Tag: Ungarisches Staatstheater

  • Ungarisches Staatstheater in Klausenburg zum 225. Jubiläum: Prestige jenseits ethnischer Grenzen

    Ungarisches Staatstheater in Klausenburg zum 225. Jubiläum: Prestige jenseits ethnischer Grenzen

    Der Regisseur Gábor Tompa ist seit 1990 Manager des Ungarischen Staatstheaters in Klausenburg. Er gibt uns nun Einzelheiten über das Programm der Mikro-Spielzeit, die mit dem berühmten Stück Onkel Wanja“ von Tschechow unter der Regie von Andrei Şerban startete:



    Ich glaube, wir hatten die Chance, dass unser Repertoire ein paar Meisterstücke enthält. Wir arbeiteten mit vier gro‎ßen Regisseuren zusammen und haben besondere Aufführungen. Wenn wir »Onkel Wanja« spielen, werden alle Karten in fünf Minuten verkauft. Das passiert seit 11 Jahren. Es folgen »Victor oder die Kinder an der Macht«, die beste Aufführung des Jahres von Silviu Purcărete, einem Regisseur, der mit dem Ungarischen Staatstheater viel zusammengearbeitet hat, »Das Fest« unter der Regie von Robert Woodruff… »Victor…« hat drei Spielzeiten, »Das Fest« hat fünf, »Onkel Wanja Vania« elf. Und »In der Tiefe« in der Regie von Yuri Kordonsky war ein weiterer Erfolg. Es sind vier unterschiedliche Meisterwerke. Für einen kontrastreichen Gegensatz habe ich zudem eine Aufführung des jungen Regisseurs Botond Nagy gewählt, der in diesem Jahr seinen Master in Târgu Mureş machte. Er hat eine besonders interessante Aufführung auf die Bühne gebracht, und zwar »Die Blinden« nach Maeterlinck.“




    Die Theateraufführung Onkel Wanja“ von Tschechow ist dreimal vom Rumänischen Theaterverband UNITER ausgezeichnet worden, und zwar für die beste Aufführung des Jahres 2007, für die beste Regie — Andrei Şerban — und für den besten Schauspieler, der eine Hauptrolle spielte — András Hatházi. Hinzu kommen die Auszeichnungen der Theaterkritiker in Ungarn für die beste Aufführung der Spielzeit 2007/2008. Viktor oder die Kinder an der Macht“ von Roger Vitrac wurde ebenfalls von UNITER für die beste Aufführung im Jahr 2013 ausgezeichnet. Das Fest“ unter der Regie von Thomas Vinterberg wurde zweimal für die UNITER-Preise nominiert. Für In der Tiefe“ von Yuri Kordonsky wurde er von UNITER als bester Regisseur des Jahres 2016 ausgezeichnet.




    Wie passen sich diese Meisterwerke, die Anwesenheit dieser gro‎ßen Regisseure der mehr als 200 Jahre alten Geschichte des Ungarischen Staatstheaters in Klausenburg an? Der Regisseur und Manager Gábor Tompa meint, es sei sehr schwierig, sich im Theater auf die Tradition zu berufen, weil heute kein Theater mehr wie vor 225 Jahren gespielt wird:



    Das Theater ist die Kunst des Momentes, die Kunst der Gegenwart. Es gibt aber etwas… Wenn wir die ganze Geschichte dieses Theaters verfolgen, bemerken wir, dass die bedeutendsten Momente jene waren, in denen ein paar Regisseure, Theaterpersönlichkeiten etwas Neues gebracht haben. Egal ob es sich um einen Shakespeare-Zyklus im 19. Jh. handelt oder ob es um den Bau eines Kino-Studios und das Zusammenflechten einiger Filmelemente mit dem Theater 1910–1920 geht. Das waren experimentelle Versuche, die etwa das Schaffen des gro‎ßen Regisseurs György Harag kennzeichneten. Wenn wir schon von Tradition sprechen, so handelt es sich dabei um die Tradition der ständigen Erneuerung der künstlerischen Ausdrucksmittel und um den Mut, Risiken einzugehen. Ohne diese Ansätze wird jedes Theater kanonisch, rigide, ja sogar tot. Wir können uns also an dieses Modell der ständigen Erneuerungen anlehnen und es als Tradition fortsetzen.“




    Gábor Tompa eröffnete noch, dass mehr als 40% des Publikums nicht ungarischer Abstammung sei. Das Ungarische Staatstheater ist das Theater aller Klausenburger und nicht nur“, sagt Tompa.



    Die Theaterkritikerin Oana Cristea Grigorescu, Journalistin des Rumänischen Rundfunks, verfolgte die Repertoire-Strategie des Ungarischen Staatstheaters in Klausenburg und ihre Auswirkungen auf das rumänische Theaterumfeld:



    Ich bin der Meinung, das Ungarische Staatstheater ist der Urheber einer kulturellen Entfrostung in Klausenburg und später im ganzen Lande. Ich beziehe mich auf die Öffnung der ungarisch- und deutschsprachigen Theater, die die Aufführungen für das ganze Publikum auch ins Rumänische [per Kopfhörer oder Übertitel — Anm. d. Red.] übersetzen lassen. Wir haben also die Schranken beseitigt. Nach einer anfänglichen Unzufriedenheit des ungarischsprachigen Publikums, das die Erneuerung des Repertoires mit Skepsis betrachtete und die einzige Aufgabe des Theaters in der Bewahrung der ungarischen Identität sah, hat Klausenburg letztendlich dadurch viel gewonnen. Es ist ein breiteres Publikum entstanden, das über die ethnischen Barrieren hinaus nun zu den Aufführungen des Ungarischen Theaters, des Nationaltheaters und auch der unabhängigen Theater geht. Das ist eine lehrreiche Lektion. Ungeachtet der Sprache der Aufführungen ist eine sprudelnde Kulturatmosphäre entstanden, die dem Theater in Klausenburg insgesamt gut tut. Der Multikulturalismus kann uns reicher machen, kann uns helfen, Schranken zu beseitigen und die Konsistenz einer kulturellen Gemeinschaft im Bereich des Theaters oder anderer Künste zu stärken.“

  • Theaterfestival in Temeswar wartet mit unkonventionellen Aufführungen auf

    Theaterfestival in Temeswar wartet mit unkonventionellen Aufführungen auf

    Das TESZT-Festival ist ein Vorzeigeprojekt des ungarischen Staatstheaters Gergely Csiky“ in Timişoara/Temeswar, einer multikulturellen Stadt par excellence. Ziel von TESZT ist, dem Publikum vor allem die neusten Produktionen und Aufführungen in der sogenannten Euregio DKMT zu zeigen. Hinter diesem seltsamen Akronym verbirgt sich im EU-Jargon ein Gebiet, das von den vier wichtigen Flüssen im Drei-Länder-Eck Rumänien-Serbien-Ungarn gebildet wird: Donau, Kreisch, Marosch, Thei‎ß. Aber TESZT ist längst viel internationaler geworden — auch Theaterkünstler aus Italien, Belgien, Portugal, Bulgarien, Mazedonien oder Kroatien kommen.



    In diesem Jahr war das Repertoire von Stücken mit sozialer Thematik geprägt. Attila Balázs, Intendant beim Ungarischen Staatstheater Timişoara, war zusammen mit Projektmanager Zoltán Gálovits zuständig für die Auswahl der Stücke.



    Wir haben uns viele Aufführungen angesehen. Nach eine ersten Auswahl knüpften wir uns die Details vor und suchten nach einem roten Themenfaden in den meisten von ihnen. Es ging in der letzten Saison sehr viel um Persönlichkeit, um das Verhältnis des Menschen zur Gesellschaft, zu sich selbst, zu seinem Umfeld. Es sind mehrfache Ausdrucksweisen möglich: One-Man-Shows, Dokumentationen, klassische Texte, musik- oder poesielastige Stücke“, erklärt Attila Balázs.




    Die Theaterkritikerin Daniela Şilindean unterstützte das Festival von der literarischen Seite:



    Das TESZT-Festival hat sich in diesem Jahr auf extrem starke Themen konzentriert, die dem Zuschauer entweder den eigenen Spiegel oder den Spiegel der Gesellschaft vorgehalten haben — es ging jedes Mal um Menschlichkeit oder das Fehlen ebendieser, aber auf jeden Fall zeichneten die Stücke ein relativ wahrheitsgetreues Bild der Gesellschaft. Einige Stücke haben mich durch den radikalen Ansatz überrascht. Es waren Aufführungen, die den Zuschauer für ihre Sache sehr begeistern. Bei TESZT 2016 war auch etwas anderes wichtig: Zuschauer durften nicht mehr passiv zusehen. Sie sa‎ßen nicht mehr in bequemen Sesseln. Der Zuschauer wird zum aktiven Bestandteil, und gleich mehrere Stücke haben die Rolle des Schauspielers an den Zuschauer delegiert, den Saal zur Bühne gemacht, so dass die Zuschauer eine eigene Show aufziehen konnte.“




    Eine der militantesten Produktionen war Dogville“, eine Adaption des gleichnamigen Films von Lars von Trier. Die Koproduktion zweier Ensembles aus Belgrad und Novi Sad in der Regie von Kokan Mladenović erzählt die Geschichte von Grace, die vor Gangstern Zuflucht in der auf einen ersten Blick idyllischen Gemeinde Dogville sucht. Doch diese Stadt ist geprägt von Frustrierungen, Geiz und Aggressivität und Grace wird schnell zum Opfer der Menschen, denen sie vertraut hat, so Regisseur Kokan Mladenović:



    Wir wollten ein Stück machen über das Land, in dem wir leben. Aber so etwas kann heute an keinem Theater in Belgrad aufgeführt werden. Deshalb haben wir mit zwei Freunden eine Probe organisiert und zwei junge Darstellerinnen gefunden. An diesem Stück über Serbien haben wir in fast guerillaartigen Zuständen gearbeitet — Belgrad ist heute Dogville geworden. Wir thematisieren die Stellung der Kultur in der Gesellschaft, den Umgang mit Minderheiten — auch sexuellen Minderheiten –, die Gewalt gegen Frauen. All das gehört zu Serbien und wir gehen davon aus, dass es auch in ein Stück gehört. Der Erfolg, den wir damit in Kroatien, Bosnien, Slowenien oder Mazedonien hatten, zeigt, dass diese Themen nicht nur für das heutige Serbien spezifisch sind. Nicht nur Serbien, sondern ganz Europa ist zu einem Dogville geworden“, sagt Kokan Mladenović, dessen Produktionen in fast allen Festivals in Mittelosteuropa ausgezeichnet wurden.



    TESZT endete mit der Performance des europaweit geschätzten bulgarischen Tanzkünstlers Ivo Dimchev — I Cure“ ist eine Koproduktion mit Impulstanz aus Wien. Heilen ist eine bewusste Entscheidung und wir treffen sie in einem Theater — warum nicht?“, fragt Ivo Dimchev als Argument für eine interaktive Performance zum Thema Heilen:



    Die Show ist über die Heilung, aber das muss man nicht unbedingt buchstäblich auslegen. Es ist eher eine Therapierung unserer begrenzten Denkweise über das Positive und Gesunde. Wenn wir wieder genesen oder versuchen, positiv zu denken, haben wir plötzlich sehr viele Feinde. Gesund und positiv zu sein ist gewisserma‎ßen gefährlich. Und um dieser Gefahr zu entgehen, müssen wir das Negative als gegnerische Perspektive zu uns lassen. All diese Tabus sind Teil der Performance, ich versuche, die Menschen an dieser Misere teilhaben zu lassen — an Sexualität, Gewalt und Tod. Sie sind Teil des Lebens. Etwas nicht Negatives, sondern sehr Natürliches. Noch können wir das Schöne darin entdecken und müssen keine Werturteile abgeben. So gesehen ist die Performance eine Art Therapie. Man kann zwar Dinge nicht in einer Stunde verändern, aber die Menschen können zumindest Licht am Ende des Tunnels erblicken. Doch vor dem Licht befindet sich eine schwere Tür. Es braucht viel Praxis, Energie, Geduld und Liebe, um diese Tür aufzusto‎ßen und die Freiheit zu erlangen, Dinge nicht als Gut oder Böse, Gesund oder Ungesund zu beurteilen“, so der bulgarische Performance-Künstler.

  • Theaterpremieren in Temeswar: gelebte Multikulturalität

    Theaterpremieren in Temeswar: gelebte Multikulturalität

    Es gibt keine Gegend in ganz Europa, in der die Ethnien so vielfältig sind wie im Banat“, schrieb im letzten Jahrhundert der englische Historiker und Politiker R. W. Seton Watson in seinem Werk Europe in the Melting Pot“. Temeswar, ein ausgesprochen multikultureller Raum, ist eine Stadt, die drei öffentliche Theater im demselben Gebäude beherbergt, die Schauspiele in drei unterschiedlichen Sprachen inszenieren: Rumänisch, Deutsch und Ungarisch. Es handelt sich um das rumänische Nationaltheater, das Deutsche Staatstheater und das Ungarische Staatstheater Gergely Csiky“ in Temeswar. Neben den rumänischen Regisseuren, die hier tätig sind, gehört zur Strategie der drei Theater die Einladung ausländischer Regisseure. Beweis dafür stehen die drei Premieren, die am Ende des Jahres aufgeführt werden und über die wir heute sprechen.



    Pál Frenák, einer der bekanntesten europäischen Choreografen und Tänzer teilt sein Künstlerleben zwischen Paris und Budapest. Die Temeswarer sind mit seinen Schöpfungen bereits vertraut, denn Frenák wurde an mehreren Auflagen des FEST — FDR (das Europäische Schauspielfestival Temeswar — Festival der Rumänischen Dramaturgie) eingeladen und war auch der erste ausländische Gastregisseur, der unter dem Motto sWitch“ eine Tanztheateraufführung am Temeswarer Nationaltheater inszenierte. Anfang Dezember schlugen Pál Frenák und das Temeswarer Nationaltheater dem Publikum die Theater- und Tanzaufführung Im Traum“ vor, einen umgekehrten Road-Movie, in dem sich Theater, Tanz und Kino verflechten. Ada Hausvater, die Leiterin des Nationaltheaters Temeswar:



    Es handelt sich um Geschichten unserer Zeit, die auf zeitgerechte Art erzählt werden. Es sind verschiedene Geschichten, die durch den Körper erzählt werden. Und auch viel Energie. Es sind wunderbare Bilder, die Schauspieler sind wunderbar, es sind einige fabelhafte Tänzer dabei. Alles wird durch den Tanz erlebt! Es ist eine schöne Geschichte, mit einem echten Cadillac in der Mitte der Bühne. Wir befinden uns im Auto, auf der Autobahn; abhängig von den persönlichen Anhaltspunkten haben wir die Gelegenheit, an berühmte Persönlichkeiten zu denken. Je mehr man wei‎ß, desto glücklicher ist man. Es ist ein besonders herausforderndes und intelligentes Schauspiel. Das ist für mich das Wichtigste, was Pál geschaffen hat. In diesem Schauspiel bleibt die Emotion der Hauptantrieb.“




    Der Multikulturalismus der Stadt am Bega-Fluss widerspiegelt sich auch in der Strategie des Nationaltheaters Temeswar. Ada Hausvater, die Leiterin der Anstalt:



    Es ist für uns sehr wichtig, mit Künstlern aus anderen Ländern zu arbeiten, gemeinsam unsere Erfahrungen und Ideale ins Nationaltheater zu bringen und jene Gemeinsamkeiten zu finden, die das Theater und das Schauspiel weiterbringen. Meiner Ansicht nach ist es unsere Pflicht, als Nationaltheater unsere Türen dem Neuen gegenüber zu öffnen. Damit uns das gelingt, müssen wir der Vielfalt Bedeutung verleihen. Es war wichtig für mich von Anfang an, dass das Theater sich nicht nur in einer Richtung öffnet und nicht zu urteilen: Das ist gut, das ist schlecht. Was uns wichtig als Mentalität erscheint, ist, die Kreativität zu fördern, die Fähigkeit des Einzelnen, originell und sensibel zu sein.“




    Zur Strategie des Deutschen Staatstheaters Temeswar gehört auch die Einladung einiger Regisseure aus dem Ausland. Lucian Vărşăndan, Leiter des Deutschen Staatstheaters in Temeswar (DSTT):



    Das Deutsche Staatstheater Temeswar hat als Ziel die Vorführung von deutschsprachigen Künstlern in Rumänien. Das erinnert mich an ein Gespräch mit einer Zuschauerin vor einigen Jahren, die mir gesagt hat, sie möchte im Deutschen Theater ab und zu sehen, wie man Theater im deutschsprachigen Raum macht. Die heutige Dramatik gehört zu den interessantesten und ist den grundlegenden Themen des zeitgenössischen Menschen gewidmet. In diesem Kontext ist es für uns wichtig, die Werke bedeutender Regisseure aus diesem Raum vorzustellen, von Regisseuren, die ihren Ruhm nicht nur im deutschsprachigen Raum erlangt haben, sondern auch über die Grenzen dieses Kulturraums hinaus bekannt sind. Ganz gewiss ist Volker Schmidt einer der Künstler, die all diese Voraussetzungen erfüllen. Seine Unterschrift, sei es als Regisseur oder als Dramaturg, findet sich auf Plakaten in vielen europäischen Ländern wieder, in zahlreichen Sprachen. Er ist also ein Regisseur und ein Schöpfer, der dem zeitgenössischen Theater stark verbunden ist.“




    Der Österreicher Volker Schmidt verzeichnet seine dritte Zusammenarbeit mit dem Deutschen Staatstheater in Temeswar. Er hat an diesem Jahresende seinen eigenen Text inszeniert — Eigentlich schön“ hei‎ßt die Produktion. Ein Schauspiel über das persönliche Leben der Menschen im heutigen Europa, das manchmal bei Weitem nicht so schön und fröhlich ist, wie sie in den Social Media oft inszenieren. Volker Schmidt:



    ›Eigentlich/actually/de fapt‹ ist das das Wort unserer Generation, sagt man. Dieses sagt aus, dass alles in Ordnung sei, aber in Wirklichkeit fehlt etwas. Ich hatte die Idee, diesen Titel zu verwenden, um darüber ein Theaterstück zu schreiben. Dieses dreht sich um diese leere Mitte. Es handelt von der Generation im Alter von rund 30 Jahren oder der Generation ›Eigentlich‹, die in einer Welt aufgewachsen ist, die alles hatte, aber politisch nicht korrekt handelt. Sie wollen alles offen lassen, alle Möglichkeiten haben, die ganze Zeit die Wahl haben, aber sie wollen sich nicht selbst erklären, sich selbst definieren.“




    Wir schlie‎ßen mit dem Ungarischen Staatstheater Gergely Csiky“, natürlich in Temeswar. Hier hat auch am Ende dieses Jahres Zoltán Puskás, unabhängiger Regisseur und Schauspieler aus Zenta (Serbien), das berühmte Musical Hair“ inszeniert. Die Einladung ausländischer Regisseure gehört auch zur Strategie des Theaters Gergely Csiky“. Schauspieler Attila Balázs, Leiter der Anstalt:



    Wir sind in diesem Teil des Banats, wo wir sehr nahe an Ungarn, an Serbien leben… Man kann sogar sagen, dass wir dieselbe Sprache sprechen. Auch wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen, verstehen wir uns sehr gut. Regisseur Zoltán Puskás hat bereits Musikaufführungen auf der Bühne des Ungarischen Theaters in Temeswar inszeniert. Ich denke, dass wir uns jetzt Mut gemacht haben und mit dem Musical »Hair« einen gro‎ßen Schritt nach vorne gemacht haben. In dieser Spielzeit haben wir auch eine Zusammenarbeit mit einem weiteren Regisseur aus Serbien, der in Montenegro geboren wurde. Der Balkan ist sehr interessant und lebendig. Da wir uns in unmittelbarer Nähe befinden, wissen wir, was da passiert, denn es gibt das Euroregionale Theaterfestival TESZT. Natürlich möchten wir auch weitere Regisseure einladen. Z.B. ziehen wir auch einen amerikanischen Regisseur in Erwägung. Aber nicht das ist wichtig. Die Linie, die das Ungarische Theater in Temeswar befolgt, ist wichtig. Es ist eine zeitgenössische Linie, mit lebendigen Schauspielen, mit einem energischen Ensemble, das gute Ergebnisse erzielen möchte.“

  • Ungarisches Staatstheater in Klausenburg: Das Minderheitentheater mit internationalem Renomee

    Ungarisches Staatstheater in Klausenburg: Das Minderheitentheater mit internationalem Renomee

    Das Ungarische Staatstheater in Cluj/Klausenburg hat im Laufe der Jahre sein Publikum mit wertvollen, preisgekrönten Aufführungen verwöhnt und während der letzten Spielzeiten wurde es als eines der besten Theater in Rumänien eingestuft. Neulich gab die Leitung des Ungarischen Staatstheaters die sieben Premieren bekannt, die für die Spielzeit 2015-2016 einstudiert wurden. Dazu der künstlerische Leiter András Visky:



    Das Ungarische Staatstheater hat eine Zuschauergemeinde, die eine gro‎ße Vielfalt an Aufführungen erwartet, von zeitgenössischen Projekten bis zu klassischen Stücken. Deshalb planen wir sorgfältig jede Spielzeit, um die verschiedensten Zuschauer zufrieden zu stellen. Wir versuchen auch die Kinder fürs Theater zu gewinnen, mit Projekten, die speziell für sie gedacht sind.“




    Die erste Premiere, am 9. Oktober, ist Julius Cäsar” von William Shakespeare, in der Regie von Silviu Purcărete. András Visky ist für die Dramaturgie der Aufführung verantwortlich:



    »Julius Cäsar« ist leider ein sehr aktuelles Theaterstück. Es ist ein politisches Stück, und es scheint, dass diese politische Dimension gerade die Übergangszeit, die wir erleben, aus einer universellen Perspektive darstellt. Dabei beziehe ich mich nicht auf Rumänien, sondern auf die Europäische Union. Die Art und Weise, wie Silviu Purcărete dieses Werk Shakespeares angeht, trägt einerseits das Markenzeichen Purcărete, aber andererseits enthält das Stück auch den shakespeareschen Pessimismus, der in unserer Zeit einen speziellen Wert hat. Die historischen Dramen Shakespeares enden fast immer apokalyptisch, alle Hauptfiguren verschwinden von der Bühne, es kommt eine neue Generation, die aber keine tiefgehende Versöhnung mit der Vergangenheit verspricht. Wenn wir keine selbstreflektierende, kathartische Beziehung zur Vergangenheit aufbauen, dann bleibt diese Vergangenheit in uns bestehen. Die Hauptmetapher in dieser Aufführung ist der Leichnam Cäsars, der auf der Bühne bleibt und zum Protagonisten des Geschehens wird, auch wenn Cäsar bereits ermordet wurde. Shakespeare zu inszenieren, bedeutet immer, den Text zu hinterfragen und zu entscheiden, welche Register wir ziehen. Silviu Purcărete bat mich um einen poetischen, aber auch zeitgemä‎ßen Text.“




    Die nächste Produktion dieser Spielzeit ist eine Aufführung über Migration, eine Bühnenbearbeitung nach dem Roman Amerika“ von Franz Kafka. Die Regie führte der Direktor des Nationaltheaters Prag, Michal Dočekal. Und der Regisseur László Béres inszenierte das Musical für Kinder Der ungeschickte Zauberer“ von Pál Békés. Im Februar 2016 wird der Regisseur Felix Alexa mit dem Text Der Pelikan“ von August Strindberg im Ungarischen Staatstheater Cluj präsent sein. Einen Monat später inszeniert der französische Regisseur Dominique Serrand, der zwei Tony-Awards gewonnen hat, eine experimentelle Musikshow, basierend auf den Requiems der klassischen Musik. In Mai 2016 findet die Uraufführung des Stückes Die Galoschen“ von György Dragomán statt. Der Autor stammt aus der siebenbürgischen Stadt Târgu Mureş (Neumarkt am Mieresch); die Inszenierung machte der Filmregisseur János Szász. Und Mihaela Panaite führt Regie bei einer Bühnenbearbeitung des Versepos Buch der Alten“ von Domokos Szilágyi, dem vielleicht wichtigsten ungarischen Dichter der 1960er und 1970er Jahre in Siebenbürgen.



    Das Ungarische Staatstheater Cluj soll vor allem dem Publikum, der gesamten, nicht nur ungarischsprachigen Gemeinschaft dienen, meint der künstlerische Leiter András Visky:



    In unserem Theater beschäftigte ich mich intensiv mit der Kommunikation. Ein Hauptanliegen war dabei, das Image eines ‚Stadttheaters‘ zu schaffen und das Image des ‚Minderheitentheaters‘ in den Hintergrund zu treiben. In einer globalen Kultur sind wir alle Minderheiten. Der Ausdruck ‚Minderheit‘ hat für mich keine negative Konnotation, weil die Kultur, die Kunst, die Literatur in unserem Alltag Minderheiten sind. Von diesem Gesichtspunkt der Minderheit betrachtet empfinde ich mich als Agent der Kulturinhalte. Daher sind wir ein Stadttheater, ein Theater unserer Stadt. Unsere Aufführungen haben rumänische Übertitel, und die Anzahl der rumänischsprachigen Zuschauer steigt. Sie beteiligen sich auch an vielen Gesprächsrunden, an Regionalprogrammen, und man spürt schon, dass unser Theater zum Theater unserer Stadt, zum Theater unserer Region geworden ist. Wir sind auch überall in Rumänien präsent, wir beteiligen uns an allen wichtigen Theaterfestivals. Gleichzeitig sind wir Mitglieder der Europäischen Theatervereinigung und wir nehmen regelmä‎ßig und selbstverständlich am europäischen Theatergeschehen teil. Wir beteiligen uns an vielen europäischen Theaterfestivals und das ist sowohl für unsere Schauspieler als auch für die ausländischen Kollegen, die bei uns Aufführungen inszenieren, besonders wichtig. Es bedeutet uns sehr viel, Teil des europäischen und universellen kulturellen Dialogs zu sein.“

  • Timişoara/Temeswar – Klein-Wien oder „Minieuropa“

    Timişoara/Temeswar – Klein-Wien oder „Minieuropa“

    Temeswar zählt zu den ersten Städten, die 1869 Pferdestra‎ßenbahn eröffnet hat. 1884 war sie die erste rumänische Stadt mit elektrischer Stra‎ßenbeleuchtung. Hier hatte die rumänische Revolution von Dezember 1989 ihren Ursprung. Dan Diaconu, Vize-Bürgermeister, bewirbt seine Stadt mit überschwenglichen Worten:



    In dieser Jahresperiode ist Temeswar eine spektakuläre Stadt. Wie Sie merken können, ist Temeswar eine Blumenstadt. Die Besucher erfreuen sich einer Symphonie von Farben und Düften. Die Stadt hat ein bedeutendes historisches Erbe sowie ein Architekturerbe, das zahlreiche Touristen anlockt und das besichtigt werden sollte. Temeswar rühmt sich mit 14.000 historischen Bauten.“




    Der Platz der Vereinigung ist der älteste Platz in Temeswar. Die um ihn liegenden Gebäuden sind im Barockstil gebaut. In der Nähe erheben sich der Dom oder der Römisch-Katholische Bischofssitz, die Serbisch-Orthodoxe Kathedrale, der serbische Bischofssitz, die Statue der Heiligen Dreifaltigkeit (die Pestsäule), der Barockpalast, der Springbrunnen und andere Gebäude aus dem 18.-19. Jh. In der Nähe des Barockpalastes liegt ein Stein, worauf der Plan der ehemaligen Burg aus dem 19. Jh. zu sehen ist.



    Temeswar hat ein reiches kulturelles Leben. Hier funktionieren das Nationaltheater Mihai Eminescu“, die Rumänische Oper, das Deutsche Staatstheater, das Ungarische Staatstheater, die Philharmoniker, das Kulturhaus. Das Nationaltheater, das Deutsche Theater, das Ungarische Theater und die Oper funktionieren symbolischerweise in demselbem Gebäude. Der Bau begann 1871 nach den Plänen der berühmten Wiener Architekten Helmer und Fellner und wurde 1875 fertiggestellt. Zwei Brände haben das Gebäude zerstört. Der Wiederaufbau bewahrte den originalen Stil (Renaissance) nur für die Seitenfassaden. Die Hauptfassade und der Saal sind im neubyzantinischen Stil, der für die rumänische Architektur Anfang des 20. Jh. charakteristisch ist.



    Auf dem Kanal des Stadtflusses Bega werden ab diesem Sommer öffentliche Verkehrsboote fahren. Bis dahin können die Besucher auf der 18 km langen Piste entlang des Kanals Rad fahren.

  • Fotoausstellung beim Theaterfestival „Interferenzen“ in Klausenburg

    Fotoausstellung beim Theaterfestival „Interferenzen“ in Klausenburg

    Das Internationale Theaterfestival Interferenţe“ (Interferenzen) findet im rumänischen Klausenburg (Cluj) statt. Das Festival bringt Theateraufführungen und Ausstellungen zum Thema Mărturiile corpului“ — Die Kundgaben des Körpers“ zusammen.



    Eine erste Ausstellung findet im Kunstmuseum in Cluj (Klausenburg) statt. Hören wir weiter den Museumsdirektor Călin Stegerean:



    Ich freue mich, dass Gabor Tompa, der Organisator des Festivals, auch die Organisierung dieser Ausstellung übenommen hat, die das Interesse des Publikums erwachen soll. Alle Werke, die hier ausgestellt sind, gehören dem Kunstmuseum. Ich glaube, sie sind der Ausdruck der Multikulturalität. Diese Kulturen beeinflussen sich gegenseitig. Wir sind ein kleines Team, trotzdem haben wir qualitätsvolle Veranstaltungen geboten. Das Kunstmuseum in Klausenburg ist zu einem der aktivsten, dynamischsten und geschätzten Museen in Rumänien geworden.




    Der Regisseur Gabor Tompa, Direktor des Festivals und Leiter des Ungarischen Staatstheaters in Klausenburg, erklärte, die Auswahl der Werke sei persönlich und weltlich und wolle keine ästhetisch-kritische Kriterien aufzwingen:



    Wer im Bereich Theater arbeitet, ist von der Bildhauerkunst, von den Malereien beeinflusst. Es gibt keine Bildhauerei, die au‎ßerhalb eines Raumkontextes interpretiert werden kann. Das hat mich künstlich inspiriert. Es interessiert mich, wie eine Statue, die aus einem bestimmten Raumkontext genommen wurde, eine andere Bedeutung erhält und eine dramatische Beziehung mit dem Rest der Werke und sogar dem Publikum beginnt. Ich habe versucht, eine Art Installation zu schaffen, indem ich allerlei Werke vermischt habe. Ich glaube, die Themen, die mich bewusst oder unbewusst beschäftigen, wurden, erst nachdem ich die Werke ausgewählt habe, bekannt. Ich habe Werke entdeckt, die sich um Themen entwickeln wie Leiden, klassischer Körper, gesunder Körper, Adam und Eva, Einsamkeit in der Familie, Mutterschaft, ein Thema, das nicht weggelassen werden kann, wenn wir über die Kundgaben des Körpers sprechen, und Kreuzigung, die an Erlösung gebunden ist. Keine Geschichte des menschlichen Körpers kann unabhängig von der Hoffnung auf Wiedergeburt, auf unsere Erlösung, betrachtet werden. Ohne diese Erlösung wäre alles sinnlos.“




    Das Foyer des Ungarischen Staatstheaters in Klausenburg beherbergt die Ausstellungen der Künstler, die das Festival lieben. Es ist eine Art Tradition geworden. Bei den vergangenen Festivals konnte das Publikum Ausstellungen des Bühnenbildners Helmut Sturmer und des Komponisten Vasile Şirli bewundern. Die Fotografin Mihaela Marin präsentiert in diesem Jahr Theaterfotos unter dem Titel Corpul ca un dar“ (Der Körper als Gabe“). Theaterkritiker George Banu dazu:




    Ich bin der Meinung, dass es um eine vielfältige Ausstellung geht. Meistens zeigen die Fotografen das Image eines exzessiven Körpers, eines grotowskischen, choreographischen Körpers. Diesmal sehen wir Bilder eines Körpers in Ekstase, aber auch materielle Bilder des Körpers. Die Vielfalt der Vorschläge, mit denen Mihaela Marin kommt, stimmt mit der von Gabor Tompa vorgeschlagenen Idee überein, und zwar: keine Einzelassuage des Körpers, sondern Bekundungen des Körpers. Es sind ganz subjektive Fotos. Wir erkennen die Wahl des Fotografen einerseits und das fotografierte Werk andererseits.“




    Die Ausstellung enthält ein paar wertvolle Fotos, die von Mihaela Marin in den letzten vier Jahren aufgenommen wurden. Mihaela Marin dazu:



    Das Thema hat Vieles anzubieten, besonders für Theaterfotografie, die im allgemeinen Bewegung, Mimik und Gestik ist. Das einzige Problem war, nur ein paar Fotos auszuwählen. Ich habe mich bemüht, jene Fotos auszuwählen, die eine Beziehung zum Festival haben. Es gibt Bilder, die ich vor vier und vor zwei Jahren beim Theaterfestival geschossen habe. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass ich die Gelegenheit hatte, sie zeigen zu können. Weitere Fotos haben das Ungarische Staatstheater im Vordergrund. Ich bin überzeugt, dass sie auch den Schauspielern gefallen haben. Sie sind eine sehr begabte Theatergruppe.“