Tag: Völkermord

  • Russische Invasion: Kiew beschuldigt Moskau des Völkermords

    Russische Invasion: Kiew beschuldigt Moskau des Völkermords

    Laut der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft, wurden die Leichen Hunderter toter Zivilisten gefunden, von denen ein Teil bereits gerichtsmedizinisch untersucht wurde. Gleichzeitig befragen die Ermittler Augenzeugen und sammeln Foto- und Videobeweise. Allein in Butscha wurden rund 300 Menschen in Massengräbern verscharrt, so die ukrainischen Behörden, die die russische Armee beschuldigen, die Bevölkerung dieser Stadt massakriert und in anderen befreiten Städten Gräueltaten verübt zu haben. Russland hat die Anschuldigungen zurückgewiesen und behauptet, die Bilder der Leichen seien manipuliert worden. Der Westen zeigte sich entsetzt über die Bilder und kündigte an, neue Sanktionen gegen Moskau zu verhängen, obwohl von der russischen Führung mehr erwartet wird, da Russland vor kurzem angekündigt hat, dass sein wahres Ziel die Zerstörung der Ukraine ist.



    Auch in Bukarest änderte sich der Ton, als Präsident Klaus Iohannis sagte, die schrecklichen Bilder von Butscha und anderen ukrainischen Städten seien eine Botschaft an die ganze Welt, dass diese illegale Aggression gestoppt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssten. “Die Bilder aus Butcha und anderen ukrainischen Städten sollten die ganze Welt daran erinnern, dass diese illegale Aggression gestoppt werden muss und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. “Die internationale Gerechtigkeit muss siegen”, twitterte Iohannis. Premierminister Nicolae Ciucă forderte seinerseits internationale Gerichte auf, die von russischen Soldaten in der Ukraine begangenen “schrecklichen Verbrechen” zu verfolgen. Kinder, Frauen, Zivilisten, die missbraucht und kaltblütig getötet wurden, warten auf ihre Gerechtigkeit, schrieb der Premierminister auf der Twitter-Seite der Regierung.



    Au‎ßenminister Bogdan Aurescu verurteilte die Gräueltaten in Butscha und anderen Städten aufs Schärfste und forderte, dass die Schuldigen vor den Internationalen Gerichtshof gestellt werden. Die Präsidentin der Republik Moldau Maia Sandu, zeigte sich schockiert und erklärte den Montag zu einem Tag der Staatstrauer zum Gedenken an die bisher in der Ukraine getöteten Opfer. “Wir sind schockiert über das Massaker von Butscha. Die Republik Moldau verurteilt diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie diesen illegalen und unprovozierten Krieg aufs Schärfste, den die Russische Föderation gegen die Ukraine geführt hat”, schrieb Präsidentin Sandu auf Facebook.


  • Das Getränk der Götter: die Geschichte des Kaffeemeisters Gheorghe Florescu

    Das Getränk der Götter: die Geschichte des Kaffeemeisters Gheorghe Florescu

    Tee wärmt das Herz, Kaffee wärmt die Seele“ — der Spruch passt auch zu Gheorghe Florescu, der sich als Cafegiul Florescu“, also Kaffeemeister Florescu, vorstellt. In dessen Laden am Rosetti-Platz, einem Wahrzeichen der Bukarester Belle Époque, herrschen ein bezaubernder Kaffeegeruch und stets gute Laune. Den Beruf erlernte Gheorghe Florescu von einem armenischen Kaffeehändler; viele Armenier seien nach dem Völkermord im Osmanischen Reich als Kaffeehändler in etliche Länder Europas geflohen, darunter auch nach Rumänien, erzählt er.



    Unsere Tradition geht auf das Jahr 1530 zurück, auf die Geschichte des Armeniers Avedis Carabelian, der in Damaskus, Syrien, lebte und in einem Dorf am Fu‎ße des Berges Ararat geboren wurde. Er war der erste Kaffeehändler, der einen Laden für das einfache Volk eröffnete. An der Macht war damals Suleiman der Prächtige, der vom Schwarzen Eunuchen Mahmud Bey erfuhr, dass Carabelaian den besten Kaffee verkauft. So wurde er zum offiziellen Kaffeelieferanten des osmanischen Herrschers. Deswegen berufen wir uns auf die armenische Tradition aus dem Jahr 1530. Mein Meister hie‎ß auch Avedis Carabelaian, er wurde im selben Dorf am Fu‎ße des Ararat-Berges geboren. Der letzte osmanische Sultan besorgte sich seinen Kaffee vom Onkel meines Meisters. Nach dem Völkermord gegen das armenische Volk blieben aus der 22-köpfigen Carabelaian-Familie allein zwei Menschen am Leben — mein Meister und sein Vater. Seine Mutter, seine Verlobte und andere Familienmitglieder wurden alle getötet. Die Überlebenden aus der Carabelaian-Familie sind 1915 nach Rumänien geflohen und haben den ersten Kaffeeladen in einem alten Viertel Bukarests eröffnet, dann folgten weitere zwei, in der Crețulescu-Passage und an der Siegesstra‎ße.“



    Gheorghe Florescu war im Laden der Carabelians Lehrling; später, im Jahr 1971, übernahm er das Geschäft. Am 1. März 2021 feiert er 50 Jahre als Kaffeemeister. Er erinnert sich, dass er schon mit 8 Jahren in den Kaffeeläden der Armenier und Juden in Bukarest zu arbeiten begann. Dafür kriegte er nur wenig Geld — und Kaffee. Sein Vater war politischer Gefangener, die Mutter musste alleine 4 Kinder gro‎ßziehen. Ob Arabica oder Robusta, heute verbirgt sich hinter Kaffee kein Geheimnis mehr für ihn, und er erzählt ganz stolz, dass in seinen Bukarester Läden die besten 20 von den Spitzenkaffeesorten der Welt zu finden sind.



    In der ganzen Welt trinkt man 5 Milliarden Kaffeetassen am Tag, zumindest war das so vor der Pandemie. Von einhundert Kilo Kaffee, das weltweit produziert wird, sind 70% Arabica und 30% Robusta. Arabica ist ein edler, ausgewählter Kaffee, wie ich ihn zu nennen mag: Gottes Kaffee. Arabica ist nicht zu stark, nicht zu mild, hat sein eigenes Aroma. Wegen der globalen Erwärmung wird jetzt ausgewählter Kaffee immer höher angebaut. In Kenia zum Beispiel, in der Nähe des Victoria-Wasserfalls, und in Jamaika sowie auf der Südatlantikinsel St. Helena wird hochwertiger Kaffee angebaut. Nur 10% von der Arabica-Sorte werden als hochwertig vermarktet und nur 2% davon kann man wirklich als ausgewählten Spitzenkaffee bezeichnen.“



    Geysha Esmeralda Panama, St. Helena, Hawai Kona Extra, Kopi Luak, eine Sorte, die ursprünglich aus halb verdauten Kaffeebohnen in Exkrementen von in freier Wildbahn lebenden Fleckenmusangs hergestellt wurde, diese sind laut Gheorghe Florescu die besten Kaffeesorten der Welt. Wie soll aber der beste Kaffee zubereitet werden? Gheorghe Florescu erzählt, wie er seinen Kaffee mag:



    Erstens soll der Kaffee von bester Qualität sein. Dann koche ich meinen Kaffee immer im Ibrik, dem Kaffeekessel aus Kupfer, und auf kleiner Flamme, mittlere Röstung. Auf zweiter Stelle nach dem im Ibrik gekochten Kaffee steht, meiner Meinung nach, der Espresso, was den Geschmack und das Aroma angeht. Aber Vorsicht, der Kaffee, den man im Ibrik kocht, muss wirklich gut sein, denn im Ibrik entfaltet er seinen vollen Geschmack. Ich liebe Arabica, den Kaffee Gottes, den Robusta nenne ich den Kaffee des Teufels. Robusta ist wild, hat kein Aroma und riecht nach Sumpf.“



    In einem YouTube-Film, unter der Suchanfrage Cafea la ibric zu finden, erklärt der Kaffeemeister, wie man den besten Ibrik-Kaffee kocht. In den Küchen aller Schlösser im Tal der Loire gebe es nur Kupfergefä‎ße, die bestens dafür geeignet seien, um Kaffee gleichförmig zu kochen, erläutert er. Wenn die Robusta-Kaffeesorten nach Nüssen, Vanille, Kakao oder Whisky schmecken, sei das meistens darauf zurückzuführen, dass die gro‎ßen Kaffeehersteller der Welt auf Chemie zurückgreifen, um dem Kaffee verschiedene Geschmacksnoten zu verleihen, sagt Florescu.



    2018 hat er seine Ehefrau verloren. Nach 54 Jahren Ehe hat der Kaffeemeister in Gedenken an seine Lebensgefährtin ihr eine Kaffeesorte gewidmet:



    Ich wollte meiner Frau seit langem eine besondere Kaffeesorte widmen; nach ihrem Tod habe ich zusammen mit meiner älteren Tochter für sie eine Marke eintragen lassen, die den Namen »Lucky Mommy« trägt. Was ich mir mit diesem Kaffee wünsche, ist, dass er direkt in die Seele der Damen geht, die älter als 60 Jahre sind — er soll der Gesundheit überhaupt nicht schaden, sondern einfach nur für ihre gute Laune sorgen.“



    Neuerdings möchte der Kaffeemeister eine Melange aus zwei oder drei organischen Kaffeesorten herstellen, die er zu einem günstigen Preis verkaufen will, den sich jeder leisten kann.



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  • 9. Mai 1945: Europa fand wieder zum Frieden

    9. Mai 1945: Europa fand wieder zum Frieden

    Am 9. Mai 1945 fand Europa nach sechs Jahren Qualen wieder zum Frieden, als Nazideutschland bedingungslos kapitulierte. Während Westeuropa zur demokratischen Normalität zurückkehrte, wurde Mittel- und Osteuropa von der Sowjetunion besetzt und gezwungen, das kommunistische Experiment ein halbes Jahrhundert lang mitzumachen. Vladimir Tismăneanu, Professor für die Geschichte des Kommunismus an der Universität Maryland (USA), macht sich Gedanken über den Krieg und dessen Folgen:




    In der Betrachtung des Krieges in seinen Ursachen, seinem Verlauf und seinen Konsequenzen folge ich der Vision von Hannah Arendt, Arthur Koestler und George Orwell. Es war kein Kampf zwischen einem absoluten Guten und einem Bösen, denn an der Seite der Demokraten in der antifaschistischen Koalition kämpfte auch die stalinistische Sowjetunion — ein totalitäres Reich, das schuldhaft mit Nazideutschland angebandelt hatte“, findet der Politologe. Das Gute war also ein relatives — denn in der Geschichte gibt es kein absolut Gutes, glaubt Tismăneanu, der in einem seiner Bücher über den Teufel in der Geschichte“ schreibt, eine Anlehnung an das Konzept des polnischen Intellektuellen Leszek Kolakowski. Es war der Teufel, der zu dem Zeitpunkt weniger expansionistisch veranlagt schien; ein Teufel, den der Westen brauchte. Doch wer hat unter diesen Umständen den Krieg verloren?




    Im Zweiten Weltkrieg unterlagen faschistische Parteien, Regierungen und Bewegungen. Der Faschismus wurde besiegt und das ist ganz wesentlich. Das jetzt mancherorts das Narrativ des Kriegs umschrieben wird — auch in Rumänien — , dass verschiedene faschistische Bewegungen rehabilitiert werden, dass es neue kollektive Fundamentalismen gibt, tribalistische, rassistische oder uranfängliche Bewegungen — das alles zeigt, dass einige die politische, moralische, militärische Bedeutung des Kriegs verkennen“, gibt der US-Politologe rumänischer Abstammung zu bedenken.




    Ob der Westen sich 1947–48 dem sowjetischen Vorpreschen entgegenstellen konnte, ist heute fraglich. Und die sowjetische Militärpräsenz in Mittel- und Osteuropa war nicht eine Folge eines westlichen Verrats, sondern des Frontverlaufs im Krieg. Rumänien ist ein sonderbarer Fall — es kämpfte an beiden Fronten, landete aber auf der Verliererseite und wurde vom Kommunismus überrollt, sagt Vladimir Tismăneanu:




    Die Verwandlung Rumäniens zu einem radikal rechten totalitären System zwischen dem 6. September 1940 und dem 23. August 1944 hat teilweise mit der Krise der freiheitlichen Demokratie zu tun. Wir müssen immer betonen, dass Rumänien eine Vergangenheit hat, auf die man aufbauen kann — es hat hier eine funktionale konstitutionelle Demokratie gegeben“. Unglücklicherweise, unterstreicht der Politologe, haben linke und rechte Kräfte den Einheitsstaat und die konstitutionelle Demokratie fortlaufend angegriffen. Mehrere Premierminister wurden von Kommandos der Faschisten hingerichtet, Mord wurde zum Bestandteil des politischen Klimas. Die Politik war ihrerseits nicht wehrhaft. Dass Rumänien sich an die Seite der Achsenmächte stellte, war kein Schicksalsschlag, sondern das Ergebnis einer Verkettung von Fehlern.




    Kann man heute noch aus diesen Fehlern lernen? Gewisserma‎ßen schon, findet Tismăneanu. Jede Illusion über ideokratische Systeme, über ideologiebasierte Diktaturen ist kurz- und mittelfristig, aber besonders langfristig ein Fehler. Wir sehen das gerade heute. Ich glaube nicht, dass es in China einen Plan gab, das Covid-Virus in die Welt zu setzen. Aber die Geheimniskrämerei, das Verschweigen — sie sind Teil des Totalitarismus. Was jetzt passierte, war ein Pendant von Tschernobyl, ein globales Tschernobyl. Man kann vieles lernen aus dem Krieg, aber die wesentliche Lektion ist, dass wir keine Kompromisse eingehen dürfen, wenn Freiheit, Vertrauen, und die Wahrheit angegriffen und erniedrigt werden“, so Vladimir Tismăneanu.

  • Nachrichten 02.08.2020

    Nachrichten 02.08.2020

    Präsident Klaus Iohannis hat eine Botschaft zum Europäischen Gedenktag zum Holocaust der Roma herausgegeben. Er sagte, Rumänien könne als Modell für andere Länder in der Region gelten, wie es die Verantwortung für den Holocaust und für seine Bemühungen zur Bekämpfung des Antisemitismus übernommen habe. Wir müssen das Andenken an die Opfer wachhalten und die Bemühungen zur Bekämpfung von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Holocaust-Leugnung konsolidieren, sagte der Präsident ebenfalls. Das Au‎ßenministerium hat ebenfalls eine Erklärung veröffentlicht. Das jahrzehntelange Schweigen über das Leiden der europäischen Roma in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern habe dazu beigetragen, Vorurteile und Diskriminierung dieser Gemeinschaft zu festigen. Das Au‎ßenministerium unterstützt auch die Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung für die Bekämpfung von Vorurteilen, Diskriminierung und extremistischen Aktionen ethnischer oder rassischer Art. Am 2. August 1944 starben etwa 3.000 Roma in Auschwitz-Birkenau. Etwa 500.000 Roma wurden während des gesamten Holocausts getötet. In Rumänien wurden 25.000 Roma auf Befehl des rumänischen Diktators und Nazi-Verbündeten Ion Antonescu nach Transnistrien deportiert. Etwa 11.000 wurden getötet.



    In Rumänien sind am Sonntag, in den letzten 24 Stunden, 1.075 neue Fälle von Coronavirus-Infektionen gemeldet worden. Fünf Monate nach der Bestätigung des ersten Falls hat Rumänien nun 53.000 Infektionen überschritten, während die Zahl der Todesopfer bei 2.413 liegt. Mehr als 400 Menschen befinden sich auf der Intensivstation. Die Behörden haben neue Restriktionen eingeführt, während die Zahl der neuen Fälle ständig steigt. In mehreren Bezirken ist das Tragen einer Gesichtsmaske nun auch im Freien Pflicht. Je nach der Infektionsrate in einem bestimmten Gebiet ist das Tragen eines Mundschutzes entweder in allen öffentlichen Räumen oder nur in den stärker frequentierten Bereichen oder zwischen bestimmten Stunden Pflicht. In den nächsten zwei Wochen, die heute beginnen, müssen Bars und Spielzentren in Bukarest und sieben anderen Bezirken aufgrund der jüngsten Spitzenwerte in den Fällen früher schlie‎ßen. Au‎ßerdem sind mehrere Orte im ganzen Land abgeriegelt. Eine Reihe von Staaten kündigten an, sie würden Beschränkungen für Reisende aus Rumänien einführen oder beibehalten.



    Die Weltgesundheitsorganisation hat davor gewarnt, dass die Pandemie wahrscheinlich langwierig sein wird. Weltweit sind bereits 18 Millionen Fälle aufgetreten, und die Zahl der Todesopfer hat 689.000 erreicht. Die meisten Fälle gibt es in den Vereinigten Staaten, Brasilien, Indien, Russland und Südafrika, wobei die USA mit über 4,7 Millionen Fällen und 157.000 Todesopfern das am schlimmsten betroffene Land der Welt sind. Im Bemühen, ihre Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und gleichzeitig die Pandemie unter Kontrolle zu halten, führen die Regierungen teilweise wieder Beschränkungen ein. In der Zwischenzeit werden nachhaltige Anstrengungen unternommen, um einen Impfstoff zu entwickeln. Die Weltgesundheitsorganisation ist beunruhigt über die Entwicklung der Pandemie und betont, wie wichtig es ist, dass sich die Gemeinschaft nachhaltig bemüht, die Pandemie unter Kontrolle zu halten.



    Die Europäische Union sieht sich nach Angaben von Eurostat, dem statistischen Amt des Blocks, mit dem grö‎ßten wirtschaftlichen Einbruch seit Beginn der regelmä‎ßigen Bewertungen im Jahr 1995 konfrontiert. Im zweiten Quartal des Jahres, als sich die meisten Mitgliedsstaaten im Lockdown befanden, sank das BIP in der Eurozone um mehr als 12% und in der gesamten Union um fast 12% im Vergleich zum Vorquartal. Nach Angaben des Korrespondenten von Radio Romania in Madrid haben fast 100.000 Rumänen, die in Spanien leben, nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes Arbeitslosengeld beantragt. Die Zahlen für Rumänien werden Mitte September vorliegen, aber laut Wirtschaftsminister Florin Citu werden die Zahlen negativ sein, obwohl dies nach seinen Worten die einzige Periode mit einem wirtschaftlichen Rückgang in diesem Jahr sein wird. Auch in den USA brach das BIP im zweiten Quartal des Jahres um fast ein Drittel ein, während in Kanada die Wirtschaft im Mai um 4,5% gegenüber April wuchs.



    Drei rumänische Spielerinnen, Sorana Cirstea, Irina Begu und Patricia Tig, stehen beim Tennisturnier in Palermo, das am Montag beginnt, im Damen-Einzel im Hauptfeld. Dies ist der erste WTA-Wettbewerb seit März. Eine weitere rumänische Spielerin, Simona Halep, die Nummer 2 der Welt, zog sich inmitten des Anstiegs der Zahl der Coronavirus-Fälle aus Palermo zurück. In der ersten Runde trifft Cirstea auf die Italienerin Sara Errani, Begu auf die Deutsche Laura Siegemund und Tig auf die viertplatzierte Estin Anett Kontaveit.



    Das 19. Internationale Filmfestival Siebenbürgen findet in Klausenburg, im Nordwesten Rumäniens, statt. Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf Sicherheit und sozialer Distanzierung, wobei das Festival ausschlie‎ßlich im Freien an mehreren Orten in der Stadt stattfindet. Das Programm umfasst mehr als 130 Titel. Die diesjährige Ausgabe ist dem gro‎ßen italienischen Regisseur Federico Fellini gewidmet. Die rumänische Schauspielerin Maria Ploae erhält einen besonderen Anerkennungspreis. Das Festival geht am kommenden Sonntag zu Ende.

  • 02.08.019

    02.08.019

    Der Verdächtige im Fall der beiden vermissten Mädchen aus Caracal, Südrumänien, ist am Donnerstag abend etwa 9 Stunden lang in der Zentrale der Direktion zur Untersuchung von organisierter Kriminalität und Terrorismus DIICOT in Bukarest verhört worden. Er bestätigte seine erste Aussage, dass er die beiden Jugendlichen ermordet habe. Am Freitag war der der Verdächtige Gheorghe Dincă bei den Durchsuchungen in seinem Haus in Caracal anwesend. Der Fall wird ab sofort von Generalstaatsanwalt Felix Bănilă von DIICOT-Bukareast koordiniert. Bănilă erklärte, dass die Übertragung auf das DIICOT-Büro in Bukarest auf die Komplexität des Falles, die umfangreiche Berichterstattung in den Medien und auch auf die technischen Ausstattungen und Personalressourcen zurückzuführen sei, die erforderlich seien, um die Wahrheit zu finden. Ebenfalls am Freitag wurden die ersten Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchungen an den Knochenfragmenten, die am Wohnort des Verdächtigen gefunden wurden, bekanntgegeben. Gemä‎ß der ersten anthropologischen Untersuchungen handelt es sich um verbrannte Knochenreste eines Mädchens im Alter von 12 bis 17 Jahren. In der Zwischenzeit wurde der Staatsanwalt, der ursprünglich den Fall Caracal bearbeitet hat, suspendiert. Vor einer Woche hatte er die Polizei nicht ermächtigt, das Haus des Verdächtigen vor 6 Uhr morgens zu durchsuchen. Gegen die Direktion zur Untersuchung von organisierter Kriminalität und Terrorismus DIICOT Craiova wird nun wegen grober Fahrlässigkeit von Justizinspektoren ermittelt, die sagen, dass sie auch prüfen werden, wie Untersuchungen im vergangenen Jahr durchgeführt wurden. Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Art und Weise, wie die Behörden mit dem Fall umgegangen sind, wächst jedoch. Sie geben dem Sondertranmissionsdienst, der für den Betrieb der Notrufnummer 112 zuständig ist, sowie der Polizei und der Staatsanwaltschaft die Schuld. Die inakzeptable Abfolge von Fehlschlägen in dieser Hinsicht hat bereits zu mehreren Entlassungen und Rücktritten geführt. Gheorghe Dincă, ein 60-jähriger Mechaniker, gestand, zwei Mädchen im Alter von 15 und 18 Jahren ermordet zu haben, nachdem er sie zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung entführt, festgenommen und vergewaltigt hatte. Die Leichen wurden noch nicht gefunden.



    Die rumänische Bildungsministerin Ecaterina Andronescu ist am Freitag von Premierministerin Viorica Dăncilă wegen Aussagen im Fall Caracal aus ihrem Amt entlassen worden. Dies gab Premierministerin Dancila auf Facebook bekannt. Dancila schrieb, dass sie beschlossen habe, die Bildungsministerin Ecaterina Andronescu wegen der zutiefst falschen Aussagen, die sie kürzlich in einer Fernsehsendung gemacht hatte, zu entlassen. Nach Ansicht der Premierministerin handele es sich Aussagen, die mangelndes Mitgefühl und Verständnis insbesondere für den Fall Caracal und generell dafür zeigen, wie Kinder vor Entführungen, Aggressionen, Missbrauch und Menschenhandel geschützt werden sollten. Ecaterina Andronescu sagte während der Fernsehshow, dass sie von zu Hause aus gelernt habe, nicht mit einem Fremden in dessen Auto einzusteigen. Am Freitag erklärte die entlassene Bildungsministerin, sie hätte nicht die Absicht gehabt, eines der beiden vermissten Mädchen in Caracal oder ihre Eltern der Nutzung illegaler Transportmittel zu beschuldigen. Sie wollte nur die Schüler vor Kriminellen schützen, so Ecaterina Andronescu. Zum Interimsunterrichtsminister wurde Kultusminister, Daniel Breaz ernannt.



    Der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis hat am Freitag, dem Tag des Gedenkens an den Roma-Völkermord, eine Botschaft übermittelt, in der er betonte, dass das Bewusstsein für die Bedeutung der Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ständig wachsen müsse. An diesem Tag gedenken wir den fast einer halben Million Roma-Kinder, -Frauen und -Männer, die während des Zweiten Weltkriegs Opfer des Völkermords wurden, so die Botschaft des Präsidenten. Rumänien sah sich mit einigen der grausamsten Formen von Hass und Intoleranz konfrontiert, als 25.000 Roma, deren Eltern im Ersten Weltkrieg für die nationale Einheit des Landes gekämpft hatten, gewaltsam als “gefährlich und unerwünscht” nach Transnistrien geschickt wurden. Die rumänische Regierung gedenkt auch den Opfern des Roma-Völkermords in Rumänien. Es ist wichtig, dass die Generationen von heute und morgen die Wahrheit über den Völkermord gegen die Roma erfahren, ebenso wie über die Fortschritte, die Rumänien bei der Bewahrung dieser Wahrheit und bei der Förderung kohärenter Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gegen die Roma gemacht hat, steht in einer Pressemitteilung der Regierung.



    INF Russland und die USA haben am Freitag die Beendigung des Vertrages über nukleare Zwischenkapazitäten (INF) angekündigt. Washington kündigte an, sich am 2. Februar aus dem INF zurückzuziehen, und Moskau reagierte sofort mit einem ähnlichen Schritt. Der US-Au‎ßenminister Mike Pompeo warf Russland vor, “in erheblichem Ma‎ße gegen den Vertrag zu versto‎ßen”, obwohl Moskau die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen hat. Der 1987 von den USA und der Sowjetunion unterzeichnete INF-Pakt verbot Raketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 km.



    Im Ferienort Mamaia an der rumänischen Schwarzmeerküste findet diese Tage die 11. Auflage der Gaudeamus-Buchmesse statt, die vom Radio Rumänien veranstaltet wird. Mehr als 30 Verlage nehmen daran teil. Laut dem Präsidenten der Rumänischen Rundfunkgesellschaft Georgică Severin ist Gaudeamus eine Gro‎ßveranstaltung zur Förderung einer der wichtigsten rumänischen Massenmedienmarken, Radio Romania. Die Buchmesse Gaudeamus Seaside 2019 endet am 5. August.



    Mehr als 200 Künstler werden auf 10 Bühnen beim UNTOLD, dem grö‎ßten Festival für elektronische Musik in Rumänien, auftreten. Es findet vom 1. bis 4. August in Cluj statt. Eine der grö‎ßten Bühnen Europas wurde im Stadion der Cluj Arena aufgebaut. Sie ist 90 m breit und 30 m hoch, mit LED-Bildschirmen auf einer Fläche von 1.500 Quadratmetern. Einer der am meisten erwarteten Gäste ist der britische Pop-Star Robbie Williams, der am Sonntag auftreten wird. Besondere Leistungen werden auch von Armin van Buuren, David Guetta und 3 Are Legend geboten. Die Organisatoren erwarten rund 350.000 Menschen aus 100 Ländern.



    Der rumänische Fu‎ßballvizemeister FCSB (ehemals Steaua Bukarest) qualifizierte sich am Donnerstag für die dritte Vorrunde der Europa League, verlor aber zu Hause gegen die armenische Mannschaft Alashkert FC mit 3:2. FCSB gewann das Hinspiel der Runde in Eriwan mit 3:0. Ebenfalls am Donnerstagabend stieg die CSU Craiova in die dritte Vorrunde der Europa League ein, nachdem sie die Honved Budapest in den Schie‎ßereien mit 3:1 besiegt hatte. Der rumänische Pokalsieger Viitorul Constanta hingegen wurde trotz seines 2:1-Sieges gegen den Belgier KAA Gent aus dem europäischen Wettbewerb ausgeschlossen.



    Das Wetter wird in der westlichen Landeshälfte von Freitag Abend bis Sonnabend Morgen unbeständig. Unbeständig ist das Wetter am Sonnabend auch im Norden, in der Landesmitte, Südosten und vereinzelt im Gebrige. Die Tageshöchsttemperaturen werden am Sonnabend zwischen 19 und 27 Grad Celsius liegen.

  • Nachrichten 02.06.2016

    Nachrichten 02.06.2016

    Vier Mitglieder des rumänischen Rettungsdienstes SMURD sind am Donnerstag bei einem Hubschrauberabsturz in der benachbarten Republik Moldau ums Leben gekommen. Der SMURD-Hubschrauber aus Iasi (im Osten Rumäniens) befand sich im Rettungseinsatz und ist aus unbekannten Ursachen abgestürzt. Das Team sollte einen Kranken aus der moldauischen Stadt Cahul übernehmen und in ein Krankenhaus in der Hauptstadt Chisinau bringen. Das rumänische Innenministeroum hat eine Krisenzelle einberufen und angekündigt, sämtliche Hubschrauber vom gleichen Typ wie die abgestürzte Maschine am Boden zu halten. Rumänische Experten sind bereits auf dem Weg in die Moldau, um an der Ermittlung des Vorfalls teilzunehmen.



    Hessen und Rumänien haben vereinbart, einen gemischten Kooperationsausschuss zu bilden, der sich schwerpunktmäßig mit Wirtschaftsfragen befassen soll. Dies verlautete am Donnerstag nach Gesprächen des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit Staatspräsident Klaus Iohannis in Bukarest, bei denen es um die Standortvorteile bei Investitionen in Rumänien und die Brückenfunktion der Deutschen in Rumänien bzw. der Rumänen in Deutschland in den bilateralen Beziehungen ging. Die rumänische Gemeinde ist die viertgrößte ausländische Community im deutschen Bundesland Hessen.



    Der Schriftsteller Dan Stanca, der Dichter Vasile Dan, der Kritiker Mircea Anghelescu und der Essayist Horia-Roman Patapievici sind am Mittwoch mit den Preisen des Rumänischen Schriftstellerverbandes für das Jahr 2015 ausgezeichnet. Der Nationale Literaturpreis, die höchste Auszeichnung des Rumänischen Schriftstellerverbandes, ging an Mircea Cartarescu. Mehr dazu nach den Nachrichten.



    Der deutsche Bundestag hat die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet. Als Reaktion auf die Resolution des Bundestages hat die Türkei ihren Botschafter aus Berlin zurückgerufen. Der Botschafter werde zu Beratungen nach Ankara reisen, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am Donnerstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bestätigte das bei einem Besuch in Kenia während einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Erdogan sagte in Nairobi, er habe wegen der Bundestags-Resolution mit Yildirim telefoniert. Nach seiner Rückkehr in die Türkei werde über die Angelegenheit beraten werden.



    Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht zurzeit keinen Grund zur Lockerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Der Regierung gehe es zunächst darum, den Friedensprozess von Minsk voranzubringen, sagte ein Sprecher. Mit den Strafmaßnahmen hatten die EU, die USA und andere Staaten auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland reagiert. Einige Sanktionen laufen im Juli aus, falls die EU sie nicht verlängert.



    Die rumänische Nationalelf steht vor dem letzten Testspiel vor der Endrunde der Europameisterschaften in Frankreich. Am Freitag geht es dabei gegen Georgien. Beim Vorbereitungsturnier in Italien letzte Woche endete eine Partie gegen Kongo unentschieden 1-1; das zweite Spiel gegen die Ukraine verlor Rumänien 3-4. Am 10. Juni geht es dann wirklich los in der EM-Endrunde – Rumänien trifft im Eröffnungsspiel auf Gastgeber Frankreich. Mit dabei in der A-Gruppe sind außerdem die Schweiz und Albanien.

  • Genozid: Armenische Flüchtlinge in Rumänien

    Genozid: Armenische Flüchtlinge in Rumänien

    Das 20. Jahrhundert hat eine schockierende Eigenschaft: Es war das Jahrhundert der Genozide. Der erste Genozid von vielen noch grö‎ßeren war der vom Osmanischen Reich an den Armeniern verübte Völkermord, in dessen Verlauf 1,5 Millionen Armenier getötet wurden — also etwa die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe. Offizieller Beweggrund der Osmanischen Herrscher war es, dass die Armiener sich mit den russischen Streitkräften verbrüdert hätten. In Wahrheit handelte es sich jedoch um politische Motive, Nationalismus und eine Ideologie eines Wirtschafts-Panturkismus: Armenier und Griechen besa‎ßen Handelsunternehmen und Banken im Osmanischen Reich. Dazu kamen religiöse Gründe, denn die muslimischen religiösen Führer hatten den Ungläubigen den Heiligen Krieg erklärt.



    Alles begann mit einem Aufstand armenischer Männer, die zum Bau von Eisenbahnlinien gezwungen worden waren, bei dem sie verhungerten oder zu Tode geprügelt wurden. Am 24. April 1915 gab der Groswesir und Kommunikationsminister Talaat Pascha die Order aus, alle armenischstämmigen Familien zu deportieren. Den Glücklichen unter den Unglücklichen gelang es, sich zu retten. Manche von ihnen flüchteten auch nach Rumänien, wie der Historiker Eduard Antonian berichtet. Ihm zufolge begannen die armenischen Flüchtlingsströme nach Rumänien Ende des 19. Jahrhunderts, nach dem Genozid von 1895-96.



    Unter der Herrschaft von Sultan Abdul Hamid dem Zweiten, auch Roter Sultan genannt, wurden um die 350.000 Armenier ermordet. Damals floh ein wichtiger Teil der armenischen Bevölkerung aus dem Osmanischen Reich nach Rumänien. Heute sind etwa 10 Prozent der armenischen Gemeindemitglieder in Rumänien Nachfahren derer, die nach dem ersten Genozid hierher gekommen sind. Die ersten Flüchtlinge waren noch in einer relativ guten finanziellen Situation und konnten mit etwas Geld aus dem Osmanischen Reich fliehen. Sie haben Läden eröffnet und ihre Verbindungen mit der alten Gemeinde in Rumänien aufrecht erhalten. Sie haben ihr Leben weitergeführt und sich perfekt in die rumänische Gesellschaft integriert.“




    Doch wie gelang denjenigen, die es nach Rumänien geschafft haben, die Flucht? Eduard Antonian:



    Sie bekamen Hilfe. Ein Teil von ihnen sogar von der türkischen und arabischen Zivilbevölkerung. Andere hatten einfach Glück. Vielen gelang es, osmanische Herrscher zu bestechen, viele hatten Glück mit ausländischen Missionaren, weil die Amerikaner sich sehr eingebracht haben. Die USA waren damals ein neutrales Land. Sie hatten eine gut aufgestellte Botschaft, der Botschafter Henry Morgenthau brachte sich aktiv in die Hilfsaktionen für Armenier ein. Später hat er die Verbrechen gegen die Armenier in seinen Memoiren öffentlich verurteilt. Darüber hinaus gab es dänische oder deutsch-protestantische Missionare, die denjenigen halfen, die fliehen mussten.“




    Nach Schätzungen von Historikern haben etwa 20.000 Armenier einen Unterschlupf in Rumänien gefunden und Rückhalt in der armenischen Gemeinde hier erfahren — etwa ein Viertel davon Waisen. Sie kamen in mehreren Wellen, die meisten zu Beginn des Krieges. Eduard Antonian hat die Fluchtwege derjenigen nachgezeichnet, die in einer Welt aus Zerstörung und Tod einen sicheren Ort suchten.



    In Istanbul sind sie an Bord eines französischen Schiffs gegangen und sind so nach Constanţa gelangt. So haben es auch mein Urgro‎ßvater und seine Kinder gemacht. Auf diesem Dampfer befanden sich tausende Kinder, die im Zuge des Völkermords zu Waisen geworden waren. In Rumänien gab es eine armenische Gemeinde, die gut strukturiert und finanziell gut aufgestellt war. Es gab damals Berühmtheiten wie Krikor Zambaccian, Grigore Trancu-Iaşi, die Brüder Mansarian, die wichtigsten Getreidegro‎ßhändler Südosteuropas. Man muss sagen, dass die Armenische Union 1919 nur gegründet wurde, um den Flüchtlingen zu helfen. Der erste Präsident war Grigore Trancu-Iaşi. Die Ankunft der Flüchtlinge am Hafen von Constanţa hat alle entsetzt. Die Zeitung »Adevărul« hatte 1919 einen Korrespondenten in Istanbul und konnte über den Genozid berichten. Daher wusste die rumänische Öffentlichkeit, was mit den Armeniern im Osmanischen Reich geschah. Armenad Manisarian, der zweite Präsident der Armenischen Union, hat sich einmal mit Brătianu, dem rumänischen Premierminister, getroffen und hat ihn gefragt, was man mit all den armenischen Flüchtlingen tun könne. Brătianu fragte zurück, ob Manisarian in jedweder Hinsicht für die Flüchtlige garantieren könne. Er sagte ja. Und so gab der Premier grünes Licht dafür, dass sich alle Armenier hier niederlassen durften. Die Staatsbürgerschaft erhielten sie später. Die Flüchtlinge waren mit einem Nansen-Pass für Staatenlose hierher gekommen, der nur für eine Reise gültig war. Nach der Ankunft der Waisen hat sich die armenische Gemeinde zusammengetan und mehrere Hektar Land in Strunga, bei Iaşi gekauft. Dort haben sie ein Waisenhaus mit Lehrern gebaut, in dem die Waisen aufwachsen konnten. Sie lernten dort einen Beruf und konnten ihrem Leben einen Sinn geben, viele von ihnen wurden von anderen armenischen Familien in Rumänien adoptiert. Viele haben Läden eröffnet, so auch mein Gro‎ßvater, der eine Schusterwerkstatt in Bukarest aufgemacht hat.“




    Im Laufe der Zeit sind die Kriegstraumata verblasst, obwohl nichts vergessen ist. Eduard Antonian berichtet, dass die armenischen Flüchtlinge weiterhin zwischen schockierenden Erinnerungen und Hoffnungen leben.



    Die Armenier, die aus dem Osmanischen Reich geflohen sind, haben sich immer als osmanische Bürger verstanden. Sie waren gute Staatsbürger, zahlten Steuern, traten in die Armee ein, sprachen türkisch. Die Gemeindemitglieder haben mir erzählt, dass ihre Eltern, die vor dem Genozid geflohen sind, miteinander türkisch sprachen, wenn sie Geheimnisse vor ihren Kindern hatten. Leider haben sich einige von ihnen von der sowjetischen Propaganda hereinlegen lassen und sind wieder nach Armenien zurückgegangen. Sie sagten sich, dass sie jetzt ihr eigenes Land hätten. 1991, als Armenien sich unabhängig erklärt hat, sind einige der Kinder derjenigen, die ins sowjetische Armenien ausgewandert waren, wieder nach Rumänien zurückgekommen.“




    Die armenischen Flüchtlinge, die in Rumänien eine neue Heimat fanden, sind aus dem Osmanischen Reich geflohen, um die unbekannten Geschichten derjenigen zu erzählen, die 1915 in der anatolischen Wüste gestorben sind. Aber auch, um das Unmenschliche in etwas Menschliches zu verwandeln.

  • Kontroverse um Massaker im Ersten Weltkrieg: Was lehrt uns die armenische Geschichte?

    Kontroverse um Massaker im Ersten Weltkrieg: Was lehrt uns die armenische Geschichte?

    Die Menschheit habe im vergangenen Jahrhundert drei gro‎ße, unerhörte Tragödien“ erlebt, zunächst jene, die als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts“ angesehen werde und die das armenische Volk traf, sagte der Papst zur Begrü‎ßung des armenischen Staatspräsidenten Sersch Sargsjan vor Beginn einer im armenischen Ritus gefeierten Messe im Petersdom. Dabei zitierte er ein im Jahre 2000 von Papst Johannes Paul II. und dem armenischen Patriarchen unterzeichnetes Dokument. Den Völkermord an den Armeniern stellte Franziskus in eine Reihe mit den späteren Völkermorden des Nationalsozialismus und des Stalinismus.



    Jerewan behauptet, dass 1,5 Millionen Armenier und damit knapp die Hälfte der damaligen armenischen Bevölkerung zwischen 1915 und 1917, den letzten Existenzjahren des Osmanischen Reiches, getötet wurden. Die Opfer der Massaker wurden von der Armenischen Kirche heiliggesprochen. Die Türkei lehnt die These entschlossen ab, wonach das Osmanische Reich die systematische Beseitigung der armenischen Bevölkerung im Ersten Weltkrieg geplant hätte. Istanbul ist ferner nicht mit dem Gebrauch des Begriffs “Völkermord” in diesen Zusammenhang einverstanden, ein Begriff, den Armenien, zahlreiche Historiker und weitere 20 Staaten einschlie‎ßlich Frankreich, Italien und Russland verwenden.



    Jetzt reagierte Ankara vehement auf die Äu‎ßerungen von Papst Franziskus. Bei den Vorfällen habe es sich vielmehr um einen Bürgerkrieg gehandelt, bei dem zwischen 300.000-500.000 Armenier und ebenso viele Türken starben. Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments wurden von der türkischen Regierung zudem eines “religiösen und kulturellen Fanatismus” bezichtigt. Das, weil sie eine Resolution zum Gedenken an die armenischen Opfer der Hinrichtungen und Massendeportationen der letzten Jahre des Osmanischen Reiches angenommen hatten. Die Legislative der EU versuche die Geschichte neu zu interpretieren, hie‎ß es aus diplomatischen Kreisen der Türkei. In der Resolution zum 100. Jahrestag der Massaker während des Ersten Weltkriegs wird die Türkei als völkerrechtlicher Nachfolger des Osmanischen Reiches zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zur Anerkennung des Genozids an den Armeniern aufgerufen. Es gebe eine Eklärung für die Haltung Ankaras, wei‎ß Professor Consantin Hlihor.



    Im Völkerrecht hat diese Art von dramatischen Ereignissen einen dunklen Schatten auf die Staaten geworfen, die eine ähnliche Politik zur Beseitigung einer Volksgruppe, einer Nation geführt haben. Das extrem negative Image bleibt haften, wenn man sich etwa auf die Ereignisse Mitte des vergangenen Jahrhunderts während des Zweiten Weltkriegs bezieht, auf die von Hitlerdeutschland gegen die Juden begangenen Verbrechen und die von Stalin gegen die eigene Bevölkerung.



    Überhaupt sollte die Geschichte als Brücke zwischen den Nationen dienen und zur Stabilität und Zusammenarbeit beitragen, glaubt Constantin Hlihor. Auf keinen Fall sollte sie zum destabilisierenden Faktor werden, der zu Hass und Auseinandersetzungen führt. Zwei Aspekte müsse man in Zusammenhang mit dem armenischen Drama berücksichtigen, erklärt Constantin Hlihor.



    Es geht zum einen um den historischen Aspekt, man muss die Wahrheit über die Tragödie der Armenier im Ersten Weltkrieg erfahren. Dann gibt es den politischen Aspekt, der die Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Staaten um die Definition der Ereignisse von damals betrifft. Die Türken lehnen den Begriff Genozid ab, weil die Definition ihrer Ansicht nach relativ spät, nach dem Zweiten Weltkrieg, ins Völkerrecht aufgenommen wurde und sie andere historische Ereignisse betrifft als jene Anfang des 20. Jahrhunderts. Eines ist aber unabhängig des Blickwinkels klar: Ein Volk des Südkaukasus, das armenische Volk, hat diese tragischen Ereignisse erleben müssen, weil es Teil eines Reiches war, das dabei war, seine Machtstellung in den internationalen Beziehungen zu verlieren. Das armenische Volk war Teil einer osmanischen Gesellschaft, die mit ihren Modernisierungstendenzen gescheitert war und in eine neue Entwicklungsetappe trat. Die damaligen Ereignisse kann und darf das kollektive Gedächtnis heute nicht vergessen. Andererseits dürfen historiographische Kontroversen, die bei Aufarbeitung der Vergangenheit normal sind, keine politische Dimension erhalten. Denn die Geschichte darf die Völker nicht auseinander bringen, die historische Wahrheit sollte Gemeinschaften von Menschen nicht zu feindlichen Gesten anstiften. Die Geschichte muss als Verbindungselement dienen, das für mehr Stabilität, mehr Vertrauen und Zusammenarbeit sorgt.



    Ist es dann nur eine Image-Angelegenheit oder spielen die möglichen Entschädigungen eine Rolle? – fragten wir Professor Constantin Hlihor.



    Es stellt sich die Frage der Entschädigungen für die Angehörigen der Opfer der dramatischen Ereignisse, die in der Stadt Van ihren Lauf nahmen, der Armenier die in die syrische Wüste deportiert wurden. Diese Ansprüche stehen nicht in Verbindung mit der Geschichte, sondern mit dem Völkerrecht. Armenien oder irgendjemand müsste ein Verfahren einleiten, ähnlich wie der Prozess gegen das Nazi-Regime nach dem Zweiten Weltkrieg und erst dann kann über Entschädigungen verhandelt werden.



    Rumäniens Au‎ßenminister und Berater des Ministerpräsidenten Titus Corlăţean hat indes in einem Statement darauf hingewiesen, dass Bukarest den Dialog zwischen der Türkei und Armenien in der heiklen Angelenheit befürwortet. Im Laufe der tragischen Ereignisse vor 100 Jahren haben Wohltätigkeitsverbände, Diplomaten, Ärzte und einfache Bürger den ins Exil vertriebenen Armeniern geholfen. Rumänien zählt zu den Ländern, die den Zehntausenden armenischen Flüchtlingen Asyl gewährten.

  • Nachrichten 24.04.2015

    Nachrichten 24.04.2015

    Der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta hat am Freitag die Unterstützung Rumäniens für den EU-Beitritt Serbiens bekräftigt. Es sei im Interesse Rumäniens und Bulgariens, dass Serbien der Staatengemeinschaft beitrete. Die neuesten EU-Mitglieder unterstützten das Vorhaben voll und bedingungslos, so Ponta. Bulgarien und Rumänien seien seit acht Jahren Mitglieder der EU, die Zugehörigkeit zur Union sei das beste politische Projekt aus Sicht beider Länder. Die Äu‎ßerungen des Regierungschefs fanden nach einem Treffen zwischen den Ministerpräsidenten der drei Länder im südrumänischen Craiova statt. Victor Ponta, Boiko Borisow und Aleksandar Vucic leiteten gemeinsam ein bilaterales Regierungstreffen zwischen Rumänien und Bulgarien ein. Dabei sollen der bilaterale Dialog gestärkt und die Standpunkte auf europäischer und regionaler Ebene abgestimmt werden. Bereits im März vergangenen Jahres waren Regierungsmitglieder aus den beiden Ländern unter der Anwesenheit des serbischen Regierungschefs im bulgarischen Russe zusammengekommen.



    Der rumänische Präsident Klaus Iohannis hat sich am Freitag zu den Massakern an den Armeniern vor hundert Jahren im damaligen osmanischen Reich geäu‎ßert. Andacht und Aufarbeitung seien verpflichtend, wenn die Menscheit die Lehren aus der Vergangenheit ziehen wolle, so der Staatschef. Mit einer Schweigeminute und Ansprachen ist nahe der armenischen Hauptstadt Eriwan der Opfer der Massaker gedacht worden. Armeniens Präsident Sersch Sarkissjan legte am Mahnmal für die Opfer der Gräuel Blumen nieder. An der Zeremonie nahmen auch Frankreichs Präsident François Holland, Russlands Staatschef Wladimir Putin und weitere Politiker aus dem Ausland teil. Nach armenischer Darstellung starben ab dem 24. April 1915 bis zum Jahr 1917 auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Die Türkei spricht von wesentlich geringeren Opferzahlen und weigert sich, die Massaker als Völkermord anzuerkennen.



    Der Rumänische Dachverband der Gewerkschaften aus dem öffentlichen Dienst hat einen Generalstreik für den 30. April angekündigt. Auch soll am 27. Mai eine Protestkundgebung in Bukarest veranstaltet werden. Sollten die Forderungen der Gewerkschaft nicht erfüllt werden, wollen die Arbeitnehmer-Vertreter im zweiten Halbjahr einen unbefristeten Streik im öffentlichen Dienst ausrufen. Dabei geht es um die Regelung und Liberalisierung der Austeilung von Essensmarken, sowie um die Gehaltserhöhung für Staatsbedienstete. Ferner fordern die Gewerkschaften ein einheitliches Entlohnungsgesetz für den öffentlichen Dienst.



    Die Bevölkerung Rumäniens altert erkennbar — die Zahl der Menschen im Alter von über 65 Jahren hat nach Angaben des Statistikamtes in Bukarest die Zahl der jungen Menschen im Alter von Null bis 14 Jahren zum 1. Januar 2015 überholt. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt mit 40,7 Jahren um vier Monate höher als zum 1. Januar 2014. Den höchsten Anteil stellt immer noch die Gruppe im Alter zwischen 35 und 39 Jahren. Das Statistikamt meldete zudem, dass die Bevölkerung in ihrer Mehrheit aus Frauen besteht und in der Stadt lebt.



    Die Rumänin Simona Halep hat am Freitag beim Tennis-Turnier in Stuttgart die Italienerin Sara Errani in zwei Sätzen 6-4 und 6-4 besiegt und steht im Halbfinale. Dort trifft Halep auf die Dänin Caroline Wozniacki, Nr. 4 der Weltrangliste. Wozniacki war ihrerseits über die Spanierin Carla Suarez Navarro ins Halbfinale des Turniers vorgedrungen, das mit über 730 Tausend Dollar ausgestattet ist. Da die Russin Maria Şarapova bereits ausgeschieden ist, gibt sie den zweiten Platz in der WTA-Rangordnung wieder an Simona Halep ab. Die Rumänin hatte diese Position bereits zwischen August und Oktober 2014 belegt.

  • Deportation der rumänischen Roma (1942): Der Völkermord und die Geschichte von den Pappkartonbooten

    Deportation der rumänischen Roma (1942): Der Völkermord und die Geschichte von den Pappkartonbooten

    Am 1. Juni 1942 begann das Regime des Marschalls Ion Antonescu mit der Deportation der Roma aus Rumänien in die Arbeitslager in Transnistrien. Zwischen 25.000 und 38.000 Roma wurden damals über den Dnjestr in Arbeitslager geschickt — am Ende des Zweiten Weltkrieges waren von den Deportierten nur etwa 1.500 Menschen am Leben geblieben. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Arbeitslagern waren äu‎ßerst schwer, Krankheiten wie Dysenterie und Typhus waren die Hauptursachen für die hohe Sterbensrate bei den Gefangenen. Trotz der Proteste des Königs Michael. I und der Mutterkönigin Elena hat das Antonescu-Regime überhaupt nichts unternommen, um die Roma aus den Arbeitslagern zu befreien oder ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Die offizielle Begründung war, da‎ß die nomadischen Roma eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten.



    Die kollektive Tragödie der rumänischen Roma lie‎ß aber auch Mythen entstehen wie zum Beispiel die Geschichte der Pappkarton-Boote. Man erzählte, da‎ß die Roma gezwungen wurden, in Pappkarton-Boote einzusteigen; der Karton sog sich mit Wasser voll, die Boote gingen kaputt, kenterten in der Mitte des Flusses Bug, und alle Bootsinsassen ertranken. Der Soziologe Adrian Nicolae Furtună, der ein Forschungsteam im Bereich Geschichte und Kultur der rumänischen Roma leitet, sagt aber, die Geschichte der Pappkarton-Boote sei ein Mythos:



    Diese Episode wird in keinem Archiv, in keinem Dokument erwähnt. Wir haben auch Interviews mit Überlebenden von Deportationen geführt, und niemand wu‎ßte etwas über diese Pappkarton-Boote, es gab auch keine Augenzeugen. Wenn man daran denkt, wie die Juden in Transnistrien getötet wurden, klingt diese Geschichte über Roma, die auf Pappkarton-Booten auf den Bug trieben, bis die Boote sich mit Wasser vollsogen und die Menschen ertranken, sogar ein bi‎ßchen ironisch. Es gibt viele Fragezeichen in Bezug auf diese Pappkarton-Boote. Infolge unserer Forschungen sind wir zu dem Schlu‎ß gekommen, da‎ß dieser Mythos nach dem Kentern des Schiffes ‚Struma‘ entstanden war, das Februar 1942 von einem Torpedo versenkt wurde. Die Roma haben die Struma-Tragödie übernommen und an ihre eigene Kultur angepa‎ßt. Diese soziale Projektion eines vorangegangenen Ereignisses wurde durch mehrere Elemente ermöglicht, vor allem durch den ersten Plan des Marschalls Antonescu, der vorsah, dass die Roma über Wasser deportiert werden sollten. Vor der Deportierung fand eine Zählung der Roma-Bevölkerung statt; die Gendarmen gingen von Haus zu Haus und sagten den Leuten Bescheid, wer deportiert wird. Eine soziale Projektion ist aber eine Kette von einzelnen Elementen, und diese versuchen wir klarzustellen. Es gibt auch Dokumente über die Anzahl der Roma, die mit Lastkarren zu den Donauhäfen transportiert werden sollten. Und die Roma dachten, sie würden wie die Juden vom Schiff ‚Struma‘ ertrinken.“




    Die jungen Roma von heute erinnern sich kaum noch an den Völkermord gegen die Roma in Rumänien. Adrian Nicolae Furtună erklärt, wie die Erinnerungskette die Übernahme anderer Tragödien bewirkte und zum Entstehen des Mythos beitrug:



    Wir haben versucht, über den Mythos hinaus zu schauen, um zu sehen, welche Elemente noch in dieser Geschichte enthalten sind. Die meisten jungen Roma verfügen über keine konkreten Daten über die Deportation nach Transnistrien. Sie wissen nicht, in welchem Jahr die Deportation begann, sie kennen nicht einmal Schlüsselwörter wie ‚Transnistrien‘ oder ‚Bug‘, aber sie kennen die Geschichte mit den Pappkarton-Booten. Sie assoziieren diese Geschichte mit dem Holocaust im Westen, weil der Holocaust dort viel stärker mediatisiert wurde. Viele junge Roma sagen, dass die nach Transnistrien deportierten Roma vergast wurden, was aber nicht geschehen ist. Wir wollten aber die Art und Weise untersuchen, wie die historischen Ereignisse von einer Generation zur anderen übertragen werden. Bei den Roma geschieht das auf besondere Weise, denn sie erzählen einander viele Geschichten und Mythen. Die Roma aus dem Stamm der Holzschnitzer sagen zum Beispiel, dass die Mitglieder des Königshauses Holzlöffel und Holzzuber benutzen, und deshalb seien die Angehörigen dieser Berufsgruppe nicht deportiert worden. Es gab aber selbstverständlich auch Fälle von deportierten Holzschnitzern unter den Roma, und jene, die nicht deportiert wurden, sagten, sie hätten bessere Löffel oder Zuber geschnitzt als diejenigen, die nach Transnistrien verschleppt wurden. Sie hätten schönere Holzgegenstände hergestellt, die vom königlichen Haus verwendet wurden, und das habe sie vor der Deportation gerettet. Das ist vielmehr ein weiterer Mythos, der über die Kultur der rumänischen Roma Auskunft gibt.“




    Der Mythos der Pappkarton-Boote hat aber auch die Funktion, die Erinnerung an den Völkermord an den Roma aufrecht zu erhalten, auch wenn dies auf ungewöhnliche Art geschieht. Der Soziologe Adrian Nicolae Furtună dazu:



    Ich führte ein Interview mit einer 90 Jahre alten Frau. Sie selbst war nicht deportiert worden, aber weil sie so alt war, konnte sie mir konkrete Informationen über die damalige Situation der Roma liefern. Während des Interviews kam ihr Enkel zu uns und sagte der Frau, sie möge mal erzählen, wie Marschall Antonescu die Roma in Pappkarton-Booten über den Bug geschickt hatte. Und dabei lachte er. Immer wenn ich die Roma-Gemeinden aufsuche, manchmal mit Kamerateams, zeigen sich die Leute sehr daran interessiert, Auskunft zu geben, sie wissen schon, da‎ß wir Überlebende von Deportationen suchen. Da sagen die Leute lachend zueinander: ‚Du, Costică, erzähl’ ihnen mal, du warst doch auch am Bug!‘ So beziehen sich die Roma auf die Ereignisse, und die historischen Wurzeln der Deportation zeigen, dass es dafür soziale Kriterien gegeben hatte. Deportiert wurden vor allem die Roma, die keine Wohnung und keinen Arbeitsplatz hatten, es handelte sich um eine soziale ‚Säuberungsaktion‘. Und das führte zu Prahl- und Spottgeschichten innerhalb der Roma-Gemeinde: ‚Schau mal, mein Nachbar, der keinen Arbeitsplatz hat, wird deportiert, ich aber nicht!‘ Es gab keine Solidarität zwischen den Menschen, und der Mythos der Pappkarton-Boote hat die Funktion, die Erinnerung wachzuhalten. Die Erinnerung wird aber auf ironische Weise aufrechterhalten, im Unterschied zu ähnlichen Ereignissen in der westlichen Kultur, von denen Menschen in Westeuropa die klare Erkenntnis haben, dass es sich um Tragödien wie Verschleppung handelte. Ein Mensch, der in der westlichen Kultur lebt, würde über ein so tragisches Ereignis wie Deportation niemals ironisch sprechen.“




    Auch wenn die Episode der Pappkarton-Boote in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat, kann man die Tragödie der Roma, der ärmsten Mitglieder der rumänischen Gesellschaft, nicht ignorieren. Und das Umkrempeln ganzer Gesellschaften, um neue Gesellschaftsordnungen durch die Beseitigung ganzer Völker oder sozialer Schichten herzustellen, war unweigerlich unmenschlich und kriminell.



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  • Der zweite kommunistische Folterer steht unter Anklage

    Der zweite kommunistische Folterer steht unter Anklage

    Der mit 85 Jahren immer noch fit aussehende Ion Ficior versuchte, den zahlreichen Reportern aus dem Weg zu gehen, die sich vor dem Sitz des Obersten Gerichtes in Bukareste versammelt hatten. Am Donnerstag hat die Oberste Staatsanwaltschaft nämlich entschieden, den ehemaligen Kommandant des Lagers für politische Gefangene von Periprava (im Südosten Rumäniens) wegen Völkermordes anzuklagen. Für den 85-jährigen Ion Ficior scheint das biologische Alter keine Last zu sein. Unter einer moralischen Last leidet er auch nicht — seine vielen Verbrechen, die von den Ermittlern des Instituts für die Aufklärung der Kommunismusverbrechen mit unanfechtbaren Beweismitteln und Zeugenaussagen bewiesen wurden, hat er ständig verneint. Laut dem Bukarester Institut für Aufklärung der Kommunismusverbrechen habe der Lagerkommandant Ion Ficior zwischen 1958-1963 ein unterdrückendes, missbräuchliches, unmenschliches und willkürliches Regime gegen politische Häftlinge in Periprava eingeführt und ausgeübt. Die häufigsten Methoden gingen vom dauerhaften und methodischen Ernährungs- und Schlafentzug bis zur unvorstellbaren Folter. 103 sogenannte Konterrevolutionäre” wie die Gegner des kommunistischen Regimes bezeichnet wurden, seien dem Missbrauch zu Opfer gefallen, so das Institut für die Aufklärung der Kommunismusverbrechen.



    Die Oberste Staatsanwaltschaft Rumäniens wirft dem früheren Lagerkommandant Ion Ficior vor, für die “physische Zerstörung” der Häftlingen verantwortlich gewesen zu sein. Dies geschah durch direkte und indirekte Mittel: miserable, unmenschliche Haftbedingungen, Mangel an adäquater Ernährung und medizinischer Versorgung, unerträgliche Kälte. Er soll sich besonders hervorgetan haben beim Massenmord an politisch Verfolgten und grausame Misshandlungen in den Zellen. Zudem habe er Gefangene aushungern lassen und ihnen medizinische Versorgung verweigert, führen die Ankläger in Bukarest aus. Etwa 20 der Überlebenden von Periprava haben mit ihren Zeugenaussagen die Anklageschrift in der Strafakte gegen Ion Ficior untermauert. Ion Ficior ist nur einer der hunderten Folterer, die von dem kommunistischen Regime nach 1945 in Rumänien benutzt wurden, um die berufliche und intellektuelle Elite zu zerstören, erklarte Octav Bjoza, der Vorsitzende des Verbands der Ehemaligen Politischen Gefangenen und Überlebenden von Periprava:



    Für uns ist es doch ein bi‎ßchen zu spät. Die meisten von uns haben unseren Folterern bereits vergeben. Die Kommunisten haben die Gerechtesten, die moralisch und beruflich Besten, ins Lager geschickt, um sie zu zerstören. Viele von uns sind in Periprava gestorben. Folterknechte wie Ficior und Visinescu gab es zu Hunderten in Rumänien; glauben Sie ja nicht, da‎ß es nur diese zwei gegeben hat.”



    Ion Ficior ist der zweite Name aus einer Liste mit 35 Folterern, die das Institut für die Aufklärung der Kommunismusverbrechen jetzt ans Licht bringt. Alexandru Visinescu, der ehemalige Leiter der Strafvollzugsanstalt Ramnicu Sarat in der Zeit 1956-1963, war der erste auf der Liste der Folterer, der von der Obersten Staatsanwaltschaft wegen Völkermord angeklagt wurde. Das Institut für die Aufklärung der Kommunismusverbrechen ist eine der wenigen Einrichtungen, die nach der symbolischen Verurteilung des kommunistischen Regimes in Rumänien konkrete Schritte unternommen hat, um die Verbrechen des Kommunismus zu beweisen und de fakto verurteilen zu lassen. Auch wenn die Enthüllung und die Verurteilung der kommunistischen Folterer zu spät zu kommen scheinen, können sie doch eine vorbildliche Rolle für die jüngeren Generationen spielen.

  • Die Woche 31.8. – 6.9.2013 im Überblick

    Die Woche 31.8. – 6.9.2013 im Überblick

    DIE THEMEN:



    Neue Bukarester Parlamentssession hat begonnen



    Proteste in Rumänien und im Ausland gegen das Goldtagebauprojekt Roşia Montana



    Vierjähriges Kind von streunenden Hunden totgebissen



    Privatisierung des staatlichen Unternehmens CFR Marfă paraphiert



    Völkermordanklage gegen ehemaligen Gefängnisleiter



    Internationales Musikfestival George Enescu“ läuft auf vollen Touren




    Neue Bukarester Parlamentssession hat begonnen



    Das Parlament Rumäniens hat am Montag seine Arbeit nach der Sommerpause wieder aufgenommen. Die regierende Sozialliberale Union (USL) legte die Verfassungsänderung und das Referendum-Gesetz als ihre Prioritäten für die kommende ordentliche Sitzungsperiode fest. Auch der Jahreshaushalt 2014, die Regionalisierung und die Dezentralisierung sind für die Koalition vorrangig. Die oppositionelle Liberal-Demokratische Partei (PDL) hat dem Parlament bereits einen Entwurf über die Gründung einer Behörde für den Schutz der Investoren vorgelegt. In dem Entwurf sind vor allem Steuersenkungen vorgesehen, etwa die Reduzierung der einheitlichen Steuerquote auf 12%, die der Sozialbeiträge der Unternehmen auf 5%, Steuererleichterungen für die reinvestierten Gewinne sowie die Anhebung des Mindestlohns auf ca. 225 Euro. Der Jahreshaushalt 2014 und die Dezentralisierung gehören zu den Hauptthemen des Ungarverbandes (UDMR), ebenso wie die Beibehaltung bestimmter Paragraphen des Bildungsgesetzes betreffend den Unterricht in der Muttersprache der Minderheiten.




    Proteste in Rumänien und im Ausland gegen das Goldtagebauprojekt Roşia Montana



    Das umstrittene Projekt des Goldtagebaus in Roșia Montană/Goldbach (in der Mitte Rumäniens), das in den letzten 16 Jahren ein Stein des Ansto‎ßes in Rumänien war, ist in den letzten Tagen wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt. Letzte Woche hat das Regierungskabinett des Ministerpräsidenten Victor Ponta einen neuen Gesetzentwurf zu diesem Thema angenommen und ihn dem Parlament zur Debatte vorgelegt. Die Entscheidung der Bukarester Exekutive führte sofort zu heftigen Stra‎ßenprotesten in mehreren rumänischen und ausländischen Städten und entfachte heftige Debatten zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Projekts.



    Die Umweltschützer lehnen die Goldtagebaumethode mit Verwendung von Zyanid entschlossen ab, wegen der hohen Risiken einer unwiederkehrbaren Umweltverschmutzung in der Region. Ebenfalls dagegen erklärten sich die Geschichtswissenschaftler, weil durch den Goldtagebau in Roșia Montană/Goldbach einmalige historische Funde zerstört werden. Die Befürworter des Projekts behaupten dagegen, dass der Goldtagebau zur Entwicklung der Region beitragen und neue Arbeitsplätze schaffen würde. Insgesamt würden 5 Milliarden Euro in die Staatskassen flie‎ßen. Ministerpräsident Victor Ponta rechtfertigte seinerseits die Freigabe für das Vorhaben seitens der Regierung. Hätte man das Projekt nicht abgesegnet, wäre der rumänische Staat zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von über 2 Milliarden US-Dollar verpflichtet gewesen. Der Gesetzentwurf sei au‎ßerdem zwecks einer transparenten Debatte dem Parlament vorgelegt worden, so der Ministerpräsident noch.




    Vierjähriges Kind von streunenden Hunden totgebissen



    Eine erschütternde Nachricht hat die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Problem der herrenlosen Hunde in Rumänien gelenkt. Ein vierjähriger Junge wurde am Montag in der Nähe eines Bukarester Parks von einem Rudel streunender Vierbeiner totgebissen. Infolge des Dramas zogen die Verantwortlichen in Bukarest mehrere Ma‎ßnahmen in Erwägung: Kommende Woche soll das Parlament über ein neues Gesetz die herrenlosen Hunde betreffend abstimmen, au‎ßerdem wurde die Durchführung einer Volksbefragung über die Einschläferung aller Streuner in Bukarest in Aussicht gestellt. Präsident Băsescu sprach über die Notwendigkeit einer Dringlichkeitsverordnung, die eine Einschläferung der Hunde ermöglichen soll, die innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nicht adoptiert werden.



    Laut der jüngsten Hundezählung lebten in Bukarest etwa 65.000 Streuner. In anderen Gro‎ßstädten des Landes wie Klausenburg oder Constanța gibt es indes nicht einmal eine genaue Bestandsaufnahme der herrenlosen Hunde.




    Privatisierung des staatlichen Unternehmens CFR Marfă paraphiert



    Am Montag wurde beim Transportministerium der Privatisierungsvertrag für CFR Marfă unterschrieben, aber nicht von der neuen Transportministerin Ramona Mănescu, sondern vom Staatssekretär Cristian Gibu. Im Namen von Grup Feroviar Român (GFR) hat nicht der Besitzer Gruia Stoica unterzeichnet, sondern der Generaldirektor. Der nächste Schritt besteht darin, dass GFR den Vertrag dem Kartellamt schicken und dessen Billigung einholen muss. Sodann muss GFR 10 Prozent des Kaufpreises, das sind umgerechnet 20 Millionen Euro, bezahlen. Für den Kaufpreis von insgesamt 202 Millionen Euro für das Mehrheitsaktienspaket von 51% verhandelt Gruia Stoica mit mehreren Banken, versichert aber, dass er das Geld aufbringen werde.



    Ferner verpflichtete sich Grup Feroviar Roman GFR, weitere Investitionen in Wert von 900 Millionen Lei (über 200 Millionen Euro) zu betätigen. Die Privatisierung von CFR Marfă gehört zu den Verpflichtungen der rumänischen Regierung im Rahmen des Abkommens vorbeugender Art, das 2011 mit dem Internationalen Währungsfonds, mit der Europäischen Union und mit der Weltbank unterzeichnet wurde.




    Völkermordanklage gegen ehemaligen Gefängnisleiter



    23 Jahre nach dem Völkermord-Urteil gegen das Diktatoren-Ehepaar Ceaușescu haben die rumänischen Staatsanwälte erneut eine Anklageschrift wegen Völkermordes formuliert, diesmal gegen einen Verantwortlichen für Mord und Folter an politischen Gefangenen während der kommunistischen Ära. Auf der Anklagebank sitzt der heute 88-jährige Alexandru Vișinescu, ehemaliger Leiter der Strafvollzugsanstalt Râmnicu Sărat in der Zeit 1956-1963.



    Die Oberste Staatsanwaltschaft Rumäniens wirft dem früheren Gefängnisdirektor Alexandru Vișinescu vor, für die “physische Zerstörung” der Häftlinge verantwortlich gewesen zu sein. Er soll sich besonders hervorgetan haben beim Massenmord an politisch Verfolgten und Misshandlungen in den Zellen. Zudem habe er Gefangene aushungern lassen und ihnen medizinische Versorgung verweigert, führen die Ankläger in Bukarest aus.



    Alexandru Vişinescu ist nur einer der 35 Folterer, die vom Institut zur Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus identifiziert wurden, und die Entscheidung der Obersten Staatsanwaltschaft, seine nicht verjährbaren Verbrechen als Völkermord einzustufen, wird als Meilenstein in der Vergangenheitsbewältigung angesehen.




    Internationales Musikfestival George Enescu“ läuft auf vollen Touren



    Am Sonntag, den 1. September, ist im Gro‎ßen Palastsaal in Bukarest die 21. Ausgabe des Internationalen Musikfestivals George Enescu“ eröffnet worden. Das von Musikliebhabern voller Aufregung erwartete gro‎ßangelegte musikalische Ereignis findet in der Zeit 1.-28. September in Bukarest und in anderen rumänischen Gro‎ßstädten statt. Das Musikfestival George Enescu“ bringt einige der wichtigsten Musiker der Gegenwart auf die rumänischen Bühnen. Gro‎ße Namen der klassischen Musik wie der Pianist und Dirigent Daniel Barenboim, die phänomenale Pianistin Yuja Wang, Top-Orchester der Welt wie die Staatskapelle Berlin, Royal Concertgebouw Amsterdam oder Pittsburgh Symphony Orchestra werden für die Liebhaber der klassischen Musik in Bukarest konzertieren.



    Musikrezitale, Opernaufführungen, Konzerte in Bukarest und in anderen rumänischen Städten, Vorträge, Konferenzen, Kompositionsworkshops, ein musikwissenschaftliches Symposium und Sonderauftritte auf dem Festivalplatz vor dem Bukarester Athäneum werden von Radio Rumänien, einem der Koproduzenten des Festivals, live übertragen. Insgesamt gibt es in September über 10.000 Minuten Musik und Interviews mit Musikern und anderen Kulturpersönlichkeiten in den Konzertsälen. Darüber hinaus veranstaltet Radio Rumänien am 20., 21. und 22. September Themenabende für das Festivalpublikum. Das 1958 gegründete Internationale Musikfestival trägt den Namen des gro‎ßen rumänischen Komponisten, Violinisten, Pianisten und Musikpädagogen George Enescu, der in der ganzen Welt geehrt wird.



    Audiobeitrag hören:



  • Die rumänische Justiz macht Licht in der kommunistischen Vergangenheit

    Die rumänische Justiz macht Licht in der kommunistischen Vergangenheit

    Fast 25 Jahre nach dem Völkermord-Urteil gegen das Diktatoren-Ehepaar Ceausescu formulieren erneut die rumänischen Staatsanwälte eine Anklageschrift wegen Völkermordes, diesmal gegen einen Verantwortlichen für Mord und Folter an politischen Gefangenen während der kommunistischen Ära. Auf der Anklagebank sitzt der heute 88-jährige Alexandru Vişinescu, ehemaliger Leiter der Strafvollzugsanstalt Ramnicu Sarat in der Zeit 1956-1963. Die Oberste Staatsanwaltschaft Rumäniens wirft dem früheren Gefängnisdirektor Alexandru Vişinescu vor, für die “physische Zerstörung” der Häftlingen verantwortlich gewesen zu sein. Er soll sich besonders hervorgetan haben beim Massenmord an politisch Verfolgten und Misshandlungen in den Zellen. Zudem habe er Gefangene aushungern lassen und ihnen medizinische Versorgung verweigert, führen die Ankläger in Bukarest aus.



    Alexandru Vişinescu ist nur einer der 35 Folterer, die vom Institut zur Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus identifiziert wurden, und die Entscheidung der Obersten Staatsanwaltschaft, seine nicht verjährbaren Verbrechen als Völkermord einzustufen, wird eine neue Seite der rumänischen Geschichte aufschlagen. Der Leiter des Instituts zur Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus, Andrei Moraru, dazu: Es ist zum ersten mal, dass gegen einen ehemaligen Verantwortungsträger vom kommunistischen Strafvollzugssystem Anklage erhoben wird. Für die Opfer des kommunistischen Regimes ist das ein erster Schritt nach vorne. Für die anderen Verantwortlichen vom ehemaligen Strafvollzugssystem, die wir identifiziert haben, und allgemein für alle Verdächtige, die während des Kommunismus Verbrechen und Mi‎ßbrauch verübt haben sollen, ist dieser Beschlu‎ß die Bestätigung dafür, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben und in nächster Zukunft genauere Strafermittlungen führen werden.“



    Das Erheben der Anklage betrachtet man auch als ein Akt der Gerechtigkeit für die Opfer, die in den kommunistischen Gefängnissen gelitten haben, und für ihre Familien. Der Historiker Stelian Tănase ist der Ansicht, dieser Beschlu‎ß könnte zur Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Rumänien beitragen: Der Prozess Vişinescu“ hat Symbolwert, denn er startet eine sehr scharfe, sehr harte Debatte über die kommunistische Vergangenheit bis 1989 in Rumänien. Bis jetzt standen solche gravierende Fälle bei uns nicht im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Es gab schon öffentliche Stellungnahmen gegen kleinere Informanten, manche kleine Fische“ mu‎ßten sich auch verantworten, aber nun wollen wir die wichtigen Entscheidungsträger des kommunistischen Systems vor Gericht bringen. Der Leiter der Strafvollzugsanstalt Ramnicu Sarat war eine sehr wichtige Figur des rumänischen Gulags. Im Gefängnis Ramnicu Sarat, das keine gewöhnliche Strafviollzuganstalt war, sa‎ßen die Überlebenden von den Gefängnissen Sighet und Aiud, ehemalige Politiker und andere spezielle Fälle“.“



    In etwa zwei Wochen wird das Institut zur Aufklärung der Verbrechen des Kommunismus einen zweiten Namen von der Liste der Folterer öffentlich machen.