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  • Erster Weltkrieg: Die Schlacht um Bukarest und die deutsche Besatzung

    Erster Weltkrieg: Die Schlacht um Bukarest und die deutsche Besatzung

    Die Militäreinsätze der rumänischen Armee im 1. Weltkrieg fingen im August 1916 an, nachdem Rumänien den Vertrag mit dem Dreibund kündigte und eine Offensive in Siebenbürgen startete. Es folgten der Gegenangriff der Mittelmächte und deren Sieg im September 1916 in Turtucaia (Tutrakan). Die rumänischen Historiker nennen es das Desaster von Turtucaia“. Im Dezember 1916 wurde dann die Hauptstadt Bukarest von deutschen, österreichisch-ungarischen, bulgarischen und türkischen Truppen besetzt.



    Das katastrophale Ergebnis der ersten Einsätze der rumänischen Armee sei auf ihre schlechte Vorbereitung zurückzuführen, meinen viele Historiker. Der Historiker Sorin Cristescu von der Spiru-Haret-Universität in Bukarest ist der Ansicht, die Lage wäre eine andere gewesen, wenn Rumänien von Anfang an in den Krieg eingetreten wäre.



    Russland hat sich der Gründung eines gro‎ßen rumänischen Staates widersetzt. Trotz des Drucks der öffentlichen Meinung in Bukarest wurde Rumänien nicht eingeladen, in den Krieg einzutreten, es wurde fern gehalten. September 1914 wäre ein guter Moment gewesen, nachdem Lemberg von der russischen Armee besetzt worden war. Am 23. Mai 1915 ist Italien in den Krieg eingetreten, wäre damals auch Rumänien eingetreten, hätten die Folgen verheerend sein können. Ein dritter Zeitpunkt war der 4. Juni 1916, als die russische Offensive unter Leitung von Brussilow siegreich schien und Rumänien der Einstieg in den Krieg verweigert wurde. Erst nachdem diese Offensive gestoppt wurde, hat man Rumänien grünes Licht gegeben. Der Einstieg Rumäniens in den Krieg entsprach den Interessen der Entente. Diese wollte die Ausfuhr von Rohstoffen aus Rumänien ins Gebiet der Mittelmächte verhindern. 1918 sagte der deutsche General Ludendorff, dass die Rohstoffe aus Rumänien für die Mittelmächte von zentraler Bedeutung waren.“




    Der Historiker Sorin Cristescu hat gezeigt, dass die Offensive auf Bukarest von den deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen im Westen gestartet wurde, auch wenn die Rumänen damals etwas anderes glaubten:



    Als der starke Druck auf die Südkarpaten erschien, haben die Mittelmächte mit Hilfe der Gebirgsjäger die Front am 11. November 1916 durchbrochen. Durch den Lainici-Pass sind die deutschen Truppen nach Târgu Jiu gekommen und dann weiter nach Craiova. Craiova fiel und der Fluss Olt wurde überquert. Zeitgleich hat die deutsche Armee am 23. November 1916 auch die Donau bei Zimnicea überquert. Auch 1877 hatten diese die Donau genau am selben Ort überquert. Die beiden zeitgleichen Einsätze, die Überquerung des Olts und der Donau hatten verheerende Folgen. Einen Monat zuvor war die Dobrudscha erobert worden. Das war am 26. Oktober. Mackensen schaute sich die Brücke in Cernavoda an und erkannte, dass diese benutzt werden kann. Man konnte sie reparieren, sie war reparaturfähig. Die deutschen Truppen kamen aus zwei Richtungen nach Bukarest.“




    Der letzte Versuch der rumänischen Armee, die Truppen der Mittelmächte zu stoppen, scheiterte auch. Der Historiker Sorin Cristescu dazu:



    Der Kampf auf dem Neajlov-Fluss sollte entscheidend sein. Die Unterstützung der Russen kam, wie gewöhnlich, nicht rechtzeitig. Die rumänische Armee hat versucht, die beiden deutschen Armeen der Reihe nach zu isolieren, sie zu besiegen oder zumindest zu stoppen. Das geschah aber nicht, weil die deutschen Armeen überlegen waren. Pech spielte auch eine Rolle, denn ein Wagen mit rumänischen Offizieren, die das Kuvert mit den Einsatz-Befehlen hatten, fiel in die Hände der Deutschen. Damit war das Desaster komplett. Aber auch ohne dieses Ereignis wäre das Ergebnis gleich gewesen. Am 4. Dezember 1916 wusste man schon, dass man Bukarest nicht mehr verteidigen könne. Die Forts um Bukarest waren schon vor dem 4. August 1916 verlassen worden und Bukarest war eine offene Stadt.“




    Der Angriff der Mittelmächte wurde auf der Frontlinie Focşani-Nămoloasa am 9. Dezember 1916 bei Caşin gestoppt. Die rumänische Armee hatte letztendlich Unterstützung von der russischen Armee bekommen, wehrte die deutschen Attacken ab und startete einen Gegenangriff. Mit der Eroberung von Bukarest fing aber ein Besatzungsregime an. Sorin Cristescu dazu:



    Rumänien erlebte das Drama des Rückzugs. Die Bahn war überlastet, unterschiedliche Materialien wurden in die Moldau gebracht. Das Parlament, die Regierung und die königliche Familie verlie‎ßen Bukarest. Diese hatte schon am 22. November ein Familiendrama erlebt, als der kleine Prinz Mircea an Fleckfieber starb. Es wurde die Entscheidung getroffen, Bukarest ohne Kampf am 6. Dezember 1916 zu verlassen.“




    Das Besatzungsregime im Süden Rumäniens und in Bukarest hielt bis November 1918 an und war hart. Die gesamte Wirtschaft diente während der Besatzung deutschen Interessen. 1918 folgten aber der Sieg der Entente und die gro‎ße Vereinigung.

  • Erster Weltkrieg: Die Schlacht von Turtucaia/Tutrakan (1916)

    Erster Weltkrieg: Die Schlacht von Turtucaia/Tutrakan (1916)

    Am 27. August 1916 erklärte Rumänien Österreich-Ungarn den Krieg und trat damit in den Ersten Weltkrieg ein. Bulgarien hatte in dem Krieg bereits seit 1915 an der Seite Deutschlands gekämpft — sofort schickte der südliche Nachbar seine Armee zum Angriff auf Turtucaia (bulgarisch: Tutrakan), eine Stadt die sich genau gegenüber von Oltenița am südlichen Donauufer befand, etwa 70 Kilometer südöstlich von Bukarest entfernt. Turtucaia galt als Hauptstützpunkt des rumänischen Militärs südlich der Donau. Das Rumänische Königreich hatte sich nach dem Zweiten Balkankrieg im Zuge des Friedensvertrags von Bukarest die Stadt einverleibt.



    Die Schlacht von Turtucaia fand zwischen dem 1. und 6. September 1916 statt — sie bedeutete die erste schwere Niederlage für die rumänische Armee. Von der rumänischen Geschichtsschreibung als Desaster festgehalten, führte die Niederlage von Turtucaia zum Zerfall des gesamten Aktionsplans des Generalstabs der rumänischen Armee. Das verteidigende rumänische Heer verfügte über ein Kontingent von circa 39.000 Militärs, während das bulgarische und deutsche Aufgebot es gemeinsam auf eine Truppenstärke von 55.000 Mann brachte. Bei der Schlacht starben mehr als 6.000 Rumänen, auf der anderen Seite gab es unter den Bulgaren und Deutschen gut 7.700 Tote. Zusätzlich wurden 28.000 rumänische Militärs gefangen genommen.



    Historiker, Militärs und Zeitzeugen haben die Schlacht von Turtucaia mehrfach beschrieben und analysiert. Vor allem zwei Aspekte seien ausschlaggebend gewesen, glaubt der Historiker Sorin Cristescu von der Universität Spiru Haret“ — die Ausbildung und Ausrüstung der rumänischen Armee und deren Gemütszustand.



    Bei der Schlacht von Turtucaia geht es um zwei Aspekte. Erstens geht es um die schwache Ausrüstung der rumänischen Armee. Es waren 800.000 Soldaten eingezogen worden, jedoch gab es weniger als 500.000 Gewehre. In den Jahren 1914-1916 waren etwa 120.000 Gewehre des französischen Herstellers Lebel importiert worden. Von den höchstens 500.000 Gewehren stammten etwa 100.000 aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1877. Im Krieg von 1913 hatten 460.000 rumänische Soldaten die Donau überquert, davon hatten nur 300.000 Gewehre. Und in Turtucaia ist genau dasselbe passiert. Die Armee verfügte über keine ausreichende Munition, nicht über genügend Waffen und auch die Kanonen waren schlecht ausgerichtet, das hei‎ßt, sie hatten keine Auswirkungen für den Feind. Es war eine Katastrophe.“




    Aber neben der Ausstattung und Ausrüstung des Militärs spielt auch die mentale Kraft eine wichtige Rolle in einem Krieg. Historiker Sorin Cristescu glaubt, dass der Gemütszustand ausschlaggebend für die Niederlage von Turtucaia war und insbesondere für die Folgen der Schlacht im weiteren Verlauf des Kriegs.



    Das militärische Desaster hatte aufgrund der mentalen Aspekte eine potenzierte Wirkung. Am 6. September 1916 war Bukarest bereits von der hohen Zahl der Verletzten im grauenvollen Zustand überwältigt. Und der Gemütszustand der Bevölkerung verschlechterte sich infolge des Gerüchts, dass die bulgarischen und deutschen Truppen von Turtucaia aus direkt auf die Hauptstadt zusteuerten. Die schwere Panik, die dadurch ausgelöst worden war, wirkte sich auch auf die Befehlshaber des Militärs aus. Man beschloss, die Offensive in Siebenbürgen zu stoppen und die Operation von Flămânda zu starten, bei der es um einen Rückzug ging.“




    Aber nicht alle haben so reagiert. Der berühmte Journalist und Chefredakteur der Zeitung Adevărul“, Constantin Mille, hat während der tragischen Tage einen Artikel veröffentlicht. In diesem schrieb er, so sei nun der Krieg, man habe im Norden einen schönen Sieg gehabt, man sei vorangekommen, im Süden wurde man aber geschlagen, das Eine gleiche das Andere aus. Man dürfe nicht in Panik geraten, die Bulgaren und die Deutschen könnten Bukarest nicht so schnell erreichen. Mille schrieb noch, man hätte die Ruhe bewahren und nicht gleich nach der ersten Niederlage in Panik geraten müssen. Das Desaster von Turtucaia hat aber die allgemeine Stimmung getrübt.



    Turtucaia hat im rumänischen Kollektivgedächtnis tiefe Spuren hinterlassen. Sorin Cristescu begründete die Niederlage mit der schwachen Organisierung der Armee. Die Leichtigkeit, mit der Rumänien in den Krieg eingestiegen sei, und die soziale und wirtschaftliche Lage seiner Bevölkerung, die zum Gro‎ßteil aus Landwirten bestand, haben damals viel gewogen.



    Turtucaia ist in der Geschichte durch die Beschreibungen von George Topârceanu, Gheorghe Brătianu und anderen geblieben. Es war ein tragischer Moment, der gezeigt hat, dass die rumänische Armee nicht vorbereitet war. Warum? Weil es die Armee eines Bauernlandes war. Wie der Historiker Nicolae Iorga im Jahr 1908 im Parlament sagte, handelte es sich dabei um die ärmsten Landwirte Europas. Wenn wir die Ursachen des Desasters betrachten, war meiner Meinung nach die Hauptursache die mangelnde Munition — das war entscheidend. Jeder Soldat hatte eine Quote von 100 Kugeln und die Produktion lag im besten Fall bei einer Kugel pro Tag für jeden Soldaten. Das bedeutete, dass der Soldat erst in 100 Tagen wieder Munition bekam. Und wir wissen, dass am 100. Kriegstag auch Bukarest ohne Kampf gefallen ist. Die Stadt wurde am 6. Dezember 1916 einfach dem Gegner überlassen. Er gab nicht die Möglichkeit, die Truppen in Turtucaia zu versorgen. Darüber hinaus trafen die Kanonen und die Waffen den Feind nicht, dieser konnte in Deckung gehen.“




    Nach der Niederlage folgten für die 28.000 rumänischen Kriegsgefangenen zwei harte Jahre in den bulgarischen Lagern. Ihre Memoiren und Tagebücher stellen erschütternde Seiten dar, in denen die Würde, die Verzweiflung, die Demütigung und letzten Endes die Freude der Befreiung und des Sieges im Jahr 1918 zum Ausdruck kommen. Ganz Europa freute sich dann über den Frieden.

  • 100 Years since the Battle of Tutrakan

    100 Years since the Battle of Tutrakan

    On August 27, 1916 Romania declared war on the
    Austro-Hungarian Empire, entering the First World War. An ally of Germany
    Bulgaria, which had entered the war a year earlier, immediately sent its army
    to attack the town of Tutrakan, south of the river Danube, opposite the
    Romanian town of Oltenita and 70 km southeast of the capital city Bucharest.
    Tutrakan, or Turtucaia by its Romanian name, was regarded as the main base of
    operations for the Romanian army south of the Danube, and had become
    incorporated into the Kingdom of Romania under the Peace Treaty of 1913 that
    put an end to the Second Balkan War.




    The battle of Tutrakan took place between
    September 1 and 6, 1916, and represented the first big defeat for the Romanian
    army. Seen by historians as a disaster, the defeat at Tutrakan led to the
    collapse of the entire operations plan of the Romanian army general staff. The
    Romanian troops on the defence totalled some 39,000 soldiers, while the joint
    Bulgarian and German forces amounted to 55,000 military. Over 6,000 Romanian
    soldiers were killed or wounded, while the Bulgarian-German troops sustained
    casualties of over 7,700 soldiers. Some 28,000 Romanian soldiers were taken
    prisoners.




    Much ink has been spilled over this topic by
    historians, military and eye-witnesses. Sorin Cristescu is a historian and
    professor at the Spiru Haret University in Bucharest. He says two aspects were
    key for the outcome of the battle: the training of the Romanian army and its
    morale.




    The battle of Tutrakan had two underlying
    factors. First of all, the Romanian troops were poorly trained. Some 800,000
    had been mustered, but there were only enough rifles for less than 500,000 of
    them. Some 120,000 Lebel rifles were imported from France over 1914-1916. Of
    the 500,000 rifles, around 100,000 were left over from the 1877 war. 460,000
    Romanian soldiers had crossed the Danube as part of the 1913 war, but only
    300,000 of them were carrying rifles. The same thing happened in Tutrakan. The
    army had low stocks of ammunition and weapons and the cannons were mounted the
    wrong way, so they had no effect on the enemy. It was a disaster.




    Apart from military equipment and training, the
    morale of the army is also key to winning a war. Sorin Cristescu believes low
    morale also played a part in the defeat at Tutrakan:




    The military disaster was also caused by low
    morale. By September 6 1916, Bucharest was flooded with large numbers of
    injured soldiers in a terrible state. The low morale was caused by the rumour
    circulating in Bucharest that after Tutrakan, the German-Bulgarian troops would
    start advancing towards the capital. An extraordinary panic took hold of people
    and also spread among those in charge of the military. It was decided that the
    offensive in Transylvania be halted to focus instead on the retreat in
    Flamanda. But not all people were seized with the panic. The famous journalist
    and editor-in-chief of the daily Adevarul Constantin Mille published an
    article explaining that’s the way war is. One day you have a good victory in
    the north, the next you suffer a defeat in the south. You shouldn’t let your
    actions be dominated by panic. He said the German and Bulgarian troops couldn’t
    possible reach Bucharest that quickly. Mille advised people to stay calm and
    not panic after the first defeat. However, the impact of the Tutrakan disaster
    in terms of people’s morale was immense.




    The defeat in
    Tutrakan has left deep scars in the Romanian collective psyche. Sorin Cristescu
    blames it on the bad organisation of the Romanian army. But for a better
    understanding of the Tutrakan disaster, one should also take into account the
    haste with which Romania had entered the war and the material and social
    situation of Romania’s mainly rural population:




    There are memorable
    accounts of the battle of Tutrakan by George Toparceanu and Gheorghe Bratianu
    among others. It was a tragic moment that proved the Romanian army was
    unprepared. Why? Because it was mainly made up of farmers and, as historian
    Nicolae Iorga put it before Parliament in 1908, Romanian farmers were Europe’s
    poorest farmers. Looking back today we could say the lack of ammunition proved
    crucial in the Tutrakan disaster. Every sldiers was allotted 100 bullets and
    the factory couldn’t produce at that time more than one bullet per day for
    every soldier. So troops had to spare bullets because the next supply was in
    100 days and we know that Bucharest surrendered without a fight on the 100th
    day of the war, the city being abandoned on December 6,1916. There
    was no possibility to provide fresh supplies to the troops in Tutrakan.
    Secondly, cannon and machinegun fire from our troops constantly missed the
    enemy who was better prepared and knew how to avoid it. So the Romanian army
    faced a quick and terrible defeat.




    After the battle,
    28,000 Romanian POWs spent two gruesome years in Bulgarian prison camps until
    liberation came in 1918, when the entire Europe celebrated the end of the Great
    War and peace was instated.