Tag: Urbanistik

  • Stadtviertel-Bildnisse: städtische Lebensräume durch Künstler und Einwohner porträtiert

    Stadtviertel-Bildnisse: städtische Lebensräume durch Künstler und Einwohner porträtiert

    Zwei Bukarester Bürgerorganisationen starteten vor kurzem eine gemeinsame Initiative. Sie forderten die Bewohner der rumänischen Hauptstadt auf, an mehreren interaktiven Workshops teilzunehmen. Sie bekamen somit die Möglichkeit, ihre Beziehung zu ihrem Lebensraum, zu ihren Nachbarn in der Umgebung, zur Geschichte der Orte, an denen sie täglich vorbeikommen, zu überdenken. Im März 2019 wurde das Projekt Stadtviertel-Bildnisse“ gestartet. Künstler und Mitarbeiter zweier Vereine, nämlich Antistatic und ATU (Asociaţia pentru Tranziţie Urbană / Verein für den Wandel im Städtebau), schlagen den Bürgern ein neues Konzept vor — sie wollen sich die Bukarester Stadtviertel genauer anschauen und ein Bild dessen, was sie erfahren, unter Form kollektiver und zugleich subjektiver Bildnisse dem Publikum präsentieren.



    Dafür sollen zwei Stadtteile erforscht werden: Străuleşti (Bucureştii Noi) und Calea Călăraşilor. Als erstes soll das Stadtviertel Străuleşti bis Juni dieses Jahres untersucht werden. Acht bildende Künstler begannen bereits ihre Erkundungsarbeit und freundeten sich schon mit mehreren Stadtviertelbewohnern an. Andra Mitia Dumitru ist Anthropologin und gleichzeitig eine der Mitbegründerinnen des Vorhabens. Sie erzählte uns mehr über das Projekt Urboteca“.



    »Urboteca« ist ebenfalls ein Projekt des Vereins ATU, der sich für eine echte Wende im Städtebau einsetzt. Unser Ziel ist, die Bürger an der Entwicklung der Stadt teilnehmen zu lassen. Demnach fordern wir die Behörden auf, die Stadtbewohner zu konsultieren, bevor sie die Schwerpunkte der Stadtplanung festsetzen. Eine solche Zusammenarbeit wäre günstig für alle teilnehmenden Parteien, sowohl für die Verwaltung wie auch für die möglichen Investoren und für die Einwohner. Au‎ßerdem versuchen die Mitglieder unseres Vereins auch die Stadtforschung auf akademischen Level zu fördern.“




    Eduard Bălaş vertritt die gemeinnützige Organisation Antistatic. Er erzählte uns, wie sie auf die Idee der Stadtviertel-Bildnisse“ kamen:



    Wir wollten die Kunst zugänglicher machen und junge Künstler fördern. Wir hatten nämlich den Eindruck, dass Kunstgalerien, Museen und Ausstellungen ein begrenztes Publikum anlocken. Daher nahmen wir uns vor, flexibler, spontaner und mobiler zu sein. So kamen wir auf den Gedanken einer mobilen Galerie. Dafür schlossen wir die Partnerschaft mit ATU, dem Verein für den Wandel im Städtebau. Denn sie verfügten über einen LKW, den sie für ihre Urbanistik-Aktivitäten verwendeten. Diesen LKW wandelten wir in eine mobile Galerie um. 2017 und 2018 machten wir Gebrauch davon während der Nacht der Galerien. Wir organisierten zwei Gruppenausstellungen, mit denen wir ein breiteres Publikum erreichen wollten. Die erste Ausstellung fand im Hof des Mathematikinstituts im Jahr 2017 statt. Konkret: Wir parkten unseren LKW im Hof des Instituts. Die »Stadtviertelbildnisse« haben wir ebenfalls als Wanderausstellung entworfen. Hauptsache ist, unsere Kunst wird von möglichst vielen Menschen gesehen.“




    Andra Dumitru, die Vertreterin von ATU, fügte noch hinzu:



    Wir legen gro‎ßen Wert auf Interdisziplinarität und Vernetzung. Vor diesem Hintergrund ist die Begegnung zwischen den Künstlern von Antistatic und den Mitarbeitern von ATU, dem Verein für einen echten Wandel im Städtebau, besonders wichtig. Die Künstler zeigen uns, wie die Menschen ihren Lebensraum wahrnehmen, wie sie ihren Alltag aufbauen. Sie bereichern diese Wahrnehmung um eine künstlerische Dimension. Unsere Aufgabe ist, mit dem bunten LKW herumzufahren, ins Gespräch mit den Menschen zu treten, um zu schauen, wie sie leben, wie sie die Wirklichkeit um sich herum wahrnehmen. Und wir wollen zusammen Strategien zur Stadtentwicklung planen.“




    Dieses Projekt sei Teil eines umfangreicheren Vorhabens, Urbane Erziehung live“. Es handelt sich um ein Projekt, an dem sich weitere drei Länder beteiligen — nämlich Finnland, Slowenien und England. Die Architekturuniversität in Sheffield prüft unter anderem akademische Methoden zur Verbesserung der Städtegemeinschaften.



    Die Projektteilnehmer setzen derzeit das Projekt im Stadtviertel Bucureştii Noi um. Die Einwohner dieses Stadtviertels organisierten sich unter Form einer zivilgesellschaftlichen Gruppe. Das lockte unsere Gesprächspartner an. Dazu Eduard Bălaş:



    Bis jetzt organisierten wir Workshops für Kinder innerhalb der Schulwoche »Bildung anders«. Die Ergebnisse waren überraschend positiv. Wir sind daran interessiert, wie die Leute ihren Lebensraum wahrnehmen, wir wollen ihre subjektiven Erfahrungen kennenlernen. Das Bildnis des Stadtviertels, das wir erstellen werden, soll ein kollektives Porträt sein, das die allgemeinen Züge der Ortsgemeinschaft widergibt. Wir forderten die Kinder auf, ihren Lebensraum, die Umgebung, in der sie wohnen, zu malen. Während des Monats Mai werden wir unseren LKW — also die mobile Galerie — im Schulhof der Schule Nr. 184 parken. Dort werden wir ebenfalls Workshops für Kinder veranstalten. Danach werden wir eine Ausstellung organisieren.“




    Die Schlüsse, die sich aus diesen Workshops und der künstlerischen Forschung ergeben, werden von den Künstlern genutzt. Diese werden auch die von den Stadtvierteleinwohnern bereitgestellten Elemente aufnehmen und ihre Werke in jedem Stadtteil sowie in der Innenstadt von Bukarest präsentieren.

  • Nachhaltige Stadtentwicklung: Das Projekt „Smart River Dâmboviţa“

    Nachhaltige Stadtentwicklung: Das Projekt „Smart River Dâmboviţa“

    Viele europäische Städte richten ihr Leben rund um den Fluss ein, an dem sie liegen. Sie schöpfen das Potential einer solchen Ressource völlig aus. Leider hat sich Bukarest bislang nicht ein Beispiel daran genommen. Der Fluss Dâmboviţa, der durch die rumänische Hauptstadt flie‎ßt, wurde lange Zeit vernachlässigt. Ab jetzt soll sich das ändern — das wünschen sich zumindest die NGOs, die in diesem Bereich tätig sind.



    Die Europäische Kommission veranstaltet alljährlich in Rumänien ein der städtischen Entwicklung gewidmetes Fest — das sogenannte Urban Fest. Dadurch sollen europäische Werte im Zusammenhang mit der Urbanistik und der nachhaltigen örtlichen Entwicklung gefördert werden. Das dieses Jahr Mitte Juni stattgefundene Urban Fest nahm sich vor, die Rolle der Flüsse in Bezug auf die städtische Erneuerung in modernen Gro‎ßstädten zur Debatte zu stellen. Das Thema des Festivals lautete BlueGreen — Flüsse in Smart Cities“. Die Debatte fand in Zusammenhang mit der europäischen Politik für regionale Entwicklung statt. Im Falle von Bukarest handelt es sich um die Umgestaltung des Flusslaufs der Dâmboviţa, einem Nebenfluss des Stroms Argeş. Der Fluss Dâmboviţa flie‎ßt quer durch die rumänische Hauptstadt, vom Damm Lacul Morii bis hin zur Autobahn A2, der sogenannten Sonnen-Autobahn.



    Eine gemeinnützige Organisation nahm sich vor, den Fluss Dâmboviţa aufzuwerten. Dafür will sie Bürger aller Altersgruppen an neue städtische Vorhaben mitwirken lassen. Daniela Calciu, Mitglied im Verband für den städtischen Wandel, erzählte uns über die ersten Schritte, die gemacht wurden, damit die sich Bürger an den Projekten zur Umgestaltung des Verlaufs des Flusses Dâmboviţa mitbeteiligen. In einer ersten Etappe mussten sämtliche Projekte auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, verdeutlichte Daniela Calciu.



    Der Verband für den städtischen Wandel wickelt zusammen mit dem Verband »Poiana lui Iocan« ein unter dem Namen »Urboteca« bekanntes Projekt ab. Konkret — wir gehen zu unterschiedlichen Orten innerhalb von Bukarest und versuchen das Interesse der Bürger für Stadtplanung und –entwicklung zu erwecken. Beim Urban Fest haben wir eine Umfrage organisiert. Wir haben einen Fragebogen erstellt und ihn »Der goldene Fisch« getauft. Denn er erfasste Wünsche und Ideen der Besucher in Bezug auf den Fluss Dâmboviţa. Die Bewertung der etwa 400 ausgefüllten Fragebögen ergab, dass die Leute einen Fluss wie im Ausland vermissen. Obwohl sie das nicht oft genug laut aussprechen. Demnach nahmen wir uns vor, die Wünsche, Gedanken und positiven Energien auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das ist nach wie vor das wichtigste Ergebnis des Festes für städtische Entwicklung. Es hat uns näher aneinander gebracht, es hat uns geholfen, uns besser kennenzulernen. Es hat sogar andere Bürger angelockt, die am Vorbeigehen waren. Sie traten ebenfalls dieser Plattform bei.“




    Obwohl der Fluss Dâmboviţa quer durch Bukarest flie‎ßt, wurde sein Potential bislang noch nicht ausgeschöpft. Vielfältige kulturelle, ökologische und unternehmerische Ressourcen sind im Laufe der Zeit unverwendet geblieben. Mit Hilfe der zuständigen Behörden und der Mitbeteiligung der Zivilgesellschaft und des Geschäftsumfelds könnten die vorhandenen Ressourcen in ein intelligentes Projekt integriert werden. Die Bürger werden aufgefordert, die Aktionen des Verbandes für den städtischen Wandel zu unterstützen, Vorschläge zu unterbreiten. Diese würden nach den nächsten Lokalwahlen auf den Tisch der zuständigen Behörden gelangen. Einige Bürger haben ihre Gedanken schon ausgesprochen, demnach sind derzeit einige schwimmende Inseln auf dem Fluss zu sehen. Mehr Details dazu bringt Daniela Calciu, Mitglied im Verband für den städtischen Wandel:



    Am 10. Oktober lie‎ßen wir eine erste Insel zu Wasser. Wenn Sie jetzt entlang der Dâmboviţa gehen, werden Sie vor dem Gebäude der Nationalbibliothek auf dem Wasser mehrere schwimmende Plattformen, kleine Inseln erkennen. Auf einer dieser Inseln sind ein paar Zeichnungen und Botschaften zu finden, die wir von den Anwesenden gesammelt haben. Es wirkten viele Leute mit — Angela Filote, die Vorsitzende der Vertretung der Europäischen Kommission in Bukarest, Aura Răducu von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Sie ist unter anderem für den Plan für nachhaltige Mobilität der Stadt Bukarest zuständig. Der ehemalige Rudersportler Ivan Patzaichin beteiligt sich als Partner am Projekt. Wir sind das Projekt-Team. Wir nehmen uns vor, die mit Ideen und Wünschen bepackte Insel bis im Frühjahr zu vervielfachen. Wir wollen so viele und so gro‎ße Inseln wie nur möglich zusammenbringen. Am 15. März, wenn wir wieder die Boote zu Wasser lassen können, wollen wir bis zu den Inseln rudern und ein Picknick auf der Dâmboviţa machen.“




    Der Fluss Dâmboviţa wurde im Laufe der Zeit etlicher Modernisierungsarbeiten unterzogen. Seine Umgestaltung stellt heutzutage eine wahrhaftige Herausforderung dar. Die Verwandlung des Flusses in einen attraktiven, grünen Raum bedeutet in der Tat eine tiefgreifende Änderung, die sich auf mehrere Stadtteile auswirken sollte — den See Lacul Morii, den Park Eroilor, den Park Izvor, den Park Unirii sowie den Botanischen Garten.



    Der Verband für den städtischen Wandel und der Verband für Architektur arbeiten zusammen bei der Umsetzung eines Projektes zur Anregung einer neuen Denkweise in Schulen, die viel mehr Wert auf die städtische Entwicklung legt. Die gemeinnützigen Organisationen nehmen sich dabei vor, die junge Generation im Hinblick auf den städtischen Wandel und auf die Bedeutung der Architektur auszubilden. Der Verband für den städtischen Wandel führt jede Woche eine Aktion auf diesem Gebiet durch. Mehr Einzelheiten dazu bringt Daniela Calciu:



    Wir setzen das Projekt mit einem Workshop fort, bei dem wir Stadtmodelle nachbauen. Urbanistik- und Architekturstudenten von der Universität »Ion Mincu« werden sich daran beteiligen. Wir stellen ihnen die notwendigen Materialien zur Verfügung. Sie werden den teilnehmenden Kindern und jungen Leuten beibringen, wie Gebäude oder Stadtteile entlang des Flusses Dâmboviţa in Miniaturform gebaut werde können. Eine Woche später wollen wir zusammen mit den Kindern, den Jugendlichen und ihren Eltern die Ergebnisse auswerten. Wir wollen uns zusammen vorstellen, wie der Fluss Dâmboviţa und seine Umgebung aussehen könnten. Wir wollen zusammen die von uns vorgestellte, schön eingerichtete Umgebung des Flusses nachbauen.“




    Der Fluss Dâmboviţa kann sich Schritt für Schritt weiterentwickeln, so dass er eines Tages völlig anders aussieht und schlie‎ßlich, ein Symbol der Stadt wird.