Tag: Völkerrecht

  • Zwei Jahre Krieg in der Ukraine: Weitere Sanktionen gegen Russland verhängt

    Zwei Jahre Krieg in der Ukraine: Weitere Sanktionen gegen Russland verhängt

    Am 24. Februar 2022 kündigte der russische Präsident Wladimir Putin den Beginn einer sogenannten „militärischen Sonderoperation“ gegen die Ukraine an, die sich in ihrem Ausmaß und ihren Folgen bald zu einem regelrechten Krieg ausweitete. Die Aggression wurde von den Staaten und Organisationen der freien Welt entschieden verurteilt, und die NATO und die Europäische Union begannen, dem angegriffenen Land umfangreiche wirtschaftliche, militärische, logistische und humanitäre Unterstützung zu gewähren.

    Entgegen den Vorhersagen über eine schnelle Kapitulation leisteten das ukrainische Volk und seine Armee mit Hilfe der entscheidenden Unterstützung des Westens starken Widerstand. Darüber hinaus widersprach eine im letzten Sommer eingeleitete militärische Gegenoffensive, die mit einigen bemerkenswerten Erfolgen begann, den ursprünglichen Vorhersagen und begünstigte sogar das Szenario eines ukrainischen Sieges. Die Dinge haben sich jedoch nicht so entwickelt, wie Kiew und seine Verbündeten es sich gewünscht hätten, und zwei Jahre nach Beginn des Krieges ist die Lage vor Ort immer noch kompliziert. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Ukraine nur schleppend militärische Unterstützung erhält, insbesondere von ihrem Hauptlieferanten, den USA. Wie Präsident Wolodymyr Selenskyj zugab, befindet sich die Ukraine an der Front in einer äußerst schwierigen Lage. Die ukrainische Armee ist mit zahlreichen Angriffen der russischen Truppen konfrontiert und kämpft mit einem Mangel an Munition. Zudem hat Washington Anfang Februar weitere Militärhilfen für die Ukraine blockiert.

    Die USA haben nun weitere Sanktionen gegen Russland verhängt, die sich gegen mehr als 500 Personen und Einrichtungen richten, die mit der russischen Kriegsmaschinerie in Verbindung stehen, so das US-Außenministerium, das auch darauf hinwies, dass es sich um das umfangreichste Sanktionspaket seit Putins Einmarsch in die Ukraine handelt. Der Schritt ist eine Reaktion auf den Tod des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny und markiert auch den zweiten Jahrestag des Beginns der russischen Aggression.

    Großbritannien kündigte außerdem weitere Sanktionen gegen Moskau an, die sich gegen mehr als 50 Personen und Unternehmen richten, insbesondere in Bereichen, die die russische Armee mit Munition, Raketen und Sprengstoff versorgen, sowie gegen wichtige Einnahmequellen Russlands, wie den Handel mit Metallen, Diamanten und Energieressourcen. Großbritannien kündigte außerdem neue Raketenlieferungen an die Ukraine an. Die EU-Botschafter haben kürzlich ein 13. Sanktionspaket gebilligt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird am kommenden Montag in Paris ein hochrangiges Treffen veranstalten, bei dem es darum geht, die Zusammenarbeit der Partner zur Unterstützung der Ukraine zu konsolidieren.

    Der ukrainische Botschafter in Bukarest, Ihor Prokoptschuk, sagte, sein Land und seine Verbündeten müssten vereint bleiben und Kiew habe nur ein Ziel: den von Russland losgetretenen Krieg zu gewinnen. Er beschuldigte Moskau, das Völkerrecht zu verletzen, ukrainische Städte zu zerstören und viele Opfer unter der Zivilbevölkerung zu fordern. Er begrüßte die Entscheidung der Europäischen Union vom 1. Februar, ein Finanzhilfepaket in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine zu bewilligen, und dankte Rumänien für seine politische, militärische und finanzielle Unterstützung.

  • Globale Sicherheit und Völkerrecht im 21. Jh.: Gespräch mit dem Politologen Iulian Chifu

    Globale Sicherheit und Völkerrecht im 21. Jh.: Gespräch mit dem Politologen Iulian Chifu





    Nach mehr als einem Jahr, seitdem Moskau die so genannte militärische Spezialoperation losgetreten hat, sagt der Kremlchef, dass es bei der Militäraktion in der Ukraine um die Existenz Russlands als Staat ginge. In einer Rede vor Arbeitern in einer Fabrik, in der Hubschrauber für das russische Militär hergestellt werden, wiederholte Wladimir Putin seine These, dass das Ziel des Westens darin bestehe, Russland zu zerschlagen. Für uns ist dies keine geopolitische Aufgabe, sondern eine Überlebensfrage, bei der es darum geht, die Voraussetzungen für die künftige Entwicklung unseres Landes und die Zukunft unserer Kinder zu schaffen“, so der Kremlchef, der den Westen beschuldigte, die Ukraine als Instrument für einen Krieg gegen Russland zu benutzen. In Bezug auf die Ukraine betonte Putin, dass Moskau jahrzehntelang versucht habe, gute Beziehungen zu dem Land aufrechtzuerhalten, doch mit dem vom Westen angezettelten Staatsstreich“ im Jahr 2014 habe sich alles geändert“.



    Es sei nicht das erste und wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal, dass die Rhetorik eines russischen Staatschefs aus einer parallelen Realität zu stammen scheint, wobei sich Wladimir Putin in eine anklagende Position begibt und Russland als Opfer des Westens hochstilisiert. Die Besonderheit des 21. Jahrhunderts besteht darin, dass die Welt sich von einer bipolaren Stabilität in eine Instabilität mit vielen Unbekannten begeben hat, sagt der rumänische Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Iulian Chifu im Gespräch mit Radio Rumänien. Professor Chifu, der mit der ehemaligen Sowjetunion bestens vertraut ist und als Russland-Experte gilt ist, hat in seiner vierbändigen Studie Die Neugestaltung der Sicherheit und das Völkerrecht im 21. Jh.“ die Entwicklungen, Trends und die aktuellen Verwerfungen in der Weltpolitik analysiert.



    Gorbatschow konnte eines nicht vorhersehen und er wusste auch nicht, wie er sich darauf einstellen sollte – die Tatsache, dass nach der Entlassung der verschiedenen Nationen aus dem berüchtigten »Gefängnis der Völker«, wie die Sowjetunion genannt wurde, diese versuchen würden, ihre Identität wieder zu finden und ihren eigenen, unabhängigen Weg zu gehen. Daher war der Zusammenbruch der Sowjetunion ein natürlicher Prozess. Es war ein Versuch des kommunistischen Regimes, zu überleben, und er endete nur mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Staates, wie wir ihn kannten, denn es war ein künstlicher Staat, der aus Teilen zusammengesetzt war und nur durch Gewalt und Repression sowie die erdrückende Macht einer totalitären Ideologie zusammengehalten werden konnte. Das Gleiche geschieht heute oder wird sich in naher Zukunft vor unseren Augen [in Russland] abspielen. Es ist eine allgegenwärtige Frage: Wie geht es weiter mit Putin, wie würde eine Post-Putin-Ära aussehen, würden Putin und der Putinismus eine Niederlage in der Ukraine überleben? Und hier ist die Literatur sehr reichhaltig, in meinem Buch versuche ich, durch das Prisma meiner eigenen Einschätzungen eine Antwort darauf zu finden. Sicher, Putin wird nicht überleben können, aber das wirft gleich eine andere Frage auf: Es gibt geheimdienstliche Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass man im Kreml bereits nach einem Nachfolger für Putin sucht. Natürlich wird Putin nicht aufgrund von Unruhen, nicht aufgrund von öffentlichem Druck beseitigt werden, sondern sein eigenes Umfeld wird sich seiner Person entledigen. Der Putinismus als Ideologie wird allerdings zu überleben versuchen, indem Putin durch einen Nachfolger aus dem inneren Kreis ersetzt wird, so wie es zum Beispiel bei Leonid Chruschtschow der Fall war.“




    Professor Chifu verwies auch auf die Situation des russischen Militärs — junge, ahnungslose Männer, die mit veralteten Waffensystemen an die ukrainische Front geschickt werden, um als Kanonenfutter verheizt zu werden. Gleichzeitig, so der Politikwissenschaftler, habe Putin ein Jahr nach Beginn der so genannten Sonderoperation noch kein Narrativ gefunden, mit dem er seine eigene Öffentlichkeit, geschweige denn die internationale Gemeinschaft, von der Notwendigkeit dieses Kriegs überzeugen könne. In der komplizierten geopolitischen Lage weltweit sollten andererseits auch die Rolle und die Ziele Chinas nicht unterschätzt werden, führt Iulian Chifu weiter aus:



    Putins Problem ist, dass sich die Welt dramatisch verändert hat, dass die Macht im absoluten Sinne verschwunden ist, dass wir heute anstelle von zwei Supermächten zwei Gro‎ßmächte und viele Regionalmächte haben und dass keine der beiden Gro‎ßmächte Russland ist, sondern die USA und China diese Position einnehmen. Wenn man den Ehrgeiz Putins und des russischen Volkes hat, das schon immer mit diesem Exzeptionalismus und der absoluten Überlegenheit und der Idee der Aufteilung der Welt in Einflusssphären gefüttert wurde, dann ist das aus diesem Gesichtspunkt sicherlich ein Problem. Xi Jinping hat ein anderes Gewicht — China ist eine aufstrebende Gro‎ßmacht, das Land hat Ambitionen globaler Natur, es will die Welt unterwerfen. Putin ist für Xi Jinping ein Anhängsel, ein Juniorpartner, und au‎ßerdem pfuscht er ihm ins Handwerk, er stört seine Geschäfte. Als China den sogenannten 12-Punkte-Plan für die Lösung des Ukraine-Konflikts vorlegte, enthielt er eigentlich nur zwei klare Botschaften: keine Atomwaffen einsetzen und den Krieg so schnell wie möglich beenden.“




    China sei an einer schnellen Beendigung des Kriegs interessiert, weil dieser Krieg indirekt auch China etwas kostet, sagt Iulian Chifu. Und die Strategie der beiden autoritären Führer falle dementsprechend aus: Putin müsse viel Lärm machen, um an den Tisch eingeladen zu werden, an dem über globale Fragen diskutiert wird; Xi Jinping wiederum stützte seine Stärke und seine Macht auf die Wirtschaft. Doch brauche er auch Stabilität und Ruhe, um unter dem Radar zu operieren und seine Macht zu vergrö‎ßern. Wenn Putin für Turbulenzen sorge, habe auch China ein Problem, so der Politikwissenschaftler Iulian Chifu im Gespräch mit Radio Rumänien.

  • Rumänische Kriegsgefangene in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg

    Rumänische Kriegsgefangene in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg

    Die Zahl der rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg steht bis heute noch nicht fest. Bis zum 23. August 1944, als Rumänien sich der Koalition der Vereinten Nationen anschlo‎ß, verschwanden etwa 165.000 rumänische Soldaten — die meisten von ihnen wurden zu Kriegsgefangenen. Nach dem 23. August haben die Sowjets etwa 100.000 rumänische Soldaten entwaffnet und gefangen genommen. Laut den offiziellen Quellen der Sowjetunion befanden sich 1946 noch 50.000 Rumänen in sowjetischen Gefangenenlagern.



    Die Geschichte dieser Menschen, die meisten von ihnen verloren in der gigantischen Sowjetunion, wird höchstwahrscheinlich niemals komplett geschrieben. Der Zugang zu den sowjetischen Archiven ist heute zwar möglich, doch die enorme Zahl der Dokumente macht die Forschungsarbeit besonders schwer. Die rumänischen Historiker versuchen, so schnell wie möglich Informationen zu sammeln; einer dieser Forscher ist Vitalie Văratec, Autor der Studie Die rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Dokumente 1941-1945“. Vitalie Văratec teilte uns mit, mit welchen Schwierigkeiten er in den Moskauer Archiven konfrontiert wurde:



    Heutzutage können wir nicht einmal die genaue Zahl der rumänischen Kriegsgefangenen feststellen. In den Dokumenten wird nur die Bezeichnung ‚Verschollene‘ verwendet. Wenn diese Soldaten zum Beispiel in einem Flu‎ß gefallen sind, wei‎ß niemand mehr, was mit ihnen geschehen ist. Einer meiner Kollegen, mit dem ich beim Verfassen des Buches zusammenarbeitete, hat versucht, die Liste der Gefallenen in der Schlacht von Ţiganca festzustellen; er sagte mir, da‎ß bis heute noch nicht genau bekannt sei, wie viele Soldaten gefallen sind, wie viele gefangen genommen und wie viele für verschollen erklärt wurden. Es gibt nur eine lange Liste mit Verschollenen — niemand wei‎ß, was mit diesen Menschen in Wirklichkeit passiert ist. Und das wissen wir nur von den Schlachten am Flu‎ß Prut. Was war aber am Don, am Dnjestr, oder bei der Schlacht von Stalingrad geschehen?“




    Der Status der rumänischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg war von der sowjetischen Auslegung des Völkerrechts abhängig. Vitalie Văratec:



    Der Status der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion entsprach teilweise den Normen, die in der Genfer Konvention von 1929 festgelegt worden waren. Es gab aber auch deutliche Unterschiede, wenn man bedenkt, da‎ß der sowjetische Staat in seiner offiziellen Politik den Grundsatz des Klassenkampfes förderte und die Offiziere einen besonderen Status genossen. In der Sowjetunion gab es eine spezielle Interpretation der Frage betreffend die Arbeitspflicht für Kriegsgefangene. Laut der Genfer Konvention durften die Kriegsgefangenen nicht in der Militärindustrie oder in irgendeinem Bereich im Interesse der Armee arbeiten. In der Sowjetunion, wie auch in Nazideutschland, hat man diese Norm nicht beachtet.“




    Am schlimmsten in den sowjetischen Gefangenenlagern war aber die Ernährung. Trotz des enormen ideologischen Drucks haben einige sowjetischen Ärzte erklärt, da‎ß die Verpflegung der Kriegsgefangenen unter dem Lebenserhaltungniveau war. Vitalie Văratec dazu:



    Sehr viele Kriegsgefangene sind in den sowjetischen Lagern verhungert. Die russischen Historiker haben dieses Problem sehr aufmerksam recherchiert. Ein Forscher aus Wolgograd, Dr. Sidorow, hat sogar eine umfassende Studie über die Entwicklung der Lebensmittelrationen für Kriegsgefangene während des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht. Vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 wurden Entscheidungen getroffen, die zum Tod von Tausenden Menschen führten. Die Sowjetunion befand sich in einer äu‎ßerst schwierigen wirtschaftlichen Lage und wurde gezwungen, viel Getreide aus den USA zu importieren. In dieser Situation konnte der sowjetische Staat die Mindestrationen von Lebensmitteln für Kriegsgefangene nicht sichern. Nach den Schlachten am Flu‎ß Don und von Stalingrad war die Zahl der Kriegsgefangenen massiv gestiegen und in den ersten Monaten des Jahres 1943 wurden sogar medizinische Gutachten über den Zustand der Gefangenen gefordet. Auch wenn die Sowjetbürger in Angst vor dem harten proletarischen Regime lebten, trauten sich doch einige Ärzte zu erklären, da‎ß die offiziell festgelegten Lebensmittelrationen für die normale Lebenserhaltung nicht ausreichten. Laut ihren Rechnungen reichten die Kalorienmengen der Rationen für Kriegsgefangenen nur, um im Liegen zu überleben, ohne sich zu bewegen. Aber diese Menschen mu‎ßten schwere Arbeit verrichten, und unter diesen Bedingungen konnten sie nicht lange überleben.“




    Das Leben der Kriegsgefangenen in den sowjetischen Lagern war unerträglich, aber die Leute haben die Hoffnung nicht verloren — sie versuchten immer wieder, sich zu retten. Vitalie Văratec mit weiteren Informationen:



    Ich habe viele Statistiken über die Zahl der Toten und Kranken unter den Kriegsgefangenen gelesen. Es gibt aber auch eine besonders interessante Statistik über diejenigen, die aus den Lagern ausgebrochen und geflüchtet waren. Neben den Listen mit den Namen der Ausbrecher gibt es auch Angaben über diejenigen, die wieder gefasst oder nicht mehr gefasst wurden. 3,2% aller Ausbrecher wurden nicht mehr gefasst, und die meisten von ihnen waren Rumänen. Da fragte ich mich, warum? Eine Geschichtsforscherin aus Italien versuchte, eine Antwort darauf zu finden, und sie konnte feststellen, dass es eine Art ‚Mafia‘ der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion gegeben hat. Nach der Schlacht von Stalingrad wurden über 30.000 rumänische Soldaten gefangengenommen; darüber gibt es auch Zeugnisse von Zivilisten. Eine ältere Frau hat erzählt, da‎ß, als sie am Morgen in die Schule ging, sie manchmal am Stacheldrahtzaun sah, wie die Kriegsgefangenen in Reih und Glied standen. Die Rumänen bekreuzigten sich, und die Deutschen zeigten mit den Finger auf sie und lachten. Daraus wurde mir klar, da‎ß die Rumänen, mit ihrer orthodoxen Religion, sich schneller an die schwere Lage im Gefangenenlager angepa‎ßt hatten. Nach diesem Prinzip konnten sie sich auch besser organisieren.“



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