Tag: Überstunden

  • Nachrichten 16.08.2017

    Nachrichten 16.08.2017

    Vertreter der Gewerkschaften der Justizvollzugsbeamten in Rumänien haben am Mittwoch eine Vereinbarung mit Justizminister Tudorel Toader getroffen. Laut besagter Vereinbarung wird den Beschäftigten der Justizvollzugsanstalten eine 15-prozentige Lohnerhöhung gewährt, und zwar durch eine Eilverordnung der Regierung, die nächste Woche finalisiert wird und ab 1. Oktober in Kraft treten soll. Dies erklärte für den öffentlich-rechtlichen Sender Radio Romania der Gewerkschaftsführer Sorin Dumitru. Bei den Gesprächen habe man festgelegt, dass bis Ende September ein Memorandum über die Erhöhung der Arbeitsplätze in Justizvollzugsanstalten um mindestens 1000 Stellen unterzeichnet werde, so Dumitru. Am 1. August starteten die Beschäftigten der Justizvollzugsanstalten Protestaktionen, indem sie androhten, u.a. keine Überstunden mehr arbeiten zu wollen, wenn die Lohnerhöhungen für Beschäftige des Justizvollzugssystems nicht auch das Gefängnispersonal umfassen. Zudem verlangen die Gewerkschaften, dass der Etat für den Justizvollzug nicht gekürzt wird und ausreichend Mittel für die Modernisierung und für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bereitgestellt werden.



    Die rumänische Wirtschaft ist im 1. Halbjahr um 5,8% gestiegen, so die Schätzungen des Nationalen Statistikamtes. Im 1. Quartal sei die Wirtschaft um 5,7% gestiegen, im 2. Quartal um 5,9%. Eine wichtige Rolle hat dabei der Konsum der Bevölkerung gespielt, der Beitrag der Investitionen war negativ. In der Zeitspanne April — Juni 2017 habe Rumänien das grö‎ßte Wirtschaftswachstum in der EU verzeichnet. Das zeigt eine vorläufige Schätzung von Eurostat. In derselben Periode sei das BIP in der Euro-Zone um 2,2% und in der EU um 2,3% gestiegen. Im 1. Quartal lag das Wachstum bei 1,9% in der Euro-Zone und bei 2,1% in der EU. Die offizielle Prognose für das rumänische Wirtschafts-Wachstum in diesem Jahr liegt bei 5,2%. Die EU-Kommission meint, das BIP in Rumänien werde um lediglich 4,4% wachsen.



    In der Ortschaft Izvorul Muresului, im Landkreis Harghita, gehen bis Freitag die Kurse der 15. Auflage der Sommeruniversität der Rumänen von überall weiter. Thema der diesjährigen Auflage ist Von der Ersten Vereinigung zur Gro‎ßen Vereinigung. Rumänien und die Rumänen von überall, wohin?” Ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Sommeruniversität war die Vereinigung der Republik Moldau mit Rumänien im Jahr 2018, die von den Teilnehmern unterstützt wurde. Am Mittwoch diskutierten die Teilnehmer über die Bewahrung der nationalen Identität der Rumänen im Südosten Siebenbürgens, in den mehrheitlich von Ungarn bewohnten Landkreisen Harghita und Covasna, im Kontext der Vorbereitungen auf das 100-Jahre-Jubiläum der Gro‎ßen Vereinigung vom 1. Dezember 1918. Gesprochen wurde auch über das gute Zusammenleben und die Solidarisierung der Rumänen im ganzen Land mit der ungarischen Volksminderheit und über die Sensibilisierung der Behörden in Bezug auf die Unterstützung der identitätsstützenden Einrichtungen in einem multikulturelllen und multikonfessionellen Raum. Auf dem Programm stehen weiterhin Buchvorstellungen, Rundtischgespräche, Debatten, Volksmusik- und Volkstanzaufführungen. An der Sommeruniversität beteiligen sich merh als 100 Studenten und Hochschullehrer aus Rumänien, der Republik Moldau, aus der Ukraine, Serbien, Bulgarien, Albanien und Mazedonien.



    Im Ferienort Mamaia, an der rumänischen Schwarzmeerküste, ist am Mittwoch die 100. Auflage der Buchmesse Gaudeamus zu Ende gegangen. Vier Tage lang gab es im Rahmen der Buchmesse zahlreiche Buchvorstellungen, Autorentreffen, Rundtischgespräche und Kulturwettbewerbe. Das Rundfunkorchester veranstaltete zu diesem Anlass drei Freiluftkonzerte. Gleichzeitig mit der 100. Auflage der Buchmesse Gaudeamus, die jedes Jahr von Radio Rumänien ausgerichtet wird, feierte auch der Ferienfunk Radio Vacanţa 50 Jahre Bestehen. Die mehrsprachigen Sendungen des Ferienfunks wurden von 1967 bis 1994 von Redakteuren des Auslandssenders Radio Rumänien International gestaltet; Sendesprachen waren au‎ßer Rumänisch auch Deutsch, Russisch, Englisch und Französisch.

  • Protestaktion im Strafvollzug: Regierung will einlenken

    Protestaktion im Strafvollzug: Regierung will einlenken

    Die komplexen Probleme in den rumänischen JVA sind den Behörden wohl bekannt. Sowohl Häftlinge als auch Personal sind zutiefst unzufrieden mit ihrer Situation. Am 1. August hatten die Angestellten ihre erste Protestaktion gestartet und dabei die Leistung von Überstunden verweigert. Das Wachpersonal fordert bessere Arbeitsbedingungen, die Schaffung von neuen Planstellen, ein Umdenken in den Anstalten selbst sowie den Bau neuer Gefängnisse.



    Am Donnerstag waren die Gewerkschaftsführer aus dem Strafvollzug zu Verhandlungen mit Ministerpräsident Mihai Tudor zusammengekommen. Dabei stellte er die Unterstützung der Exekutive für eine Verbesserung des Betriebs in den Einheiten in Aussicht, die der Landesverwaltung der JVA nachgeordnet sind. Demnach will die Regierung die Gehälter des Personals anheben und einen Plan zur Ermittlung des Personalbedarfs erarbeiten. Dabei geht es sowohl um technische Angestellte als auch um das Wachpersonal.



    Ministerpräsident Tudor soll auch mit der Änderung des Beamtenstatus der Vollzugs-Angestellten einverstanden sein, sagte Stefan Teoroc, der Vorsitzende der Landesgewerkschaft des Strafvollzugs, nach dem Treffen.



    Was den Status anbelangt, so war der Ministerpräsident offensichtlich bereit, die Änderung des Namens in Strafvollzugs-Polizei vorzunehmen. Bei den Planstellen sind wir der Ansicht, dass durch die vorgesehene Eilverordnung anstatt der aktuell 15.000 20.000 Stellen geschaffen werden sollten. Gemeinsam mit dem Justizminister wollen wir untersuchen, ob man bereits in diesem Jahr, sei es auch schrittweise, mit der Aufstockung des Personals beginnen kann. Durch Stellenausschreibungen sollen möglichst viele Angestellte hinzukommen.“



    Teoroc erklärte ferner, er habe dem Regierungschef verlangt, dass die Kürzung der für die JVA vorgesehenen Mittel (um rund 12,5 Millionen Euro) überdacht werde. Die eingesparten Gelder sollten im System bleiben und für die Neuanstellungen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen genutzt werden. Die Gewerkschaften wollten die angekündigten Protestaktionen nicht aufgeben, solange der Ministerpräsident seinen Versprechen keine Taten folgen lässt.



    Indes hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verbesserung der Haftbedingungen in Rumänien gefordert. Die überfüllten Zellen, die ungenügenden Sanitäreinrichtungen, die mangelhafte Hygiene und das schlechte Essen zeigten grobe Missstände in den JVA auf, hieß es. Im Februar hatte der Generaldirektor der Landesverwaltung der JVA, Marius Vulpe, enthüllt, dass die Strafgelder, die Rumänien nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zahlen muss, sich im vergangenen Jahr auf 1,6 Millionen Euro belaufen hätten.

  • Leben und arbeiten in einem Großunternehmen

    Leben und arbeiten in einem Großunternehmen

    In den letzten 20 Jahtren haben 42 Gro‎ßunternehmen der Welt Filialen in Rumänien eröffnet; die meisten von ihnen sind Importfirmen, Kaufhäuser, Versandhäuser oder Dienstleistungsunternehmen. Die Filialenleiter kommen normalerweise aus den Herkunftsländern der Aktionäre dieser Gro‎ßunternehmen. Für die meisten jungen Rumänen, die eine Hochschule abgeschlossen haben (das sind in etwa 100.000 im Jahr), ist ein Arbeitsplatz in einer rumänischen Filiale eines Gro‎ßunternehmens die beste Alternative zu Emigration.



    Die Gehälter in einem multinationalen Gro‎ßunternehmen sind höher als in einem kleineren Unternehmen oder beim Staat, und es gibt auch weitere Vorteile wie zum Beispiel einen Dienstwagen, den Zugang zur Weiterbildung, private Krankenversicherung sowie gute Gehaltszulagen für Überstunden oder bessere Arbeitsleistungen. Eine Statistik von CNIPMMR, einer Organisation, welche die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen vertritt, hat erwiesen, da‎ß 14% der rumänischen Bevölkerung bei Privatfirmen arbeiten.



    Was die jungen Leute aber nicht wissen, wenn sie davon träumen, bei einem gro‎ßen Konzern zu arbeiten, ist, da‎ß die Vorteile nur theoretisch der Anstrengung am Arbeitsplatz entsprechen. Die Wirklichkeit sei viel härter, sagte uns Ioana Popescu, eine 38jährige, die bei einer Bank arbeitet:



    Als wir die Hochschule abschlossen, dachten wir, da‎ß ein Arbeitsplatz in einem multinationalen Unternehmen uns unbegrenzte Möglichkeiten bieten würde. Ich wünschte mir sehr, in einem solchen multinationalen Unternehmen zu arbeiten. Ich wu‎ßte nicht, was das bedeuten würde, es gab auch ein paar gescheiterte Versuche, bis ich endlich einen Arbeitsplatz in einer Gro‎ßfirma bekam. Das professionnelle Niveau ist sehr hoch. Am Anfang hatten wir alle davon geträumt, hierarchisch so hoch wie möglich zu kommen, so viel wie möglich zu lernen. Die Corporation“ war so etwas wie der Heilige Graal — nun, die Wirklichkeit ist doch ein bi‎ßchen anders. Man hat schon Zugriff auf ultramoderne Software, man kann in der Tat viel lernen, es gibt auch Weiterbildungskurse. Aber man hat keine Freizeit mehr. Man mu‎ß auf seine Hobbys verzichten, auf das Vergnügen, ins Theater oder ins Konzert zu gehen, man mu‎ß sogar auf das Familienleben verzichten. Am Anfang wu‎ßte ich das alles nicht, aber ich habe es nach und nach gelernt — so ist das Leben in der Firma.“



    Wenn man mit der Arbeit bei einem Gro‎ßunternehmen anfängt, wird einem gesagt, die Firma sei wie eine Gro‎ßfamilie, wo jedes Mitglied seine eigenen Zuständigkeiten habe, aber auch verpflichtet sei, den anderen Familienmitgliedern“ zu helfen, ihre Arbeit rechtzeitig zu erledigen. Die Arbeit ist aber praktisch nie zu Ende. Die Menschen werden zu Bienen, die zum Gedeihen des Bienenstocks arbeiten müssen. Am Anfang sagt einem keiner, wieviele Überstunden man in Kauf nehmen mu‎ß. Ioana Popescu erzählt:



    Mit der Zeit haben ich erfahren, dass so etwas wie ein 8-Stunden-Arbeitstag nicht existiert — es wird gearbeitet, bis der Auftrag erledigt wird. Und der Auftrag wird sehr oft erst viele Stunden nach Feierabend erledigt. Es besteht kein äu‎ßerlicher Zwang, man mu‎ß sich frei dafür entscheiden. Es kommt darauf an, was man sich wünscht. Wenn man Karriere machen und hierarchisch so hoch wie möglich kommen will, mu‎ß man viele Überstunden in Kauf nehmen. Wenn man als Vater oder Mutter alles opfern möchte, um dem Kind alles zu sichern, dann kann man sagen »Ja, ich tue es meinem Kind zuliebe«. Man mu‎ß dafür aber einen hohen Preis bezahlen, im besten Fall kann man noch das Wochenende mit der Familie verbringen. Es ist sehr schwer, weniger zu arbeiten und sich für mehr Freizeit zu entscheiden, weil (wir wollen ja keine Heuchler sein), wenn man sich gut verkaufen kann, wenn man viel arbeitet, wenn man ein hohes professionnelles Niveau erreicht, dann kann man in einem multinationalem Gro‎ßunternehmen sehr gut verdienen. Mit den erworbenen Fachkentnissen ist man stets auf dem Markt — daher ist es auch schwer, harte Entscheidungen zu treffen.“



    Nach einigen Jahren harter Arbeit in einem immer höheren Rhythmus und ohne Zeitlimit leiden die Angestellten unter chronischer Müdigkeit oder sogar unter Depressionen:



    Man ändert sich, wird zum anderen Menschen — erst wenn man einen dreiwöchigen Urlaub macht und dann in die Firma zurückkehrt, wird einem klar, da‎ß es nicht in Ordnung ist. Man sieht andere Leute, die um 4 oder 5 Uhr nachmittags Feierabend machen und nach Hause gehen, und man denkt nicht daran, da‎ß es nicht ok sei, wenn man bis spät abends in der Firma bleibt. Die anderen scheinen etwas falsch zu machen, sie hätten keinen Ehrgeiz, sie wü‎ßten nicht, was sie im Leben erreichen wollen. Man braucht einen besonderen Moment, ein Aha-Erlebnis, um zu verstehen, da‎ß der Weg, den man eingeschlagen hat, nicht der richtige ist. In meinem Fall gab es Familienprobleme, die mir die Augen geöffnet und klar gemacht haben, da‎ß ich etwas ändern sollte.“



    Die Gro‎ßunternehmen betonen ständig die Karrieremöglichkeiten und bieten Workshops zur persönlichen Entwicklung, sehr teuere Fort- und Weiterbildungskurse, und sehr gute Krankenversicherungen, mit medizinischen Leistungen von höchster Qualität. Trotzdem landen sehr viele Gro‎ßunternehmen-Mitarbeiter auf der Couch des Psychotherapeuten, sagte uns der Facharzt Gabriel Diaconu:



    Die Patienten, die zu mir kommen, sind sehr traurig, wenn wir zusammensitzen und diskutieren. Wenn sie die Augen aufmachen fragen sie sich »Wie bin ich blo‎ß hier gelandet?«, »Wie konnte ich es zulassen, da‎ß so etwas passiert?«. Das ist eine böse Wirklichkeit. Im Vergleich zu der allgemeinen Bevölkerung haben diese Leute ein drei- bis viermal höheres Risiko, an chronischer Schlaflosigkeit oder unter Angststörungen zu leiden. Auch das Risiko eines Aufputschmittelmi‎ßbrauchs ist sechs- bis siebenmal hoher als beim Rest der Bevölkerung. Es geht dabei um eine Müdigkeitsfabrik, die aufgeputscht werden mu‎ß, ich rede dabei nicht von Kaffee oder Zigaretten, sondern über richtige Aufputschmittel, Energy-Drinks, gefährliche Cocktails, die am Morgen einen Taurin-Drink und am Abend dazu noch Alkohol enthalten. Mit solchen gefährlichen Mischungen sollte der Gehirn ununterbrochen auf Hochtouren funktionieren, und das kann kein gutes Ende haben.“



    Was motiviert aber so viele Leute, einen solchen Arbeitsrhythmus zu akzeptieren, der, auch wenn die Arbeit gut bezahlt wird, unvermeidlich zu Erschöpfung führt? Die Antwort hat der Facharzt für Psychiatrie Gabriel Diaconu:



    Diese Menschen erwerben einen gewissen Lebensstandard, wenn sie dann zwei bis drei Wochen im Jahr einen schönen Urlaub in Thailand machen, leben sie besser als der Durchschnittsbürger. Oder sie fahren ein dickes Auto, oder aber wohnen sie in einem nobleren Bezirk, in einem Haus, oder einem Appartment, das um 30 Quadratmeter grö‎ßer ist. Abends wenn sie nach Hause kommen, legen sie sich schlafen in Bettlaken, die das Doppelte gekostet haben, als sie wert sind. All diese Details geben aber diesen Leuten das Gefühl, das sie ein legitimes, geregeltes Leben führen.“



    Paradoxerweise träumen viele der Gro‎ßunternehmen-Mitarbeiter, die in die Praxis des Psychotherapeuten Diaconu kommen, davon, einige hunderttausend Euro zu sparen und ein kleines Unternehmen zu gründen. Sie wollen aus dem System heraus, bevor es zu spät wird. Und das ist kein typisch rumänisches Problem, sagte uns Dr. Gabriel Diaconu:



    Rumänien hat gerade die Augen aufgemacht, da wir nur seit etwa 20 Jahren mit den Gro‎ßunternehmen, den sog. »Corporations« leben müssen. Wenn man die Pathologie des Corporation-Mitarbeiters in den USA betrachtet, stellt man fest, da‎ß dort diese Welt viel zynischer ist.“



    Ioana Popescu hat vor 45 Tagen ihren Rücktritt eingereicht. Wenn die im Arbeitsvertrag vorgesehene Kündigungsfrist abgelaufen ist, hat sie vor, eine Zeit lang schlicht und einfach zu leben. Ioana ist 38 Jahre alt, ist ledig und hat keine Kinder.



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