Tag: Übersetzerin

  • Wahlrumänin aus Litauen: „Ich bin hier erwachsen geworden“

    Wahlrumänin aus Litauen: „Ich bin hier erwachsen geworden“

    Egle Chișiu wurde in Vilnius, Litauen, geboren und hat in Italien Gesang studiert. Sie ist eine lyrische Künstlerin, Sopranistin, und war Solistin der rumänischen Nationaloper, wo sie jetzt Mitglied des Chores ist. Sie studierte an der Akademie für Musik und Theater in Vilnius, wo sie auch Meistergesang studierte. Anschlie‎ßend studierte sie an der Internationalen Musikakademie in Mailand und am Konservatorium Antonio Scontrino“ in Trapani. Sie ist auch Dolmetscherin und Übersetzerin aus dem Rumänischen, Litauischen, Russischen und Englischen. Ihre Karriere verfolgte sie auch in Deutschland, wo sie zwei Jahre lang lebte und Musik an einer Grundschule unterrichtete. Eine Zeit lang war Egle Chișiu auch Webmaster eines Internet-Portals für Rumänen in Gro‎ßbritannien, www.angliamea.ro, wo Nachrichten auf Rumänisch aufbereitet und Artikel aus dem Englischen und Litauischen ins Rumänische übersetzt wurden. Sie erzählt uns, wie sie nach Rumänien kam:



    Während meines Studiums in Sizilien, in Trapani, wo ich ein Regierungsstipendium hatte, lernte ich meinen zukünftigen Mann kennen. Zu dieser Zeit wusste ich nicht viel über Rumänien. Er ist auch Opernsänger, wir lernten uns dort kennen und heirateten noch im selben Jahr. Dadurch mussten wir eine Entscheidung treffen, denn wir mussten irgendwo zusammen leben. Litauen war keine Lösung, über Italien dachten wir ein bisschen nach, aber es schien zu kompliziert, und wir entschieden uns für Rumänien, wo mein Mann schon damals, 2005, als Solist engagiert wurde. Es war klar, dass ich mich anpassen würde, wenn er hier einen festen Platz hätte. Da ich bereits fünf Sprachen spreche, war es kein Problem mehr, eine weitere zu lernen, und es fiel mir leicht, basierend auf Russisch und Italienisch. 2004 lernten wir uns kennen und heirateten, und der eigentliche Umzug fand 2006 statt, denn es dauerte noch ein Jahr, da ich noch in Mailand studierte, dann noch ein Jahr, bis ich meinen Master in Litauen abschloss, aber die meiste Zeit verbrachte hier in Rumänien. Aus diesem Grund würde ich sagen, dass ich 15 Jahre alt bin, zumindest seitdem ich Rumänisch spreche und die rumänische Kultur kenne.“




    Egle Chișiu ist die Gewinnerin von fünf internationalen Gesangswettbewerben in Rumänien, Litauen, Italien und der Ukraine, sie sang auf lyrischen Bühnen in Deutschland, der Ukraine, Polen, Italien, Litauen und Rumänien. Wir haben Egle gefragt, wie der Anfang war und was ihr hier gefällt.



    In Rumänien fühle ich mich zu Hause, weil ich hier eine Familie gegründet habe, und ich fühle mich wohl und frei, integriert. Weil ich die Sprache von Anfang an gelernt habe, nachdem ich hierher kam, habe ich mich nie als Ausländerin gefühlt. Ich wurde auch gut aufgenommen von Freunden, Verwandten, der Familie meines Mannes, Vasile Chișiu. Ich habe mich hier im Land wohl gefühlt, auch wenn vielleicht manches sehr fremd und sehr distanziert war, wenn man bedenkt, dass Rumänien ganz anders ist als Litauen, aber dennoch ist diese kommunistische, sozialistische Vergangenheit sehr ähnlich, wir haben viele Gemeinsamkeiten und wir verstehen sie ganz anders als vielleicht ein Ausländer aus dem Westen. In Rumänien mag ich viele Dinge, hier habe ich auch die Schönheiten der Natur und der Städte entdeckt, ich bin sehr viel gereist, und wir fahren mit der ganzen Familie mit dem Wohnwagen ans Meer, wir mögen auch wildere Orte mit weniger Menschen. Ich mag auch die Menschen, sie haben wahrscheinlich dieses viel südlichere Temperament als die in Litauen, sie sind viel offener, einladender, freundlicher, man kommt sich viel schneller näher. Sogar der körperliche Kontakt, das Umarmen und Küssen, ist in Litauen nicht sehr verbreitet.“




    Egle Chișiu hat zwei Kinder, die hier geboren und aufgewachsen sind, mit denen sie ausschlie‎ßlich auf Litauisch spricht. Die Kinder lieben beide Länder und können es kaum erwarten, das Land ihrer Gro‎ßeltern wieder zu besuchen. Auch Egle vermisst Litauen.



    Ich vermisse das Land sehr und jetzt umso mehr, da ich diesen Sommer wegen Covid und der Reiseeinschränkungen nicht nach Litauen fahren konnte. Ich war seit eineinhalb Jahren nicht mehr dort, ich vermisse wirklich alles. Von dem Ort, wo ich aufgewachsen bin, von meinen Eltern, von meinem Bruder, von allen Verwandten dort, bis hin zu den Seen in Litauen, wo man jederzeit baden konnte, den ganzen Sommer lang. Von überall her ist man in 10 Minuten an einem See, ähnlich wie in Finnland. Ich vermisse die Wälder, das Pilzsuchen. Und meine Kinder fühlen sich in Litauen sehr wohl, es ist meine Heimat und ich bin Litauerin und fühle mich dort auch wohl.“




    Egle war Studentin, als sie nach Rumänien kam, ein neues Land mit einer besonderen Kultur für sie, die sie sofort in ihr Herz schloss. Sie fühlte sich von Anfang an sehr wohl und entdeckte mit Hilfe ihres rumänischen Mannes ein neues Leben. Sie gründete eine Familie und baute eine Karriere in Rumänien auf. Im Grunde genommen lernte Egle hier das Erwachsensein, sagt sie:



    Wirklich erwachsen bin ich hier geworden. Ich war 25 Jahre alt, als ich zum ersten Mal nach Rumänien kam. Ich habe mich komplett verändert, auch durch die Menschen, Orte und Reisen, das Familienleben und einige Werte, die hier in Rumänien ein wenig anders waren. Die grö‎ßere Nähe zwischen den Familien und sogar das Konzept der Paten und Patenkinder, das es in Litauen gar nicht gibt, all das war für mich ziemlich fremd, aber jetzt finde ich es schön und interessant, dass es so etwas gibt. Der Prozentsatz der Scheidungen ist hier viel niedriger als in Litauen, es ist eine Art von Harmonie, oder vielleicht kommt es mir so vor. Natürlich mag ich das Wetter, es ist fantastisch, dass es schon im März warm sein kann und bis November anhält. In Litauen regnet es den ganzen Sommer; wenn es zwei Wochen sonnig ist, ist man schon glücklich. In Litauen war mir immer kalt, hier ist es ganz anders. In Litauen war ich ständig deprimiert wegen des trüben Wetters, hier strahlt alles.“




    Natürlich ist nicht alles perfekt in Rumänien und es gibt Dinge, die Egle gerne so schnell wie möglich geändert sehen würde, für ein besseres Leben:



    Das Problem mit der Digitalisierung, die hier viel langsamer voranschreitet als in Litauen, wenn man Behördengänge tun muss. Das scheint mir das Schlimmste in Rumänien zu sein, im Sinne einer primitiven Bürokratie. Eine andere Sache, die man verbessern könnte, wäre der Respekt der Rumänen vor dem, was sie haben, vor der fantastischen Natur. Ich habe Bergflüsse gesehen, die sauber sein sollten, aber sie sind voller Müll, fantastische Wälder, wo man hingeht und eine Wiese voller Müll findet — das tut mir weh. Hoffen wir, dass sich mit der Änderung der Gesetze auch etwas ändert. Und wahrscheinlich auch mit Hilfe der Erziehung in der Schule und zu Hause. In diesem Sinne wünsche ich allen ein besseres und gesünderes Jahr 2021.“

  • Interview-Band stellt rumänisch-schweizerische Literaturwissenschaftlerin Ana Simon vor

    Interview-Band stellt rumänisch-schweizerische Literaturwissenschaftlerin Ana Simon vor

    Ana Simon hat das Land vor 50 Jahren verlassen und sich nach einem kurzen Aufenthalt in Spanien in der Schweiz, genauer gesagt in Genf niedergelassen. Die Schriftstellerin, Regisseurin und Literaturübersetzerin ist im Landkreis Caraş-Severin geboren aber in ihrem Heimatland Rumänien ist Ana Simon wenig bekannt. Ende September erschien im Verlag Didactic in Timişoara der Band Ana Simon. Ungewöhnliche Treffen“ von Alina Mazilu, Vasile Bogdan und Cornel Ungureanu, der die Schriftstellerin dem rumänischen Publikum näher bringen soll. Alina Mazilu ist eine der drei Autoren und hat den Band koordiniert:



    Meiner Meinung nach stellt dieses Buch einen Anfang dar, man kennt kaum etwas über Ana Simon und das finde ich schade. Ungerecht würde ich nicht sagen, weil sie auch nicht bekannt werden wollte. Man kennt wenige Sachen über sie, aber man sollte mehr wissen, deswegen sehe ich diese Initiative als neuen Anfang, es handelt sich um ein Buch mit und über Ana, eigentlich um einen Interviewband. Dieses Buch bietet einen tiefen Einblick in die äu‎ßerst komplexe Persönlichkeit der Schriftstellerin und spricht über Freundschaft: Ana ist der gro‎ßzügigste Mensch den ich kennengelernt habe. Was wir uns mit diesem Buch noch wünschten, war, dass es nicht alles auf einmal blo‎ßlegt, dass die Schriftstellerin vom Geheimnis umhüllt bleibt. Das Buch ist eher eine Einladung für die Leser, Ana Simon und ihr ganzes Universum mit eigenen Augen zu entdecken, es regt trotzdem die Leser dazu an, sich vorzustellen, was sie zu sagen hat: Das Unaussprechliche.“




    Ana Simon ist mit dem schweizerischen Darsteller François Simon verheiratet und die Schwiegertochter des berühmten Schauspielers Michel Simon. Sie ist Autorin zahlreicher Filme und Gedichtbände, sie hat Werke von Mircea Eliade, Marin Sorescu und Miguel de Unamuno übersetzt. Im Buch Ana Simon. Die ungewöhnlichen Treffen“ wird Ana Simon auch durch die Augen anderer Menschen gesehen, auch einige ihrer Gedichte sind in diesem Band zu lesen, die von Marin Sorescu und Jean Grosu übersetzt wurden. Alina Mazilu dazu:



    Es gibt einige Fotos, darunter eines von Ana Simon zusammen mit Mario Vargas Llosa in Lima, lange bevor Llosa ein gro‎ßer Name der Weltliteratur wurde. Im Buch ist auch die Korrespondenz zwischen der Schriftstellerin und ihren Freunden sowie einen Brief von Emil Cioran zu lesen. Auch ein Porträt der Schriftstellerin von ihrer deutschen Freundin Margarethe Krieger sowie ein vom Maler José Venturelli gezeichnetes Porträt der Schriftstellerin sind im Buch abgebildet.“




    Bei der Buchvorstellung in Timişoara erläuterte Ana Simon in einem Interview für Radio Rumänien, wo sie ihre Inspiration findet:



    Alles, was ich für Künstler gemacht habe, war aus Bewunderung. Ich bin Literaturwissenschaftlerin von Beruf und deswegen habe ich immer ein gro‎ßes Interesse für die Welt der Künstler gezeigt. Die Künstler verraten einiges über ihre Welt, und in einem meiner Filme habe ich auch meine Bewunderung für sie und ihre Schöpfung verraten.“




    Ana Simon reist um die Welt und teilt ihr Leben zwischen Genf, Paris und Barcelona, regelmä‎ßig kehrt sie aber nach Rumänien zurück, ins Banat, wo sie geboren wurde. Was bedeutet für Ana Simon zu Hause?



    Zu Hause… genau wie für Camus — mein Land ist meine Mutter und das bedeutet für mich zu Hause. Seitdem ich meine Mutter verloren habe, hatte ich kein Zuhause mehr. Ich war mit François überall in der Welt, wo er Filme drehte, zu Hause war immer, wo wir zusammen waren, aber seitdem ich meine Eltern nicht mehr habe, habe ich auch mein Zuhause verloren. Genau wie Camus sagte, mein Land war meine Mutter. Camus hat mit seiner Mutter auch sein Land verloren, ich hingegen nicht, weil mir auch die rumänische Sprache am Herzen liegt, auch meine berufliche Ausbildung hat viel mit der rumänischen Sprache zu tun. Rumänien ist mein Heimatland, ist das Land, das meine geistige Formation bestimmt hat. Ich kann weder Französin noch Schweizerin sein.“




    Ana Simon. Die ungewöhnlichen Treffen“ regt die Leser dazu an, mehr über das Leben von Ana Simon zu erfahren. Ihr Leben sei wie ein Traum, sagt Alina Mazilu:



    Jeder der drei Autoren erzählt seine ungewöhnlichen Treffen mit Ana Simon. Für jeden der drei Autoren hatte das erste Treffen mit Ana Simon eine gro‎ße Bedeutung, weil es ihm ein erstes Image der Schriftstellerin vermittelt hat, und jeder hatte mit surrealistischen Elementen bei seinem Treffen mit Ana Simon zu tun. Jeder hat dieses Treffen im Buch erzählt. Wir wollten ein Buch schreiben, das man wie einen Roman liest, und wir haben es geschafft.“

  • Schriftstellerin und Übersetzerin Veronica Niculescu: „Wir sind die Texte, die wir lesen“

    Schriftstellerin und Übersetzerin Veronica Niculescu: „Wir sind die Texte, die wir lesen“

    Mein Schreiben wird mit Phantasie zubereitet, um einen auslösenden Faktor herum. »Zu Jadetälern und Hexenkraut« schafft, durch die Stimme der Miranda Dortloft, ein Plädoyer für diese Art von Schreiben, für Einbildungskraft und Konstruktion.“ Das ist die Beschreibung des eigenen Romans Zu Jadetälern und Hexenkraut der Schriftstellerin Veronica Niculescu. Der Roman erschien in diesem Jahr beim Polirom-Verlag.



    In der zusammengefassten Beschreibung erfährt der Leser, dass Zu Jadetälern und Hexenkraut ein Roman über Abschiede, Verluste und Leere ist, ein Roman, der mit Zärtlichkeit geschrieben und von Überraschungen übersät ist. Ein Buch mit einer zirkulären Erzählstruktur, um ein Märchen in Tausend Versen herum. Die Hauptfigur Miranda Dortloft, die fern von der Heimatstadt, der Familie und dem Mann lebt, den sie immer noch liebt, beginnt ein Märchen in Versen zu schreiben. Die dichte Prosa, die dieses imaginäre Spiel umwebt, enthüllt das eigentliche Leben Mirandas: die im Kommunismus verbrachten Jahre, ihr gemischter Familienhintergrund, die Liebesgeschichte, bis hin zur düsteren, von Depression zerrütteten Gegenwart.“



    Es war klar, dass ich diesmal eine lange Geschichte schreiben muss, denn das war die Grundidee des Buchs, und andererseits hatte ich unglaubliche Lust nach einer längeren, erarbeiteten Satzstruktur, nach den kurzen Büchern, die Plädoyers für das Kleine waren. Klein zu sein, versteckt, die Innenwelt kann riesig sein, wenn du klein bist und du es dir gemütlich machst, in einem kleinen Stuhl, im Theater etwa, mit dem Rücken zur Bühne. So ungefähr war es bei diesem ersten Roman. Es mag vielleicht nicht die klassischste aller Romanstrukturen sein, die Struktur kann verwirren, aber das sehe ich so, dass ich einen Roman geschrieben habe, der ein Märchen in Versen enthält. Sicher, wenn man das reelle Leben der Märchenautorin rund um das Märchen selbst herum webt, konstruiert man am Ende allerlei Kontraste. Denn das ist das Plädoyer für die Einfallskraft, in ihrem Leben passiert etwas, aber im Märchen ist das völlig anders, und dennoch gibt es gemeinsame Elemente. Die Märchenautorin erlebt gerade eine Depression, sie hat eine Liebe verloren, befindet sich in einer totalen Leere, ist aus ihrer Stadt gezogen, hat keine Wohnung, keine Familie mehr. Aber in dem Märchen kommen sehr viele Reichtümer vor. Sowohl Edelsteine als auch Freier und eine Hochzeit. Das wäre das Plädoyer für die Einfallskraft. Deshalb war die umfassende Konstruktion notwendig, weil man das Leben eines Menschen nur in aller Ruhe umschreiben kann. Aber ich war sehr daran interessiert, unterschiedliche Rhythmen und Töne anzuschlagen.“




    Für ihren 2004 veröffentlichten Debütband Adeb“, der kurze Prosa enthielt, bekam Veronica Niculescu den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes für das beste Debüt. Es folgen drei weitere, vielfach ausgezeichnete Prosabänder (Das orangefarbene Orchester“, Rot, rot, Samt“, Die tierische Sinfonie“). Niculescu ist auch Co-Autorin zweier Bänder, bei denen sie mit dem Dichter Emil Brumaru zusammenarbeitete: Das Märchen von der Prinzessin Schnell-Schnell“ (2009) und Es fallen Kastanien von den Kastanienbäumen“ (2014).



    In einem Interview, das die Schriftstellerin nach dem Erscheinen von Zu Jadetälern und Hexenkrautgab, bekundete sie ihr stetiges Interesse am Leser.



    Ich träume von einem aufmerksamen, engagierten Leser, der sich über die Entdeckung von Brücken, von Kernen, von Inversionen freut. Er müsste aufschreien, seufzen und neu anfangen, sehen, wie die Dinge sich formen und das müsste ihn glücklich machen. Wenn es einen einzigen solchen Leser geben sollte, für ihn muss ich das tun. Und es gibt ihn. Er hat mir einen Brief geschrieben“, sagte Niculescu damals.



    Diese Aussage könnte auf einen Hochmut meinerseits schlie‎ßen, die Tatsache, dass ich mir einen geduldigen und aufmerksamen Leser wünsche. Aber ich glaube, dass wünschen wir uns alle, wenn wir ein Buch schreiben und Details einschieben. Denn es bereitet einem Freude, wenn man schreibt und dabei Anspielungen einschiebt, die den Leser freuen. Und am Ende, wenn dieses Spiel fertig ist, wenn das Buch wirklich zu Ende ist, fragt man sich als Schriftsteller, ob jemand bereit ist, so tief zu graben, um all diese Spuren, diese Details zu entdecken. Und man stellt infolge der Botschaften fest, die man erhält, infolge der Briefe, dass die Menschen die Details schon bemerkt haben, auch wenn man befürchtet hatte, es würde dem nicht so sein. Ich glaube, momentan ist alles gut.“




    Veronica Niculescu ist auch eine der besten Übersetzerinnen aus dem Englischen. Sie hat von den Werken von Vladimir Nabokov die Romane Der Späher, Verzweiflung, König, Dame, Bube, Das Modell für Laura, Die Gabe, Fahles Feuer sowie einen Teil der Erzählungen und den Briefwechsel mit Vera ins Rumänische übersetzt. Ferner übersetzte sie die englischsprachige Kurzprosa Samuel Becketts sowie seine Romane Murphy, Watt und Traum von mehr bis minder schönen Frauen. Für ihre Übersetzungen wurde sie ebenfalls vielfach ausgezeichnet. Alle diese Begegnungen mit berühmten Schriftstellern hätten ihr geholfen, sagt Niculescu.



    Es hilft dir enorm, kann ich jetzt nach den vielen Übersetzungen sagen. Am Anfang fühlte ich nur, dass mich das langsam umbringt, so ist es in der ersten Phase. Und dann kommt die Wiederauferstehung, und wenn du wiederauferstehst, bist du bereichert. Du fühlst, dass dich das zunächst umbringt, weil man während des Übersetzens nie selbst schreiben kann. Es ist ein anderer Ton, eine andere Musik, eine andere Sprache. Aber wenn die Übersetzung fertig ist, kommt man bei den gro‎ßen Autoren nicht umhin, sich bereichert zu fühlen. Es ist ganz klar, dass man ihre Sprache, ihre Musik übernimmt, dass man lernt, indem man in die Faser der Texte eindringt. Und ich beziehe mich nicht nur auf die Übersetzer. Jedes gelesene Buch verändert und bereichert uns, wir bestehen aus den Texten, die wir lesen, aus der Musik, die wir hören, aus dem Theater, das wir sehen, aus den Filmen. Übersetzen ist eine intensive Leseart und man kommt bereichert aus dieser Erfahrung hervor, das ist unvermeidlich.“

  • Schriftstellerin Nora Iuga zweifach ausgezeichnet

    Schriftstellerin Nora Iuga zweifach ausgezeichnet

    Die Schriftstellerin Nora Iuga ist vor kurzem bei der Preisverleihungsgala des öffentlich-rechtlichen Kultursenders mit dem Preis für Prosa ausgezeichnet worden. Für ihr Gesamtwerk erhielt die 85-jährige Autorin auch den Gheorghe Crăciun“ — Preis von der Kulturzeitschrift Observator Cultural“.



    Der öffentlich-rechtliche Kultursender Radio România Cultural hat Nora Iuga für ihren Roman Harald şi luna verde“ (Harald und der grüne Mond) mit dem Prosapreis 2014 ausgezeichnet. Das Buch wurde vom Polirom-Verlag veröffentlicht. Die rumänische Dichterin stellt für den deutschsprachigen Raum eine Entdeckung dar — eine Literatur hoher Qualität, Literatur im Superlativ! Sie nimmt auf, was böse Erinnerung und böse Gegenwart ihr eingeben. Sie spricht von Häusern mit Fenstern, die Übles vorhersagen, von Grammophonen mit Trichtern, “die kilometerlanges Schweigen verschlucken”. Als das Ceaușescu-Regime kollabierte, blieb sie — anders als andere — nicht auf Opposition fixiert. Sie nutzte die neue Freiheit; nutzte sie auch zur Eroberung neuer Formen. Wir erwarten mit viel Freude und Interesse die Veröffentlichung anderer Romane in deutscher Sprache. Ihre Sprache ist unberechenbar, launenhaft und verbirgt ein Geheimnis. Ihre ununterbrochene Poesie enthält ein dauerhaftes Wunder. Die Autorin zitiert Oscar Wilde: “Eine Laune dauert länger als eine Leidenschaft”, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung über den Roman. Nora Iuga sagte anlässlich der Preisverleihung:



    Ich wei‎ß nicht, was ich zu diesem Anlass sagen soll, ich wei‎ß nur, dass man bei der Oscar-Verleihung oder bei der UNITER-Gala (Preisverleihungsgala der rumänischen Theaterunion — Anm. d. Red.) danke sagt. Alle bedanken sich. Man dankt dem Vater, man dankt dem Sohn, der Jury, man dankt allen. Was ich jetzt auch tue und natürlich dankt man den Sponsoren, was sehr praktisch ist. Heute aber will ich mir selbst danken. Ich bin sehr stolz, ich bin sehr glücklich. Einen derartigen Wettbewerb mit 85 Jahren zu gewinnen, ist gar nicht einfach. Ich will mich bei allen bedanken, die die Geduld hatten, den Roman zu lesen und zu schätzen.“




    Harald und der grüne Mond“ ist ein Puzzle-Roman. Erinnerungen, Briefe, Tagebuchfragmente sind die Puzzlestücke. Die spannende Story spielt im 20. Jahrhundert, auf verschiedenen Zeitebenen, und bricht in Scherben, die gleichzeitig die faszinierende und die abscheuliche Seite der Welt, in der wir leben, widerspiegeln. Alles dreht sich um das zwanghafte Bild des grünen Ballons auf der Bühne einer Ballettaufführung.



    Nora Iuga wurde 2007 mit dem Friedrich-Gundolf-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet. Sie übersetzte Werke von August Strindberg, E.T.A. Hoffmann, Nietzsche, Knut Hamsun, Barbara Bronnen, Elfriede Jelinek, Herta Müller, Ernst Jünger, Oskar Pastior, Günter Grass, Aglaja Veteranyi ins Rumänische.