Tag: unabhängiges Theater

  • Reaktionen auf die Gala der UNITER-Preise

    Reaktionen auf die Gala der UNITER-Preise

    Am 19. Juli hat im gro‎ßen Saal des Nationaltheaters “I.L. Caragiale” in Bukarest die 29. Gala der UNITER Preise stattgefunden. Die Gala des Rumänischen Theaterverbands ist ein wichtiger Moment in der rumänischen Kulturlandschaft und die blo‎ße Nominierung bedeutet vor allem eine gro‎ße Sichtbarkeit. Die Theaterkritikerin und Mitglied der Jury Oana Cristea Grigorescu ist der Meinung, dass die diesjährige Gala der UNITER-Preise alle Erwartungen erfüllt hat. “Wir hatten eine sehr lebendige Gala, viel kohärenter würde ich sagen und sie wurde vom Regisseur Bobi Pricop zusammen mit der Bühnenbilderin Irina Moscu sehr dynamisch gestaltet. Ich spürte während der Gala, bei der Vorstellung aller Nominierten und vor allem beim Applaus für die Gewinner so viel Energie und emotionale Beteiligung vom Publikum. Ich glaube, die Menschen in unserer Branche brauchten dieses natürliche Zusammentreffen, um ihre Freude darüber auszudrücken, dass sie bei einer feierlichen Veranstaltung in einem Theatersaal zusammen sind. Es war eine schöne Gala, nicht nur von der Energie her, sondern auch, wie gesagt, von der Konsequenz her. Wir, von der Jury haben uns gefreut, dass alle vergebenen Preise verdient waren, und wir haben uns über die Liste der diesjährigen Gewinner gefreut”.



    2020 war ein Jahr mit vielen Einschränkungen, ein Jahr, in dem die Theater in Rumänien geschlossen, wiedereröffnet und wieder geschlossen wurden. Viele Künstler haben darunter gelitten und am meisten betroffen waren wahrscheinlich die unabhängigen Künstler. Die Theaterkritikerin Oana Cristea Grigorescu spricht über unabhängige Künstler und ihre Rolle: “Ich denke, es war eine Gala, die uns zeigt, dass die Veranstaltung die Gegenwart ansprechen will, die Besonderheit des heutigen rumänischen Theaters, der neuen Generationen, die in den institutionalisierten und in den freien Theatern tätig sind.



    Ich habe sie auch in der Liste der Preisträger gefunden, was ich für wichtig halte. Ich habe eine Tendenz festgestellt, disjunkt zu urteilen: entweder einige oder andere. In letzter Zeit hat die Tätigkeit von Künstlern und unabhängigen Theatern eine gewisse Reife erreicht, die letzteren bringen Aufführungen auf die Bühne, die mit den Produktionen der institutionalisierten Theater auf Augenhöhe konkurrieren. Ich denke also, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem das unabhängige Theater und das institutionelle Theater zusammen das rumänische Theaterumfeld bilden.” Was das rumänische Theater – sei es ein unabhängiges oder ein institutionalisiertes – sonst noch an Überraschungen zu bieten hat, werden die kommenden Programme zeigen.







  • Kulturbranche schwer angeschlagen, kreative Lösungen gefragt

    Kulturbranche schwer angeschlagen, kreative Lösungen gefragt

    Theater- und Kinosäle waren gezwungen, ihre Türen zu schlie‎ßen, Künstler haben ihre Shows ausgesetzt und Kunstgalerien haben ihre Besucher verloren. All dies hatte Auswirkungen nicht nur auf das Publikum im weitesten Sinne, sondern natürlich auch auf den Lebensstandard der Menschen, die im Kultursektor arbeiten.



    Anfang dieses Jahres schickten mehr als 100 unabhängige Kulturorganisationen in Rumänien einen offenen Brief an das Kulturministerium, in dem sie um Unterstützung baten und gleichzeitig den Behörden ein mangelndes Interesse an ihrer Arbeit vorwarfen. Die Situation ist schlimm, selbst in Bukarest, dem grö‎ßten Markt für kulturelle Produkte. Die Förderung durch die Stadtverwaltung wurde ohnehin vor zwei Jahren eingestellt, und die 2016 initiierte Bukarester Kulturstrategie wurde nie umgesetzt.



    Deshalb hat die Stadtverwaltung vor kurzem bei einem Treffen mit mehreren unabhängigen Kulturverbänden über zukünftige Pläne diskutiert. Cristian Neagoe, Organisator der Street-Delivery-Veranstaltungen, betont, wie wichtig es ist, den Menschen ihre Stadt näher zu bringen, auch in diesen schweren Zeiten, aber vor allem nach der Aufhebung der Beschränkungen. Aber was sind überhaupt Street-Delievery-Veranstaltungen?



    Es sind Events, die praktisch eine Stra‎ße für Autos sperren und sie für Menschen öffnen, genauer gesagt für kulturelle Projekte und Bürgerinitiativen. Ein Teil des öffentlichen Raums wird so von der Kultur beansprucht, und das hat Bukarest wirklich nötig. Wir alle wissen, dass alles voller Autos wie auf einem riesigen Parkplatz steckt und meistens es deshalb unmöglich ist, Kultur auf die Stra‎ße zu bringen. Es gibt natürlich viele Innenräume, aber die Pandemie, und nicht nur die, hat uns gezeigt, dass es wichtig ist, Au‎ßenräume zu haben, in denen Menschen, städtische Gemeinden und soziale Gruppen zusammenkommen, Ideen austauschen und etwas schaffen können, nicht nur Events konsumieren und so ein Stadtmodell für die Menschen bieten. Es gibt ein Mantra in der Architektur: Wenn du etwas baust, werden die Leute kommen. Das gilt auch für die echt öffentlichen Räume, die zu einer Art Agora oder einem Raum für den Dialog werden können. Deshalb kämpfen wir dafür, den Status einer Fu‎ßgängerzone für bestimmte Stra‎ßen zu erhalten und sie wieder in den kulturellen und architektonischen Kreislauf einzubinden. Auf diese Weise wäre ein weiterer Gewinn gesichert: den Bürgern die unbeweglichen Güter Bukarests, die vernachlässigt und ignoriert wurden, näher zu bringen, indem die architektonischen Symbole der Stadt genutzt werden.“




    Auch unabhängige Theater haben unter der Pandemie gelitten, erläutert seinerseits Andrei Grosu, Vertreter von Unteatru“ — also wörtlich Ein Theater“:



    Ich spreche im Namen der Schauspielhäuser, die die Möglichkeit haben, ihre Stücke auch aufzuführen. Ich bin mir der Probleme bewusst, mit denen der unabhängige Sektor konfrontiert ist und diejenigen, die einen Raum verwalten und dort überleben müssen. Ein Jahr der Pandemie war für uns alle sehr hart. Es ist schwierig, zu überleben, deshalb ist für ein unabhängiges Theater Nachhaltigkeit ein sehr wichtiges Wort, und wir verwenden es in allen Projekten, die wir dem Bukarester Kulturzentrum ARCUB und der Nationalen Kulturfondsverwaltung vorschlagen. Es ist wichtig, mehrjährige Projekte oder eine mehrjährige Finanzierung zu haben. Das wäre das Wichtigste für uns. Wir können nicht über ein paar Monate oder gar ein Jahr planen, wir müssen alles für einen Zeitraum von zwei Jahren denken. Die meisten unabhängigen Theater haben zwischen 6 und 15 Premieren pro Jahr. Wenn wir eine mehrjährige Finanzierung hätten, auf die wir uns verlassen könnten, könnten wir unser Repertoire darauf aufbauen und so gro‎ße Probleme vermeiden.“




    Theaterintendant Andrei Grosu sprach von ARCUB — diese 1996 als öffentlicher Kulturdienst gegründete Einrichtung stellt die Verbindung zwischen den lokalen Behörden und der Zivilgesellschaft sicher. Doch leider hat die Bukarester Stadtverwaltung, zu der ARCUB gehört, für die Jahre 2018–2020 jegliche Förderung eingestellt, wie Managerin Mihaela Păun erklärt:



    Im Mai 2018 sagte uns die Stadt, wir sollten alle Unterlagen einschicken, und sie würden das Förderprogramm im Oktober oder November wieder aufnehmen. Das ist nie passiert. Deshalb nehmen wir das Verfahren jetzt wieder auf. Au‎ßerdem haben wir versucht, über andere Systeme nachzudenken, die helfen könnten, denn wir verstehen die Notwendigkeit solcher Instrumente. Es ist ein sehr schwieriges Jahr und deshalb haben wir uns fünf solche Finanzierungsmechanismen überlegt.“




    Leider ist die Bürokratie auch für Kultureinrichtungen ein Problem, so dass die auf diese Weise finanzierten Projekte wohl frühestens im Juli beginnen können. Was in der Zwischenzeit passieren wird, wei‎ß niemand, und die unabhängigen Kulturbetreiber sind besorgt. Ihr sozialer und wirtschaftlicher Stellenwert muss jedoch betont werden, glaubt die ehemalige Kulturministerin Corina Şuteu, derzeit Senior Consultant für die Kulturstrategie von Bukarest:



    Kultur ist eine Investition, eine Investition in die Wirtschaft. In Wirklichkeit ist Kultur ein Wirtschaftsmotor, und die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass Kultur und Kunst Prozesse beschleunigen können, die sonst ins Stocken geraten würden. Es gibt Staus, an die sowohl die zentralen Behörden als auch die Kulturakteure denken müssen. Aber die Kulturakteure müssen aufhören, sich als Antragsteller zu sehen, denen geholfen werden muss. Sie müssen sich als Ressourcen der Kreativität sehen, die in der Lage sind, nachhaltige Lösungen anzubieten, die wir alle gerade jetzt so dringend brauchen.“



    Audiobeitrag hören:



  • Theaterbranche während der Pandemie: vielfältige Probleme, Notlösungen mit Potential

    Theaterbranche während der Pandemie: vielfältige Probleme, Notlösungen mit Potential

    Der 21. September 2020 war ein weiterer Wendepunkt im rumänischen Theaterbetrieb. Um 22.30 Uhr Bukarester Zeit startete die 28. Ausgabe der UNITER-Gala. Ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplant, wurde der Abend auf die Herbst-Tagundnachtgleiche verschoben. Die UNITER-Gala wurde diesmal in der südrumänischen Stadt Craiova veranstaltet und markierte 170 Jahre seit der Gründung des dortigen Theaters, das heute den Namen des 1996 verstorbenen Dichters und Dramatikers Marin Sorescu trägt. Die Gala fand im Sommertheater im Park Nicolae Romanescu“ statt, und der Kultursender von Radio Rumänien übertrug die Gala live — wer Bilder wollte, konnte online zusehen auf den Websites des Staatsfernsehens und der Theatervereinigung UNITER, die die Gala auch organisierte. Diese unpolitische, nichtstaatliche und gemeinnützige Berufsorganisation, die durch den freien Zusammenschluss von Theaterschaffenden in Rumänien sofort nach der Wende gegründet wurde, feierte 2020 ihr drei Jahrzehnte langes Bestehen.



    Am 10. September 2020 begann die UNITER mit der Videopromotion der Künstler, die für die Preise nominiert worden aren. Die Nominierungen erfolgten auf der Grundlage der Leistungen des Vorjahres, und ab dem 14. September konnten alle Zuschauer ihre Favoriten unterstützen, indem sie ihre Stimme auf uniter.ro abgaben. Ob es der Ort der Veranstaltung war, oder die besondere Lockdown-Atmosphäre — es war auf jeden Fall ein Triumph der Kreativität über die Angst, meint die Theaterkritikerin Oana Cristea Grigorescu, Mitglied im UNITER-Verband:



    Die UNITER-Gala-Veranstaltung hat es diesmal geschafft, etwas zu verändern — sie hat den etwas konservativen Ansatz der letzten 20 Jahren hinter sich gelassen. Jeder hat vor allem eine Umgestaltung des Formats gespürt, was nicht nur daran lag, dass die Veranstaltung unter freiem Himmel in Craiova stattfand… Ich glaube, all das war vor allem aufgrund des Vertrauens möglich, das die Organisatoren in die beiden Produzenten der Gala, den Regisseur Bobi Pricop und die Bühnenbildnerin Irina Moscu, gesetzt haben. Hinter ihnen stand ein ganzes Team, und jeder spürte den lebensspendenden Wind in den Segeln dieser Gala… Und wir haben auch eine Dosis Optimismus abbekommen, durch den prägnant-sauberen Ablauf. Aber da war noch etwas anderes, vielleicht der wichtigste Aspekt. Einige der Reden der Preisträger haben ein wichtiges Thema aufgegriffen. In der rumänischen Kultur gibt es, zumindest formal, aber vor allem aus organisatorischer Sicht, eine Kluft zwischen den unabhängigen Künstlern und den Künstlern, die von subventionierten Institutionen kommen. Diese Kluft ist ein Fehler, und die Künstler konzentrierten sich auf die sehr spezifische Idee, dass es an der Zeit sei, administrative Lösungen zu finden, um die verdienten unabhängigen Künstler zu unterstützen. Das sollte so geschehen, dass ihr Beitrag zur Vielfalt der Theaterbühne gewürdigt wird. Am Ende der Gala versprachen der Präsident von UNITER und der Intendant des Nationaltheaters in Bukarest, Ion Caramitru, dass Lösungen zur Unterstützung des unabhängigen Theaters gefunden werden. Und das ist ein Punkt von strategischer Bedeutung. Es ist eine Art von Kulturpolitik, die UNITER gelobt hat, fortan umzusetzen.“



    Und dann kam im Spätherbst die 30. Ausgabe des Nationalen Theaterfestivals in Bukarest. Die Veranstaltung Ende November war zugleich eine Premiere. Die drei Persönlichkeiten, die das online übertragene Programm inszenierten und kuratierten, hatten eine klare Absicht: einen Dialog zwischen der Ästhetik der Schöpfer von gestern und der künstlerischen Suche von heute herzustellen. Radio Rumänien ist einer der traditionellen Partner der Veranstaltung, daher auch das Label der Sondersektion FNT ON AIR. Eine der drei treibenden Kräfte hinter der Veranstaltung war Maria Zărnescu, au‎ßerordentliche Professorin an der Bukarester Universität für Theater und Film (UNATC).



    Jede der geposteten Veranstaltungen war 48 Stunden lang zu sehen, man kann sie aber wieder besuchen, wenn jemand das möchte. Es war ein volles Programm, da wir die Vergangenheit des Festivals, also seine drei Jahrzehnte, Revue passieren lassen wollten. Und dabei haben wir teilweise bemerkenswerte schauspielerische Vorträge entdeckt, in enger Verbindung mit dem Dreiergespann Schauspieler-Regisseur-Dramatiker. Kürzere Beiträge haben wir in einer speziellen Sektion zusammengefasst, die den Titel »Die gro‎ße Schauspielkunst« trägt. Die Sektion legt den Schwerpunkt auf die Schauspieler, die beim rumänischen Publikum sehr beliebt sind, aber alle an der künstlerischen Arbeit beteiligten Schöpfer sind nicht weniger wichtig.“



    Natürlich gab es auch bemerkenswerte internationale Stücke, die im Rahmen des Nationalen Theaterfestivals in Bukarest aufgeführt wurden und zudem sozusagen Pandemieprojekte wie ZOOM BIRTHDAY PARTY, basierend auf einem Text von Saviana Stănescu, in der Regie von Beth Milles (aus den USA) oder POOL (NO WATER) von Mark Ravenhill, ein Projekt, das von Radu Nica, Andu Dumitrescu und Vlaicu Golcea getragen wurde.



    Die rumänischen Bühnenkünstler waren wirklich fähig, Ideen zu finden, um die aktuellen Zustände auf den Prüfstand zu stellen, und zwar in Formen, die sie mit der Gesellschaft und ihren Fragen in Verbindung halten. Einige der Notlösungen haben bereits ihre Machbarkeit bewiesen und haben vielleicht auch das Zeug zu neuen Meilensteinen in der rumänischen darstellenden Kunst.

  • Bucharest Fringe: Marathon des unabhängigen Theaters ungewiss

    Bucharest Fringe: Marathon des unabhängigen Theaters ungewiss

    Der bereits zu einer Tradition gewordene Marathon des unabhängigen Theaters Bucharest Fringe“, der für den Monat Oktober geplant ist, wird 2020 bestimmt anders verlaufen. Der Termin zur Einreichung der Projekte wurde unter den aktuellen Umständen verlängert. Über die Höhepunkte der diesjährigen Festspiele haben wir mit dem Intendanten des Festivals, Radu Popescu, gesprochen:



    Dieses Jahr feiern wir das 10. Jubiläum der Festspiele. Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten und der erheblichen Einschränkungen wegen der Coronavirus-Pandemie wird die 10. Auflage natürlich anders sein. Wir schlie‎ßen nicht aus, genau wie andere Veranstaltungen, dass das Festival online geht. Zu diesem Zeitpunkt ist alles noch ungewiss. Lange her, als wir die 10. Auflage noch planten, hatten wir viel vor. Wir wollten ausländische Bands einladen, Theaterworkshops für Darsteller und Regisseure veranstalten, wir wollten viel Innovatives auf dem Programm haben. Jetzt wissen wir nicht, ob das alles noch machbar ist. Wir wissen natürlich, dass der Auftritt der Bands aus dem Ausland nicht mehr möglich sein wird, weil solche Sachen lange vorher geplant werden müssen, und wir sehen uns gezwungen, die Pläne, die wir Ende 2019–Anfang 2020 gemacht hatten, abzusagen.“




    In der Jury des Festivals stehen ein Kulturmanager und Choreograph, eine Journalistin und berühmte Theaterkritikerin sowie Vertreter des Theaters Apropo. Sie sollen ein oder zwei Projekte auswählen, die beim Festival aufgeführt werden. Die Organisatoren setzen der Kreativität keine Grenzen, sagt unser Gesprächspartner:



    Ich hoffe, dass die Einschränkungen angesichts der Coronavirus-Pandemie zu mehr Kreativität führen werden. Wir versuchen zudem, neue Ausdrucksmöglichkeiten für die rumänischen Künstler zu finden. Welche genau diese sind, steht noch unter Fragezeichen. Wir Theatermenschen sind der Ansicht, dass das Theater eine besondere künstlerische Ausdrucksform ist, in der die Kommunikation zwischen Darstellern einerseits und zwischen Darstellern und Publikum andererseits von gro‎ßer Bedeutung ist. Das ist etwas, was man durch eine Online-Erfahrung nicht ersetzen kann. Natürlich wäre es wunderbar, wenn die Künstler in Isolation neue Ausdrucksmöglichkeiten entdecken, die dann auf der Bühne umgesetzt werden. Das ist aber eine Hoffnung. Wir wünschen uns eine Explosion der Kreativität, wir hoffen darauf und versuchen, den perfekten Raum dafür zu schaffen.“

  • Theater am Montag in Green Hours: Kaderschmiede des unabhängigen Theaters wird 20

    Theater am Montag in Green Hours: Kaderschmiede des unabhängigen Theaters wird 20

    Am 1. Dezember 1997 wurde im Untergeschoss eines Gebäudes auf der zentralen Stra‎ße Calea Victoriei (Siegesstra‎ße) in Bukarest das erste unabhängige Theater in Rumänien ins Leben gerufen. Bald wurde es als Theater am Montag“ bei Green Hours bezeichnet, weil es in der Bar Green Hours zum Leben kam, einer angesagten Bar in der rumänischen Hauptstadt, die der Besitzer Voicu Rădescu im Jahr 1994 gründete. Sein Bruder ist der Darsteller Vlad Rădescu, der dank seiner Rolle im Streifen Ciprian Porumbescu“ in der Regie von Gheorghe Vitanidis über die Landesgrenzen hinaus berühmt wurde. Aus Liebe zur Kunst und aus dem Bedarf der Darsteller jener Zeit hinaus, sich mehr als im Staatstheater frei auf der Bühne ausdrücken zu können, entstand das unabhängige Theater Green Hours. Voicu Rădescu erinnert sich, wie seine Initiative allmählich Gestalt annahm:



    Damals betrieb ich hier schon seit drei Jahren einen Jazz-Club, der Green Hours hie‎ß. Über meinen Bruder und meine Schwägerin, die bekannte Theatermenschen sind, habe ich Theaterstudenten kennengelernt, die aus eigener Initiative hier in der Bar während der Konzertpausen Theatersketsche präsentierten. Es war der Winter 1994-1995. Auf den Plakaten zu den jeweiligen Aufführungen stand »Acting Performances« mit verschiedenen Darstellern — Mihaela Rădescu, Dragoş Bucur, Bogdan Dumitrache u.a.m. Zwei Jahre später, als ich die renommierte Schauspielerin Maia Morgenstern kennenlernte, bin ich auf die Idee gekommen, sie zu fragen, ob sie in einer Theateraufführung im Jazz-Club Green Hours auftreten möchte. Zusammen mit der Darstellerin Dorina Crişan Rusu hat sie mich zu einer Aufführung im Nationaltheater eingeladen, wo sie am Klavier einen gro‎ßen Teil der Aufführung »Chantan au Lait« gespielt haben. Diese Aufführung eröffnete ein paar Wochen später die ständige Spielzeit am Montagstheater, das allerdings damals nicht so hie‎ß.“




    Nachdem Maia Morgenstern und Dorina Crişan Rusu sozusagen das Eis gebrochen hatten, lockte das Untergeschoss der beliebten Bar auf der Calea Victoriei immer mehr junge Darsteller und Theatermacher an:



    Die Zahl der Schauspieler, die bei uns auftreten wollten, nahm allmählich zu. Die berühmte Darstellerin Coca Bloos kam auf die Bühne mit einer One Woman Show. Ich konnte es nicht fassen, als sie unsere Einladung akzeptierte, denn in derselben Zeit trat sie mit einer erfolgreichen Aufführung auf der Bühne des Nationaltheaters auf. Das gab uns den Antrieb und die Kraft, weiterzumachen. Es wurde klar, dass wir nicht aufgeben sollen, denn unser Projekt fand nicht nur beim Publikum eine positive Resonanz, sondern auch bei Theatermenschen.“




    Schritt für Schritt haben sich sowohl junge Regisseurinnen und Regisseure wie Theodora Herghelegiu, Gianina Cărbunariu, Radu Afrim, Ana Mărgineanu als auch bereits bekannte Theatermacher — Alexandru Dabija, Alexandru Tocilescu und die Darstellerinnen und Darsteller Andreea Bibiri, Daniel Popa, Dorina Chiriac, Lia Bugnar, Şerban Pavlu — dem Projekt angeschlossen. Alle stellen einen Teil der zwanzigjährigen Geschichte des Theaters dar.



    Einen Wendemoment erlebte das Theater, als sich auch Florin Piersic Jr. dem Projekt anschloss. Der Darsteller inszenierte hier seit Anfang der Jahre 2000 vier Aufführungen. Die erste war Würfel und Karten“ von Sam Henry Kass im Jahr 2001. 2003 wurde Florin Piersic Jr. für seine Rolle in der Aufführung Sex, Drugs, Rock & Roll“ von Eric Bogosian mit dem Preis des Rumänischen Theaterverbands UNITER in der Kategorie Bester Darsteller“ ausgezeichnet. Das war der erste Preis, den UNITER der Aufführung eines unabhängigen Theaters vergab. Der Schauspieler erinnert sich an seine erste Begegnung mit dem Theater am Montag:



    Es war ein Silvesterabend in Bukarest und ich hatte nichts für die Nacht zwischen den Jahren vor. Auf einem Flugblatt stand, dass in der Bar Green Hours um 8-9 Uhr abends eine Theateraufführung präsentiert wird. Die Bar war total anders und einzigartig im damaligen Bukarest. Später, als ich beruflich eine schwere Zeit durchmachte, habe ich mich daran erinnert, den Barbesitzer kontaktiert, und er stand sehr offen gegenüber meinem Vorschlag, in einer der Aufführungen aufzutreten. So haben wir diesen Prozess in Gang gesetzt. Ich habe es immer wieder hervorgehoben und das mache ich jetzt noch einmal: Ohne Green Hours hätte ich nicht existiert. Es war für mich wie ein Sprungbrett. Dort wurde ich als Darsteller entdeckt und dank meinen Auftritten bei Green Hours habe ich später viele Arbeitsaufträge bekommen.“




    Das Theater Am Montag mit den 100 Zuschauern, die ihm am Anfang zur Seite standen und die im kleinen Raum der Bar Green Hours passten, war für viele eine Theaterschule, eine Emotion, die Ausdrucksfreiheit. Florin Piersic Jr:



    In den Augen der anderen waren wir diese Enfants terribles des rumänischen Theaters, diese Au‎ßenseiter, die durch ihr Benehmen auffielen. Damals galt ein selbstständiger Darsteller nicht als wahrer Darsteller, in Wahrheit war es aber andersrum, denn es gab so viele an verschiedenen Theatern festangestellte Darsteller, die mit ihrem Status nicht zufrieden waren und hier, im unabhängigen Theater, eine Stimme bekamen. Hier hatten sie die Gelegenheit, unvergessliche Rollen zu verkörpern, auf einer 2 qm gro‎ßen Bühne vor 70 oder 100 Zuschauern aufzutreten und für ihren Auftritt begehrte Preise zu erhalten. Für manche mag das seltsam vorkommen, dass ein Darsteller für ein paar Zuschauer all seine Energie bündelt, während man als Schauspieler, der im Fernsehen auftritt, Millionen Menschen auf einmal erreichen kann. Ich sehe aber die Sachen ganz anders. Das Theater und seine Stimmung kann man nicht ersetzen.“




    Zwei Jahrzehnte später sind in Bukarest lauter unkonventionelle Räume entstanden, die den unabhängigen Darstellern eine Bühne bieten. Das Theater am Montag bleibt jedoch in den Herzen zahlreicher Theaterfreunde. Das erste unabhängige Theater Rumäniens erfüllt auch heute in der Bar Green Hours, seine Rolle, junge Darsteller zu unterstützen. Seiner Gastfreundschaft erfreut sich auch die Theatergruppe Frilensăr“ aus dem ostrumänischen Iaşi. Geleitet wird die Gruppe vom Darsteller und Regisseur Daniel Chirilă:



    Kaum zu glauben, dass wir bereits zur fünften Aufführung gekommen sind. Die Erinnerungen, als wir sagten, ‚Schau mal, Lia Bugnar und Marius Manole treten bei Green Hours auf, das muss cool sein‘, habe ich noch so frisch im Gedächtnis. Und auf einmal kriegt man eine Einladung von Voicu, ein paar Worte in einem Interview über das 20. Jubiläum dieses Theaters zu sagen. Hier genie‎ßen wir immer eine ganz schöne Atmosphäre und wir fühlen wirklich, dass wir dazugehören. In diesem Theater fühlen wir die Freiheit und das ist uns sehr wichtig. Das Theater am Montag ist der Motor des rumänischen unabhängigen Theaters.“

  • Theaterfestival NottDependent: Schnittstelle zwischen Staat und Alternativszene

    Theaterfestival NottDependent: Schnittstelle zwischen Staat und Alternativszene

    Es war eine Premiere per se — zum ersten Mal experimentiert ein staatliches Theater mit alternativen Stücken, um den Dialog zwischen den beiden Kunstsphären zu fördern. Mit entsprechender Verblüffung reagierten auch die kleinen Theatertruppen auf die Einladung des Prestigehauses Nottara, erinnert sich Valentin Corneanu, einer der Kuratoren des Festivals:



    Die erste Reaktion war, verwundert zu gucken — wir haben ihnen dann aber erklärt, was wir uns unter einem solchen Festival vorstellen, und dann schickten sie auch Stücke ein. Das Konzept besteht darin, den unabhängigen Gesellschaften die Chance einer bekannten Bühne zu geben. Es ging uns darum, mit einem Mythos aufzuräumen — nämlich dass es zwischen Staatstheater und unabhängigem Theater keine Verbindung gibt, dass sie sogar Gegner sind. Das stimmt nicht und es ist auch unfair, davon auszugehen. Wir haben gehofft, dass unser Stammpublikum sich auch diese Stücke ansehen wird — und das traf auch zu. Zudem lernten auch Leute aus dem alternativen Theatermilieu das Nottara kennen. Darauf haben wir gewettet — und gewonnen.“




    Ganz unbekannt sind solche Produktionen dem Nottara aber nicht, räumt Intendantin Marinela Ţepuş ein — das eigene Nocturne-Programm bestand aus sehr aktuellen Texten, die von jungen Darstellern aufgeführt wurden. Die Kritikerin Cristina Rusiecki, die ihrerseits zum Team der Kuratoren gehörte, erkennt NottDependent eine wichtige Rolle an:



    In den letzten 10 Jahren war das unabhängige Theater eine permanente Quelle der Erneuerung und der provokativen Vorschläge. So eine Begegnung zwischen Staat und Alternativszene kann nur positive und kreative Energien freisetzen. Das war unsere Hoffnung. Das unabhängige Theater hatte zumindest am Anfang dieses Alleinstellungsmerkmal, mit sehr neuen Texten zu arbeiten. Wenn das Theater schon ein Spiegel der Gesellschaft ist, sollte es idealerweise nicht die Gesellschaft von vor 25 Jahren sein, sondern die heutige Gesellschaft, mit ihren Problemen und ihrem ständigen Wandel. Diese Form von Theater versteht es am besten, immer wieder nach neuen Texten Ausschau zu halten. Ich denke, das hilft dem Publikum, umso mehr es ein junges Publikum ist, das alternative Darbietungen besucht. Es hilft den Menschen aus dem Publikum, ihre Probleme und ihren Umgang mit der Gesellschaft und den eigenen Erlebnissen besser zu definieren.“




    Acht Produktionen wurden an den fünf Tagen des Festivals aufgeführt — vorerst nur von Bukarester Truppen. Später sollen auch unabhängige Theatertruppen au‎ßerhalb der Hauptstadt eingeladen werden. Eines der Stücke war eine speziell für NottDependent aufgeführte Pilotfassung von Cocks“. Das von Mike Bartlett geschriebene Stück handelt über Identität, individuelle Wahrnehmung und Familie. Die Gesellschaft Entheos & GrayPlay Performing Arts führt das Stück unter der Regie von Horia Suru schon seit 2014 auf. Der junge Regisseur ist in der Alternativszene zuhause, arbeitet aber auch für Staatstheater. Aus dieses Doppelperspektive fachsimpelt er über den möglichen Stellenwert eines solchen Festivals:



    Das Festival erschien mir am Anfang als seltsames Tier. Schockierend irgendwie, weil sehr neu. Ich hoffe, es geht weiter und wir werden es dann bei den zukünftigen Ausgaben erleben, ob es sich zu einer Diskussionsplattform entwickelt. Denn wir müssen uns unterhalten über das, was wir brauchen, und darüber, wie wir besser arbeiten können. Ich bin total neugierig auf die Entwicklung des Festivals — ob es zu einer Bühne für Stücke wird, die auf der Suche nach einem Produzenten oder einem Theater für die Hauptstadt sind… oder ob es zu einer Schaubühne für bereits erfolgreiche, prämierte, oft gespielte unabhängige Aufführungen wird, die ein neues Publikum erschlie‎ßen wollen — Menschen nämlich, die die alternative Szene scheuen und eher etablierte Häuser besuchen.“

  • UNITER-Gala 2017: Theaterverband verleiht Preise in Temeswar

    UNITER-Gala 2017: Theaterverband verleiht Preise in Temeswar

    Die Preise des rumänischen Theaterverbands wurden am 8. Mai in Temeswar vergeben. Die Gala findet seit 1993 statt, erstmals wurde sie aus Initiative des Schauspielerss Ion Caramitru organisiert. Die Preise wurden in elf Kategorien verliehen. In einer ersten Etappe wählt eine aus Theaterkritikern gebildete Jury die Darsteller und Theateraufführungen aus, die nominiert werden, am Galaabend entscheidet eine andere Fachjury über die Gewinner jeder Kategorie. Die Theaterkritikerin Monica Andronescu war dieses Jahr bereits zum dritten Mal Jurymitglied. Mehr als 500 im vorigen Jahr produzierte Aufführungen musste sie sich für den diesjährigen Wettbewerb anschauen, sagt die Theaterkritikerin:



    Man muss konkret fast das ganze Phänomen verfolgen, denn es ist so gut wie unmöglich, sich alle Theateraufführungen anzuschauen. Entscheidend ist auch, welche die Tendenzen im Theater des jeweiligen Jahres sind. Das Auswahlverfahren muss sowohl die traditionellen als auch die modernen Aufführungen sowie Produktionen des unabhängigen Theaters einbeziehen. Ich bin der Meinung, dass eine solche Auswahl den Wert des ganzen rumänischen Theaters und alles, was dieses Phänomen im letzten Jahr angeboten hat, widerspiegeln soll. Deswegen ist es notwendig, die Aufführungen untereinander zu vergleichen. Eine ganz gro‎ße Aufführung, die auf die Bühne eines gro‎ßen Theaters wie das Bukarester Nationaltheater gebracht wird, kann den Kampf um den gro‎ßen Preis mit einer qualitativ hochwertigen Aufführung antreten, die auf die Bühne eines kleinen Theaters gebracht wird, so zum Beispiel des unabhängigen Theaters »Unteatru« in Bukarest. Das entscheidende Kriterium bleibt die Qualität: wie gut eine bestimmte Aufführung geplant und durchgeführt wurde, wie gut die Leistung eines Darstellers war, egal auf welche Bühne die Aufführung gebracht wurde.“




    Die UNITER-Gala verschafft ein umfassendes Bild der aktuellen Tendenzen im rumänischen Theater, sagt unsere Gesprächspartnerin im Anschlus:



    Es gibt zahlreiche Aufführungen, die einen durchschnittlichen Wert haben. Das Niveau der Aufführungen ist prinzipiell sehr hoch, es gibt jedoch wenige, die man als Spitzenreiter bezeichnen kann. Es ist jedes Mal schwer, die besten auszuwählen, denn die meisten davon können meiner Ansicht nach in dieselbe Kategorie eingestuft werden. In unserer Auswahl wollten wir genau diese Dynamik des rumänischen Theaters widerspiegeln. Das unabhängige Theater hat in den letzten Jahren eine starke Entwicklung erfahren und es gibt zahlreiche Nachwuchsschauspieler, die jetzt stark aufholen. Das ist, was wir dieses Jahr erfolgreich gemacht haben, wir haben Darsteller der jüngeren Generation in den Vordergrund gebracht, die sich bereits eines gro‎ßen Erfolgs erfreut haben. In der Kategorie »Beste Darstellerin in einer Hauptrolle« wurden alle drei Schauspielerinnen für ihre Leistungen in Aufführungen des unabhängigen Theaters nominiert.“




    Zu den diesjährigen Gewinnern zählt auch die Darstellerin Ana Ularu, die dieses Jahr eine gro‎ße Berühmtheit au‎ßerhalb der Landesgrenzen erlangt hat. Der Theaterregisseur Yuri Kordonsky wurde für seine Aufführung În adâncuri“ (In der Tiefe“) ebenfalls mit einem Preis geehrt. Die Aufführung wurde auf der Bühne des Ungarischen Staatstheaters im mittelrumänischen Klausenburg dargeboten. Die Produktion Amadeus“ in der Regie von Victor Ioan Frunză wurde in der Kategorie Bester Schauspieler in einer Hauptrolle“ und in der Kategorie Beste Aufführung“ ausgezeichnet, in der ersten Sektion ging der Preis an Andrei Huţuleac. Victor Ioan Frunză erhielt ebenfalls den Exzellenzpreis für sein Engagement in der Förderung junger Talente. Mit seinem Ensemble hat der Regisseur eine wahre Theaterschule ins Leben gerufen. Der Preis für eine langjährige Karriere ging an den Regisseur Siviu Purcărete.




    Seit einigen Jahren findet die Gala des Rumänischen Theaterverbands UNITER nicht nur in Bukarest statt. Sibiu (Hermannstadt), Iaşi, Târgu Mureş (Neumarkt), Oradea (Gro‎ßwardein) und nun Temeswar zählen auch zu den Gastgebern der grö‎ßten Gala der rumänischen Theaterpreise. Bei der 25. Jubiläumsgala wurde ebenfalls ein Katalog erstellt, der die Namen aller Gewinner und Nominierten enthält, sagt Monica Andronescu:



    Es war eine gro‎ße Freude, dass das Projekt »25 Jahre UNITER« zustande kam, so haben wir ein Bild von allen Darstellern, die uns im Laufe der Zeit nahe standen. Es ist ein wichtiger Zeitpunkt für uns, es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Es lohnt sich, alles in unserer Kraft Stehende zu tun, damit dieses Projekt weitergeht und die Gala auch in den nächsten Jahren stattfindet. Wir müssen alle Menschen schätzen, die zum Alltag des rumänischen Theaters gehören: Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren und alle, die in einem Bühnenberuf arbeiten. Wir brauchen diese Momente, wenn wir unseren Kollegen sagen: ‚Sehr gut gemacht‘, ‚Danke‘, ‚Ihr seid wunderschön‘. So wie während der Gala mehrmals betont, ist es sehr wichtig, unseren Mitmenschen gegenüber unsere Liebe auszudrücken.“

  • Unabhängige Kulturprojekte: Das Privattheater Apollo 111

    Unabhängige Kulturprojekte: Das Privattheater Apollo 111

    Die Initiative zu diesem Projekt hatte der Schauspieler Bogdan Dumitrache (bekannt aus der Hauptrolle in dem vielfach prämierten Film Die Stellung des Kindes“). Ihm schlossen sich auch der Regisseur Călin-Peter Netzer, der Creative Director Cătălin Rusu und der Filmproduzent Dragoş Vîlcu an. Das Projekt entstand zu einem Zeitpunkt, als das unabhängige Theater in Bukarest besonders aktiv und sichtbar wurde. Bogdan Dumitrache erläutert, wie diese Situation seine Managementstrategie beeinflusst hat:



    Ich kam auf diese Idee, weil in den letzten Jahren sehr viele unabhängige Aufführungen, sehr viele unabhängige Theaterproduktionen entstanden waren und nach Räumen suchten, wo man spielen konnte. Eins führte zum anderen und letztendlich glaube ich, dass die vielen Veranstaltungen viel Interesse hervorgerufen und ein neues Publikum für sich gewonnen haben. Dieses neue Publikum erwartet jetzt aber ein bisschen mehr. Ein nicht geeigneter Raum kann die höheren Erwartungen des Publikums nicht erfüllen. Daraus entstand auch die einfache, organische Idee, dass man mehr braucht, als eine Bar oder ein Café, wo gelegentlich auch Theater gespielt wird. Das unabhängige Theater braucht einen geeigneten Raum, wo man mehr als einen Tisch und drei Lichtquellen zu Verfügung hat.“




    In diesem Sinne suchte Bogdan Dumitrache nach einem geeigneten Raum, der auch wirtschaftlich entsprechend sein sollte, und fand einen 850 qm gro‎ßen Saal in der Bukarester Stadtmitte, im Palais Universul. Das renovierte historische Gebäude bietet Räumlichkeiten für mehrere unabhängige Kunstinitiativen und ist dabei, eine Art Kulturzentrum zu werden. Der gro‎ße Saal des Theaters Apollo 111 wurde in mehrere Räume mit unterschiedlichen Zwecken unterteilt. Eine Hälfte ist den eigentlichen Theaterräumen gewidmet — das sind ein Theatersaal mit 127 Plätzen, ein Foyer und mehrere Künstler-Garderoben. Bogdan Dumitrache dazu:



    Es gibt drei Hauptabteilungen — die grö‎ßte ist die Theaterabteilung mit dem Theatersaal, dem Foyer und den Künstler-Garderoben. Dann kommen das Theatercafé und die Verwaltungsabteilung mit Büros, Probesälen und Castingstudios. In der Büroabteilung funktioniert auch die Castingagentur, die ich seit mehreren Jahren betreibe. Ich habe meine Castingagentur hierhergebracht, um alles zusammen zu haben und besser kontrollieren zu können. Und ich bleibe auch ständig im Kontakt mit den Schauspielern.“




    Das unabhängige Theater Apollo 111 schlägt ein Repertoire vor, das sich von den anderen Theatern in Rumänien unterscheidet. Die Abend-Spielzeit wird nach dem System Run“ organisiert. Bogdan Dumitrache:



    In diesem System besteht die Möglichkeit, dass eine Aufführung auf die Bühne kommt und sechs Wochen lang so oft gespielt wird, wie das Publikum danach fragt. Das ist zum Vorteil aller Beteiligten — die Aufführung wächst, entwickelt sich von einem Abend zum anderen, es gibt keine leeren Zeiten, die Schauspieler bleiben konzentriert und denken nicht an andere Projekte. Die Aufführung wächst und wird besser, wenn sie oft gespielt wird. Sie ist wie eine Maschine, die gut funktioniert. Jeder ist ein Teil des Mechanismus, jeder wei‎ß genau, was er zu tun hat, und zusammen bringen wir höchste Leistungen. Ich betreibe dieses Theater mit vier Mitarbeitern, und ich denke gar nicht daran, weitere Leute einzustellen. Zwei Techniker für Ton und Beleuchtung, einen Bühnentechniker und eine Produzentin — mehr brauche ich nicht. Wir tun alles, was zu tun ist, und es funktioniert bestens.“




    Jedes Jahr ist ein anderes Teammitglied als Dramaturg für das Programm der jeweiligen Spielzeit verantwortlich. Für das erste Jahr hat der Theaterintendant Bogdan Dumitrache die Aufgaben des Dramaturgen übernommen, und in der Spielzeit 2017-2018 wird der Regisseur Radu Afrim Dramaturg des Theaters Apollo 111. Bogdan Dumitrache dazu:



    In unserer heutigen Welt geschieht so viel in so kurzer Zeit, und wenn man sich auf ein einziges Thema konzentriert, verpasst man Hundert andere. Daher scheint es mir, dass Aktualität durch Diversität zu erreichen ist. Indem ich mit den Interessenbereichen vieler Autoren in Berührung komme, werde ich aktuell. Ein Dramaturg, der die Titel einer Spielzeit vorschlägt, sollte die fünf Produktionen der jeweiligen Spielzeit einer bestimmten Idee unterordnen. Sei es, dass man eine Musical-Spielzeit gestalten will, und alle fünf Produktionen sich um diese Idee drehen, sei es, dass man sich ein Hauptthema aussucht (zum Beispiel den Krieg), und dieses Thema in fünf Texten aus fünf verschiedenen Epochen behandelt, sei es, dass man in den fünf Produktionen eine Hauptidee auf verschiedenen Weisen verfolgt — man hat immer ein bestimmtes Spielzeit-Konzept.“




    Das Konzept, das Bogdan Dumitrache für die erste Spielzeit des Theaters Apollo 111 vorstellt, ist die Begegnung zwischen Theater und Film, mit mehreren Projekten über die Kinowelt. Bei der Eröffnung des Theaters Apollo 111 und der ersten Spielzeit wurde eine Bühnenadaption des Textes Ali: Angst essen Seele auf“ in der Regie von Radu Jude erstaufgeführt. Der Text war bekanntlich die Grundlage für Rainer Werner Fassbinders erfolgreichen gleichnamigen Spielfilm. Radu Jude ist seinerseits für seine Spielfilme Aferim!“ und Vernarbte Herzen“ bekannt. Zurzeit laufen die Proben für das Stück Nach dem Regen“ von Sergi Belbel, in der Regie von Alex Maftei (der auch die Spielfilme Hallo, wie geht’s?“ und Fräulein Christina“ gedreht hat. Eine dritte Produktion wird eine Bühnenadaption nach dem Spielfilm Sieranevada“ von Cristi Puiu — wer dabei Regie führen wird, steht noch nicht fest.



    Das neue unabhängige Theater Apollo 111 hat auch eine Spielzeit für Kinder, mit Matineeaufführungen, und auch eine dritte Spielzeit für junge Künstler unter 35 — Regisseure, Bühnenbildner, Choreographen, Musiker.

  • Theaterfestival in Piatra Neamţ: Im Zeichen der Jugend, aber generationsübergreifend

    Theaterfestival in Piatra Neamţ: Im Zeichen der Jugend, aber generationsübergreifend

    Nach einer 4 Jahre langen Pause setzte das Jugendtheater in der nordmoldauischen Stadt Piatra Neamţ mit dem Festival Ich plädiere für die Jugend“ im Oktober 2015 die schöne Tradition der Förderung junger Theaterleute fort. Die Wiederaufnahme des ältesten Theaterfestivals in Rumänien (die erste Auflage war im Jahr 1969) bedeutete auch die Wiederkehr des Theaterensembles in seinem alten Zuhause, dem denkmalgeschützten Gebäude, das in den letzten Jahren saniert wurde. Das sei ein Zeichen der Normalität, meint der Theaterintendant und Schauspieler Liviu Timuş. Das Theater der Jugend, das dieses Jahr die 27. Auflage des Theaterfestivals in Piatra Neamţ veranstaltet, hat im Laufe der Jahre viele der besten rumänischen Schauspieler und Regisseure hervorgebracht.



    Mit den Aufführungen, die dieses Jahr nach Piatra Neamţ eingeladen wurden, versuchte man, ein Röntgenbild des rumänischen Theaters der Gegenwart zu machen. Ferner wollten die Veranstalter die Trends präsentieren, die von jungen rumänischen Theaterleuten initiiert wurden. In den letzten Jahren war das unabhängige Theater in Rumänien besonders aktiv, und daher waren dieses Jahr in Piatra Neamţ mehrere unabhängige Theaterproduktionen zu sehen. Das Stück Fă tu primul pas!“ (Mach du den ersten Schritt!“) von Jean-Claude Carrière, in der Regie von Andrei Munteanu, ist eine Produktion des 2010 gegründeten unabhängigen Kunsttheaters Bukarest. Hauptdarstellerin ist Raluca Aprodu, eine Schauspielerin, die sowohl in unabhängigen Theatern als auch in Staatstheatern spielt und durch ihre Filmrollen sehr bekannt wurde. Wie wählt man einen Text für eine Theateraufführung und wie entsteht eine Aufführung in einem unabhängigen Raum? Raluca Aprodu:



    Man sollte sich von nichts und niemandem beeinflussen lassen. Wichtig sind nur der Wunsch des Schauspielers, eine gewisse Theaterfigur kennenzulernen, und der Wunsch des Regisseurs, einen gewissen Theatertext zu interpretieren. Das wär’s. Leider müssen wir uns dem Ort anpassen, wo wir spielen werden. Manchmal ist es sehr wichtig, dass viele Leute ins Theater kommen. Da beginnen wir, Kompromisse zu machen. Es ist zum Beispiel wichtig, dass auf dem Plakat das Wort ‚Komödie‘ steht. Nach einem stressigen Arbeitstag will niemand eine schwierige, ernste Aufführung sehen. Wenn schon, dann geht man ins Staatstheater. Um das Publikum anzulocken, muss man deshalb ein bisschen gerissen sein. Wir haben eine Produktion im Godot-Theater, die ‚Happy End‘ hei‎ßt. Der Originaltitel war ‚Lieselotte im Mai‘, er klang nicht besonders attraktiv, und wir haben ihn geändert. Der Name war schon wichtig — obwohl es sich um dasselbe Stück handelte, kamen mehr Leute ins Theater, und wir konnten ihnen genau das zeigen, was wir beabsichtigt hatten. Inzwischen gibt es sehr viele unabhängige Theaterproduktionen, das Publikum hat Mut gefasst und kommt zu uns. Besonders wichtig ist, dass auch bekannte Schauspieler neulich in unabhängigen Produktionen spielen, sie wirken wie ein Publikumsmagnet.“




    Um junge Theaterregisseure, Bühnenbildner und Schauspieler zu fördern hat das Theaterfestival Piatra Neamţ auch eine Wettbewerbsabteilung; 16 der 80 eingeladenen Theateraufführungen beteiligten sich an dem Wettbewerb. Zu den Preisträgern gehört auch die junge Schauspielerin Nicoleta Lefter, die mit dem Preis für die beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Sie spielte die Rolle Nadia in dem Stück Viză de clown“ (Aliens with Extraordinary Skills“) von Saviana Stănescu, einer Aufführung des Bukarester Theaters Odeon in der Regie von Alexandru Mihail. 2008 wurde das Stück Aliens with Extraordinary Skills“ im Julia Miles Theatre in New York aufgeführt und erhielt enthusiastische Kritiken in The New York Times und anderen amerikanischen Publikationen. Die Geschichte wurde von einer echten Begebenheit inspiriert: Ein Rumäne und ein Ukrainer brachten mehr als 800 Immigranten in die USA, und zwar mit falschen Visa für Zirkusdarsteller. Die 33jährige Nicoleta Lefter ist eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation und beteiligt sich an zahlreichen Theaterfestivals. Man braucht viele solcher Festivals, vor allem für junge Theaterleute, meint Nicoleta Lefter:



    Der wichtigste Schritt wäre meiner Ansicht nach, dass wir versuchen, junge Leute davon zu überzeugen, vom Computer und Fernseher abzulassen. Sie sollten mal ins Theater kommen, lebendige Menschen auf der Bühne sehen, Gefühle empfinden, die vor dem Bildschirm nicht möglich sind. Im Theater hat man Erlebnisse, die einen ändern und zum Sozialisieren bringen können. Ich habe festgestellt, dass wir immer mehr zu Einsamkeit und Isolierung neigen. Die Leute sozialisieren nicht mehr, sie öffnen sich nicht mehr, sie haben keinen Spa‎ß mehr am Zusammentreffen, am Diskutieren, sie interessieren sich nicht mehr, wie es den anderen geht… Das wäre am Wichtigsten, glaube ich. Und wenn die Aufführungen auch eine Erziehungskomponente hätten, etwas, das die Einbildungskraft der jungen Menschen stimulieren kann, wäre es wunderbar.“




    Einer der jungen Regisseure, die zum Theaterfestival Ich plädiere für die Jugend“ in Piatra Neamţ eingeladen wurden, ist Vlad Cristache. Er inszenierte das Stück The History Boys“ von Alan Bennett im Bukarester Theater Excelsior. Die Produktion wurde in den Kategorien Beste Aufführung“ und Beste Regie“ nominiert. Vlad Cristache plädiert für mehr Festivals für junge Theaterleute:



    Einerseits ist es schon eine tolle Sache, dass so etwas passiert, weil man zwei oder mehrere Generationen von Theaterleuten zusammenbringt, Leute, die in den letzten zehn Jahren debütiert haben. Man sieht ihre Aufführungen und so gewinnt man einen Eindruck darüber, wie sie die Entwicklung des Theaters verstehen. Andererseits glaube ich nicht so sehr an diese Aufteilung in ‚junge‘ und ‚alte‘ Theaterleute — ich glaube, dass sehr viele Theaterleute, die schon ein gewisses Alter erreicht und eine gro‎ße Erfahrung gesammelt haben, bei ihren Entscheidungen und Aufführungsideen viel frischer, viel jünger sein können als die sog. ‚jungen Theatermacher‘. Jugend liegt nicht im biologischen Alter, sie hängt von der Persönlichkeit ab.“