Tag: Tudor Caranfil

  • Rumänische Streifen bei den Filmfestspielen in Rotterdam

    Rumänische Streifen bei den Filmfestspielen in Rotterdam

    Când se lasă seara peste Bucureşti sau Metabolism“ (Wenn sich der Abend über Bukarest senkt oder Metabolismus“) von Corneliu Porumboiu, Bucureşti, unde eşti?“ (Bukarest, wo bist du?“) in der Regie von Vlad Petri und der Kurzfilm O umbră de nor“ (Der Schatten einer Wolke“) des Regisseurs Radu Jude sind die drei rumänischen Produktionen, die ausgewählt wurden, zwischen dem 22. Januar und dem 2. Februar um den gro‎ßen Preis der Internationalen Rotterdamer Filmfestspiele zu konkurrieren.


    ´


    Weniger bekannt als die Filmemacher Corneliu Porumboiu und Radu Jude ist der junge Regisseur Vlad Petri, Absolvent der Bukarester Theater- und Filmhochschule. Er ist Dokumentarfilm-Regisseur und Fotograf. Petri recherchierte die Bukarester Sozialbewegungen 2012 und 2013 und veröffentlichte regelmä‎ßig auf Online-Plattformen vor Ort aufgenommene Filme und Bilder. Im Mittelpunkt seiner künstlerischen Tätigkeit steht die Erforschung unmittelbarer, persönlicher Wirklichkeit und der sozialen Unruhen.



    Der Platz als öffentlicher Raum für Debatten, Vorschläge und Proteste weckt mein besonderes Interesse. Wie entsteht überhaupt dieser Raum, wie hat er sich umgewandelt, welche ist seine soziale Auswirkung? All diese Fragen sind von gro‎ßem Interesse für meine Arbeit. Ich habe eine Leidenschaft für die Menschen, die sich daran beteiligen, für die Art und Weise, in der sie eine Botschaft an jemanden ausrichten. Ich habe vor, so oft wie möglich an den Protesten am Bukarester Universitätsplatz aktiv teilzunehmen, meine Filme ausschlie‎ßlich im Online-Umfeld zu verteilen und mit der Dynamik der Ereignisse Schritt zu halten“, sagte kürzlich der Regisseur.



    Aus diesem Interesse für den Platz als öffentlichen Raum für Debatten“ entstand auch der Dokumentarfilm Bucureşti, unde eşti?“ (Bukarest, wo bist du?“). Die Produktion des jungen rumänischen Regisseurs wurde für das Internationale Filmfestival in Rotterdam ausgewählt. Vlad Petri dazu:



    Ich habe zwei Jahre für diesen Film gearbeitet. Selbstverständlich freute ich mich riesig darüber, dass meine Produktion bei den Filmfestspielen in Rotterdam präsentiert wird, weil sie zu den wichtigsten europäischen Fachveranstaltungen zählt. Der Film präsentiert die Ereignisse in Bukarest 2012. Insgesamt hatten wir 60 Stunden Filmmaterial aufgenommen, das wir auf eine Stunde und 20 Minuten kürzten. In einer Stunde und zwanzig Minuten präsentieren wir aber eine strukturierte und inhaltsreiche Geschichte der sozialen Unruhen in Bukarest. Wir wollten, dass das auf der Stra‎ße gefilmte Material die Zuschauer auf eine gewisse Geschichte lenkt, und nicht, dass wir ihnen eine gewisse Richtung vorgeben.“




    Der Kurzfilm des Filmemachers Radu Jude Der Schatten einer Wolke / Shadow of a cloud“ erzählt die Geschichte eines Priesters, dessen Rolle vom Theaterregisseur Alexandru Dabija gespielt wird. An einem hei‎ßen Sommertag wird der Priester zu einer sterbenden Frau gerufen, um für ihre Seele zu beten. Hinter dieser Geschichte stecken sehr viele hintergründige Bedeutungen. Die wichtigste steckt wahrscheinlich hinter einem bestimmten Satz des Gebets: ‚Mein niederträchtiges Leben ist wie ein Schlaf, wie der Schatten einer Wolke vergangen‘“, erläutert der Regisseur Radu Jude den Titel seines letzten Films, der voriges Jahr ebenfalls in der Sektion Quinzaine des Réalisateurs“ der Cannes Filmfestspiele gezeigt wurde. Regisseur Radu Jude dazu:



    Es gibt etwas in meiner Seele, das mich dazu antreibt, die Sachen aus dieser Perspektive zu betrachten. Tschechow hat eine derartige Situation sehr gut zusammengefasst. Eine Gestalt aus »Onkel Wanja« sagt: ‚Lange habe ich geglaubt, dass das Schicksal des Menschen tragisch sein muss, letztendlich habe ich aber selbst entdeckt, dass es einfach lächerlich ist.‘ Und es gibt in der Tat etwas Lächerliches im Verhältnis eines Menschen zu sich selbst, zu seinen Problemen, etwas, was die Traurigkeit und das Leiden nicht ausschlie‎ßt. Aus dieser Sicht will ich die Geschichten betrachten. Es handelt sich um die Perspektive, in der die Traurigkeit, das Unglück und das Drama so tief ineinander flie‎ßen, dass man sie mit dem Lächerlichen nicht mehr verwechseln kann.“




    Ich möchte eine möglichst unreine Kinokunst. Ich entdecke in mir selbst eine Entwicklung oder eine Involution: Als ich die ersten Filme machte, wünschte ich mir sehr eine stilistische Kohärenz. Ich wollte der Verfilmungsart sehr bewusst sein. Es scheint mir nun, dass diese Kohärenz eigentlich dazu führt, dass alle Energien und Visionen um den Film blockiert werden. Ich rede von jenen Energien, die neue Richtungen des Films aufzeigen und den Akzent dort setzen, wo er nicht gesetzt werden sollte“, sagte Radu Jude ferner über seine Erfahrung als Filmemacher.




    Die jüngste Produktion des Regisseurs Corneliu Porumboiu hat das Publikum, genau wie seine frühere Produktion Poliţist, adjectiv“ (Police, adjective“), in zwei Kategorien geteilt: Die Zuschauer, die glauben, dass eine klare Handlung in ihrem klassischen Sinn einem Film unentbehrlich sei (und deshalb die beiden Filme ablehnen), und andere, die hingegen für ein weniger erzählerisches Kino plädieren.



    Der Filmkritiker Tudor Caranfil sagte über den neuen Spielfilm von Corneliu Porumboiu, Wenn sich der Abend über Bukarest senkt oder Metabolismus“ sei eine Herausforderung“ und der leidenschaftlichste Experimentalfilm des rumänischen Kinos“. Der Kritiker Andrei Gorzo bezeichnete seinerseits die Produktion als einen äu‎ßerst subtilen Anti-Liebesfilm“.



    Der Film erzählt die Geschichte des Regisseurs Paul (dargestellt von Bogdan Dumitrache), der gerade an seinem neuen Film arbeitet. Bevor er eine Nacktszene dreht, diskutiert er mit Alina (gespielt von Diana Avrămuţ), einer Schauspielerin, mit der er eine Liebesbeziehung hat, mit der Filmproduzentin (Mihaela Sârbu), einem Branchekollegen (Alexandru Papadopol) und mit einem Arzt, der ihn endoskopisch untersucht. So wie der Regisseur einräumte, hatte er sich vorgenommen, in seinem Film die Hemmungen zu schildern, mit denen ein Regisseur kämpfen muss, um einen Film zu machen. Corneliu Porumboiu:



    Mich interessierte insbesondere die Beziehung zwischen den Gestalten und der Geschichte. Die Idee kam vor drei Jahren, als ein neues Kinogesetz vorgeschlagen wurde, das neue Regelungen in Bezug auf den Filmschnitt durchsetzen sollte. Dies löste bei mir Erinnerungen aus meiner Studentenzeit aus, als ich immer mit einer gewissen Einschränkung leben musste. Ich ging zur Uni mit einem Filmschnitt, den ich selber zu Hause gemacht hatte, indem ich die genaue Zeit aller Szeneneinstellungen ma‎ß. So entstand der Film. Selbstverständlich handelt es sich auch um eine Art Hinterfragung der Anfänge meiner Arbeit als Filmemacher.“




    Die Filmfestspiele in Rotterdam locken jedes Jahr über 3000 Journalisten und Persönlichkeiten der Filmkunst weltweit an. Die Veranstalter setzen sich jedes Jahr zum Ziel, junge und talentierte Regisseure zu fördern.



    Audiobeitrag hören:



  • Der neue Film von Corneliu Porumboiu – „Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht oder Stoffwechsel“

    Der neue Film von Corneliu Porumboiu – „Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht oder Stoffwechsel“

    Beim neuesten Film von Corneliu Porumboiu haben sich die Gemüter einmal mehr geschieden. Es gab nach der Premiere von Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht oder Stoffwechsel“ ähnliche Standpunkte wie bei Polizist.Adjektiv“, Porumboius vorletztem Werk. Die einen glauben, dass der Erzählstoff im klassischen Sinne für einen Film unverzichtbar ist, während andere für ein weniger erzählerisches Kino plädieren.



    Nach der Premiere von Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht oder Stoffwechsel“ bezeichnete der Kritiker Tudor Caranfil den neuesten Film von Corneliu Porumboiu als Provokation“. Er sei der spannendste experimentelle Film eines rumänischen Regisseurs“. Andrei Gorzo, ebenfalls Kritiker, sprach von einer hyper-subtilen Anti-Romanze“.



    Und die Handlung? Der Regisseur Paul (gespielt von Bogdan Dumitrache) arbeitet gerade an einem neuen Film. Er ist gerade dabei, eine Nacktszene zu drehen und führt eine Reihe von Gesprächen: mit Alina, der Schauspielerin mit der er eine Liebesbeziehung hat (gespielt von Diana Avrămuţ), mit der Produzentin (Mihaela Sîrbu), mit einem Kollegen aus der Branche (Alexandru Papadopol) und einem Arzt, der seine Endoskopie untersucht. Der Film besteht aus nur 17 Einstellungen, die meisten davon unbeweglich.



    In einem Interview gestand Corneliu Porumboiu, dass es seine Absicht gewesen sei, über die Entstehung eines Films und die obligatorischen Zwänge zu erzählen.



    Ich war an der Beziehung zwischen den Charakteren und der eigentlichen Geschichte interessiert. Die Idee dazu kam mir vor etwa drei Jahren, als ein neues Gesetz zur Filmkunst vorgeschlagen wurde. Laut diesem, sollte der Wettberb um die Förderung seitens des Nationalen Filmzentrums nach Aufnahmeplänen der Regisseure veranstaltet werden. Und das weckte bei mir Erinnerungen aus der Studienzeit, aus der Zeit, als ich begann, mich mit dem Kino zu beschäftigen. Es gab in der Schule stets eine bestimmte Form von Zwang. Ich erinnerte mich auch daran, dass ich einen Aufnahmeplan mitbringen musste, den ich selbst zu Hause aufgestellt hatte, indem ich die Dauer der Einstellungen im Film ma‎ß. Und diese Erinnerungen waren die Ausgangsbasis für diesen Film. Sicherlich enthält der Film auch eine Fragestellung zu meinen Anfängen als Kinomacher.“



    Meine Ausbildung war auf den 35-mm-Film beschränkt, auf die Notwendigkeit, jede Einstellung zu planen. Ebenfalls aufgrund dieser Einschränkungen ist meine Vorliebe für Wiederholungen und lange Einstellungen entstanden“, erklärt der Regisseur noch, als er sich an seine Anfänge erinnert.



    Es gab sieben Fassungen des Drehbuchs bei diesem Film. Ich habe den Film aus einer gewissen Nostalgie gegenüber der Filmrolle gedreht, ich wollte, dass er als eine Art verkehrter Spiegel fungiert und deshalb haben mich die Charaktere und ihr Handeln weniger interessiert, das entdeckt man mit der Erzählung. ‚Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht’ ist auch eine Art Gemütszustand, es ist ein Moment des Tages, den man im Film nicht sieht, eine Art Dichtung, die dem ‚Stoffwechsel’ entgegenwirkt. Dieser Titel hängt irgendwie mit meiner Sichtweise über diesen Beruf zusammen.“



    Die Rolle des Regisseurs in Porumboius Film spielt Bogdan Dumitrache, der Hauptdarsteller aus Die Stellung des Kindes“, dem dieses Jahr mit dem Goldenen Bären in Berlin ausgezeichneten Film. Dumitrache wurde nach den Dreharbeiten für Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht…“ befragt.



    Es war eine Suche, die wir gemeinsam unternommen haben. Das war eines der Projekte, bei dem ich mich als sehr engagiert gefühlt habe, in dem wir gemeinsam gesucht haben und, wenn wir gute Dinge fanden, haben wir sie in den Film integriert. Es hat viele Diskussionen gegeben. Einen Monat lang haben wir alles geprobt, es hat keine Anweisungen im klassischen Sinne gegeben. Ich kannte den Text bereits, aber wir haben ihn beim Interpretieren stets neu geschrieben. Wir hatten Zeit, uns der Charaktere anzunehmen und sie zu bereichern.“



    Die Filmkritikerin Magda Mihăilescu erklärte, warum der Film fasziniert: Das Faszinierende an dem Film entstammt einer bestimmten Auflösung der Magie am Filmset. All diese Filme über den Film haben etwas gemeinsam. Der Regisseur ist ein einsamer Mensch. Weil die Hauptfigur, der Regisseur, obwohl er eine Affäre mit der Schauspielerin hat, ein einsamer Mensch ist. Genauso war die Figur aus der Amerikanischen Nacht, oder die Figur aus dem Film ‚Sequenzen’ von Alexandru Tatos. Das merkt man an dem Gang, an der Art zu rauchen, aus dem gesamten Verhalten der Figur.“



    Wenn die Nacht über Bukarest hereinbricht oder Stoffwechsel“, Corneliu Porumboius dritter abendfüllender Film, wurde bereits für die internationalen Filmfestivals in Locarno, Sarajewo, Toronto und New York ausgewählt. Mit seinem Debütwerk ‚12:08. Östlich von Bukarest’ hatte Porumboiu sich einen Namen als Regisseur und Drehbuchautor gemacht. Seitdem gilt er als Besitzer eines guten Spürsinns für Dialoge und als besonders interessiert an den weitläufigen Verzweigungen der Wahrheit“, schrieb die Zeitschrift Variety.



    Audiobeitrag: