Tag: Tanztheater

  • Theaterjahr 2016 – Rückblick auf die wichtigsten Aufführungen und Festivals

    Theaterjahr 2016 – Rückblick auf die wichtigsten Aufführungen und Festivals

    Die internationalen Theaterfestspiele im mittelrumänischen Sibiu (Hermannstadt), Timişoara, Cluj (Klausenburg), Bukarest haben auch im vergangenen Jahr zahlreiche Theaterliebhaber aus allen Ecken der Welt nach Rumänien gebracht. Thematisiert wurden dabei aktuelle Probleme in der heutigen Gesellschaft: das mangelnde Vertrauen, das Erlebnis der Entfremdung, die Migration. Das Thema Vertrauen aufbauen“ stand im Mittelpunkt des 23. Internationalen Theaterfestivals in Sibiu. Ohne Vertrauen hätten die internationalen Festspiele in der siebenbürgischen Stadt ein solches Ausma‎ß allerdings nicht erreicht: 472 Veranstaltungen und renommierte Theatermacher Rumäniens und der Welt, die 2016 dabei waren — Victor Rebengiuc, Anamaria Marinca, Gigi Căciuleanu, Silviu Purcărete, Tim Robbins, Evgeny Mironov, Thomas Ostermeier. Alle Aufführungen, Konzerte, Filmvorführungen, Buchpräsentationen, Publikumsgespräche im Anschluss an die Theateraufführungen, die Partnerschaften, die während der zehn Festivaltage geschlossen wurden, stellten einen riesigen Schritt nach vorne für die Theatergemeinschaft und die rumänische Kultur dar. Die vom Hermannstädter Nationaltheater Radu Stanca“ organisierten Festspiele gelten europaweit als das drittgrö‎ßte Theaterfestival.



    Der rumänische Theaterverband UNITER hat im vergangenen Jahr das 26. Nationale Theaterfestival organisiert. Die Festivalintendantin Marina Constantinescu wählte für diesen Event 40 Aufführungen der Spielzeit 2015-2016 aus. Präsentiert wurden sowohl Aufführungen rumänischer Staatstheater als auch unabhängiger Theater. Seit 2005 widmet das Internationale Theaterfestival auch ausländischen Aufführungen eine Sektion. 2016 brachte das Event zwei weltweit renommierte Choreographen nach Bukarest: Angelin Preljocaj und Carolyn Carlson. Dem Tanz widmeten allerdings die Organisatoren ein spezielles Augenmerk im vergangenen Jahr. Im Mittelpunkt der 26. Nationalen Theaterfestspiele stand das Werk der rumänischen Choreographin Miriam Răducanu. Das Festival ging mit der Aufführung von Tschechows Kirschgarten“ in der Regie von Lew Dodin, einer Produktion des Theaters Malyj Drama aus Sankt Petersburg zu Ende.



    Das Thema Europa — wohin steuerst du?“ stand 2016 im Mittelpunkt des Europäischen Theaterfestivals Eurothalia“, organisiert vom deutschen Staatstheater Temeswar. Das Festival erforscht innovative Tendenzen der darstellenden Künste in Europa. Die ausgewählten Stücke setzten sich 2016 sowohl mit Themen von aktueller Relevanz auseinander wie der Migration, der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und ihrer Folgen als auch mit Themen, die den modernen Menschen auf persönlicher Ebene beschäftigen.



    Das Internationale Theaterfestival Interferenzen“ wird vom Ungarischen Staatstheater in Klausenburg organisiert und findet jedes zweite Jahr statt. Die 22 ausgewählten Aufführungen haben im vergangenen Jahr aus verschiedenen Perspektiven Die Odyssee des Fremden“ thematisiert. Die Organisatoren bezeichnen die Festspiele, die 2016 bereits zum 5. Mal stattfanden, als ein Festival aller Klausenburger“, einem Treffpunkt verschiedener Gemeinschaften und Generationen.



    Zum Jahresende wurden zwei neue Theater eröffnet. Das Stadttheater Matei Vişniec“ im nordostrumänischen Suceava, das den Namen eines renommierten rumänischen Dramatikers trägt, brachte im Dezember seine erste Aufführung auf die Bühne: Der Tiger in meiner Stadt“ von Gianina Cărbunariu, in der Regie von Bobi Pricop. Das Privattheater Apollo 111 öffnete November 2016 seine Pforten mit der Aufführung Ali: Angst essen Seele auf“ nach Rainer Werner Fassbinders Drehbuch zum gleichnamigen Film, in der Regie des Filmemachers Radu Jude. Das Theater wurde vom Filmregisseur Călin Peter Netzer gegründet.

  • „fabriKa“ – neues Tanztheater von Gigi Căciuleanu

    „fabriKa“ – neues Tanztheater von Gigi Căciuleanu

    Der Choreograph Gigi Căciuleanu lernte die Mitglieder seiner Theatergruppe bei einem Casting für seine Romania Dance Company kennen. Er fühlte sich von den 12 jungen Tänzern angeregt. Die Zusammenarbeit entwickelte sich rapide, so dass am 22. und 23. April auf der Bühne des Kleinen Theaters in Bukarest die Erstaufführung des choreografischen Theaterstücks fabriKa“, in dem etwas produziert wird“, wie der Autor sagt, stattfinden wird. Gigi Căciuleanu dazu:



    Deshalb habe ich den Titel »fabriKa« (Die Fabrik — in fürs Rumänische eigenwilliger Schreibweise, Anm. d. Red.) gewählt. Wir denken an das Gedankenwerk und an die Bewegungsfabrik. Die Tanzfabrik hat ihren Ursprung im Kopf, im Gedanken und nicht im Körper. Anfangs muss der Kopf etwas erfinden oder ausdenken und die ersten Ideen verändern, metamorphosieren, danach kann der Körper sie ausdrücken. Ich gehe davon aus, dass ein denkender Körper schön ist. Ich beziehe mich nicht auf die Schönheit des Körpers, die ich mit der Schönheit einer Statue vergleiche. Mithilfe des Tanzes drückt der Körper verschiedene Ideen aus. Ich denke also nicht an die Ästhetik. Die Gedankenfabrik scheint mir wichtig. Denken bedeutet nicht nur Gehirn. Denken bedeutet meiner Meinung nach auch Gefühl.“




    Gigi Căciuleanu bringt im Stück fabriKa“ die Idee der Gruppe zum Ausdruck, die ihre eigene Identität hat, aber aus unterschiedlichen Persönlichkeiten gebildet ist. Jeder von uns gehört einer Gruppe an und hat gleichzeitig seine eigene Persönlichkeit. Gigi Căciuleanu verlangt von seinen Tänzern, den Raum zu füllen. Was erwartet Gigi Căciuleanu vom Zuschauer?



    Ich hoffe, dass der Zuschauer die Beziehung zwischen den Gestalten entziffert. Ich beziehe mich auf die choreografischen Gestalten und nicht auf die Theatergestalten. Eine Geige ist eine Gestalt des Orchesters. Jede einzelne Identität soll entziffert werden. Die Zuschauer sollen sich mit einer Gestalt oder mit einer Beziehung, die im Stück vorkommt, identifizieren können. Das Raumspiel scheint mir bedeutend zu sein. Wenn eine Person eine Stra‎ße durchquert, dann ist die Stra‎ße nicht mehr so, wie sie war. Der Raum ist ein Organismus, ein Mechanismus und nicht ein leerer Raum. Ich wünsche mir, dass der Zuschauer die Choreografie des Raumes spürt. Manchmal sind die Löcher im Käse schöner als der Käse. Die gleiche Idee ist für den Raum gültig.“




    Die Musik ist für Gigi Căciuleanu ein Partner. In fabriKa“ bringt er eine Montage von Liedern des kamerunischen Komponisten Manuel Wandji, der in Frankreich lebt:



    Ich habe rhythmische Musik gewählt, die mir bei der Strukturierung der Aufführung helfen soll. Ich vergleiche sie mit einem Mathematikblatt. Diese Musik stellt eine gro‎ße Konkurrenz dar, die Aufführung ist reich an Musik. Sie ist ein Gemisch von Ethnischem und Modernem. Ich brauchte die Musik, um mich zu leiten, um mich zu führen. Gleichzeitig aber sollte sie mir die Möglichkeit geben, daraus herauszutreten. Als Proletarier, als Arbeiter des Tanzes leben wir in einer Mischlingswelt. Das fühle ich in Paris ganz gut. Wenn ich Mischling sage, denke ich nicht nur an die Hautfarbe. Wir vermischen uns, weil uns das Leben in Gruppen zusammenbringt. Die Musik unterstützt mich auch in diesem Sinn.“

  • „Hotel PM“ – eine Tanztheateraufführung in Temeswar

    „Hotel PM“ – eine Tanztheateraufführung in Temeswar

    Andrea Gavriliu hat für ihre Masterarbeit in Choreographie die Show Zic Zac“ auf die Bühne gebracht. Danach folgte das Tanztheaterstück Hotel PM“. Die Uraufführung fand vor wenigen Tagen im Deutschen Staatstheater Temeswar statt.



    Die Schauspieler Olga Török, Konstantin Keidel, Isolde Cobeţ, Daniela Török, Radu Vulpe und Horia Săvescu erforschen mit ihren eigenen Körpern ein Hotelzimmer. Andrea Gavriliu erklärte, die Idee sei ihr seit langer Zeit durch den Kopf gegangen:



    Mein Lebensstil hat mich sehr beeinflusst. Ich bin fast immer auf Reisen und verbringe deshalb viel Zeit in Hotelzimmern, wo verschiedene lustige und komische Sachen passieren. Ich fühle, dass diese Zimmer eine kräftige Energie haben. Täglich ziehen hier unterschiedliche Menschen ein und aus. Ich habe das Gefühl, dass die dünnen Wände all diese Energien aufbewahren. In einem Hotelzimmer wirst du dich immer anderswie fühlen als an einem anderen Ort, wo du übernachten kannst. Natürlich ging ich von meinen persönlichen Erfahrungen aus. Diese sind aber nicht immer so spektakulär, dass ich sie einfach auf die Bühne bringen kann. Sie sind uninteressant. Man kann nicht hundert Personen überzeugen, sich so etwas anzuschauen. Ich habe versucht, meine Erfahrungen in dynamischen Situationen umzuwandeln. Für mich ist die Körpersprache bedeutend. Ich muss Gedanken, Bewegungen ‚übersetzen‘, die vom Publikum verstanden werden müssen. Es soll aber keine Pantomime werden.“




    Andrea Gavriliu meint, Hotel PM“ sei sowohl visuell als auch akustisch eine kräftige Aufführung. In dem Moment, in dem die Schauspieler zusammen mit der Musik und mit den Lichtern atmen, glaube ich, dass es eine elektrisierende und energievolle Erfahrung sein kann. Gleichzeitig aber ist sie sensibel und humorvoll“, sagt Andrea Gavriliu:



    Der Humor muss immer präsent sein. Ich arbeite sehr viel damit. Mir gefallen auch die poetischen Momente, unter der Bedingung, dass sie in der nächsten Sekunde durch eine andere Situation brutal au‎ßer Kraft gesetzt werden. Zu viel Poesie gefällt mir nicht. Ich will nicht pathetisch werden. In dieser Art von Humor gibt es eine bestimmte Zartheit. Ich muss aber sehr aufmerksam sein. Zu viel kann aggressiv und grob werden, zu wenig ist nicht mehr lustig. Ich meine, der Humor ist eine Sache der Mathematik. Es geht um Ma‎ß, Zeit, Rhythmus. Dafür braucht man Schauspieler mit einem gut entwickelten Gefühl für Rhythmus, die fühlen müssen, wann der Knalleffekt, die Pointe folgen muss.“




    Am Tanztheaterstückes Hotel PM“ wirken ferner Mihai Dobre, der Leadsänger der Band Şuie Paparude, Alex Pop, die Bühnenbildnerin Andreea Săndulescu und Daniel Păun, der für die Video-Projektionen verantwortlich ist. Zum Schluss erläutert Andrea Gavriliu, warum das Kürzel PM“ für post meridiem im Titel steckt:



    Warum PM? Weil das Stück sich auf alles, was nächtlich ist, auf jenen Zeitmoment bezieht, an dem wir uns anderswie fühlen. Es geht um ein Amalgam von Emotionen und Gefühlen, um Sinnlichkeit, Angst, Einsamkeit, um das Bedürfnis, die Einsamkeit mit jemandem zu teilen oder alleine zu sein. Man ‚spürt‘ Stimmen, die aus den Wänden ertönen, man hört das Zimmermädchen auf dem Flur und hofft, sie werde nicht in dein Zimmer hereinkommen, weil man alleine sein will. Gewöhnliche Sachen, die üblicherweise in einem Hotel passieren.“