Tag: Universitätsplatz

  • Rumänien gedenkt der Proteste auf dem Bukarester Universitätsplatz

    Rumänien gedenkt der Proteste auf dem Bukarester Universitätsplatz


    In diesen Tagen, in denen öffentliche Versammlungen wegen der Covid-19-Pandemie verboten sind, erinnern sich zahlreiche Rumänen an die Proteste auf dem Universitätsplatz in Bukarest. Diese wochenlange Erhebung, die vor 30 Jahren, wenige Monate nach der Revolution von 1989, in der Hauptstadt Bukarest stattfand, prägte die rumänische Gesellschaft für lange Zeit und wurde zu einem Bezugspunkt im antikommunistischen Kampf. Der Aufstand, den in der damaligen Gesellschaft, die gerade erst aus Jahrzehnten des Totalitarismus hervorgegangen war, nur wenige verstanden, führte zu einem akuten sozialen Bruch.




    Am 22. April 1990 versammelten sich Tausende von Menschen, die mit der politischen Situation im Land unzufrieden waren, auf dem Universitätsplatz — im Zentrum von Bukarest — und erklärten ihn zur “Ersten von Neokommunismus freien Zone”. Die Proteste richteten sich gegen Ion Iliescu und andere Spitzenpolitiker der Kommunistischen Partei, die nach der Revolution die Macht im Staat ergriffen hatten. Am Anfang waren es einige Hundert Menschen, die den Platz besetzten, doch, nachdem Ion Iliescu die Teilnehmer als Hooligans“ bezeichnet hatte, protestierten täglich ca. fünfzig Tausend Menschen. Die Bewegung dauerte 53 Tage. Sie wurde von herbeigerufenen Bergarbeitern aus einem Kohlebergbaugebiet in Südrumänien gewaltsam unterdrückt. Die als Marsch der Bergarbeiter“ bezeichnete Aktion wurde im Ausland und der Zivilgesellschaft scharf kritisiert. Ion Iliescu und der neuen linke Macht, die aus den damaligen Wahlen hervorging, wurden vorgeworfen, die Bergleute gegen die Demonstranten eingesetzt zu haben.




    Emil Constantinescu, ehemaliger rumänischer Präsident, Professor an der Universität Bukarest, der an den Protesten teilgenommen hat, spricht heute von einer Schule der Demokratie“. Constantinescu, der von 1996 bis 2000 Präsident war, stellte fest, die damaligen Machthaber fürchteten, dass die Menschen ihre Angst verlieren, hatten selbst Angst vor der Kraft der Wahrheit und dem Glauben am Idealen. Emil Constantinescu sagt nun, die damaligen Ereignisse sind, 30 Jahre danach, Geschichte geworden. Eine Geschichte, die dazu beigetragen hat, dass wir Teil der Europäischen Union, der Nordatlantischen Allianz und der etablierten Demokratien wurden.




    Wir stehen heute vor anderen Herausforderungen, anderen Schwierigkeiten und Unsicherheiten. Die Gesellschaft ist gespalten, der Hass ist von der Stra‎ße auf die sozialen Netzwerke übergegangen — glaubt der ehemalige Staatschef. In den wir uns an diesen Augenblick des Lichtes in der Dunkelheit“ erinnern, können wir nicht nur die lebensbedrohlichen Viren besiegen, sondern auch diejenigen die unsere Gewissen anstecken und verstehen, dass wir nur gemeinsam etwas erreichen können, folgert Emil Constantinescu.

  • Zeitgeschichte: Ausstellung thematisiert 70 Jahre der Protestkultur in Rumänien

    Zeitgeschichte: Ausstellung thematisiert 70 Jahre der Protestkultur in Rumänien

    Die Wurzeln der Protestkultur liegen in der Französischen Revolution des 18. Jahrhunderts. Proteste waren schon immer ein Ma‎ß für die Freiheit in einer modernen Gesellschaft. Tyrannen des 20. Jahrhunderts hatten eine pathologische Abneigung gegen Proteste, die ihre Autorität in Frage stellten. Diese Abneigung wurde von den illiberalen und populistischen Führern der gegenwärtigen Periode geerbt, die glücklicherweise nicht zum Verschwinden oder der Unterdrückung der Proteste geführt haben, wie es unter faschistischen und kommunistischen Regimen der Fall war.



    In der Zwischenkriegszeit waren Proteste in Rumänien ein gängiges Mittel, um Meinungsverschiedenheiten zwischen einer sozialen oder politischen Gruppe und den Behörden auszudrücken. Ab 1945, als das kommunistische Regime stufenweise etabliert wurde, begann auch die brutale Unterdrückung der Proteste. Doch auch zwischen 1945 und 1989 protestierten die Rumänen, wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen unerträglich wurden. Solche Proteste waren die Streiks der Bergleute 1977 und die Streiks der Arbeiter in den Schwerlastmaschinenfabriken Steagul Roşu“ und Tractorul“ in Braşov (Kronstadt). Und 1989 erlangten die Rumänen wie in einem Racheakt der Geschichte ihr Recht auf Protest durch massive Proteste wieder, die zum Sturz des Regimes führten. Seitdem kann die jüngste rumänische Geschichte auch aus der Perspektive des Wiederanschlusses an die Protestkultur betrachtet werden.



    Die Dichterin Ana Blandiana, eine Gegnerin des kommunistischen Regimes und eine öffentliche Figur, die einen wichtigen Beitrag zur Wiedergeburt des Protestes in Rumänien geleistet hat, hat kürzlich eine Ausstellung unter den Stichworten Demokratie und Protest“ eröffnet. Blandiana sagte, dass der Zweck darin bestand, die Erinnerung an die Momente wiederherzustellen, die die Wiedergeburt des Geistes des Protestes markiert haben:



    Diese Idee, die nicht originell ist, enthält einige besondere Highlights der Gegenwart. Wir wollten die gro‎ßen Proteste, die in Rumänien von 1945 an stattgefunden haben, beginnend mit den ersten Protesten gegen das aufstrebende kommunistische Regime bis hin zu den Protesten auf dem Siegesplatz Anfang 2017, zusammenfassen. Wir sprechen von einer Zeitspanne von über einem halben Jahrhundert, mit 30 Jahren Freiheit und 45 Jahren Diktatur. Es ist ein Appell, eine Kultur des Protestes aufzubauen. Eine wahre Zivilisation hat eine Kultur des Protestes, und eine Kultur des Protestes bedeutet, verschiedene Proteste im Laufe der Jahre miteinander zu verbinden. Die Proteste gegen die Goldförderung in Roşia Montană wurden mit viel Naivität und Freimut betrachtet, und zwar deshalb, weil man schlichtweg behauptete, es seien die ersten echten Proteste in der modernen Geschichte Rumäniens gewesen. Das hat mich erstaunt, denn die Hälfte der Demonstranten auf dem Siegesplatz (Piaţa Victoriei) waren dieselben Menschen, die 20 Jahre zuvor auf dem Universitätsplatz protestiert hatten. Die Menschen, die 2017 erstmals auf die Stra‎ße gingen, wussten das einfach nicht, denn wir leben in einer Gesellschaft, die systematisch die Erinnerung zerstört. Es ging nicht um schlechten Willen, es war vielmehr ein schlechtes Omen, das einen beunruhigen konnte, denn es ging um die Zukunft einer Generationen, die nicht aus der Erfahrung der Vergangenheit schöpfen wollte.“




    Proteste sind allerdings nicht immer vorteilhaft für die Demokratie. Ana Blandiana berichtet weiter:



    Ich habe unlängst aus den USA einen Essay mit dem Titel »Die Sprache des Protestes« bekommen. Auf dem Umschlag befindet sich das berühmte Anarchiesymbol, das A im Kreis. Ich hatte eine Offenbarung, als ich das las, der Essay berichtet über den Unterschied zwischen den Formen des Protestes. Für den Amerikaner, der das Buch geschrieben hat, war der Protest ein Weg, die Gesellschaft herauszufordern. Die Anarchie will die Gesellschaft zerstören, oftmals ohne viel darüber zu sagen, was sie an ihrer Stelle errichten will. Die Proteste, über die wir für diese Ausstellung nachdachten, sprachen sich für die Rechtsstaatlichkeit aus, um sie zu unterstützen. Bereits 1945 war sie bedroht und stand kurz davor, zerstört zu werden, aber die Menschen stemmten sich dagegen. Wofür sonst waren die Proteste von 1987 in Braşov? Die jungen Aufständischen, die die Arbeiter in Braşov vertraten, waren beinahe keine Erwachsene. Danach war das Jahrzehnt der Bürgerallianz [in den 1990er Jahren — Anm. d. Red.] ein Plädoyer und ein Protest gegen die Weigerung, auf der Grundlage der Proklamation von Timişoara einen Rechtsstaat aufzubauen. Und die Proteste von 2017 sind schlicht Proteste der Menschen, die nicht akzeptieren wollen, dass Rumänien nicht in der Lage ist, die Rechtsstaatlichkeit zu konsolidieren.“




    Die Kultur des Protestes ist für die Rumänen nach 50 Jahren Unterdrückung zur zweiten Natur geworden. Die 1990er Jahre waren geprägt von einer Vielzahl von Protesten, vom konstruktiven friedlichen Protest bis hin zu extrem gewalttätigen Formen. Politische Proteste sorgten jahrelang für Schlagzeilen in Zeitungen sowie in Fernseh- und Radionachrichten. Der 52-tägige Marathonprotest auf dem Universitätsplatz im April–Mai 1990 bleibt der Höhepunkt für Menschen, die glauben, dass es von grö‎ßter Bedeutung ist, Nein“ zu sagen, wenn sie das Gefühl haben, dass Politiker die Gesellschaft nicht auf dem Weg zum Gemeinwohl führen. Man kann sagen, dass die Wiedergeburt des Protestes in Rumänien nach 1989 mit einer Wiedergeburt der Demokratie und einer Form der Politik verbunden war, in der die Menschen nach dem Gemeinwohl streben.

  • Bergarbeiteraufmärsche: Anklageschrift ungesetzmäßig?

    Bergarbeiteraufmärsche: Anklageschrift ungesetzmäßig?

    Die Schlagzeilen machen derzeit der EU-Gipfel in Hermannstadt sowie die Europawahlen am 26. Mai. Allerdings gibt es auch vom Justizbereich nicht weniger spektakuläre Meldungen.



    Der Interims-Generalstaatsanwalt Bogdan Licu hat am Mittwoch im Dossier der Bergarbeiteraufmärsche vom Juni 1990 die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beanstandet. Das Gericht hatte die Strafakte an die Staatsanwaltschaft zurückgeschickt. Zuvor hatte ein Richter der Gerichtskammer für Voruntersuchungen die Anklageschrift für ungesetzmäßig befunden.



    Vor zwei Jahren hatten Militärstaatsanwälte ihre Ermittlungen im Dossier der sogenannten Mineriade, der Bergarbeiteraufmärsche also, abschlossen. 14 Personen waren infolgedessen unter Anklage gestellt worden, darunter sehr prominente Namen: etwa der Ex-Präsident Ion Iliescu, der damalige Premierminister Petre Roman, sein Stellvertreter, Gelu Voican-Voiculescu, und der damalige Nachrichtendienst-Chef Virgil Măgureanu. Laut Anklage hätten die Genannten sich direkt an der Planung und Durchführung des Übergriffs auf die friedlichen Demonstranten auf dem Universitätsplatz in Bukarest beteiligt. Bei den Kundgebungen hatten sich die Teilnehmer gegen die damalige politische Machtriege aufgelehnt.



    Am 20. Mai 1990, fünf Monate nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur von Nicolae Ceauşescu, waren in Rumänien die ersten freien Wahlen abgehalten worden – Ion Iliescu, ehemaliger Minister in den 1970er Jahren unter Ceauşescu, gelang dabei ein unumstrittener Sieg mit etwa 85% der Stimmen. Iliescu hatte es geschafft, sich im Tumult der antikommunistischen Revolution von 1989 als Anführer zu etablieren, obwohl er ebenfalls aus den Reihen der Nomenklatura stammte. Seine Partei, eine Mischung aus authentischen Revolutionären und zweitrangigen Kommunisten, belegte nach der Wahl zwei Drittel der Sitze im ersten postkommunistischen Parlament.



    Im April 1990 hatten Studenten den Universitätsplatz besetzt und ihn zur neokommunismus-freien Zone erklärt. Die Geste war als Protest gegen den sich abzeichnenden Verbleib ehemaliger Kommunisten in der Machtetage gedacht. Doch nach den deutlichen Wahlergebnissen waren die meisten der ursprünglich zehntausenden von Demonstranten weggeblieben. Auf dem Platz harrten noch einige Dutzend Personen im Hungerstreik aus. In der Nacht von 13 auf den 14 Juni räumte die Polizei den Platz mit unverhältnismäßiger Gewalt – der Einsatz erinnerte an die Unterdrückungsmaßnahmen während der Revolution.



    Bis heute bleibt ungeklärt, wer an den gewalttätigen Ausschreitungen des Folgetages beteiligt war – es ist nicht klar, ob die gewalttätigen Personen, die sich Straßenkämpfe mit der Polizei lieferten und Angriffe auf den Sitz des Innenministeriunms und der Fernsehanstalt starteten, eine Verbindung zu den Kundgebungen auf dem Universitätsplatz hatten. Iliescu und seine Nahestehenden bezeichneten sie als Legionäre, in Anlehnung an die extreme Rechte der Zwischenkriegszeit. Obwohl die Armee bereits die Ordnung wieder hergestellt hatte, riefen die Machthaber die Bevölkerung zur Rettung der angeblich erneut gefährdeten Demokratie“ auf.



    Bergarbeiter aus dem zentralrumänischen Schiltal folgten dem Aufruf und marschierten am 14. und 15. Juni auf den Straßen der rumänischen Hauptstadt auf. Sie mussten den Behörden über ihr Handeln offenbar keine Rechenschaft geben. Zurück blieben über 1300 Verletzte und mindestens sechs Tote, mehr als Tausend Menschen wurden missbräuchlich verhaftet. Die Bukarester Universität wurde verwüstet, ebenso die Sitze der Oppositionsparteien und der unabhängigen Zeitungen.



    Vor fünf Jahren zwang der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Rumänien in einem Beschluss, das Verfahren zu den Bergarbeiteraufmärschen von 1990 neu aufzurollen. Die ehemalige Generalstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi musste einräumen, dass das Ermittlungsverfahren zur Mineriade zu den größten Misserfolgen in der Geschichte der Generalstaatsanwaltschaft gehört.

  • Nachrichten 20.02.2018

    Nachrichten 20.02.2018

    BRÜSSEL: Rumäniens Ministerpräsidentin Viorica Dancila unternimmt am Dienstag und Mittwoch ihren ersten offiziellen Auslandsbesuch in Brüssel. Die Regierungschefin wird mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker, mit dem EU-Ratspräsidenten, Donald Tusk, mit dem Präsidenten des EU-Parlaments, Antonio Tajani und der EU-Kommissarin für Regionalpolitik, Corina Cretu, zusammen kommen. Die Intensivierung der Beziehung zwischen den Behörden in Bukarest und Brüssel spiele eine wesentliche Rolle, meint die Ministerpräsidentin Viorica Dancila, sowohl aus der Perspektive der rumänischen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft in 2019, als auch der Einbindung Rumäniens in wichtige EU-Projekte. Sie unterstütze zudem eine aktive Teilnahme an den Gesprächen betreffend die wirtschaftliche Zukunft der Union.



    BUKAREST: Beim Obersten Kassations-und Justizgericht in Bukarest hat heute der Prozess in der Mineriade-Akte vom 13-15. Juni 1990 gestartet. Dabei handelt es sich um den Bergarbeitereinfall in Bukarest. Unter anderen werden der Ex-Staatschef Ion Iliescu und der Ex-Premier Petre Roman der Verbrechen gegen die Menschheit beschuldigt. Die Staatsanwälte meinen, die staatlichen Behörden hätten die gewalttätige Attacke gegen die friedlichen Demonstranten auf dem Universitätsplatz in Bukarest geplant. Es hätten staatliche Kräfte und Tausende Bergarbeiter und Arbeiter aus mehreren Regionen des Landes teilgenommen. Vier Personen kamen dabei ums Leben und knapp 1400 wurden verletzt. Mehr dazu nach den Nachrichten.



    BUKAREST: Rumänien werde am Ausbau des Militärstützpunktes im südöstlichen Mihail Kogalniceanu teilnehmen. Das erklärte der rumänische Verteidigungsminister Mihai Fifor. In diesem Sinne habe er schon Gespräche mit den amerikanischen Partnern geführt. Zudem wünsche er sich eine permanente Anwesenheit der amerikanischen Militärs in Mihail Kogalniceanu. In den letzten Jahren haben Tausende rumänische und amerikanische Militärs an gemeinsamen Übungen in Kogalniceanu teilgenommen. Ebenfalls hier fanden letztes Jahres Luftpolizei-Missionen zusammen mit den britischen und den kanadischen Luftstreitkräften statt. Andererseits hat der Senat am Montag den Gesetzentwurf betreffend den Kauf von HIMARS-Raketenwerfern einstimmig gebilligt. Rumänien möchte drei solche Systeme im Wert von 1,5 Milliarden Euro kaufen. Der Gesetzentwurf geht weiter zur Abgeordnetenkammer, sie ist in diesem Fall Entscheidungskammer.

  • Verantwortliche für Bergarbeitereinfall vom Juni 1990 vor Gericht

    Verantwortliche für Bergarbeitereinfall vom Juni 1990 vor Gericht

    Nach 27 Jahren Ermittlungen, Anschuldigungen, Kontroversen und Spekulationen wurden der erste Staatschef des postkommunistischen Rumänien, Ion Iliescu, der ehemalige Premierminister Petre Roman, der Ex-Direktor des Nachrichtendienstes SRI, Virgil Măgureanu, der ehemalige Gewerkschaftsführer der Bergleute im Schil-Tal, Miron Cozma, zusammen mit weiteren 10 Personen vor Gericht gestellt. Sie wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Fall des Bergarbeitereinfalls vom Juni 1990 angeklagt. Die sogen. Mineriade-Akte richtet sich gegen die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen gegen die linke Regierung, die nach dem Fall der kommunistischen Diktatur im Dezember 1989 die Macht übernommen hatte. Der Fall war nach 20 Jahren zu den Akten gelegt worden. Bis zur Wiederaufrollung des Falls war kein Verantwortlicher für die gewaltsame Niederschlagung der Protestaktionen gefunden worden.



    Die Strafverfahren wurden Anfang 2015 wiedereröffnet, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die rumänischen Behörden verpflichtet hatte, die Verantwortlichen für den Tod von vier Menschen, für die physische Verletzung oder psychische Beeinträchtigung von rund 1400 Personen, für die illegale Verhaftung und Festnahme von Demonstranten sowie für das schlechte Image Rumäniens zu identifizieren. Die Ereignisse fanden einen Monat nach den ersten freien Wahlen statt, die das postkommunistische Regime von Ion Iliescu bestätigt hatten. Weil dieser seine echte Befürwortung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft nicht glaubhaft beweisen konnte, hatten die radikalsten Teilnehmer an den Marathon-Protesten auch nach den Wahlen am Universitätsplatz ausgeharrt. Ion Iliescu behauptete damals, es sei ein Putschversuch der extremen Rechte, und forderte die Bevölkerung auf, die demokratischen Institutionen zu verteidigen. Die Staatsanwaltschaft ist aber der Auffassung, dass die staatlichen Behörden eine gewaltsame Räumung des Universitätsplatzes durchgeführt haben, wo die Demonstranten friedlich protestierten. Die Militärstaatsanwälte legen nahe, dass sich Kräfte des Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums und des Rumänischen Nachrichtendienstes SRI unrechtmä‎ßig an dieser Räumungsaktion beteiligt haben. Hinzu kamen mehr als 10.000 herbeigerufene Bergleute und Arbeiter aus anderen Landesregionen. Sie verwüsteten die Geschäftsräume einiger unabhängiger Zeitungen, die Sitze der Oppositionsparteien sowie Teile des Universitätsgebäudes und schlugen wahllos Demonstranten und unbeteiligte Passanten spitalreif zusammen.



    Der ehemalige Staatschef Ion Iliescu wurde wegen seines Befehls angeklagt, die Demonstranten durch Gewalt vom Universitätsplatz mithilfe der Arbeiter aus den gro‎ßen Bukarester Fabriken vom Universitätsplatz zu evakuieren. Der Einsatz der Ordnungskräfte am Morgen des 13. Juni 1990 habe nicht als Zweck gehabt, die Demonstranten durch friedliche Mittel zu zerstreuen. Laut Anklageschrift kannten die Personen, die in den Sitz des Rumänischen Nachrichtendienstes im Juni 1990 eingedrungen waren, den Plan des Gebäudes, was beweise, dass diese keine Demonstranten waren, so wie die Behörden behaupteten. Zwei Opfer, die gegen Abend des 13. Juni 1990 im Gebäude des Innenministeriums ums Leben kamen, wurden im Nacken erschossen, doch die Täter blieben unbekannt. Die Militärstaatsanwälte beanstanden weiter, dass die Demonstranten, die unrechtmä‎ßig festgenommen und verhaftet worden waren, wie Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg behandelt worden seien. Die 14 angeklagten Personen werden nun vor den Obersten Justiz- und Kassationshof gebracht.

  • Späte Gerechtigkeit: Verantwortliche für Bergarbeitereinfall vom Juni 1990 vor Gericht

    Späte Gerechtigkeit: Verantwortliche für Bergarbeitereinfall vom Juni 1990 vor Gericht

    14 Personen wurden in der sogenannten Mineriade-Akte vom 13.-15. Juni 1990 wegen Verbrechen gegen die Menschheit angeklagt. Schwerwiegende Namen, die in den ersten Jahren nach der Wende 1989 eine wichtige Rolle gespielt haben, werden vor den Obersten Kassations- und Justizhof gebracht: der ehemalige linksgerichtete Staatschef Ion Iliescu, der ehemalige Premierminister Petre Roman, der Ex-Vizepremier Gelu Voican-Voiculescu, der ehemalige Direktor des Nachrichtendienstes SRI Virgil Măgureanu sowie Miron Cozma, der ehemalige Gewerkschaftsführer der Bergleute im Schil-Tal. Sie bilden die kollektive Gestalt dieser düsteren Geschichte. Die Ereignisse fanden einen Monat nach den ersten freien Wahlen statt, die das postkommunistische Regime von Ion Iliescu bestätigt hatten. Weil dieser seine echte Befürwortung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft nicht glaubhaft beweisen konnte, hatten die radikalsten Teilnehmer an den Marathon-Protesten auch nach den Wahlen am Universitätsplatz ausgeharrt. Ion Iliescu erklärte damals, es sei ein Putschversuch der extremen Rechte, und forderte die Bevölkerung auf, die demokratischen Institutionen zu verteidigen. Tausende Bergleute kamen nach Bukarest, verprügelten Studenten und Intellektuelle und zertrümmerten die Geschäftsräume mehrerer Zeitungen, Parteien in der Opposition und Hochschuleinrichtungen. Marian Lazăr, Militärstaatsanwalt, dazu:



    Diese gewaltsame Niederschlagung der Protestaktionen war eine Folge der Ablenkungsmanöver und der Manipulation der Öffentlichkeit durch die Behörden des Staates, die von den Angeklagten vertreten waren. Die Realität wurde verzerrt dargestellt. Es wurde die Idee propagiert, dass es sich um eine Rebellion faschistischer Art handle. Die Demonstranten, die ihre politischen Meinungen äu‎ßerten, wurden als extremistische, reaktionäre Elemente präsentiert. Der damalige Staatspräsident bezeichnete sie als »golani« (Lümmel). Die Menschen, die auf dem Universitätsplatz verhaftet wurden, und andere, die verdächtigt wurden, einen Zusammenhang mit den Demonstrationen zu haben, wurden in Kasernen des rumänischen Innenministeriums gebracht, in Räume, die dafür ungeeignet waren. Sie wurden dort bis zum 21. Juni 1990 festgehalten.“



    Während der Unruhen und des Einsatzes der Ordnungskräfte wurden 4 Menschen tödlich erschossen, weitere 1400 wurden physisch oder psychisch verletzt, während 1250 unrechtmä‎ßig festgenommen wurden. 2015 veranlasste die Generalstaatsanwaltschaft die Wiedereröffnung des eingestellten Strafverfahrens und erhob Anklage gegen Ion Iliescu, Petre Roman und Virgil Măgureanu. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die rumänischen Behörden verpflichtet, die Verantwortlichen zu identifizieren. 2009 war die Akte geschlossen, ohne dass ein Verantwortlicher gefunden wurde. Iliescu hatte während der ganzen Zeit beteuert, dass er keine Verantwortung für die Unruhen im Juni 1990 trage.

  • Nach Rücktritt der Regierung: Weitere Protestmärsche angekündigt

    Nach Rücktritt der Regierung: Weitere Protestmärsche angekündigt

    Gut 20.000 Menschen hatten am Dienstagabend bei einem Protestmarsch im Stadtzentrum von Bukarest den Rücktritt von Ministerpräsident Victor Ponta und Innenminister Gabriel Oprea gefordert, sowie den des Bürgermeisters des 4. Bezirks, in dem die Tragödie stattfand. Die drei galten nach Ansicht vieler Protesteilnehmer als Exponenten der für die Katastrophe schuldigen politischen Klasse. Und die Anstrengungen der Demonstranten sollten gleich am nächsten Morgen mit einem Teilerfolg belohnt werden: Der Ministerpräsident legte sein Amt nieder und kündigte damit der gesamten Regierung. Es wäre ein Fehler gewesen, den Unmut der Menschen zu ignorieren, sagte Ponta, dessen Rücktrittsgeste kurze Zeit später von dem Bürgermeister des 4. Bezirks wiederholt wurde.



    Dennoch kehrten die Zehntausenden Antisystem–Demonstranten am Mittwochabend in Bukarest und anderen Städten auf die Straßen zurück. Sie würden so lange weitermachen, bis die gesamte Politik reformiert sei, lautete der Tenor. Wir sind keine Zahlen, wir sind lebendig, wir sind so lebendig, denn der Tag, an dem wir aufgeben, ist der Tag an dem wir sterben!“ – stand auf vielen Plakaten. Ein Zitat aus einem der Songs von Goodbye to Gravity, der Heavy-Metal-Band, die am Abend des tödlichen Feuers im Klub Colectiv konzertierte.



    Lasst uns der politischen Klasse zeigen, dass sie korrupt ist und wir eine Veränderung wollen. Wir wollen, dass die nächte politische Klasse, die wir hoffentlich in der neuen Regierung verankern werden, die Fehler aller Regierungen der letzten 25 Jahre nicht mehr wiederholt. Wir wollen ein Alarmzeichen senden und die gesamte politische Klasse herausfordern, die bisherigen Fehler nicht mehr zu wiederholen und auf die Stimme der Straße zu hören.



    Ich glaube, es war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Letztenendes geht es nicht nur um die Schuldfrage, um die Schuldigen für all die Toten, es geht um Verantwortung, einschließlich der politischen Frage.


    (Protestteilnehmer in Bukarest)



    In Bukarest waren vor allem systemkritische Parolen zu hören, etwa Alle Parteien, ein und derselbe Dreck!. Dem Präsidenten wollte man signalisieren, dass er mit der Nominierung des neuen Ministerpräsidenten nach der Beratungsrunde mit den Parteien, seine letzte Chance bekomme. Indes werfen die bestürzten und zutiefst betroffenen Bürger dem Patriarchen Daniel vor, dass er sich bislang nicht an den Unglücksort begeben habe.



    Die Proteste dehnten sich am Mittwochabend flächendeckend aus. Laut Hochrechnungen hätten zusätzlich 35.000 Menschen in Timişoara, Cluj, Braşov, Târgu Jiu, Iaşi, Alba Iulia, Miercurea-Ciuc, Ploieşti, Brăila und Constanţa, sowie in Paris und London demonstriert. Bei den Massenkundgebungen handele es sich laut Expertenmeinungen um eine bewusste Revolte der Bevölkerung, die zeige, dass die Bürgerbewegungen der überwiegend jungen Menschen gereift seien. Es ist keine politische Bewegung, sondern eine spontane Geste, die von der Tragödie der unschuldig verstorbenen Konzertgänger ausgelöst wurde. Die Opfer seien aber nicht gestorben, sie hätten uns geweckt, hörte man gestern auf dem Universitätsplatz zu Bukarest.