung des Festivals stand der Choreograph Gigi Căciuleanu, ein ehemaliger Schüler und Bühnenpartner von Miriam Răducanu, im Mittelpunkt. Eröffnet wurde das Nationale Theaterfestival 2016 mit der Foto-, Video- und Graphikausstellung Căciuleanu“ und einer Coupé-Tanzaufführung mit mehreren kurzen Tanzstücken. Ehrengäste waren die amerikanische Choreographin Carolyn Carlson und der französische Choreograph Angelin Preljocaj. Ferner wurden im Rahmen des Festivals Tanzaufführungen des ungarischen Choreographen Pál Frenák und der der rumänischen Choreographen Răzvan Mazilu und Andreea Gavriliu präsentiert.



    Wenn man ein Theaterfestival einer Persönlichkeit wie Miriam Răducanu widmet, bedeutet das nicht nur Tanz, sondern auch Kultur und Schönheit“, sagte Gigi Căciuleanu, der seine Karriere als Tänzer und Choreograph seiner Mentorin Miriam Răducanu zu verdanken hat. Die 1924 geborene Miriam Răducanu revolutionierte den Gegenwartstanz in Rumänien. Sie brachte Poesie und Musik zusammen, mit der Kraft und der Botschaft einer einmaligen Tanzsprache“, sagte die Tanzkritikerin Gina Şerbănescu bei der Eröffnung des Theaterfestivals.



    Der Tanzmacher“ (wie er sich selbst nennt) Gigi Căciuleanu eröffnete das Nationale Theaterfestival mit der Ausstellung Căciuleanu“ und schloss es mit einer Buchvorstellung ab. In dem Band Miroirs“ (Spiegel“) sammelte er zahlreiche Texte, die im Laufe der Jahre entstanden sind. Gigi Căciuleanu:



    Soweit ich mich erinnern kann, habe ich immer auf Papierstücken etwas gekritzelt. So schreibe ich meine Tänze auf. »Miroirs« ist ein Buch, das vor allem aus Tänzen besteht, genauso wie meine Tänze grö‎ßtenteils aus Gedichten und Zeichnungen bestehen. Das Buch lässt sich leicht lesen, es ist gar nicht langweilig. Es enthält viele Gedichte, die ich auf Französisch geschrieben, dann ins Rumänische übertragen habe. Und während ich meine auf Französisch geschriebenen Gedichte ins Rumänische übertrug, entdeckte ich unsere wunderbare Sprache wieder, und begann, wieder in meiner Muttersprache zu schreiben.“




    In den ersten zwei Tagen des Nationalen Theaterfestivals hatte das rumänische Publikum die Gelegenheit, einen der besten europäischen Choreographen kennenzulernen. Der französische Choreograph albanischer Abstammung Angelin Preljocaj kam nach Bukarest mit der Tanzaufführung La Fresque“ (Das Fresko“), die von einem chinesischen Märchen inspiriert wurde und vor einem Monat ihre Weltpremiere hatte. Angelin Preljocaj dazu:



    Ich wollte andere Märchen entdecken, ich wollte etwas Anderes, und nicht mehr die bekannten »Aschenputtel« oder »Schwanensee«, die traditionsgemä‎ß für romantische Ballettaufführungen verwendet werden. Ich wollte herausfinden, wie Geschichten oder Märchen in anderen Kulturen übermittelt werden, was sie vermitteln, welchen tieferen Sinn sie enthalten. Ich entdeckte dieses mittelalterliche chinesische Märchen, das ich wirklich wunderbar finde, ein Märchen, das die äu‎ßerst subtile Frage der Vorstellung behandelt. Im Grunde genommen ist die Geschichte der Malerei, die mit den Höhlenmalereien der prähistorischen Menschen angefangen hat, bis zum heutigen Tage mit der Konzeptkunst verbunden. Diese gesamte Geschichte der Malerei und der Vorstellung finde ich besonders interessant, und in der heutigen Zeit des Internets erleben wir die Vorstellung auf höchst seltsame Art. Abgesehen davon erzählt das Märchen eine wundervolle Liebesgeschichte — jemand träumt, dass er sich in eine Vorstellung verliebt.“




    Die in Kalifornien geborene und in Paris lebende Choreographin Carolyn Carlson hielt ein Workshop im Rahmen des Nationalen Theaterfestivals und präsentierte in Bukarest zwei Tanzaufführungen: Short Stories“ (Kurzgeschichten“) und Now“ (Jetzt“). Jetzt“ vermittelt Hauptgedanken wie Tanz lebt und stirbt jetzt“, oder wir haben die Möglichkeit, die Welt jetzt zu ändern“. Carolyn Carlson über diese Tanzaufführung:



    Einerseits habe ich eine Vorliebe für den französischen Philosophen Gaston Bachelard. Ich schuf bereits zwei Tanzaufführungen nach seinen Texten »Leau et les rêves« (»Das Wasser und die Träume«) und »Lair et les songes« (»Die Luft und die Traumbilder«). Die dritte Tanzaufführung, »Jetzt«, basiert auf »La poétique de lespace« (»Die Poetik des Raumes«). Es geht dabei um Wälder, Grenzenlosigkeit und Intimität. In Paris fuhr ich mit der Metro zu den Proben, und es fiel mir auf, dass niemand wirklich da war. Das hei‎ßt, dass alle Leute mit ihren Handys beschäftigt waren. Und ich fragte mich: Ist noch jemand wirklich da? Warum kann man sich nicht mehr seine Mitfahrer anschauen und einfach die Fahrt genie‎ßen? Wir nehmen das Leben nicht mehr wahr, wir sind zu beschäftigt, wir sind nicht mehr hier und jetzt. Und ich nannte meine Tanzaufführung »Jetzt«.“




    Die Tanzkunst war beim Nationalen Theaterfestival in mehreren Theateraufführungen präsent. Bei zwei Aufführungen, die am letzten Festivaltag präsentiert wurden, gestaltete Andreea Gavriliu die Choreographie. Es handelt sich um Tänzerin im Dunkeln“, in der Regie von Vlad Massaci, eine Bühnenadaption nach dem Spielfilm Dancer in the Dark“, von Lars von Trier, und um das Stück Zu Befehl, mein Führer“, eine Aufführung des Regisseurs Mihai Măniuţiu mit Maia Morgenstern in der Hauptrolle. Andreea Gavriliu spricht über ihre Choreographien:



    In »Dancer in the Dark« versuchten wir, eine besonders expressive Welt der Klänge zu schaffen. Wenn jemand fast blind ist, verfeinern sich die anderen Sinne, vor allem das Gehör. Wir versuchten, dies mit der Körpersprache darzustellen, wir wollten zeigen, dass die Rhythmen und die Klänge, die uns im Alltag umgeben, viel prägnanter werden und eine stärkere Wirkung auf unseren Körper haben. Deshalb haben wir eine besonders suggestive Musik ausgewählt — alle gewöhnlichen Geräusche und Klänge, die wir normalerweise kaum noch wahrnehmen, werden zu Musik. Das Stück »Zu Befehl, mein Führer« ist etwas ganz Anderes. Es geht um das Schicksal einer Frau, die während des Nationalsozialismus aufgewachsen ist, aber immer versucht hat, nur Gutes zu tun, auch wenn das Nazi-Regime eine Katastrophe für die Menschheit war. Mit meiner Choreographie wollte ich die Härte des Nazi-Regimes ausdrücken.“




    Über die Bedeutung der starken Präsenz des Tanzes auf dem Nationalen Theaterfestival 2016 sagte Andreea Gavriliu:



    Alles, was ein Schauspieler bei der Gestaltung seiner Rolle macht, hat eine bedeutende choreographische Komponente. Das sollte immer deutlicher werden, sowohl für die Theaterprofis, Darsteller, Regisseure usw. aber auch für die Zuschauer im Saal.“

  • News from Polska – polnische Tanzkunst in Bukarest

    News from Polska – polnische Tanzkunst in Bukarest

    Fünf renommierte Künstlerinnen Polens waren Ende Februar und Anfang März zu Gast auf dem Mikrofestival News from Polska, organisiert vom Bukarester Tanzzentrum (CNDB) zusammen mit dem Polnischen Kulturinstitut, beteiligt. Die Theater‑, Tanz- und Performance-Aufführungen haben klassische Themen des polnischen zeitgenössischen Theaters angesprochen. Thematisiert wurden zudem Fragen wie die persönliche, künstlerische, nationale und menschliche Identität.



    Das Solospiel Şi va veni Crăciunul“ (Und Weihnachten wird kommen“) ist vom Flugunfall bei Smolensk inspiriert, der sich 2010 ereignete und bei dem alle 96 Insassen, unter ihnen der polnische Staatschef Lech Kaczynski, ihr Leben verloren. Die Idee dazu hatte die Protagonistin Agnieszka Przepiórska:



    Damals befand ich mich während einer Pause zwischen zwei Arbeitsverträgen, ich blieb also viel zu Hause, las die Zeitung und verfolgte die Nachrichten. Immer wieder traten diese Frauen in die Aufmerksamkeit, die Witwen der polnischen Politiker, die beim Flugunfall ihr Leben verloren. Sie schauten mich an, sie schauten ganz Polen an und drückten ihr Leiden aus. Dann habe ich mich selbst gefragt: Wieso erlauben sie den Journalisten, sich in ihr Leben einzumischen? Einige von ihnen haben ihnen die Tür geöffnet, sie in ihr Haus eingeladen und über ihr Leiden gesprochen. Ich habe mich gefragt, wieso öffnen einige die Tür und andere hingegen nicht. Genau an jenem Moment habe ich angefangen, an diese Witwen zu denken. Es handelt sich nicht um eine Performance zu einem politischen Thema, sondern hingegen um eine Aufführung, die die Gefühle einer Frau thematisieren, die ihren Mann, einen wichtigen Politiker, verloren hat. Es handelt sich um Ehefrauen, die kein eigenes Leben hatten. Meiner Ansicht nach bildet die Politik nur den Hintergrund dieses Solospiels.“




    Die Kuratorin des Festivals News from Polska“, Iulia Popovici, sagte, eine Absicht der Festspiele sei es, den rumänischen Zuschauern künstlerische Ausdrucksformen näher zu bringen, die in Rumänien keine gro‎ße Resonanz finden, so zum Beispiel das Monodrama. Das Solospiel ist ein besonders geschätztes Genre, das für die polnische Kunstszene eine gro‎ße Bedeutung hat. Die Performances Und Weihnachten wird kommen“, Diva“, ID-ance“ seien für diese Kategorie besonders relevant, sagt die Kuratorin.



    Die Festspiele gingen mit einer Aufführung zu Ende, die mehrere Künstler auf dieselbe Bühne brachte. Delfinul care m-a iubit“ (Der Delfin, der mich liebte“) ist eine moderne Performance, in der dokumentarisches Theater, neue Medien und Sportübungen zusammenschmelzen. Das Projekt beruht auf der in den Sechzigern von der NASA finanzierten Forschungsarbeit des US-amerikanischen Neuropsychologen John Cunningham Lilly, der Delfinen die englische Sprache beibringen wollte. Den Fokus legen die polnischen Künstler auf die berührende Geschichte über die Beziehung zwischen Margaret Howe Lovatt und dem Delfin Peter. Der Vorschlag der Regisseurin Magda Szpecht stellt das Publikum vor eine wahre Herausforderung und beruht darauf, das Theater als Ort zu betrachten, wo man die eigene Einbildungskraft entwickeln kann. Die Regisseurin Magda Szpecht:



    Ich habe acht Momente aus dieser Forschungsarbeit ausgewählt, die wichtigsten meiner Meinung nach. Die Teile der Aufführung entsprechen diesen Momenten, erzählten die Geschichte jedoch nicht genau. Jede Szene wiedergibt unsere persönlichen Eindrücke gegenüber einem bestimmten Ereignis aus der Geschichte und darüber, was im Laboratorium passierte. Meiner Meinung nach liegt der Akzent auf Kommunikation. Nicht nur die Kommunikation zwischen Künstlern, sondern auch das Verhältnis zwischen dem Auftritt der Künstler und der Reaktion des Publikums. Denn die Aufführung beruht auf der Idee, dass auf der Bühne Delfine auftreten und im Saal Menschen sitzen. Wir sollten also unser Bestes tun, um von Anfang an das Gefühl zu entwickeln, dass wir etwas gemeinsam haben und dass wir kommunizieren können. Wir gehören nicht derselben Spezies an, wir sind nicht gleiche Lebewesen.“




    Veranstaltungen, die polnische Theater- und Tanzaufführungen in die Aufmerksamkeit der rumänischen Zuschauer bringen, sind keine Neuigkeit im rumänischen Kulturraum. Das Zielpublikum gibt es schon und es wartet nach wie vor mit gro‎ßem Interesse auf neue Auftritte der polnischen Künstler. Die Kuratorin Iulia Popovici mit weiteren Einzelheiten über die Festspiele News from Polska“:



    Bislang hatte das Polnische Kulturinstitut Monodramen und ein Tanzfestival präsentiert. Nun setzten wir uns zum Ziel, die Monodramen und den Tanz zusammenzubringen und die beiden mit einer realen Gegebenheit in der polnischen Kunstszene in Verhältnis zu setzen: der weiblichen Schöpfung. Wir haben Aufführungen unterschiedlicher Gestaltung präsentiert, in denen Frauen auftreten, von Frauen geschaffen wurden, die verschiedene Blickpunkte über Geschichten von Frauen vorschlugen, aber das hei‎ßt nicht, dass sich der Diskurs dieser Frauen ausschlie‎ßlich an andere Frauen richtet. Sie nahmen sich auch nicht vor, deutlich feministische Blickwinkel einzunehmen. Es geht eigentlich darum, dass derzeit in Polen die Stimmen der Künstlerinnen lauter werden. Ihre Präsenz in der polnischen Szene ist heute stärker als früher, sie prägen das Theater, den Tanz, den kulturellen Massengeschmack sehr stark.“




    Die rumänisch-polnische Zusammenarbeit im Bereich Kunst nahm mit der Zeit zahlreiche Formen ein. Ein neues Beispiel ist das Projekt Mame de oţel“ (Mütter aus Stahl“), das die rumänische Künstlerin Mădălina Dan zusammen mit der polnischen Performerin Agata Siniarska beim zweiten Internationalen Festival Unabhängiger Aufführungen Bazaar“ in Tschechien darbot.

  • Jubiläum: 10 Jahre seit Gründung des Nationalen Zentrums für Zeitgenössischen Tanz

    Jubiläum: 10 Jahre seit Gründung des Nationalen Zentrums für Zeitgenössischen Tanz

    Vor zehn Jahren, als das Nationale Zentrum für Zeitgenössischen Tanz gegründet wurde, war es die erste Institution in Rumänien, die den zeitgenössischen Tanz förderte. Heute erfreut sich das Zentrum der Anerkennung zahlreicher Tanzkünstler, denen es zum Durchbruch verhalf.



    Eine au‎ßerordentliche Branchensolidarität — Kundgebungen, Medienberichte und Unterstützungsbriefe aus dem Ausland — haben dazu geführt, dass im Jahr 2004 einen Regierungsbeschluss unterzeichnet wurde, der die Gründung des Nationalen Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (CNDB) in Bukarest regelte. Zehn Jahre später bleibt es die einzige öffentliche und unmittelbar dem Kultusministerium untergeordnete Kulturinstitution, die zum Zweck ins Leben gerufen wurde, den zeitgenössischen Tanz in Rumänien zu unterstützen, zu entwickeln und zu fördern. Unter dem Slogan: Menschen, die die Welt bewegen“ begeistert das Bukarester Zentrum das Publikum und unterstützt die Tanzkünstler von heute.



    Was das 10. Jubiläum für die Führung der Institution bedeutet, erläutert im Folgenden die Choreographin Vava Ştefănescu, Managerin des Tanzzentrums:



    Wir dürfen nicht vergessen, dass es ein paar Tänzer, Choreographen und Kulturmanager gab, die sich dafür eingesetzt haben, den zeitgenössischen Tanz zu fördern. Den ersten, den ich erwähnen möchte, ist Mihai Mihalcea, der als erster die Institution leitete und ein bestimmtes Genre des zeitgenössischen Schaffens im öffentlichen Raum der rumänischen Kultur durchsetzte. Dieses neue Genre hat jetzt viele Chancen, sehr bekannt zu werden, weil die Grundlagen dafür bereits geschaffen wurden.“




    2006, als das Tanzzentrum seine Tätigkeit begann, schlug es im rumänischen Kulturleben eine Kunst und eine Institution vor, die nicht die üblichen Merkmale aufweist, die die Trägheit verweigert und hartnäckig experimentiert, erzieht und Risiken eingeht“. Das soll jede Institution anstreben, die sich zum Ziel setzt, einen lebendigen Kunstbereich zu schaffen. Vava Ştefănescu dazu:



    Wir fördern und unterstützen die zeitgenössische Kunst aus öffentlichen Finanzmitteln. Meiner Ansicht nach sind wir völlig berechtigt, diese Finanzmittel zur Verfügung zu haben, um den Weg der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst ebnen zu können. Ich ma‎ße mir dieses Recht an, denn derzeit leite ich die einzige Institution, die dem Kultusministerium untergeordnet ist und sich mit dem zeitgenössischen Tanz beschäftigt. Diese Institution weist ein enormes Potential in der rumänischen Kultur auf, weil sie den Akzent auf die Zukunft setzt und das Publikum erzieht. Daher ist der zeitgenössische Tanz meiner Meinung nach völlig berechtigt, finanzielle Unterstützung zu bekommen.“




    Das Nationale Zentrum für Zeitgenössischen Tanz wurde für Künstler gegründet, die ihrerseits dem Publikum ein neues Produkt anbieten. Von der Existenz dieser Institution haben also beide Kategorien profitiert. Welche endgültige Form hat dieser gegenseitige Vorteil genommen? Auf diese Frage antwortet unsere Gesprächspartnerin Vava Ştefănescu:



    Seit zehn Jahren hat sich das Zentrum mit der Produktion von Tanz-Aufführungen, künstlerischer Ausbildung, Forschung, Recherche und Debatte beschäftigt. Es handelt sich um vier gro‎ße Kategorien, in die es investiert wurde und die Künstler haben wichtige Finanzmittel bekommen, um ihre Projekte umzusetzen. Das ist die einzige Institution, deren Künstler nicht fest angestellt sind. Es geht um eine sogenannte Gastgeber-Institution und gleichzeitig eine Produzenten-Institution. Sieben Jahre lang finanzierte das Zentrum für Zeitgenössischen Tanz Projekte au‎ßerhalb des choreographischen Bereichs. Dass diese Finanzierung funktioniert hat, führte dazu, dass die zeitgenössische choreographische Szene reif geworden ist, und viele Künstler haben angefangen, selbstständig zu arbeiten und ihre eigenen Ressourcen zu finden. Wir sind nicht mehr in demselben Zustand wie im Jahr 2004. Die Künstler haben nicht nur ihre Projekte zur Schau stellen, sondern sie auch umsetzen können.“




    Beim 10. Jahrestag hat die Institution erstmals sechs Preise nicht-hierarchisch verliehen, die die Tätigkeit im Bereich der zeitgenössischen Kunst ehren. Die Preisverleihung zielte sowohl darauf ab, Kunstprojekte zu fördern, die finanziell schwierige Zeiten durchmachen, als auch diejenige zu ehren, die eine besondere künstlerische Haltung, Professionalismus aufweisen oder es einfach bewiesen haben, dass sie unter schwierigen Bedingungen hartnäckig dafür kämpfen, aus dem zeitgenössischen Tanz eine der äu‎ßerst sichtbaren und avantgardistischen Kunstsparten zu machen. Die Trophäe“ des Nationalen Zentrums ist ein Ziegelstein, der symbolisch für die Grundlage des Aufbaus des zeitgenössischen Tanzes in Rumänien steht. Die Preise des Bukarester Zentrums für Zeitgenössischen Tanz gingen an: Ioan Tugearu, Mihaela Dancs, Cosmin Manolescu, Silvia Ghiaţă, Alexandra Pirici und Manuel Pelmuş, Mihai Mihalcea. Vava Ştefănescu dazu:



    Ich möchte, dass sich alle daran erinnern, dass Ioan Tugearu eine wesentliche Rolle bei der Gründung des Zentrums spielte. Silvia Ghiaţă hat jahrelang die Sendung »Die Welt des Tanzes« nicht nur mit rumänischen Tänzern, sondern auch mit ausländischen Künstlern auf der rumänischen Szene gestaltet. Die Sendung lief jede Woche und hat ein reiches Erbe hinterlassen, hat einen deutlichen Beitrag zur Zukunft der Kunst geleistet. Solche Leute sind und bleiben sehr wichtig, deshalb haben wir diese Auszeichnung ins Leben gerufen.“




    Wie sieht die Zukunft für den zeitgenössischen Tanz in Rumänien aus? Die Intendantin des Zentrums, Vava Ştefănescu, ist der Meinung, dass die Entwicklung dieser Kunst auf Investitionen basiert. Je grö‎ßer die Investition, desto wichtiger die Ergebnisse. Darauf ist auch der Name ihrer Management-Strategie, Marshall-Plan für den zeitgenössischen Tanz“, zurückzuführen. Fünf gro‎ße Projekte nehmen an dieser Strategie teil, alle sehen Investitionen von mehreren unterschiedlichen Seiten vor. Das erste Projekt stellt die Produktion von Aufführungen aus Ressourcen des Zentrums, anderer Theater und Kulturinstitutionen in den Vordergrund, das zweite sieht vor, Aufführungen auf die Bühne zu bringen. Das Nationale Zentrum für Zeitgenössischen Tanz hat vor, die Institutionen mit bis zu 50% der Kosten zu unterstützen, die Aufführungen produzieren und auf die Bühne bringen wollen. Im Rahmen des dritten Projektes wollen die Künstler diese Kunstform in Schulen bringen und das vierte Programm fördert die Forschung und die Recherche im Bereich. 2016 soll sich das letztere in Form eines Portals des rumänischen zeitgenössischen Tanzes konkretisieren. Ergänzt werden die Projekte mit der Pop-up-Kategorie, die die Umsetzung spontaner Ideen fördert.

  • Reenactment: Tänzerin Lizica Codreaunu in der Werkstatt von Brâncuşi

    Reenactment: Tänzerin Lizica Codreaunu in der Werkstatt von Brâncuşi

    Die Tänzerin und Choreographin Lizica Codreanu ist heute in Rumänien wenig bekannt. In den Zwanzigern faszinierte sie mit ihrem au‎ßerordentlichen Talent zahlreiche Künstler in Paris, darunter den Bildhauer Constantin Brâncuşi. Anhand von Bildern und Briefen erzählt heute die Museumsforscherin Doina Lemny ihre Geschichte nach, und beim Bukarester Tanzzentrum (CNDB) werden ihre Tanzaufführungen nachgespielt.



    Im Jahr 1922 hat der Bildhauer Constantin Brâncuşi ein Tanzkostüm für Lizica Codreanu angefertigt, lie‎ß die Platte mit den bekannten Klavierstücken Gymnopédies“ von Erik Satie spielen und lud die Tänzerin ein, in seiner Werkstatt, unter Skulpturen, einen Tanz zu erfinden. Das ganze porträtierte Brâncuşi mithilfe einer Thornton-Pickard-Kamera in sieben denkwürdigen Bildern. 1996 bildete der Regisseur Cornel Mihalache das Kostüm von Lizica Codreanu nach den Bildern aus dem Jahr 1922 nach und schlug der Choreographin Vava Ştefănescu ein scheinbar unmögliches Reenactment“ (Nachspielen) in der Werkstatt des Bildhauers auf Musik von Satie. Das Nationale Tanzzentrum Bukarest organisierte jüngst eine Aufführung, die die Tänzerin und Choreographin Lizica Codreanu wieder in die Aufmerksamkeit bringt.



    Das Treffen fand im Rahmen des Programms Hors les Murs“ des Bukarester Tanzzentrums statt. Mit dem im Jahr 2014 ins Leben gerufenen Projekt setzt sich das Tanzzentrum zum Ziel, über die vier Mauern hinaus zu gehen, die es beherbergt, und neue Wege einzuschlagen. Die Veranstaltung brachte den Regisseur Cornel Mihalache, die Forscherin Doina Lemny und die Choreographin Vava Ştefănescu zu einer Diskussion zusammen, die von Igor Mocanu moderiert wurde: Die heutige Veranstaltung widmen wir Lizica Codreanu, weil sie bis gestern die an sich unbekannte Tänzerin und Choreographin Rumäniens blieb. Das Projekt Hors les Murs“ nimmt sich vor, eine kaum bekannte Geschichte wiederzubeleben und die Persönlichkeit von Lizica Codreanu in den Vordergrund der Tanzkunst zu rücken“, sagte Mocanu.



    Bei der Arbeit am Dokumentarfilm Brâncuşi“ im Jahr 1955 entdeckte der Regisseur Cornel Mihalache Bilder von Lizica Codreanu beim Tanzen. Mihalache wandte sich an Geta Solomon für die Nachbildung des Tanzkostüms und an die Choreographin Vava Ştefănescu für das Nachspielen des Tanzes von Lizica Codreanu. Vava Ştefănescu dazu:



    Ich war 25 Jahre alt, ich konnte nicht erraten, was ein Reenactment ist, und auch nicht vorahnen, dass ich zukünftig ein erhebliches Interesse für eine Persönlichkeit der Tanzkunst zeigen und mich dafür einsetzen werde, ihre Werke wiederaufzuführen. Ich wusste damals auch nicht, dass man sich bei jeder Forschung zunächst mit den sogenannten schwarzen Löchern konfrontieren muss. Es passte mir eigentlich ganz gut, über wenige Informationen zu verfügen, weil ich Raum zum Erfinden hatte und glaubte, eine wunderbare und zugleich gespenstische Persönlichkeit zu entdecken. Ich habe mit gro‎ßem Eifer das ursprüngliche Kostüm bewahrt, weil ich den Eindruck hatte, in einer der Skulpturen von Brâncuşi gekleidet zu sein.“




    Vor zwei Jahren erschien im Verlag Vellant das Buch Lizica Codreanu. Eine rumänische Tänzerin in der Pariser Avantgarde“, ein Buch, das bereits in Frankreich veröffentlicht wurde. Die Autorin des Buches ist Doina Lemny, Forscherin am Nationalmuseum für Moderne Kunst, im Pompidou-Zentrum in Paris und Brâncuşi-Expertin. Die Autorin mehrerer Bücher über Brâncuşi entdeckte Lizica Codreanu im Brâncuşi-Archiv und war darüber empört, dass niemand von ihr gehört hatte:



    Die Forschung lief schwieriger als gedacht, weil es am Anfang des 20. Jahrhunderts keine Ballettschule gab, die Lizica besuchen konnte, und daher konnte ich mich auch an niemanden für Informationen wenden. Mit wenigen Erkenntnissen habe ich aber ihren Lebensfaden verfolgt und fühlte mich gleich davon angezogen. Ihre Vergangenheit habe ich in enger Verbindung mit dem Leben ihrer Schwester, der Bildhauerin Irina Codreanu, nachgeforscht. Beide waren mutige Frauen, die ein spannendes Leben führten und sich auf ein Abenteuer nach Paris begaben. Dort wurden sie zu Schützlingen von Brâncuşi, er verhalf ihnen zum Durchbruch im Leben der Pariser Avantgarde. Der Sohn und das Enkelkind von Lizica Codreanu zeigten mir einige Bilder, Plakate und Briefe, die ihr Leben nacherzählten. Zwei oder drei Briefe stammten sogar vom berühmten Mitbegründer des Dadaismus, Tristan Tzara. Ich habe Lizica dabei auf einem Bild bei MOMA erkannt.“




    Lizica Codreanu war nur kurze Zeit als Tänzerin und Choreographin tätig. Sie brach ihre Karriere 1927 ab, als sie den französischen Intellektuellen Jean Fontenoy heiratete. Die Ehe scheiterte und Lizica kehrte nach Paris zurück. Dort eröffnete sie unter der Anleitung eines der grö‎ßten Yoga-Experten ein Hatha-Yoga-Studio. Es war genau in der Zeit in den Drei‎ßigern, als Yoga in Paris in Mode kam. Doina Lemny:



    Ihr Sohn hat mich total entmutigt. Er sagte, dass Lizica keine Karriere als Tänzerin verfolgte. Und das war einigerma‎ßen wahr, denn ihre Karriere war sehr kurz. Sie tanzte in der Werkstatt von Brâncuşi und wurde von der berühmten Künstlerin Sonia Delaunay entdeckt, die Kostüme anfertigte. Sie weigerte sich aber, ein Kostüm von Fernand Léger zu tragen, denn er fertigte meistens Ballettkostüme an. In Paris wurde sie gar nicht vom Ballett angezogen, sie besuchte auch keine Ballettschule, sondern Zirkuskurse. Sie knüpfte zahlreiche Kontakte zu Künstlern. Sie war ein künstlerischer und erfinderischer Geist, sie trainierte in der Werkstatt von Brâncuşi, was den Bildhauer völlig faszinierte.“




    Das Buch feierte einen gro‎ßen Erfolg in Frankreich, erzählt anschlie‎ßend Doina Lemny:



    Meine Kollegen vom Pompidou-Zentrum, die Sonia Delaunay und Léger in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stellen, zeigten ein gro‎ßes Interesse an der Beziehung zwischen den Kostümen der Künstlerin Sonia Delaunay und dieser rumänischen Tanzkünstlerin, die unbekannt blieb. Ich wurde bei zahlreichen Veranstaltungen des Pompidou-Zentrums zur Sprecherin von Lizica Codreanu. Sie fasziniert mit ihrem au‎ßergewöhnlichen Talent und ihrer Persönlichkeit auch heute zahlreiche Menschen.“




    Die Managerin des Bukarester Tanzzentrums, Vava Ştefănescu, sagte über den Platz, den Lizica Codreanu im zeitgenössischen Tanz Rumäniens belegt:



    Sie stellt ein wahres Symbol dar. Sie konnte sich äu‎ßerst natürlich zwischen verschiedenen Welten, Kunstbereichen, Ideen und Perspektiven bewegen, aus denen man den Menschenkörper und den Tanz betrachten kann. Das passiert einigerma‎ßen auch heute noch mit den Künstlern.“

  • „dans//pl“ – Die Tage des polnischen Tanzes in Bukarest

    „dans//pl“ – Die Tage des polnischen Tanzes in Bukarest

    Das Bukarester Nationalzentrum für Zeitgenössischen Tanz (CNDC) war zwei Wochen lang Gastgeber der Tanzaufführungen Tanz//pl — Gestern. Morgen. Heute“, die dem rumänischen Publikum einen Querschnitt durch die polnische zeitgenössische Tanzszene präsentierte.



    Die Tage des polnischen Tanzes wurden vom Theater Dada von Bzdülöw“ aus Danzig eröffnet. Das Theater wurde 1992 von Leszek Bzdyl und Katarzyna Chmielewska gegründet. Auf der Bukarester Bühne präsentierten sie die Aufführung Nicht existierende Duette“, deren Thema die Begegnung zwischen Mann und Frau unter allen möglichen Formen darstellt. Literatur als Inspiration für den Tanz schlagen die polnischen Tanzkünstler Leszek Bzdyl und Katarzyna Chmielewska vor. Dasselbe gilt auch für Die unsichtbaren Duette“. Der Choreograph Leszek Bzdyl:



    Diese Tanzaufführung beruht auf dem Buch von Italo Calvino, »Die unsichtbaren Städte«. Ich habe das Buch gelesen und dachte, das ist eine äu‎ßerst interessante Geschichte. Marco Polo versucht Khan Kublai die Geschichten einiger Städte zu erzählen, diese Städte existieren aber nicht. Jede Stadt vibriert vor Gerüchten, Farben, Ideen… Wir haben die Idee der unsichtbaren Städte übernommen und dachten, es wäre interessant, die Geschichte einer Frau und eines Mannes durch Tanz zu schildern, so wie die Gestalten Marco Polo und Khan Kublai in Calvinos Buch über diese Städte sprechen.“




    Während die zwei Tänzer Geschichten mit ihren Körpern erzählen, laufen im Hintergrund Texte, die ebenfalls Geschichten erzählen. Der Choreograph Leszek Bzdyl mit Einzelheiten:



    Um uns herum laufen viele Wörter. Handelt es sich um eine Lebenssituation, versuchen wir, sie zuerst sprachlich zu beschreiben. Es handelt sich eigentlich um Kopien der Wörter, die wir in anderen Situationen benutzen. Daher haben wir uns entschieden, diese Geschichte zwischen einer Frau und einem Mann lebensnah zu schildern, ohne von Wörtern Gebrauch zu machen. Wir stehen einfach auf der Bühne und die Wörter, das Gedicht, der Text laufen alle um uns herum. Ausschlaggebend ist in diesem Fall unsere Verständnisebene, was wir sehen wollen. Der Text, den wir auf Leinwand projizieren, ist das Gedicht eines Freundes, aber nicht über uns. Es handelt sich um die Geschichte zwischen einer Frau und einem Mann. Ein anderes Gedicht eines polnischen Autors versucht etwas über eine Frau und einen Mann zu erzählen, bis zuletzt erzählt der Autor über sich selbst. Das stellt eine wahre Herausforderung für das Publikum dar: Was wollt ihr sehen? Wollt ihr eure eigenen Geschichten sehen oder hier mit uns sein? Wollt ihr die Wörter oder die Gesten, die Empfindlichkeit der Darsteller auf der Bühne fühlen?“




    Auf Einladung des Tanzensembles komuna//warszawa brachte der Tänzer und Choreograph Mikołaj Mikołajczyk im Rahmen des Projektes RE//MIX eine der Legenden des polnischen Theaters, den Choreographen, der ihn am Anfang der Karriere unterstützte, Henryk Tomaszewski, in die Aufmerksamkeit des rumänischen Publikums. Die Tanzaufführung RE//MIX Henryk Tomaszewski“ wurde auch in Bukarest während der Tagen des polnischen Tanzes präsentiert. Sein Maestro stellte die Ästhetik, die Tanztechnik in den Mittelpunkt, er hingegen lege auf den Kontakt zum Publikum und den emotionalen Aspekt der Aufführung gro‎ßes Gewicht, erläutert Mikołaj Mikołajczyk:



    In dieser Tanzaufführung bin ich zum grö‎ßten Teil ich selbst, ohne Tomaszewski hätte diese Aufführung nicht existiert. Mein künstlerisches Leben begann, als mich Tomaszewski in die Welt des Tanzes einführte. In dieser Aufführung versuche ich diese Erfahrung zum Ausdruck zu bringen, das darzustellen, was er für mich und meine Karriere bedeutet hat. Meinen Namen als Künstler verdanke ich ihm. Diese Aufführung stellt gleicherma‎ßen auch einen Versuch dar, mich von ihm, meinem künstlerischen Vater, abzunabeln. Vor zwanzig Jahren lud mich Tomaszewski zu seinem Theater ein. Er nahm meine Hand und lie‎ß mich dann los. Dasselbe mache ich auch mit den Zuschauern. Ich möchte meinen Zuschauern dieselbe Emotion vermitteln, die ich vor zwanzig Jahren gefühlt hatte, als mich Tomaszewski in diese Welt eingeführt hat.“




    Vaslav Nijinsky wird als Vorgänger des zeitgenössischen Theaters angesehen. Der Künstler besetzt einen einzigartigen und unbestreitbaren Platz in der Tanzgeschichte. Nijinsky schrieb in seinem Tagebuch: Ich bin Gott in meinem Inneren. Alle haben dieses Gefühl, niemand macht aber davon Gebrauch. Die Aufführung Nijinsky. Das Fest der Träume“ beruht auf dem Tagebuch des Künstlers. Der Tänzer Tomasz Wygoda erzählt, wie die Initiative entstand:



    Die Aufführung beruht auf der Methode der prozessorientierten Psychologie nach Arnold Mindell. Die Methode ist sehr interessant, weil sie mehr mit der Psyche arbeitet. Nachdem er mit dem Tanzen aufgehört hatte, wurde Nijinsky mit psychologischen Problemen konfrontiert, die als Schizophrenie diagnostiziert wurden. Wir haben insbesondere mit der Vorstellungskraft, mit den starken Impulsen, mit seinen Gedanken gearbeitet. Er steht auf der Bühne, um den Zuschauern frische Lebensenergie zu verleihen. Solange er gesund war, hat er getanzt. Als er damit aufhörte, hat er diese Energie nicht mehr umgesetzt, nicht mehr in etwas Neues umgewandelt und so hat er sich vom Leben verfremdet. Die Geschichte und unser Versuch, sie durch Gestik zu erzählen, waren sehr interessant. Insbesondere die Methode, die wir anwenden, um die Choreographie zu schaffen, die Methode der prozessorientierten Psychologie spielt ebenfalls eine wichtige Rolle dabei. Es handelt sich nicht lediglich um Choreographie, sondern vielmehr um den psychologischen Prozess von Nijinsky.“




    Die Tage des polnischen Tanzes in Bukarest kamen mit zwei Soloaufführungen der jungen und begabten Tänzerinnen und Choreographinnen Agata Maszkiewicz und Agata Siniarska zu Ende. Die zwei Aufführungen waren repräsentativ für die derzeitige Situation des zeitgenössischen Tanzes in Polen: Wegen unzulänglicher Finanzierung sehen sich die Choreographen zum grö‎ßten Teil gezwungen, mit den Soloprogrammen, die sie selbst schaffen, auf der Bühne aufzutreten. Tanz//pl — Gestern. Morgen. Heute“ wird vom Bukarester Zentrum für Zeitgenössischen Tanz (CNDC) in Partnerschaft mit dem polnischen Kulturinstitut organisiert. Das Projekt entstand aus der Initiative, die Beziehung des rumänischen Tanzes zu den Tanzkulturen im nahen geographischen Raum Rumäniens in den Vordergrund zu bringen.



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  • Like CNDB #1 – das Festival für Zeitgenössischen Tanz und Performance

    Like CNDB #1 – das Festival für Zeitgenössischen Tanz und Performance

    Es ist mehr als eine Genugtuung, dass es einen so gro‎ßen Erfolg hat! Auf allen Ebenen: organisatorisch, wirtschaftlich, qualitativ — die Qualität des Publikums, die Qualität der Aufführungen. Es tut sehr gut, die Bestätigung dafür zu bekommen, dass man gute Entscheidungen getroffen hat und dass der zeitgenössische Tanz einem so breiten und sich darauf spezialisierendem Publikum präsentiert werden kann.“



    Das waren die Gedanken der Choreographin Vava Ştefănescu, Interimsdirektorin des Nationalen Tanzzentrums Bukarest, am Ende des 1. Festivals für Zeitgenössischen Tanz und Performance Like CNDB“. Veranstalter war selbstverständlich das Tanzzentrum selbst, die einzige öffentliche Kulturinstitution, die den zeitgenössischen Tanz in Rumänien entwickelt und fördert.



    Für das Festival konnte ein unerwartet zahlreiches Publikum begeistert werden, darunter auch viele neue Zuschauer, die für eine sehr angenehme und freundliche Stimmung sorgten, die man in einem Konzertsaal nur selten vorfindet. Laut eigenen Angaben habe das Organisationsteam des Zentrums für das Festival bewusst originelle, überraschende, unterhaltende und extravagante Aufführungen gewählt, von denen einige heute erwähnt werden sollen.



    Im Jahr 2010 hatte der Künstler Mihai Mihalcea die Kulturszene mit einem Projekt gestürmt, in der die eigene Biographie zur Fiktion wurde: Er selbst verwandelte sich in Farid Fairuz und lancierte durch seine Aufführungen Fragen und Überlegungen zu Themen wie Kulturproduktion, Kapitalismus, Sexualität und Religion. Mihai Mihalcea bzw. Farid Fairuz war selbst Direktor des Nationalen Tanzzentrums zwischen 2006 und 2013 — beim Festival Like CNDB“ präsentierte er die Aufführung Realia (București-Beirut)“.




    Es ist eine Aufführung, in der ich den Zuschauer vermutlich voll und ganz betören möchte, durch die Überlappung der zwei Charaktere — so dass man nicht mehr wei‎ß, wo Farid aufhört und Mihalcea beginnt. Es ist eine Aufführung, in der ich unterschiedlichste autobiographische Geschichten zur Diskussion stelle, aber gleichzeitig knüpfe ich an viele Dinge aus der heutigen Welt an, die mich bewegen — an den Bürgerkrieg in Beirut zum Beispiel und viele andere Geschehnisse, die meine Aufmerksamkeit im Laufe der Zeit geweckt und in mir eine Spannung erzeugt haben.“



    Für den Soundtrack wählte der Künstler Stücke von Dhafer Youssef, Brent Lewis, Tschaikowski und Margareta Pâslaru, die dieses gemeinsame Erleben einer doppelten Identität vervollständigen.



    Für einen besonderen Moment beim Like-Festival sorgte die Choreographin Mădălina Dan, die eine Langzeit-Performance aufführte: das achtstündige Hematopoesis“, bei dem die Zuschauer im Rahmen von zwei einstündigen Zeitfenstern selbst zu Performern werden konnten. Wir fragten Mădălina Dan, was sie motiviert hat, einen solchen Versuch zu wagen.



    Ich hatte eine recht ernste Motivation, genauer gesagt war es die Krankheit. Ich wäre sonst bislang nicht auf die Idee gekommen, einen Bewegungsmarathon zu veranstalten, aber ich hatte eben ein recht schwieriges Jahr hinter mir: Ich musste mich einer Behandlung unterziehen, habe erfahren, wie physischer und psychischer Schmerz sich anfühlen und wie es ist, wenn der eigene Körper nicht mehr richtig funktioniert. Ich habe mir überlegt, dass dieser Zustand durch Vitalität kompensiert werden muss. Und dann dachte ich, einen achtstündigen Marathon auf die Beine zu stellen. Ich glaube, dass mich dieser Bereich der physischen Erschöpfung interessiert, in dem man einen Zeitraum mit dem Publikum teilt, der über die gewöhnliche Dauer einer Aufführung hinausgeht. Die Tanzaufführungen dauern in der Regel eine Stunde. Ich wäre an einem Ablauf interessiert, bei dem die Menschen einen Vorgang ohne Skript, ohne Dramaturgie verfolgen. Ich habe das als offene Dramaturgie bezeichnet, im Sinne, dass Sie auch weniger interessante Momente mitverfolgen werden, denn es handelt sich dabei um eine Improvisation und, an manchen Stellen, um Komposition in Echtzeit. Es gibt einen Transformationsprozess, den die Zuschauer miterleben, und ich glaube, dass diese Betrachtung interessant ist.“




    Die erste Ausgabe des Festivals für Zeitgenössischen Tanz und Performance, Like CNDB“, ist am 27. Februar mit zwei Aufführungen der Choreographin Andreea Novac zu Ende gegangen. Dabei geht es um zwei Solo-Vorstellungen, Dance a playful body“ mit dem Schauspieler Istvan Teglas und Despre tandreţe“ (Über die Zärtlichkeit“), in der Andreea Novac auch Hauptdarstellerin ist. Dance a playful body“ wurde bereits 2008 geschaffen, dennoch zieht es auch heute noch ein zahlreiches Publikum an, wie die Künstlerin selbst erzählt.



    Es ist eine Aufführung, in der ich mit dem Körperkonzept spiele — der Darstellung des Körpers und dem Körper im Alltag. Beides ist in ein und derselben Person enthalten. Denn was mir an Istvan sehr gut gefallen hat und ich stets in der Aufführung versucht habe zu vermitteln, ist sein Vermögen, sehr schnell von einem Gemütszustand zum anderen überzugehen. Er ist ein Chamäleon des Körpers und ein chamäleonischer Darsteller. Und das macht diese Aufführung auch: Sie wechselt von unterschiedlichen Etappen, in denen wir den Körper als Darstellung haben und er entpersonifiziert ist, zu Zuständen, in denen der Körper in seiner Verletzlichkeit erscheint und es dann Istvan, der Mensch, ist. Es ist ein Spaziergang durch die Zustände, Emotionen, Formen.“



    Über die Zärtlichkeit“ wurde vor zwei Jahren geschaffen. Wie Andreea Novac selbst gesteht, war der Ausgangspunkt rein persönlicher Natur — dann begann sie über die Zärtlichkeit der künstlerischen Tätigkeit zu sprechen:



    Ich schwanke ständig zwischen der Realität und der Fiktion, zwischen ehrlich und verstellt, eine Gratwanderung, die ich selbst nicht vollständig beherrsche.“



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  • Das Festival „Temps d’Images“

    Das Festival „Temps d’Images“

    Temps d’Images — Bilderzeit, aber auch Bilder unserer Zeit. Theater, Tanz, Videokunst — alle zusammen in einem Festival, das sich auf die soziale Funktion der Kunst konzentriert:



    2008 sah das Festival ein bi‎ßchen anders aus — die jetzige Orientierung entstand im Laufe der Zeit. Wir brauchten drei Auflagen, um unsere Zielrichtung genau zu erkennen. 2011 war ich von den sozialen Bewegungen in der arabischen Welt tief beeindruckt, es wurde mir klar, da‎ß wir wichtige Zeiten erleben und die jüngsten sozialen Umwandlungen die Gegenwartsgeschichte prägen werden. Alles, was wir bei unserem Festival zusammen mit den eingeladenen Künstlern unternehmen, sollte diesen für unsere Zukunft extrem wichtigen Moment widerspiegeln. So haben wir angefangen, soziale Themen zu behandeln, oder Themen, die in enger Verbindung mit den sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit stehen. Ich bin der Ansicht, da‎ß die Kunst eine neue Perspektive auf die sog. ‚Sisyphus-Arbeit‘ der Menschen öffnen könnte.“



    Das war Miki Braniște, Vorsitzende des Verbandes ColectivA und Leiterin des Festivals Temps d’Images“. Die 6. Auflage des Festivals Temps d’Images“ in Rumänien fand in der ersten Novemberhälfte in Cluj/Klausenburg statt; das Festival hat aber eine ältere, europäische Geschichte. 2002 starteten der Fernsehkanal Arte und La Ferme du Buisson — die Nationalbühne Marne la Valée aus Frankreich — das Projekt Temps d’Images“, ein Festival mit Theater, Tanz, Photo- und Videokunst. Seitdem wuchs das Festival ununterbrochen und jetzt läuft es in 10 Ländern — in Belgien, Estland, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal, Polen, Rumänien, Ungarn und in der Türkei.



    Jede rumänische Auflage des Festivals Temps d’Images“ hatte ein anderes Thema, das vom Sozialbereich inspiriert wurde. Alle Themen verbindet aber ein gemeinsamer roter Faden. Miki Braniște dazu:



    Letztes Jahr hatten wir das Thema ‚Zukunft‘ und dieses Jahr konzentrieren wir uns auf das Thema ‚Solidarität‘. Aus den Gesprächen mit dem Publikum und den Künstlern bei der vorigen Auflage ist uns klar geworden, da‎ß man allein nichts auf dieser Welt schaffen kann. Wir brauchen einander, und wir müssen über den Begriff ‚Solidarität‘ hinausschauen, nach den Ursachen der Solidarität suchen. Ich wäre daran interessiert, Künstler aus Japan einzuladen, wo die Umweltprobleme sehr aktuell sind. Die Umweltthematik, die in der Kunst sehr wenig reflektiert wird, wird von jetzt an für uns alle besonders wichtig.“



    Bei der diesjähigen Auflage des Festivals Temps d’Images“ war das Thema Solidarität“ in irgendeiner Form in allen Events wiederzufinden. Die Festivalleiterin Miki Braniște mit weiteren Details:



    Wir führten viele Debatten, an denen rumänische und ausländische Künstler, Festivalproduzenten und Festivalleiter teilgenommen haben. Obwohl jeder von ihnen die Situation in seiner Heimat dargestellt hatte, haben wir verstanden, da‎ß Solidarität eine globale Frage ist, da‎ß wir alle Solidarität brauchen. Dieses Thema beschäftigte auch das Publikum des Festivals, wir erhielten viel Feedback. Wir haben ein gro‎ßes Bedürfnis nach Kommunikation, bei den Debatten reichte uns die Zeit nie aus. Die Debatten können wir aber auch nach dem Festival hier in Cluj fortsetzen. Wir können versuchen, Lösungen zu finden, damit die Menschen ihre Rolle als Bürger besser verstehen und mehr Anteil nehmen.“



    Über Solidarität erzählt auch die Tanzperformance Parallell“, geschaffen von Ferenc Sinkó und Leta Popescu und aufgeführt von Lucia Mărneanu und Kata Bodoki-Halmen. Diese Tanzaufführung hat die Theaterkritikerin Oana Stoica tief beeindruckt:



    Diese Performance beginnt als Gegenwartstanz und endet als Theateraufführung. Das Ganze zielt auf Probleme der Gender-Identität, nämlich auf die lesbische Identität ab; es ist eine Gegenüberstellung der Art und Weise, wie Männer und Frauen einander betrachten und zeigt, wie die Gesellschaft Vorurteile und Klischees schafft. Es geht um die Klischees, die jeder von uns auf den anderen projiziert, von der Sinnlichkeit bis zur Sexualität, es geht um Differenzen jeder Art. Die Aufführung ist sehr beeindruckend, die Darstellung der zwei Tänzerinnen ist ganz unterschiedlich von dem, was wir normalerweise auf den rumänischen Bühnen zu sehen bekommen. Der Tanz und der gleichzeitig poetische und sozial engagierte Text werden in physischer Form zusammengeschmolzen. Die Aktion ist sowohl physisch als auch textverbunden. Die zwei jungen Frauen, die parallell in verschiedenen sog. ‚Räumen‘ tanzen, gehen im Laufe der Aufführung von der weiblichen zur männlichen Identität über.



    Die Programmauswahl für das Festival Temps d’Images“ sei dem gegenwärtigen Spezifikum des rumänischen Theaters angepa‎ßt worden; es ging um Texte mit starkem sozialen Engagement, die vom Alltag inspiriert wurden, sagte die Theaterkritikerin Oana Stoica. Ihr Abschlu‎ßkommentar synthetisiert das Besondere des Projekts Temps d’Images“ und zeigt, warum unsere Gesellschaft dieses Festival braucht. Oana Stoica:



    Die sozialen Probleme werden in der Kunst in Form von Fragen reflektiert, in dem Sinne, da‎ß der Künstler gewisse Probleme und Laster der Gesellschaft darstellt. Es werden Probleme und Fragen aufgeworfen, aber keine Lösungen geboten. Es ist nicht die Aufgabe des Künstlers, Lösungen oder Heilmittel zu finden; er mu‎ß nur die Wunde blo‎ßstellen. Genau das braucht das Publikum — seine Probleme werden in verbaler Form ausgedrückt, in einer Form, die es sich noch nicht vorgestellt hatte. Meiner Meinung nach sollten die Kunst, das Theater in Rumänien mehr über die Probleme der Menschen von heute sprechen, auf Metaphern verzichten und Klartext reden.“



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