Tag: Überforderung

  • Bildungswesen auf dem Prüfstand: Frontalunterricht vernachlässigt Persönlichkeitsentwicklung

    Bildungswesen auf dem Prüfstand: Frontalunterricht vernachlässigt Persönlichkeitsentwicklung

    Auf globaler Ebene tendiert das Bildungssystem dazu, sowohl für Lehrer als auch für Eltern anstrengend zu sein, und hält somit Kinder von der Schule fern. Die blo‎ße Übermittlung von Informationen entspricht nicht mehr den Anforderungen der neuen Generationen, während die Kluft zwischen Bildungseinrichtungen und Schülern sich zu vertiefen scheint.



    In der Buchhandlung Humanitas Cişmigiu in Bukarest fand kürzlich eine Debatte statt, die darauf abzielte, Antworten auf alle wichtigen Fragen rund um die Bildung zu geben und sich sowohl an Schüler als auch an Eltern zu wenden. Lila Vasilescu, die Direktorin der Stiftung Verita“, erzählte uns von dem immer eklatanteren Gegensatz zwischen formaler und informaler Bildung.



    Ich habe versucht zu beobachten, woher diese Diskrepanzen kommen und warum, wenn wir über formale Bildung sprechen. Die Probleme sind da, und die Schüler und Lehrer beginnen diesem System immer mehr zu widerstehen. Als Lehrerin muss ich zugeben, dass mein Fokus zunächst auf den Kindern, dem Unterricht selbst und den Lehrplänen lag. Es dauerte nicht lange, bis ich erkannte, dass wir, um diese Kinder erreichen zu können, zuerst die Erwachsenen erreichen müssen, die sie umgeben.“




    Kinder scheinen heute meist nicht nur von den aufgebauschten Lehrplänen überfordert zu sein, sondern auch in einem System gefangen zu sein, das es ihnen nicht erlaubt, ihre eigenen intellektuellen Fähigkeiten zu erkennen. Das ist etwas, was sowohl die Erzieher als auch die Eltern erkannt haben. Lila Vasilescu:



    Wir müssen zuerst mit den Lehrern und Eltern zusammenarbeiten, sie ermutigen, die Dinge zu vereinfachen, zu einer einfachen Art der Erziehung zurückkehren. Ausgangspunkt sollten die Grundbedürfnisse, die Wissenschaft und der gesunde Menschenverstand sein. Auch ich habe mich in letzter Zeit in diesem Strudel von Informationen gefangen gefühlt, die mich von überall her anlocken, in dem Wunsch, so viele Informationen wie möglich aufzunehmen. Alle Informationen sind natürlich nützlich, aber an einem Punkt merkt man, dass man auf der Stelle tritt. Es ist leicht, sich in dieser Fülle von Informationen zu verirren.“




    Wie wählen wir die beste Bildungsoption für unsere Kinder? Andreea Puiu, eine Lehrerin, die eine Pädagogik des Glücks“ entwickelt hat, erklärt:



    Wann immer ich etwas wähle, konzentriere ich mich immer auf das persönliche Glück, denn das ist das Wichtigste. Wann immer wir etwas für unsere Familie in Sachen Bildung wählen, ist es wichtig, unseren Kindern zur Seite zu stehen und sie als Eltern zu unterstützen, zu sehen, wie sie sich fühlen, was ihre Bedürfnisse und Interessen sind. Auf diese Weise können wir sie auch im späteren Leben unterstützen. Es ist schwer, ein Kind zu unterstützen, das enttäuscht oder wütend ist und glaubt, dass wir uns nicht mit seinen Gefühlen identifizieren. Als Erzieher ist es wichtig, auf Augenhöhe mit unseren Schülern zu sein, ihre Gesten und Reaktionen zu beobachten, zu sehen, wie sie uns wahrnehmen. Ich habe viele Schulen gesehen und festgestellt, dass jede Klasse ihr eigenes Modell des Glücks hat.“




    Inwieweit beschäftigt sich die Gesellschaft mit den Auswirkungen der Bildung? Sabina Strugariu ist eine Psychiaterin, die glaubt, dass ein glückliches Leben auf der Integration zukünftiger Erwachsener in die Gesellschaft basiert.



    Wettbewerbsfähigkeit ist eine der wichtigsten Formen, um Kinder zu zwingen, bestimmte Dinge zu tun, indem sie sie mit anderen vergleichen. Es ist immer schwer, eine bessere Welt aufzubauen, wenn man immer auf seine Kollegen achtet. Es ist nicht etwas Materielles, nicht einmal Spirituelles. Um ein glückliches Leben führen zu können, muss man sich integrieren. Kinder müssen wissen, wer sie sind und auf ihre Umgebung achten. Wenn du deinem Kind beibringst, Geld oder Ruf zu schätzen, wirst du nicht die Zeit haben, dich umzuschauen und zu sehen, wer du bist, was deine Talente und Wünsche sind. Das ist ein gro‎ßes Problem, und leider fördert es das Bildungssystem auch noch. Jeder lernt die gleichen Dinge im gleichen Tempo.“




    Wie sehr beschäftigt sich das Bildungssystem mit den einzelnen Fähigkeiten des Kindes? Psychologin Andreea Neagu:



    Wann immer ich mit einem Kind interagiere, versuche ich, seine Stärken zu ermitteln. Selbst in der Elternberatung, im Unterricht, wenn ich unterrichte oder in meiner Sprechstunde, versuche ich, ihm zu helfen, das Gute in ihm zu sehen. Um dorthin zu gelangen, braucht man jedoch einen langen Prozess des Selbstlernens. Aus meiner Sicht ist der globale Trend, Kindern zu helfen, von diesem Prozess im Rahmen der formalen Bildung zu profitieren. Deshalb haben internationale Bildungssysteme soziale oder emotionale Bildungskurse eingeführt, in denen Kinder etwas über sich selbst lernen und so auch etwas über andere lernen können.“




    In den letzten Jahren hat das öffentliche Bildungssystem Persönlichkeitsentwicklungskurse für die Grundschulklassen eingeführt. So können Kinder sich selbst und ihre Altersgenossen kennenlernen, angefangen bei der Identifizierung von Emotionen, die als wichtiger Schritt zur emotionalen Intelligenz angesehen werden.

  • Gala der jungen Schauspieler 2016: Theaterabsolventen haben unterschiedliche Berufschancen

    Gala der jungen Schauspieler 2016: Theaterabsolventen haben unterschiedliche Berufschancen

    Der rumänische Theaterverband UNITER organisierte Anfang September im Schwarzmeer-Resort Costineşti die 19. Gala des Jungen Schauspielers HOP 2016. Der Schauspieler und Professor Miklós Bács, Kunstdirektor der Gala, erklärte, der Zweck dieser Gala sei, über die Kunst des Schauspielers zu sinnieren. Die Schauspielerin Dorina Chiriac, Jurymitglied, meint, die jungen Absolventen würden ihre Kunst zwar gut beherrschen, es fehle aber an Identifikation mit dem Beruf und an Selbstsicherheit im Auftritt:



    Ich habe gemerkt, dass die jungen Schauspieler für die Bühne unvorbereitet sind. Ich beziehe mich nicht auf ihre Fähigkeiten, auf ihre Begabung, ihr Geschick — da sind sie sogar besser und vielfältiger als zu meiner Zeit. Was schlicht fehlt, ist etwas an der Stellung dem Beruf gegenüber. Ich bin fest überzeugt, dass die Schule schuld daran ist. Ich glaube, es ist ein Generationsmerkmal. Bei den guten frischgebackenen Schauspielern bemerke ich etwas, was nicht Unsicherheit, sondern eine Art Unwissenheit ist. Es hat etwas mit der Unterrichtsart zu tun. Ein Professor muss mit vielen Studenten arbeiten. Die Professoren haben keine Zeit für jeden einzelnen. Die Studienzeit ist heutzutage kürzer. Das Bologna-System ist zurzeit, meiner Meinung nach, für Rumänien gar nicht geeignet. Wir verfügen nicht über das nötige Personal. Wir brauchen Professoren, die speziell dafür ausgebildet sind.“




    Für die Gewinner der HOP-Gala 2016 bedeutet das Beherrschen der Kunst des Schauspielens, sich nie zufrieden zu geben mit dem, was man schon erreicht hat, immer besser zu sein wollen, die Phantasie zu gebrauchen. Alexandru Voicu absolvierte die Bukarester Hochschule für Theater- und Filmkunst UNATC im Jahr 2015 und hat den Gro‎ßen Preis der Gala gewonnen:



    Der Mechanismus, den ich immer gebrauche, egal was ich spiele, ist, dass ich immer versuche, von Null anzufangen, so, als ob ich das noch nie getan hätte. Ich versuche neue Sachen, egal ob ich das schon gemacht habe, sie sollen aber in dem Moment neu sein. Ich beherrsche sie technisch, die Fertigkeiten gibt es, aber ich versuche mich zu überlisten, damit ich sie in jenem Moment neu rüberbringe. Ich glaube, das hängt gleichzeitig vom Spiel und Spielen und von der Freude daran ab.“




    Alina Rotaru absolvierte die UNATC 2012 und ist die Gewinnerin des Preises für die beste Schauspielerin:



    Ich habe im letzten Studienjahr die Idee des Spielens entdeckt. Alles, was dieses Wort bedeutet. Ich habe mir gedacht, wenn ich auf der Bühne spiele, egal, welche Gestalt ich verkörpere, könnte ich grö‎ßere Chancen haben, bis ans Ende echt zu wirken. Die Kunst eines Schauspielers bedeutet für mich, dass mir der Zuschauer glaubt, dass ich für ihn echt bin und dass er mich versteht. Wichtiger als deine Begabung und dein Charme ist, wie du eine neu Rolle angehst.“





    Die Wahrheit auf der Bühne zu sagen, ist für die Schauspielerin Dorina Chiriac sehr bedeutend:



    Ich kehre immer zu Grotowski zurück, der behauptet: Ungeachtet des Genres oder Epoche muss der Schauspieler auf der Bühne die Wahrheit sagen. Das war ein Bewertungskriterium der Jury — der Schauspieler, der auf der Bühne steht, muss die Wahrheit sagen. Es gibt danach weitere Differenzierungskriterien wie Kraft, Begabung, Tragweite — alles Fähigkeiten, die angeboren sind, aber auch erworben werden können. Alle haben aber nur dann Sinn, wenn sie dem Ziel dienen, die Wahrheit weiterzugeben. Einige Schauspieler ziehen nur eine Show auf, andere sind tiefgründiger. In diesem Jahr haben wir junge Schauspieler gesehen, die sich mit ihrer Kunst geistig auseinandersetzen; sie haben ein tiefes Universum, sie können bedeutende Texte angehen, mit vielen Nuancen und Tiefsinn, aber ohne das Geheimnisvolle zu zerstören. Absolventen, die diese Qualitäten hatten, haben in diesem Jahr gewonnen.“




    Die Schauspielerin Dorina Chiriac erwähnte in unserem Gespräch die gro‎ße Anzahl von Studenten und die Überforderung der Professoren. Kunstdirektor Miklós Bács meint, es gebe mehrere Ansätze, um dieses Problem zu lösen:



    Ich bin der Meinung, dass die Schauspiel-Hochschulen dieses Thema gemeinsam besprechen müssten. Wie sollte der Hochschulunterricht in diesem Bereich sein? Was bedeutet diese gro‎ße Anzahl von Studenten für eine Kunstuniversität? Wir sind nicht gegen die hohe Anzahl, wir müssen nur Kompromisslösungen finden. Es ist gut, dass es viele Studenten gibt, aber nicht jeder muss ein Diplom erhalten und Theater auf der Bühne spielen. Das sollte eine Spezialisierung sein. Man könnte verschiedene Varianten finden wie Ausbildung in Psychodrama, Psychopädagogik bis hin zur Befähigung zum Unterrichten im Gymnasium. Wir könnten den Jugendlichen Arbeitsplätze sichern. Natürlich wünscht sich jeder, auf die Bühne zu kommen. Jeder hat diesen Traum. Wenn man das Theater liebt, kann man dem Theater auch anderswie dienen, nicht nur aus der Sicht des Schauspielers. Das hängt von der Strategie der Universitäten ab. Es ist einfach nicht möglich, dass eine Gesellschaft den 200 — 300 Absolventen im Jahr einen Arbeitsplatz sichert.“