Tag: Übersetzungen

  • In Iaşi findet zum 10. Mal das FILIT-Festival statt

    In Iaşi findet zum 10. Mal das FILIT-Festival statt

    Wie bei allen früheren Ausgaben des Festivals wird das Publikum die Gelegenheit haben, preisgekrönte Schriftsteller und wichtige Stimmen der zeitgenössischen Literatur aus dem In- und Ausland kennenzulernen.



    Zu den Gästen gehören John Boyne (Autor des Bestsellers Der Junge im gestreiften Pyjama, der in 58 Sprachen veröffentlicht wurde), Manuel Vilas (einer der bekanntesten und preisgekrönten Schriftsteller Spaniens), Boualem Sansal (ein französischsprachiger algerischer Schriftsteller, Gewinner des Grand Prix der französischen Akademie für Belletristik), Narine Abgarian (armenische Schriftstellerin, die vom The Guardian zu einer der sechs besten europäischen Autorinnen ernannt wurde, Bestsellerautorin mit dem Roman Vom Himmel fielen drei Äpfel) und der rumänische Schriftsteller und Philosoph Andrei Pleșu.



    Fünf Tage lang finden während des FILIT Dutzende von Veranstaltungen statt: literarische Begegnungen mit Stars der Weltliteraturszene, Weiße Nächte der Poesie und Musik, Workshops und professionelle Gesprächsrunden, Konzerte und Lesungen. Vom 3. bis 7. Oktober fanden die 8. FILIT-Workshops für Übersetzer statt, die vom Nationalen Museum für Rumänische Literatur in Iasi in Zusammenarbeit mit dem Ipotești Memorial – dem Mihai Eminescu Nationalzentrum für Studien organisiert wurden.



    Die Workshops bieten einen Ausbildungs- und professionellen Kommunikationsrahmen für Übersetzer aus dem Rumänischen in eine Fremdsprache. Die Teilnehmer dieser Ausgabe kamen aus zehn Ländern: Jale Ismayil (Aserbaidschan), Monica Constandache (Schweiz), Alexey Kubanov (Kasachstan), Joanna Kornás-Warwas (Polen), Ferenc André und Csanád Száva (Rumänien, Übersetzer für die ungarische Sprache), Monica Cure (Rumänien/USA), Eliza Filimon (Rumänien, Übersetzerin ins Englische), Roxana Ilie (Rumänien, Übersetzerin ins Deutsche), Đura Miočinović (Serbien), Klara Rus (Slowenien), Elena Borrás (Spanien), Gabriella Koszta (Ungarn). Wir sprachen mit Florin Lăzărescu, Schriftsteller und Mitglied des FILIT-Teams, über die Bedeutung des Festivals für Übersetzer und seine Relevanz für das rumänische Publikum.



    Deshalb haben wir es auch Internationales Literatur- und Übersetzungsfestival Iasi genannt, weil wir den Übersetzern besondere Aufmerksamkeit schenken, insbesondere den Übersetzern aus dem Rumänischen in eine Fremdsprache. Neben diesen Workshops gibt es während des FILIT auch einige Veranstaltungen, die sich auf Übersetzer konzentrieren, von professionellen Treffen mit Literaturagenten und Übersetzern bis hin zu Workshops für Gymnasiasten. Konkret gehen die Übersetzer in die Gymnasien und bringen den Schülern das Übersetzen bei. Was das FILIT-Publikum angeht, so sind 80% der Besucher des Festivals jung und sehr jung, und ich kann sagen, dass ich froh bin, dass FILIT ihre Existenz prägt.


    Ich werde zwei Beispiele nennen, weil das Geschichten sind, die das Publikum in letzter Zeit gehört hat. Gabriela Vieru ist bereits eine bekannte Literaturkritikerin, sie gehört zur Redaktion der Zeitschrift Timpul. Sie ist jedes Jahr zu FILIT gekommen, hat bei den vergangenen Ausgaben als Freiwillige mitgearbeitet und moderiert dieses Jahr zwei Veranstaltungen. Neulich erzählte mir Gabriela Vieru, dass sie bei FILIT zum ersten Mal Schriftstellerinnen und Schriftsteller gesehen hat, von denen sie vorher noch nie etwas gehört hatte. Die Tatsache, dass das Leben einer Literaturkritikerin von der 9. Klasse bis heute von FILIT geprägt ist, erscheint mir außergewöhnlich.


    Und das ist nicht das einzige Beispiel, das ich anführen kann. Zu dieser Ausgabe von FILIT ist auch Ioan Coroamă eingeladen, der seit seinem Debüt als neue, hoch geschätzte Stimme der rumänischen Poesie gilt. Als ich ihn zum Festival einlud, erzählte er mir, dass er seit der 6. Klasse zu FILIT kommt und dass FILIT sehr wichtig für ihn sei, er sei mit diesem Festival aufgewachsen. Diese Begegnungen mit Schriftstellern sind meiner Meinung nach sehr wichtig für die Öffentlichkeit, insbesondere für das junge Publikum. In diesem Jahr besuchen die FILIT-Gäste 18 Gymnasien nicht nur in Iasi, sondern auch in anderen Orten des Landes. Und diese Leute sind Schriftsteller, Übersetzer, Fachleute aus der Literaturbranche, ich wollte betonen, dass wir nicht nur Schriftsteller treffen. Das scheint mir eines der wichtigsten Dinge zu sein, die FILIT macht: Es gelingt ihm, die Perspektive auf Literatur zu verändern, es zeigt, dass Literatur spektakulär und interessant sein kann, dass Literatur lebendig ist.



    Bei FILIT 2022 werden die rumänischen Prosaautoren Cezar Amariei, Remus Boldea, Adrian Cioroianu, Bogdan Coșa, Filip Florian, Lavinica Mitu, Liviu Ornea, Ioana Pârvulescu, Dan Perșa, Bogdan Suceavă und Anca Vieru auftreten. Gleichzeitig werden wichtige Namen der Poesie an der 10. Ausgabe von FILIT teilnehmen: Răzvan Andrei, Ion Buzu, Ioan Coroamă, Teona Galgoțiu, Anastasia Gavrilovici, Sorin Gherguț, Claudiu Komartin, Ileana Negrea, Cătălina Stanislav, Veronica Ștefăneț, Mihók Tamás. In der Casa Fantasy werden die Schriftsteller O.G. Arion, Michael Haulică, Liviu Surugiu, Daniel Timariu und Marian Truță zu Gast sein, in der Casa Copilăriei die Illustratorin Sidonia Călin und die Autoren Ioan Mihai Cochinescu, Simona Epure, Iulia Iordan und Radu Țuculescu. An besonderen Veranstaltungen werden die Journalistin Elena Stancu und der Fotograf Cosmin Bumbuț teilnehmen, und der Fotograf Mircea Struțeanu wird sich mit einem literarisch-künstlerischen Projekt beteiligen.

  • Anansi World Fiction: Bukarester Verlag bringt Reihe von Übersetzungen aus der Weltliteratur heraus

    Anansi World Fiction: Bukarester Verlag bringt Reihe von Übersetzungen aus der Weltliteratur heraus

    Die Sammlung mit dem Titel ANANSI. World Fiction“ wird von Bogdan-Alexandru Stănescu koordiniert, einem Schriftsteller und einem der am meisten geschätzten rumänischen Herausgeber mit einer 15-jährigen Erfahrung im Bereich der literarischen Übersetzung. Die neue Sammlung, die den Namen von Anansi, dem afrikanischen Gott der Geschichten, trägt, besteht aus fünf Reihen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: zeitgenössische Literatur, Klassiker des 20. Jahrhunderts, literarische Essays, Memoiren und Dichtkunst. Zu den Schriftstellern, die Teil dieser Sammlung sind, gehören der Syrer Samar Yazbek, ein glühender Kritiker des Assad-Regimes; die Schwedin Linda Boström Knausgård; der amerikanische Schriftsteller, Dichter und Literaturkritiker Ben Lerner, Finalist des Pulitzer-Preises, des National Book Award und des National Book Critics Circle Award; und Ahmet Altan, einer der meistgelesenen türkischen Schriftsteller und ein herausragender Journalist. Alle sind zum ersten Mal im Pandora M-Verlagshaus ins Rumänische übersetzt worden.



    Bogdan Alexandru Stănescu erzählt uns mehr über die ANANSI-Sammlung:



    Viele Redakteure träumen davon, eine solche Sammlung zu koordinieren, aber sie finden oft nicht die nötige Unterstützung. Die Tatsache, dass die ersten sechs Titel der Sammlung ausverkauft sind, ist auch für mich eine Überraschung. Die Neuheit und Qualität der Titel hat sicherlich eine Rolle gespielt, ebenso wie die Grafik, also die von Andrei Gamarţ signierten Cover. Ich würde dies als eine eher subjektive Sammlung bezeichnen. Ich habe Autoren aufgenommen, die ich sehr mag und die ich gerne ins Rumänische übersetzt sehen würde. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass José Luís Peixoto, einer der grö‎ßten zeitgenössischen portugiesischen Schriftsteller, der von Kritikern als der neue Saramago bezeichnet wird, nicht vollständig ins Rumänische übersetzt worden ist. Ich erinnere mich, dass es irgendwann eine Facebook-Gruppe gab, die versuchte, Verlage zu überzeugen, seine Bücher weiter zu übersetzen. Und trotzdem ist das nicht passiert. Es ist also kein Zufall, dass José Luís Peixoto mit seinem von Simina Popa übersetzten Buch »Autobiographie« in die erste Welle der Anansi-Sammlung aufgenommen wurde, und für mich ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Auch war es für mich schwer zu verstehen, warum Martin Amis, eine der einflussreichsten und innovativsten Stimmen der britischen Gegenwartsliteratur, nicht übersetzt wurde. Im Fall von Paul Auster muss ich zugeben, dass dies mein Lieblingsbuch von allen seinen Büchern ist — »Mondpalast«, übersetzt von Michaela Niculescu. Ich glaube, die Aufgabe eines Verlags ist es auch, den Geschmack der Leser zu schulen. Ich halte es nicht für richtig, Meisterwerke nicht in unseren Bibliotheken zu haben, weil sie vor 20 Jahren übersetzt und veröffentlicht wurden und eine Neuauflage als nicht sinnvoll angesehen wird. Leider verstehen viele Leute in der Buchbranche den Wert eines Lektorats nicht. Sein Zweck ist es, eine Reihe von Meisterwerken auf dem Markt und in der Gunst der Leser zu halten. So ist die Neuauflage von »I, Claudius«, einem historischen Roman von Robert Graves, übersetzt von Silvian Iosifescu, gerechtfertigt.“




    Das am meisten erwartete Comeback der rumänischen Poesie, so beschreibt seinerseits der Literaturkritiker Mihai Iovănel den Gedichtband von Ruxandra Novac, der ebenfalls als Teil der Anansi-Sammlung veröffentlicht wurde:



    Ruxandra Novac ist in gewisser Weise der Grund für die Poesie-Reihe »Anansi Blues«. Denn als wir uns entschieden, diesen Gedichtband mit dem Titel »Alwarda« zu veröffentlichen, war die Sammlung schon fast fertig skizziert. Erst als wir uns entschieden, den Band von Ruxandra Novac zu veröffentlichen, dachten wir an eine Reihe, die sich ganz der Lyrik widmet. Ab diesem Jahr werden wir das Werk der Literaturnobelpreisträgerin 2020, Louise Glück, veröffentlichen. Als der Preis bekannt gegeben wurde, sagten viele Leute in den sozialen Netzwerken, dass sie noch nie von ihr gehört hätten, obwohl sie in den letzten 50 Jahren ein gro‎ßer Name der amerikanischen Lyrik war. Ich verspreche, dass auch in Rumänien mehr Menschen von Louise Glück hören werden.“




    Zur Anansi-Sammlung gehören auch Bände, die 2020 die wichtigsten Literaturpreise der Welt gewonnen haben, wie L’Anomalie“, das dem französischen Schriftsteller Hervé Le Tellier den Goncourt-Preis einbrachte, das Buch von Maggie O’Farrell, das ihr den Women’s Prize for Fiction einbrachte, der Roman The Discomfort of Evening“ der niederländischen Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld, der mit dem International Booker Prize ausgezeichnet wurde, und auch Shuggie Bain“, der Debütroman des schottischen Schriftstellers Douglas Stuart, der den Booker Prize 2020 gewann.

  • Buchmesse Leipzig 2018: Zoom In Romania

    Buchmesse Leipzig 2018: Zoom In Romania

    Unter dem Motto Zoom In Romania“ fanden in Leipzig rund 60 Veranstaltungen statt, an denen knapp 50 rumänische Autoren und Künstler ihre Neuerscheinungen präsentierten und über Sichtweisen auf ihr Land, seine Geschichte und die aktuelle gesellschaftspolitische Situation diskutierten. Das Rumänische Kulturinstitut in Berlin, das seit 2015 einen Workshop für Literaturübersetzer organisiert, stellte dabei die Anthologie rumänischer Prosa Das Leben wie ein Tortenboden“ vor. Diese erschien Februar 2018 im deutschen Verlag Transit.



    Laut der Kuratorin des rumänischen Programms auf der Leipziger Buchmesse, Ioana Gruenwald, standen die jungen Autoren im Mittelpunkt des besonderen Auftritts Rumäniens in Leipzig. Über die rumänische Präsenz auf der internationalen Buchmesse haben wir mit Bogdan-Alexandru Stănescu, gesprochen. Der Schriftsteller und Literaturübersetzer hat dabei zwei Buchpräsentationen rumänischer Schriftsteller moderiert:



    Meiner Ansicht nach sollten die Ergebnisse unserer Anstrengungen, die junge rumänische Literatur in den Vordergrund zu bringen, in einigen Jahren sichtbar werden. Was ich als Gast leicht feststellen konnte, war, dass das deutsche Publikum ein gro‎ßes Interesse für den Stand Rumäniens gezeigt hat. Unsere Veranstaltungen waren ebenfalls sehr gut besucht. Als ich die Diskussion über die rumänische Ausgabe der Lyrik von Paul Celan am rumänischen Messestand moderierte und die Veranstaltung zum Schluss ging, schien es mir, dass die Besucher den Stand nicht mehr verlassen wollten. So ein gro‎ßes Interesse für eine Veranstaltung auf einer Buchmesse habe ich seit langem nicht mehr gesehen. Das fand ich wunderbar, dass der rumänische Stand so gut besucht war. Zurück zum Werk von Paul Celan: Ich habe viel über die Übersetzung von George State gesprochen, ihm verdanken wir eigentlich diese zwei Bände, die das ganze Werk von Celan umfassen. Der Übersetzer beschäftigt sich mit der Lyrik von Celan wie mit einer hermeneutischen Übung. Auch die Literaturübersetzer Horaţiu Decuble und Ernest Wichner haben an der Diskussion teilgenommen. Es war eher eine Fachdiskussion im Bereich der Literaturwissenschaft, und man konnte im Publikum 30 Menschen zählen, die ganz interessiert zuhörten und sich Notizen machten.“




    Was die Perspektiven der rumänischen Literaturszene angeht, glaubt Bogdan-Alexandru Stănescu, dass sie dem Status eines Ehrengastlandes gewachsen sei:



    Die lebendige rumänische Literaturszene der Gegenwart hat so viel anzubieten, und vom Status des Schwerpunktlandes auf einer internationalen Buchmesse muss man natürlich profitieren. Man soll Autoren einladen, die das verdienen, dort präsent zu sein, und Übersetzungen vorstellen, um den Appetit des Publikums für Übersetzungen aus der rumänischen Literatur zu wecken. Wenn der deutschsprachige Raum der rumänischen Kultur so eine gro‎ße Aufmerksamkeit schenkt, dann soll man auch Autoren fördern, die bislang nicht das Glück hatten, in eine fremde Sprache übersetzt zu werden. Das kommt leider nur selten vor, dass Rumänien den Status eines Schwerpunktlandes genie‎ßt, das letzte Mal passierte es vor zwanzig Jahren. Wir müssen dafür dankbar sein, auch für die gro‎ßen Kulturen der Welt stellt das eine riesengro‎ße Chance dar.“




    Die rumänischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Dana Grigorcea, Cătălin Dorian Florescu und Norman Manea, die im Ausland leben und mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt wurden, haben auch ihre neuesten Werke in Leipzig präsentiert. Auf dem Programm standen neben spannenden Lesungen auch Ausstellungen sowie die Veranstaltung Graniţă în raniţă“ (Grenze in der Tasche“): die Sängerin und Komponistin Ada Milea stellte im Konzert ihre Lieder vor, und die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller sprach über die poetische und politische Kraft ihrer Texte.

  • Jean-Louis Courriol: „Es ist schwer, rumänische Literatur zu verkaufen“

    Jean-Louis Courriol: „Es ist schwer, rumänische Literatur zu verkaufen“

    Courriol hat letztes Jahr zwei wichtige Auszeichnungen bekommen: die Ehrendoktorwürde der Universität Tibiscus in Timişoara und den Eugen-Lovinescu-Preis des Rumänischen Literaturmuseums. Er ist aber schon mehrmals für seinen Verdienst um die Förderung der rumänischen Literatur im französischsprachigen Kulturraum gewürdigt worden.


    Schon 2015 wurde Jean-Louis Courriol beim Buchfestival Transilvania zum Ehrenbotschafter der rumänischen Literatur in Europa erklärt. Gleicherma‎ßen von Prosa und Dichtung begeistert, hat Courriol klassische und zeitgenössische Autoren ins Französische übersetzt und in Frankreich veröffentlicht. Zu ihnen gehören Mihai Eminescu, Liviu Rebreanu, Camil Petrescu, Marin Sorescu, Marta Petreu, Ion Băieşu oder Augustin Buzura — und einige von ihnen galten zunächst als schwer oder gar nicht übersetzbar. Zum ersten Mal in Kontakt mit der rumänischen Sprache kam Jean Louis Courriol Anfang der 1970 Jahre, als er als noch sehr junger Mensch die Lehramtsprüfung in klassischen Sprachen schaffte. Er bemerkte, dass Rumänisch eine Art modernes Latein ist und wollte das Studium vertiefen. Der französische Staat schickte Courriol als Gastlektor an die Universität Alexandru Ioan Cuza“ in Iaşi: Dort begann er, wie er heute noch scherzt, wie ein Moldauer zu sprechen, der sich als Bukarester aufspielt. Und er übersetzte seinen ersten rumänischen Autor ins Französische. Dass die Wahl auf Camil Petrescu fiel, war kein Zufall: Camil Petrescu war einer der Lieblingsautoren seiner zukünftigen Ehefrau, Florica Ciodaru-Courriol, die ihrerseits eine bekannte Übersetzerin ist.



    Doch welche Autoren haben Jean-Louis Courriol ma‎ßgeblich beeindruckt? Das ist schwer zu sagen, denn es sind viele. Müsste ich mich für einen einzigen Namen entscheiden, dann Mihai Eminescu, klar. Aber eben auch Liviu Rebreanu. Und Marin Sorescu. Oder Cezar Petrescu, der leider in Rumänien selbst als weniger wichtiger Autor betrachtet wird. Die Schriftstellerin Marta Petreu sagte, dass es wichtig sei, die rumänische Literatur aus der Perspektive anderer Kulturen neu zu bewerten — ich tue das aus der Perspektive der französischen Literatur, die ich sehr hoch schätze. Aber es ist nicht so, dass die französische Literatur der rumänischen überlegen ist. Für mich sind sie gleichwertig — genauso, wie ich Rumänisch als zweite Muttersprache empfinde. Das klingt vielleicht stolz — aber ich bin eben so“, sagt Jean-Louis Courriol.





    Für den Übersetzer scheint besonders ein Name wichtig zu sein: Liviu Rebreanu. Nicht weniger als sechs seiner Bücher hat er ins Französische übersetzt, darunter den Wald der Gehenkten“, Madeleine“ oder Metropolen“: Doch das sollte nicht darüber hinweg trügen, dass Courriol auch andere Autoren schätzt: Marin Sorescu ist eine der wichtigsten Begegnungen, denn er ist der Dichter, der mir Mihai Eminescu näher gebracht hat. Ich habe das auch in meiner Rede bei der Verleihung des Ehrendoktors gesagt: Mihai Eminescu schien mir ein fast unerreichbares Monument zu sein, auch deshalb, weil er vielleicht zu hoch gepriesen wurde. Aber als ich von Marin Sorescu ein Gedicht las, das wahrscheinlich die schönste Hommage an Eminescu ist, setzte ich mich immer näher auch mit ihm auseinander. Über Sorescu kam ich zu Eminescu. Aber auch durch Liviu Rebreanu erschloss sich mir Eminescu. Und umgekehrt fand ich wieder zu Rebreanu. Und von ihm wieder zu Marin Sorescu. Das kann ich so beliebig weiterspinnen.





    Neben seiner Übersetzerarbeit unterrichtete Jean-Louis Courriol auch rumänische Sprache und Literatur an der Universität Lyon. Seit dem Jahr 2000 ist er Fellow Professor an der Universität Piteşti im Süden Rumäniens. In der Nähe dieser Stadt hatte Liviu Rebreanu die meisten Werke geschrieben, es passte also bestens, dass die Universität ein Institut mit den Namen des Schriftsteller eingerichtet hat — an diesem Institut unterrichten Jean-Louis und Florica Ciodaru-Courriol literarische Übersetzung und Simultandolmetschen. Courriol findet, dass es nicht leicht ist, die rumänische Literatur zu verkaufen: Es ist sogar sehr schwer, aber es hilft mir, dass ich mit meiner Frau arbeite. Französische und generell ausländische Verleger sind nicht ganz selbstverständlich offen für rumänische Literatur — aber es ist nicht nur ihre Schuld, denn auch die übersetzten Texte haben nicht immer überzeugt. Nicht immer wurden die relevantesten Werke übersetzt. Ich bin überzeugt, dass die rumänische Literatur nicht in andere Kulturräume eindringen kann, wenn man sie nicht von den Ursprüngen an kennenlernt. Wenn man nicht wenigstens teilweise Mihai Eminescu, Liviu Rebreanu, Cezar Petrescu, Camil Petrescu, Lucian Blaga, Tudor Arghezi oder Marin Preda liest. Ich denke, dass es schwer ist, die rumänische Literatur zu fördern, ohne diese Autoren zu kennen. Natürlich kann es mal einen Hit geben mit einem Bestseller von einem zeitgenössischen Autor, aber das ist eben nur ein kurzfristiger Erfolg“, sagt der französische Übersetzer Jean-Louis Curriol.

  • Internationales Poesiefestival Bukarest: Vielfalt in jeder Hinsicht

    Internationales Poesiefestival Bukarest: Vielfalt in jeder Hinsicht

    Auf dem Programm standen Rundtischgespräche, Debatten, Performances, Jazzkonzerte, Buchvorstellungen, Vorträge und, zum ersten Mal in der Geschichte des Bukarester Poesiefestivals, Veranstaltungen für Kinder. Ein besonderer Moment beim diesjährigen Poesiefestival war die Jubiläumsfeier des Autorenverbandes PEN, bei der PEN-Mitglieder von fast allen Ländern Europas anwesend waren. Claudiu Komartin ist Dichter, Chefredakteur der Literaturzeitschrift Poesis international“ und Leiter des Verlags Max Blecher“. Beim diesjährigen Poesiefestival in Bukarest moderierte Claudiu Komartin mehrere Leseabende:



    Ich finde es wichtig, dass wir den Poesieinteressierten die Vielfalt der heutigen poetischen Diskurse präsentieren, vor allem in der ganz besonderen Zone der Gegenwartspoesie. Ich sage das, weil die Gegenwartspoesie ihr spezielles Publikum hat und ihre besondere Art des Suchens, der Erkenntnis aufweist. Ich wei‎ß nicht, wie wichtig meine Rolle im Rahmen dieses Festivals ist, aber ich hatte den Auftrag, die Leseabende mit jungen Dichtern zwischen 20 und 40 Jahren zu moderieren. Moni Stănilă und Alexandru Vakulovski sind zwei der sozusagen ‚ältesten‘ Dichter der jungen Generation, die in diesen Tagen aus ihren Werken vorlesen. An den Leseabenden beteiligen sich sehr unterschiedliche Dichter — Dichter aus Cluj/Klausenburg, aus Chişinău, aus Bukarest — eine vielfältige Palette.“




    Radu Vancu ist Dichter und Poesiekritiker — er gilt als einer der wichtigsten Poesiekritiker der Gegenwart, wie der international anerkannte Schriftsteller Mircea Cărtărescu sagte. Wir fragten Radu Vancu über seine Eindrücke nach seiner Teilnahme am Internationalen Poesiefestival in Bukarest:



    Vor etwa 10 Jahren hatte jede Dichtergeneration ihre dominante Poetik, eine Art Gruppenpoetik, der man sich fast obligatorisch anschlie‎ßen sollte — ansonsten schien der Dichter, den Anschluss zur Poesiebewegung verloren zu haben. Ein Dichter der 1960er Generation sollte etwa der Neumoderne angehören; als Dichter der 1980er Jahre musste man unbedingt textualistisch und belesen sein. Heutzutage stelle ich aber eine au‎ßerordentliche Diversität der Poetiken fest — es gibt körperliche Poetiken, es gibt sentimentale Poetiken, es gibt auch absichtlich technologische oder extrem experimentelle Poetiken. Meiner Meinung nach hat die rumänische Poesie von heute alle poetischen Formeln ausprobiert — ich könnte sagen, dass die rumänische Poesie die ganze Welt dokumentiert und ihre Diversität schildert. Das ist höchst erfreulich — bis jetzt hat es bei uns eine solche Diversität nicht gegeben. Und ich glaube noch etwas: Nicht die interne Logik der Poesie hat uns auf dieses Niveau gebracht, sondern die Tatsache, dass die rumänischen Dichter den Anschluss zur internationalen Dichtung gefunden haben, dass sie sehr viel unterwegs in der Welt sind, viel mehr als, sagen wir, vor 10 Jahren. Das brachte eine Art Import von Poetiken mit sich, ein Import von Weltanschauungen und auch neue Dichternamen. Das Resultat unserer internationalen Tourneen war eben eine Diversifizierung unserer Dichtung. Ich will hoffen, dass die rumänischen Kultureinrichtungen, die sich mit der Förderung der rumänischen Literatur beschäftigen, vom Rumänischen Kulturinstitut bis zum Rumänischen Kulturministerium, die nationale Identität, die sie offiziell vertreten, nicht als Autarkie oder als Schlie‎ßung der Grenzen verstehen. Nur wenn die Dichter in die weite Welt gehen und die Grenzen offen bleiben, kann die Kultur eines Landes gedeihen, erwachsen werden, an Diversität gewinnen.“




    Im Rahmen des Internationalen Poesiefestivals Bukarest moderierte Radu Vancu den Vortrag des Literaturübersetzers Adam J. Sorkin aus den USA mit dem Titel Putting a Blotch across the Sun, Tripping up for Good at the Soul: A Translator’s Evolution“. Radu Vancu dazu:



    Adam J. Sorkin hat eine enorme Arbeit für unsere Dichtung geleistet, er hat im Laufe der Jahre die Werke mehrerer Dutzend rumänischer Dichter ins Amerikanische übertragen. In der Zeit, als die rumänischen Dichter kaum in die Vereinigten Staaten reisen konnten und fast keine Kontakte zu den amerikanischen kulturellen Phänomenen hatten, startete er eine Bewegung der rumänischen Dichtung in Richtung USA. Damals agierte Adam J. Sorkin wie ein grenzüberschreitender leichtfü‎ßiger Elf, welcher die rumänische Dichtung in die USA und die amerikanische Dichtung nach Rumänien brachte. Abgesehen von seinem gro‎ßen Verdienst als Literaturübersetzer fungierte Adam J. Sorkin auch als kultureller Vermittler — es ist ihm gelungen, die Übertragung von poetischer Information zwischen Rumänien und den USA zu ermöglichen, er war ein kultureller Katalysator zwischen den beiden Ländern, viel mehr als ein Literaturübersetzer.“

  • Literaturpreise der Zeitschrift „Observator Cultural“: Literatur quicklebendig vermitteln

    Literaturpreise der Zeitschrift „Observator Cultural“: Literatur quicklebendig vermitteln

    Anfang April hat im Bukarester Theater Odeon die 11. jährliche Preisverleihung der Kulturzeitschrift Observator Cultural“ stattgefunden. Insgesamt wurden 34 rumänische Gegenwartsautoren in sechs Kategorien nominiert: Memorialistik, Essayistik/Publizistik, Literaturkritik/Literaturtheorie, Debut, Poesie, Prosa. Zehn bedeutende rumänische Autoren, darunter Ana Blandiana, Radu Cosaşu, Vlad Zografi, wurden mit Preisen ausgezeichnet.



    Der beste Poesie-Band des Jahres 2016 wurde Cînd nu mai e aer“ (Wenn keine Luft mehr da ist“) von Radu Andriescu, erschienen im Verlagshaus Max Blecher“. Der Prosapreis ging ex-aequo an die Schriftsteller Radu Cosaşu für Viaţa ficţiunii după o revoluţie“ (Das Leben der Fiktion nach einer Revolution“) und Radu Pavel Gheo für Disco Titanic“, beide erschienen beim Verlag Polirom. Vor einem Jahr schrieb der Dissident und Menschenrechtsaktivist Gabriel Andreescu: Die Gründung der Kulturzeitschrift »Observator Cultural« im Jahr 2000 markierte eine neue Etappe in der Evolution der ideologischen Modelle der rumänischen Intellektuellengemeinde. Im Laufe der Jahre hat die Zeitschrift »Observator Cultural« ihren Status als Gestalter der Kulturideologie bestätigt.“ Mehr über das Selbstverständnis der Zeitschrift von Carmen Muşat, Chefredakteurin der Kulturzeitschrift Observator Cultural“:



    Mit diesen Preisen versuchen wir in der Tat, ein Image der lebendigen rumänischen Kultur, der rumänischen Literatur in diesem Moment festzuhalten. Da bei jeder Auflage neue Namen auf die Liste der Nominierten eingetragen werden, versuchen wir auch, uns selbst und das kulturelle Profil der Zeitschrift »Observator Cultural« neu zu definieren. Es handelt sich um ein doppeltes identitätsgestaltendes Unternehmen. Einerseits für unsere Zeitschrift, weil die Auswahlmöglichkeiten und die Preise das Identitätsprofil unserer Zeitschrift konturieren, andererseits weil dadurch in diesem kulturell viel versprechenden Moment ein Identitätsprofil der rumänischen Kultur entsteht.“




    16 Gymnasiasten von 6 Nationalkollegien in Bukarest waren auf der Bühne des Theaters Odeon anwesend, um den Preis Observator Lyceum“ an den Schriftsteller Vlad Zografi zu überreichen. Ausgezeichnet wurde Vlad Zografi für sein Buch Efectele secundare ale vieţii“ (Nebenerscheinungen des Lebens“), erschienen beim Verlag Humanitas. Carmen Muşat dazu:



    Wir kommen mit jungen Leuten zusammen, wie hören ihnen zu, um ihre Optionen und ihre Argumente zu erfahren. Mich haben diese Gymnasiasten beeindruckt, und ich war nicht die einzige. Sowohl dieses Jahr als auch in den vergangenen Jahren wurden die Galateilnehmer vom Diskurs der Gymnasiasten, von ihren frischen und gut begründeten Argumentationen tief beeindruckt. Ich glaube, dass wir diese junge Menschen ermuntern und unterstützen müssen; sie sollten die Chance bekommen, mit rumänischen Schriftstellern zusammenzukommen, die rumänische Literatur zu entdecken. Bei der diesjährigen Preisverleihung erzählte die Dichterin Ana Blandiana über ihre Riesenüberraschung bei der Reaktion eines Kindes, das sie bei einem Gespräch mit Schülern in einer Grundschule traf. Die Lehrerin hatte angekündigt, dass die Dichterin Ana Blandiana in ihrer Schule zu Gast sei, aber eines der Kinder widersprach ihr, es sagte, das sei nicht möglich. Nach einem kurzen Verblüffungsmoment wollten alle wissen, warum das Treffen unmöglich sei. Und der Schüler sagte, er wisse schon, dass alle Dichter tot seien, folglich könne die Dame, die vor ihnen sitze, keineswegs die Dichterin Ana Blandiana sein. Diese Reaktion eines Schulkindes zeigt, wie die rumänische Literatur in der Schule unterrichtet wird. In den Lehrbüchern werden alle Schriftsteller und Dichter wie Museumsexponate präsentiert, und deshalb bekommen die Schüler den Eindruck, dass die Literatur tot sei und ins Museum gehöre, man könne keinen direkten Kontakt, keine Interaktion mit der Literatur haben. Mit der Zeitschrift »Observator Cultural« und mit unserer Preisverleihung versuchen wir zu beweisen, dass die Literatur quicklebendig ist. Demnächst werden wir auch ein Projekt mit öffentlichen Lesungen starten, wobei Schüler von mehreren Gymnasien mit rumänischen Schriftstellern, Dichtern und anderen Künstlern zusammenkommen und direkt diskutieren können. Wir wollen unser Publikum herausfordern, wir wollen eine rege kulturelle Interaktion starten.“




    Bei der diesjährigen Preisgala hat die Kulturzeitschrift Observator Cultural“ mehrere Preise für Literaturübersetzung verliehen, und zwar nicht nur für literarische Übersetzungen aus einer Fremdsprache ins Rumänische, sondern auch für Übersetzer, die rumänische Werke in eine Fremdsprache übertragen haben. Ausgezeichnet wurden die Übersetzerinnen Veronica D. Niculescu aus Rumänien und Joanna Kornaś-Warwas aus Polen. Dazu die Schriftstellerin und Literaturübersetzerin Veronica D. Niculescu:



    2007 begann ich, das erste Buch von Vladimir Nabokov aus reiner Lust und Liebe zu übersetzen. Ohne Vertrag, ohne Termin, ohne Druck, ohne jede Verpflichtung. Es war ein reines Vergnügen. 2008 wurde die Übersetzung bereits veröffentlicht — es war ein Glücksfall. Es hätte nichts geschehen können, kein Vertragsabschluss, ich hätte einfach mit einem aus Lust und Liebe übersetzten Buch da bleiben können. Glücklicherweise erhielt der Verlag Polirom die Übersetzungsrechte für Vladimir Nabokov und so geschah es auch, dass meine Übertragung veröffentlicht wurde. Ich erinnere mich sehr gut an die Seiten, die mich dazu brachten, mit der Übersetzung anzufangen, sie funktionierten und blieben wie ein Motto, ein sehr nützliches Motto, wenn ich müde bin. Ich lese diese Seiten, ich erinnere mich an jene Augenblicke, als ich mich in einem Idealzustand befand, und ich wünsche mir, diesen Idealzustand jedes Mal zu erleben, wenn ich ein Literaturwerk übersetze. Es geht um einige Seiten aus dem Roman »Der Späher«, eine der Figuren spricht über ‚die Schönheit, die man nicht besitzen kann‘. Das Licht der Abenddämmerung, die sich über die Dächer der Stadt legt, der Duft einer Blume, den wir immer wieder einatmen, aber nicht besitzen können. Und das geschieht auch mit uns, wenn wir schreiben, wenn wir lesen — irgendwie versuchen wir, etwas zu besitzen, was wir nicht besitzen können.“

  • Kinderliteratur in Rumänien: heimische Produktion bescheiden, Übersetzungen in schwankender Qualität

    Kinderliteratur in Rumänien: heimische Produktion bescheiden, Übersetzungen in schwankender Qualität

    In den neunziger Jahren zeichnete sich in der rumänischen Kultur ein deutlicher Rückgang ab. Die Kinderliteratur bildete auch keine Ausnahme. Rumänische Kinderbücher kamen selten auf den Markt, und die Übersetzungen hatten eine eher unbefriedigende Qualität. Die Situation änderte sich wesentlich 2008-2009, und auf den Markt kamen sowohl mehrere Übersetzungen als auch einheimische Kinderliteratur in rumänischer Sprache. Der Schriftsteller und Dichter Florin Bican, der gleichzeitig aus dem Englischen und ins Englische übersetzt, kommt zu Wort mit Einzelheiten über die Situation der Kinderliteratur in Rumänien:



    Ich glaube, dass nach der Wende die rumänischen Verleger es vermieden haben, einheimische Kinderliteratur zu veröffentlichen. Die rumänischen Schriftsteller haben ihrerseits vor dem Hintergrund dieser zurückgehenden Nachfrage ihr Angebot reduziert. Mit der Zeit wurden das Publikum und die Verleger gegenüber der einheimischen Kinderliteratur wieder offen, weil sie vorher mit Übersetzungen aus ausländischer Kinderliteratur einen Vorgeschmack bekommen hatten. Wie gesagt, in den Neunzigern hatte die rumänische Kinderliteratur viel an Bedeutungen verloren. Vor der Wende gab es trotz der miserablen Situation, die in Rumänien während Kommunismus herrschte, eine beachtenswerte Kinderliteratur. Selbst wenn sie am Ende der Achtziger mit nur noch wenigen Titeln vertreten war, gab es sie als literarisches Genre und sie wurde ernst genommen. Nach der Wende stellte sich beim Publikum eine gewisse Gleichgültigkeit ein.“




    Zahlreiche Verlage haben aus Profitgier auch schlechte Übersetzungen aus anderen Sprachen veröffentlicht. Grund dafür war auch die Zurückhaltung rumänischer Schriftsteller gegenüber der Kinderliteratur, einer Gattung, die — trotz der weit verbreiteten gegenteiligen Meinung — nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Florin Bican dazu:



    Viele sind fest überzeugt, dass es einfach sei, für Kinder zu schreiben, diese Ansicht vertritt insbesondere, wer es nie probiert hat. Schlimm ist es, dass einige, die dieser Meinung sind, auch schreiben. Das Schlimmste ist, dass ihre Bücher auch noch veröffentlicht werden. Es gibt hingegen auch die Kategorie der Schriftsteller, die sich dessen bewusst sind, dass es schwer ist, Kinderliteratur zu schreiben. Die Inspiration entsteht im Alltag, wenn wir Kinder beobachten, viel Kinderliteratur lesen und wenn wir Kinderliteratur mit Kinderspa‎ß lesen. Es kann auch sein, dass manche von uns, Kinderbuchautoren, Erinnerungen aus der Kindheit noch frisch im Gedächtnis behalten.




    Der direkte Kontakt zu den Kindern sei ohnehin entscheidend, sagt Bican. Die Kommunikation mit dem eigenen Kind war allerdings das, was Sînziana Popescu dazu antrieb, sich der Kinderliteratur zu widmen. Im Jahr 2009 wurde ihr Buch Călătoria lui Vlad pe celălalt tărâm“ (Vlads Reise ins Jenseits“) mit dem Preis des Rumänischen Schriftstellerverbands in der Sektion Kinderliteratur ausgezeichnet. Der Preis war allerdings seit Jahren nicht mehr verliehen worden. Vlads Reise ins Jenseits“ ist der erste Band der Serie Andilandi“. Die Schriftstellerin kommt zu Wort mit Einzelheiten über ihr Buch:



    Diese Serie habe ich 2002-2003 begonnen, als mein Sohn klein war. Ich wollte ihm die Gestalten der rumänischen Mythologie näher bringen, wir haben auch bemerkenswerte Superhelden… Damals lasen die Kinder viel Fantasyliteratur aus dem angelsächsischen Raum — ich dachte aber, dass wir auch etwas in diesem Bereich zu zeigen haben, unsere mythologischen Figuren können auch ein gro‎ßes Interesse erregen. Ich wollte niemanden belehren, sondern eine angenehme und interessante Geschichte schreiben. Sollte die Geschichte auch eine Moral haben, dann versuche ich, sie herauszuziehen und ans Licht zu bringen. Ich wollte die Moral nicht verbergen, sondern tat mein Bestes, damit sie als solche wahrgenommen wird, weil die Kinder üblicherweise auf belehrenden Absichten zurückhaltend reagieren.“




    Ebenfalls, um belehrende Absichten zu vermeiden und Kinder zu belustigen, schrieb Florin Bican sein Buch Reciclopedia de poveşti cu rimă şi tâlc“ (in etwa: Märchen-Rezyklopädie mit Reim und Tiefsinn“), eine nonkonformistische Nacherzählung des berühmten Abenteuer-Märchens Harap-Alb“ (Der wei‎ße Mohr“). Nonkonformistisch ist auch die Sprache. Das Märchen wird umgangssprachlich erzählt, was die Eltern wahrscheinlich nicht erwartet hatten. Dazu der Autor:



    Alle diese Ideen sind mir während der Gespräche mit meinem Kind eingefallen. Er ist heute fast 30. Als ich merkte, dass ein Text für ihn sprachlich zu aufgebauscht war, versuchte ich, ihn lustiger zu machen. Das habe ich im Laufe der Jahre weiter geübt: einen bekannten Text sozusagen auf den Kopf zu stellen. Ich habe darauf viele Reaktionen bekommen und habe alle auch gesammelt. Die Kinder akzeptierten mein Buch vorbehaltslos, und ich war erstaunt, zu merken, dass sie sich durch unkonventionelle Begriffe vom Weg nicht abbringen lie‎ßen. Sie haben sich allein auf die Geschichte konzentriert und die von mir erzielte Wirkung lie‎ß nicht lange auf sich warten. Die Kinder haben schnell begriffen, dass eine Märchenfigur, die unflätige Sprüche bedient, lächerlich wirkt und letztendlich versohlt wird. Die Kinder haben auch die Parodie wahrgenommen. Das kann ich nicht über alle Eltern und Lehrer sagen.“




    Selbst wenn in letzter Zeit immer mehr Kinderbücher auf den Markt kamen, bleibt doch die Zahl der Autoren von Kinderliteratur gering, glaubt Sînziana Popescu:



    Unser Buchmarkt erstickt in Übersetzungen und nicht alle sind qualitativ hochwertig. Dabei ist die Diversifizierung nach unterschiedlichen Gattungen auch nicht gerade reichhaltig. Zwei Kategorien lassen sich grob erkennen: Bestseller der Gegenwart und Klassiker wie Astrid Lindgren, Mark Twain und Beatrix Potter. Wir wissen beispielsweise nichts über schwedische Autoren der Gegenwart. Rumänische Kinderbuchautoren kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Deswegen steht unser Markt unter dem Zeichen einer gro‎ßen Gleichgewichtsstörung.“




    Das letzte Buch von Sînziana Popescu ist den Kindern im Alter von 3 bis 7 Jahren gewidmet und erschien in zweisprachiger Auflage, rumänisch-schwedisch, im Verlag Pionier Press“ in Schweden.

  • FILIT – 1. Internationales Literatur- und Übersetzungsfestival in Jassy

    FILIT – 1. Internationales Literatur- und Übersetzungsfestival in Jassy

    Über 100 Veranstaltungen, 200 Gäste aus der Welt der Literatur und über 12.000 Zuschauer — so lautet die kurze Bilanz des ersten Internationalen Literatur- und Übersetzungsfestivals im ostrumänischen Iaşi (FILIT), das Ende des Monats Oktober stattfand. Das Festival FILIT brachte berühmte Namen der zeitgenössischen Literatur und renommierte Literaturübersetzer in Iaşi zusammen. Zahlreiche Literaturbegeisterte konnten zudem dabei erfahren, wie ein Roman geschrieben wird und wie man zu einem erfolgreichen Literaturübersetzer wird.



    Das Internationale Literatur- und Übersetzungsfestival hat mit der ersten Auflage seinen Platz unter qualitativ hochwertigen Kulturveranstaltungen weltweit bestätigt, sagte der Gründer und Intendant des Internationalen Literaturfestivals in Berlin, einer der grö‎ßten Kulturveranstaltungen europaweit, Ulrich Schreiber. Das rumänische Publikum war ausgezeichnet, die internationalen Medien waren ein wenig verwirrt, sie hätten nicht erwartet, dass eine solche Veranstaltung in Iaşi, einer Stadt von der sie aus diesem Anlass zum ersten Mal hörten, stattfindet“, sagte Ulrich Schreiber. Der Schriftsteller Dan Lungu, Intendant des Festivals FILIT, erklärte am letzten Abend der Veranstaltung:



    Das Festival hat meine Erwartungen übertroffen, die Institutionen haben eine au‎ßergewöhnliche Solidarität mit unserem Projekt gezeigt, das Publikum war sehr zahlreich, die Presse sehr aktiv. Das ist ein Profi-Festival, das auf ein hohes Niveau abzielt und sich einer gro‎ßen Teilnahme erfreut. FILIT hat nicht weniger anzubieten als die berühmten Festivals dieser Art in Europa.“



    Die Schriftstellerin Florina Ilis hat sich über Leseabende und Treffen mit jungem Publikum gefreut:



    Am zweiten Festivaltag sind wir mit Schülern des Gymnasiums ‚Mihai Eminescu‘ zusammengekommen und in Paşcani fand ein Leseabend mit anschlie‎ßendem Rundtischgespräch zwischen Schülern und dem Schriftsteller Radu Pavel Gheo statt. Selbstverständlich habe ich auch an weiteren Veranstaltungen im Rahmen des Festivals teilgenommen, wollte eigentlich allen Events beiwohnen und es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe. Es gab sehr viele Veranstaltungen, die sehr gut organisiert wurden, und es fiel mir daher sehr schwer, mir nur einige aus dem breiten Angebot der Veranstalter auszusuchen.“



    Der Dichter Mircea Dinescu beteiligte sich auch am Internationalen Literatur- und Übersetzungsfestival in Iaşi:



    Mich hat besonders das zahlreiche und offene Publikum begeistert, das Publikum reagierte mit tiefster Berührung auf meine Gedichte. Solche Treffen sind üblicherweise langweilig und es gefällt mir nicht, das Publikum mit langen Gedichten zu langweilen, diese sind für Leseabende nicht die beste Wahl. Es gibt verscheidene Arten von Gedichten, einige kann man dem Publikum vorlesen, andere soll man lieber zu Hause lesen. Ich finde ganz gut, dass die Veranstalter verschiedene Dichter mit unterschiedlichen Stilrichtungen eingeladen haben.“



    Auch die Schriftstellerin Adriana Bittel war vom Publikum begeistert:



    Meiner Meinung nach war dieses Festival ein gro‎ßer Erfolg, der sowohl der Qualität seiner Gäste als auch dem Interesse des Publikums zu verdanken ist, das alle meine Erwartungen übertroffen hat. Ich habe mich besonders gefreut, zu bemerken, dass bei zahlreichen Gesprächen und Lesungen ein zahlreiches und sehr unterschiedliches Publikum teilnahm. Literaturbegeisterte, die unterschiedlichen Generationen angehören, haben unserer Veranstaltung beigewohnt, um die Schriftsteller kennenzulernen und ihre Bücher zu kaufen. Meiner Meinung nach empfinden die Schriftsteller die grö‎ßte Genugtuung, wenn das Publikum ihnen Interesse für ihre Bücher entgegenbringt. Die Veranstalter dieses Festivals haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet.“



    Da die junge Generation im Mittelpunkt des Festivals stand, hatte sie auch das letzte Wort: Eine aus Schülern gebildete Jury hat das beliebteste Buch des Jahres 2012“ gewählt. Der mit 3.500 Lei (knapp 800 €) dotierte Preis ging an den Roman Omar cel orb“ (Omar der Blinde“) von Daniela Zeca, herausgegeben vom Verlag Polirom. Weitere Romane, die für den begehrten Preis nominiert waren, sind Ochiul căprui al dragostei noastre“ (Das braune Auge unserer Liebe“) von Mircea Cărtărescu, herausgegeben vom Verlag Humanitas, Luiza Textoris“ von Corin Braga, erschienen im Verlag Polirom, Cronicile genocidului“ (Chroniken des Völkermordes“) von Radu Aldulescu, herausgegeben vom Verlag Cartea Românească, und Toate bufniţele“ (Alle Eulen“) von Filip Florian, erschienen im Verlag Polirom.



    Das Internationale Literatur- und Übersetzungsfestival findet statt, weil es ihm die rumänische Literatur wert ist. Das ist eine besonders gute Zeit für die Werke rumänischer Autoren, genauso wie für die in Rumänien produzierten Filme, die sich trotz der schlechten Wirtschaftslage des Landes derzeit eines Riesenerfolgs in Ausland erfreuen“, sagte der niederländische Übersetzer Jan Willem Bos. Die französische Übersetzerin Laure Hinckel zeigte sich ebenfalls von der Qualität der Veranstaltungen besonders beeindruckt:



    Die Initiative dieses Festivals ist lobenswert. FILIT findet nicht in der Hauptstadt Bukarest statt, es erfreut sich keiner finanziellen Unterstützung, für diese Veranstaltungen haben sich so viele Freiwillige eingesetzt und es enthält zahlreiche Programme, die den Wünschen der Leser, insbesondere der jungen Leser nachkommen.“



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