Tag: Wahlheimat

  • Venezolanerin hat die Entwicklung Rumäniens miterlebt

    Venezolanerin hat die Entwicklung Rumäniens miterlebt

     

     

    María Elena Ballestero Martínez stammt aus Maracaibo, Venezuela. Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in Rumänien, spricht fließend Rumänisch und hat sich hier ein Leben und eine Karriere aufgebaut. Vom Beruf her ist sie auf Öffentlichkeitsarbeit spezialisiert. Sie studierte in Venezuela an der Universidad del Zulia, wo sie einen Abschluss in Kommunikation und audiovisuellem Journalismus erwarb, und absolvierte anschließend ein Masterstudium an der Universidad Autonoma de Barcelona in Spanien. In Rumänien arbeitete sie in der Marketing- und Kommunikationsabteilung einer privaten Fluggesellschaft.

    Für unsere Rubrik „Ausländergeschichten in Rumänien“ unterhielt sich Hildegard Ignătescu telefonisch mit ihr, da sich die Venezolanerin zum Zeitpunkt des Interviews zu Besuch bei Verwandten im US-Bundesstaat Oklahoma befand. 

     

    Als María Elena Ballestero Martínez im Frühjahr 2002 in Rumänien ankam, bedeutete dies einen ziemlich großen und wichtigen Einschnitt in ihrem Leben:

    Ich möchte zunächst klarstellen, dass ich nur vorübergehend in den USA bin. Ich bin nur für eine kurze Zeit auf ein Familientreffen hier, aber gleich nach den Feiertagen werde ich wieder in Rumänien sein. Ich bin durch Heirat nach Rumänien gekommen. Ich habe einen rumänischen Staatsangehörigen geheiratet, den ich in den Vereinigten Staaten kennengelernt hatte, und wir zogen im März 2002 dauerhaft nach Bukarest. Seitdem ist Rumänien meine Heimat geworden.“

     

    Für María Elena Ballestero Martínez war damals alles neu und ungewohnt in Rumänien, vom Klima über das Essen bis hin zu Kultur, Bräuchen und Lebensstil. Sie war nur 29 Jahr alt und begann in Bukarest ein neues Leben. Sie erzählt im Folgenden, wie ihre Anfänge in Bukarest waren und wie sie in Rumänien aufgenommen wurde.

    Auf jeden Fall hat sich mein Leben völlig verändert, und zwar nicht nur in Bezug auf die Änderung des Familienstandes. Als ich in Rumänien ankam, wusste ich nur, wie man »Hallo« und »Danke« sagt, also bestand die erste Herausforderung darin, Rumänisch zu lernen. Zu dieser Zeit bot das Cervantes-Institut auch einen Rumänisch-Kurs für Spanier an, und so begann ich, die Sprache zu lernen. Ich hatte das große Glück, eine fähige Lehrerin zu finden, und innerhalb von sechs Monaten konnte ich schon ziemlich flott ein Gespräch führen.

    Eine weitere Herausforderung war das Wetter. Ich komme aus einer Stadt in Venezuela, in der das ganze Jahr über eine Durchschnittstemperatur von mindestens 30 °C herrscht, so dass ich mich an die Jahreszeiten gewöhnen musste. Hier in Rumänien habe ich zum ersten Mal Schnee gesehen. Es war eine Herausforderung zu lernen, wie man sich für jede Jahreszeit kleidet – denn in meinem Gepäck hatte ich nur Sandalen und Sommerkleidung. Die Integration war eine weitere Herausforderung, doch auch hier hatte ich das Glück, nach nur sechs Monaten meinen ersten Job in einem internationalen Unternehmen zu finden, was mir ermöglichte, mich in Rumänien zu integrieren und zugleich weiterhin Kontakte zum Ausland zu pflegen. Das war eine gute Gelegenheit, den anfänglichen Kulturschock allmählich zu überwinden. Und da ich als Familienmitglied kam und von Rumänen umgeben war, half mir das ungemein, mich an die rumänische Gastronomie, die Bräuche, Traditionen und Musik zu gewöhnen.

    Doch ausschlaggebend für das Gefühl, dass Rumänien definitiv meine Heimat geworden ist, war die Erfahrung, Mutter zu werden. Als ich mein erstes Kind bekam, war ich wirklich darauf bedacht, dass ich die rumänische Sprache beherrschen müsste, weil ich verstehen wollte, was mein Kind sagt. Ich habe zwei Töchter, sie sind heute 17 und 19 Jahre alt. Seit sie in mein Leben eingetreten sind, haben sich viele Dinge verändert.

    Im Jahr 2011 erhielt ich die rumänische Staatsbürgerschaft und ich bin sehr stolz darauf. Ich habe mich fast ein Jahr lang darauf vorbereitet. Ein Jahr, in dem ich nicht nur Nachhilfe erhalten und eifrig gelernt habe, sondern auch viel durchs Land herumgereist bin, denn es ist eine unvergleichbare Erfahrung, wenn man die Dinge, von denen man aus Büchern gelernt hat, vor Ort sieht.

    Ich hatte mir selbst sogar fest versprochen, am dem Tag, an dem ich die rumänische Staatsbürgerschaft erhalten sollte, eine Party zu schmeißen und mich in Nationaltracht zu kleiden. Und das habe ich getan! Als ich meinen Namen in der Liste der neuen Staatsbürger las, zog ich an diesem Abend voller Stolz eine rumänische Leinenbluse an, die ich aufbewahrt hatte, um diesen Moment zu feiern. Ich lud Kollegen, Freunde und Familie ein, die mich in diesem Prozess des Heimischwerdens begleitet haben, und wir feierten ganz nach rumänischer Art – mit Nationaltracht, rumänischer Musik und rumänischem Essen.“

     

    Doch was war für die Venezolanerin María Elena Ballestero Martínez am schwierigsten bei der Eingewöhnung in Rumänien und was empfindet sie heute gegenüber ihrer Wahlheimat?

    Ich denke, die Sprache zu meistern, war nicht leicht. Auch wenn ich bald schon seit 23 Jahren in Rumänien lebe und die Leute sagen, dass ich Rumänisch ziemlich gut sprechen würde, ist die Sprache für mich immer noch eine Herausforderung. Und ich denke, dass ich in Rumänien jeden Tag immer noch etwas Neues lernen kann. Ich bin dem Land sehr dankbar, vor allem weil ich hier Sicherheit gefunden habe, was in Venezuela, einem Land mit vielen politischen Problemen, leider abhanden gekommen ist.

    Rumänien gab mir die Chance, viele Dinge zu entdecken, und ich denke, dass ich in meinem Leben hier auch Zeitzeugin der Entwicklung Rumäniens geworden bin. Als ich ankam, waren die Dinge in vielerlei Hinsicht sehr, sehr anders – die Infrastruktur, die Versorgung, sogar das Bankwesen. Das Online-Banking war 2002 fast nicht vorhanden, es gab nur einen einzigen Großmarkt in Bukarest, der in jenem Jahr eröffnet worden war, von der Straßeninfrastruktur ganz zu schweigen… In der Zwischenzeit ist Rumänien der Europäischen Union beigetreten, die neuen Generationen haben eine andere Denkweise, und ich kann diese Dinge wahrnehmen. Ich habe diese rasante Entwicklung miterlebt – und das macht mich sehr glücklich.“

  • Mustafa Öz aus der Türkei: „Ich fühlte mich von Anfang an nicht fremd in Rumänien“

    Mustafa Öz aus der Türkei: „Ich fühlte mich von Anfang an nicht fremd in Rumänien“

     

     

    Zunächst wollten wir erfahren, was den türkischen Lehrer und Wissenschaftler nach Rumänien verschlagen hat.

    Mein Abenteuer in Rumänien begann im Jahr 2000. Wie jeder Hochschulabsolvent war ich auf der Suche nach einer Stelle als Chemielehrer und bekam ein Angebot vom privaten Bildungsnetzwerk »Lumina« in Bukarest. Und so kam ich nach Rumänien. Meine Laufbahn als Lehrer begann allerdings am Internationalen Informatik-Gymnasium in Constanța, dann setzte ich sie in Bukarest an verschiedenen Einrichtungen fort, wo ich in einigen vom Netzwerk betreuten Schulen Führungsaufgaben übernahm.“

     

    Doch wieso hat sich Mustafa Öz gerade für Rumänien entschieden und wie hat er sich in den 20 Jahren hier eingelebt?

    Als ich zum ersten Mal nach Rumänien kam, war das für mich vielleicht wie ein Auslandsabenteuer. Ursprünglich war mein Plan, nur drei Jahre hier zu bleiben. Aus diesen drei Jahren sind inzwischen 23 Jahre geworden, und wir werden vielleicht noch weitere 23 Jahre oder sogar länger bleiben. Meine Frau und ich wussten nicht viel über Rumänien, als wir hierherkamen. Wir hatten nur von den Karpaten gelesen, wir kannten den Fußball-Star Hagi, der als Maradona des Karpatenlandes bezeichnet wurde, und wir hatten von der Turnerin Nadia Comăneci gehört, aber sonst wussten nicht viel übers Land.

    Als ich im Jahr 2000 nach Rumänien zog, arbeitete ich ein Jahr lang als Chemielehrer am Internationalen Informatik-Gymnasium in Constanța. Die Menschen waren sehr warmherzig, sehr gastfreundlich, ich fühlte mich wie zu Hause, vor allem in Constanța, in der Region Dobrudscha, wo es aufgrund der ethnischen Vielfalt auch türkische und tatarische Traditionen gibt. Folglich fühlte ich mich nicht als Fremder hier in Rumänien. Dann lernte ich schneller Rumänisch als meine Kommilitonen, die mit mir gekommen waren, und nach einem Jahr sprach ich bei den Elterntreffen Rumänisch. Das war ein großer Erfolg für mich, bei den rumänischen Eltern kam das sehr gut an.

    Generell mochte ich die Menschen hier, ich fand Gefallen am Land und ich liebe besonders die Natur, also ist Rumänien zu meiner zweiten Heimat geworden. Und heute kann ich sogar sagen, dass es mein Zuhause ist, denn meine Kinder sind hier geboren, ich habe drei Töchter. Wenn wir im Sommer in die Türkei fahren, freuen wir uns, meine Frau und ich – meine Frau stammt nämlich ebenfalls aus der Türkei –, unsere Verwandtschaft zu treffen: meine Eltern, meine Großeltern, unsere Tanten usw. Doch nach einer Woche oder zwei Wochen in der Türkei fangen die Kinder an zu fragen: ‚Papa, wann fahren wir nach Hause?‘ Für sie ist Rumänien die Heimat, und mittlerweile ist das Land auch für uns zur Heimat im eigentlichen Sinne geworden.“

  • Virgile Prod’homme aus Frankreich: „Ein Teil meiner Identität ist rumänisch“

    Virgile Prod’homme aus Frankreich: „Ein Teil meiner Identität ist rumänisch“

    Virgile Prod’homme kommt aus Frankreich, wo er an der Universität Rouen Geographie studierte. Er setzte sein Studium in Rouen mit einem Master in Geographie und einem Master in Sprachwissenschaften fort. Dann unterrichtete er Französisch als Fremdsprache in Prag. Danach zog unser Gesprächspartner nach Rumänien, zunächst nach Constanța, wo er an einigen Gymnasien Französisch unterrichtete. Später lehrte er an der Westuniversität in Timișoara (Temeswar) und zog nach Österreich, wo er an der Universität Salzburg die gleiche Lehrerfahrung machte. Er kehrte nach Rumänien zurück, diesmal nach Bukarest, wo er als Dozent an der Universität tätig war und dann Direktor der französischen Buchhandlung Kyralina“ wurde. Seit 2019 ist er Direktor in der Abteilung Training und Zertifizierungen am Französischen Kulturinstitut in Bukarest. Er erzählt uns, wie seine rumänische Geschichte begann:



    Als ich in Prag war, habe ich einige Rumänen getroffen, die mir ein wenig über die Vorliebe der Rumänen für die französische Sprache erzählten. Ich war sehr interessiert und kontaktierte meine ehemalige Universität in Frankreich, in Rouen, bewarb mich über das Au‎ßenministerium um ein Praktikum und schaffte es, nach Constanța zu kommen. Ich habe dort fast acht Monate gearbeitet und war begeistert von den Menschen und der Kultur. Es war eine angenehme Überraschung für mich, ich fand es unglaublich, dass es in diesem Teil Europas ein Volk gibt, das eine romanische Sprache spricht. Für mich war es faszinierend, und die Menschen waren sehr gastfreundlich und hilfsbereit.“




    Virgile hat mit hunderten von Studenten und Schülern gearbeitet und hat eine gro‎ße Erfahrung im Unterrichten der französischen Sprache gesammelt. Was hat ihn dazu bewogen, nach Rumänien zurückzukehren und hier zu bleiben?



    Für mich gab es mehrere Möglichkeiten, habe auch in Deutschland studiert, und mein Bruder lebt dort. Ich könnte allerdings jderzeit nach Frankreich zurückkehren, wo ein Teil meiner Familie lebt. Aber ich dachte, dass Rumänien in Bezug auf Arbeit, Möglichkeiten und Alltagsleben viel Potenzial hat, also entschied ich mich, hier zu bleiben. Ich hatte auch eine berufliche Chance, denn ich war Dozent an der Universität Bukarest und für mich war es eine tolle Zeit mit den Studenten. Ich hatte viele Studenten und für mich war es eine äu‎ßerst interessante Arbeit. Als ich zurück in den Westen, nach Österreich, ging, gefiel es mir, aber ich vermisste Rumänien sehr. Bukarest ist eine überraschende und kulturell sehr interessante Stadt. Jetzt ist es schwieriger, weil wir mitten in der Covid-Pandemie stecken, aber ich denke, es ist eine Stadt mit einer interessanten Zukunft. Ich habe angefangen, Bücher von rumänischen Autoren zu lesen, Rumänisch zu sprechen, es systematisch zu lernen, und jetzt bin ich glücklich, weil ich eine neue Identität hinzugewonnen habe und ein Teil davon ist rumänisch.“




    Virgile sagt, dass er sich in der rumänischen Gesellschaft sehr wohl fühlt und dass seine Rumänien-Erfahrung ihn gewisserma‎ßen verändert hat:



    In Rumänien kann man gut leben, indem man auf eine Ressource wie den Humor zurückgreift. Wenn etwas schief läuft, finden die Rumänen immer diese Art von ironischem Humor, den ich sehr mag und dem ich jeden Tag begegne. Es scheint mir, dass es positive und negative Aspekte gibt. Ein negativer Aspekt ist die Einhaltung von Terminen: Wenn wir z.B. planen, uns in sechs Monaten zur gleichen Zeit zu treffen, hält sich fast niemand dran, anders als in Deutschland, wo man das mit Sicherheit machen kann. Die positive Seite ist jedoch, dass ich hier die Fähigkeit gesehen habe, sich sehr schnell anzupassen, und nur hier habe ich diese Fähigkeiten gefunden. Ich denke, es ist sehr wichtig, besonders in den schwierigen Zeiten, die wir gerade erleben, dass die Menschen in der Lage sind, sich schnell an eine neue Situation anzupassen. Ich habe vorhin von Ironie und Humor gesprochen, aber ich möchte auch die Selbstironie der Rumänen erwähnen. Es scheint mir, dass ich jetzt eine Mischung aus französischer, deutscher und rumänischer Identität habe.“




    Zum Schluss unseres Gesprächs haben wir Virgile Prod’homme gefragt, was er in seiner Wahlheimat Rumänien gerne verbessern würde:



    Nicht nur in Rumänien, sondern in ganz Europa, ja sogar weltweit, wäre es meiner Meinung nach wichtig, sorgfältiger mit Abfall umzugehen. Manchmal verlasse ich zum Beispiel Bukarest und sehe Abfall herumliegen. Oder ich sehe Müll auf der Stra‎ße oder im Wald, Menschen, die au‎ßerhalb der Stadt die Umwelt verschmutzen. Ich denke, das ist etwas, woran wir alle arbeiten müssen, nicht nur in Rumänien, sondern überall. In Österreich schätze ich sehr das umweltbewusste Verhalten. In Frankreich war es vor ein paar Jahren ähnlich wie in Rumänien, aber wir haben viel unternommen und jetzt ist es schon ein bisschen besser. Ich denke, wir sollten das auch in Rumänien tun, denn die Natur ist sehr wichtig. Sie haben hier eine echte Perle, Sie haben alles, Berge, Wälder, es ist eine au‎ßergewöhnliche Natur. Ich denke, was getan werden muss, ist, den Menschen zu erklären, wie wichtig das Problem mit dem Abfall ist. Wenn sich in dieser Hinsicht etwas verändern würde, wäre das wunderbar. Ich habe aber den Eindruck, dass sich die Mentalität bereits geändert hat, und das ist das Wichtigste.“

  • Ana Žuravliova aus Litauen: „Ich wünsche mir mehr Zusammenhalt in Rumänien“

    Ana Žuravliova aus Litauen: „Ich wünsche mir mehr Zusammenhalt in Rumänien“

    Ana Žuravliova ist Vizepräsidentin des Internationalen Frauenverbands in Bukarest. In ihrer Wahlheimat hat sie eine Familie gegründet, sie hat sich in Rumänien schnell eingelebt und spricht auch die Sprache sehr gut. Rumänien war jedoch keine persönliche Wahl und am Anfang gefiel ihr das Leben hier nicht. Wie Rumänien ihr zweites Zuhause geworden ist, erzählt sie selbst:



    Ich bin 2012 in Bukarest angekommen, ich kann mich sogar an den genauen Tag erinnern: Es war der 28. September. Nach Bukarest bin mit der Arbeit gekommen, ich hatte keine Absicht, nach Rumänien zu kommen, und ehrlich gesagt, es gefiel mir auch nicht, aber mit der Zeit, als ich Leute getroffen habe und ich begann, die Stadt zu entdecken und Welt um mich herum zu sehen, habe ich die Situation als solche akzeptiert. Zwei Jahre später beendete ich das Projekt in Rumänien, aber zu dem Zeitpunkt lernte ich meinen Mann kennen und so bin ich in Rumänien geblieben. Das ist mehr als acht Jahre her, dass ich nach Rumänien kam und Bukarest mein Zuhause geworden ist.“




    Ana spricht mehrere Fremdsprachen und lernte sehr schnell auch Rumänisch. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, dass eine berufliche Veränderung ihr ganzes Leben verändern könnte. Jetzt ist sie zu Hause in Bukarest, einer Stadt, die ihr anfangs nicht gefallen hat. Wir haben Ana Žuravliova gefragt, wie sie die rumänische Hauptstadt sah, als sie hierher kam, und was sie dazu bewogen hat, ihre Meinung zu ändern:



    Vor acht Jahren war es jene Zeit, als es viele Hunde auf der Stra‎ße gab. Ich habe keine Probleme mit den Hunden, aber ich hatte Angst, zur Arbeit zu gehen und so viele Hunde auf der Stra‎ße zu sehen, die mich anbellten und mir nachliefen, und ich wusste nicht, wie ich mit streunenden Hunden umgehen soll. Zuerst dachte ich, die Stadt sei schmutzig, ich wohnte genau im Zentrum, in der Siegessstra‎ße, und ging zur Arbeit durch die Gassen in der Gegend, wo es so viele hängende Kabel gab. Die Stadt erschien mir unordentlich, aber mit der Zeit hat sich das offensichtlich geändert. Jetzt ist sie anders und auch viel sauberer.



    Mit der Zeit habe ich auch die Parks in Bukarest entdeckt, die sehr schön und ordentlich sind, und ich kann sagen, dass ich solche Parks in vielen anderen Ländern nicht gesehen habe, das hat mich total erobert. Und vor allem von dem Moment an, als ich meinen Mann kennenlernte, sah ich die Dinge anders, denn er begann, mir auch andere Orte und das ganze Land zu zeigen, das absolut wunderschön ist. Meiner Meinung nach ist Rumänien ein so reiches und schönes Land, es gibt so viele Dinge zu sehen, und ich wei‎ß nicht, ob wir genug Zeit dafür haben werden. Einer der Orte, der mich erobert hat und an den ich gerne zurückkehren möchte, ist die Maramureș, eine Gegend wie ein Märchen.



    Ich liebe die Natur und deshalb verbringen wir gewöhnlich viel Zeit in den Bergen und am Meer. Nicht unbedingt in überfüllten Ferienorten, wo es viele Touristen gibt, nein, wir ziehen es vor, einfach die Natur zu genie‎ßen. In Bukarest mag ich kleine Cafés, mein Liebliegscafé ist Infinitea, das sich in der Nähe des Romniceanu-Parks befindet. Es ist ein kleines Café mit einem absolut schönen Garten, eigentlich ein Teehaus, wo ich gerne etwas mit meinen Freunden trinke, aber ich gehe auch sehr oft mit einem Buch hin und ich trinke einen sehr guten Tee. Es ist ein Ort, an dem ich mich vor dem Wahnsinn um mich herum, vor dem Lärm verstecken kann.“




    Ana Žuravliova ist mit ihrer Familie und ihren Freunden viel durch Rumänien gereist. Acht Jahre lang hat sie gelernt, was es bedeutet, hier zu leben und sich für die Probleme der Gesellschaft zu engagieren. Sie hat jetzt die rumänische Staatsbürgerschaft und damit auch Rechte und Pflichten wie jeder andere rumänische Bürger. Wir haben sie gefragt, was für eine Verbesserung sie sich für Rumänien wünscht:



    Eine Sache, die mich störte und verletzte: Ich würde mir wünschen, dass die Rumänen ein bisschen mehr Zusammenhalt zeigten. In diesem Jahr hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, zu wählen, und ich fand es sehr traurig, dass ich als ausländischer Staatsbürger, der sich hier niedergelassen hat, zur Wahl ging, während viele Rumänen es nicht gemacht haben und hinterher trotzdem sagen, sie seien nicht zufrieden — das erscheint mir ein wenig seltsam. Wenn man eine Veränderung will, muss man etwas tun, und das Wichtigste ist aus meiner Sicht, vereint zu sein, Zusammenhalt zu zeigen, Sachen gemeinsam zu tun.“

  • Englischlehrerin aus Großbritannien: „Rumänen sollten respektvoller miteinander umgehen“

    Englischlehrerin aus Großbritannien: „Rumänen sollten respektvoller miteinander umgehen“

    Sarah Grant ist Englischlehrerin und kommt aus Wimbledon in Gro‎ßbritannien. Sie studierte englische Literatur in London, unterrichtet Englisch für Erwachsene und arbeitet auch als Übersetzerin. Nachdem sie 22 Jahre in Paris gelebt hat, entschied sich Sarah, nach Rumänien zu kommen, wo sie seit einigen Jahren lebt. Sie kam mehrmals nach Rumänien, bevor sie sich im Jahr 2015 in Bukarest endgültig niederlie‎ß. Sarah Grant ist eine sehr geschätzte Lehrerin, aufgrund ihrer Unterrichtsmethoden, die sich auf Spiele und praktische Fragen stützen. Sie hat auch eine gro‎ße Leidenschaft für Rumänien entwickelt. Doch was brachte Sarah eigentlich nach Rumänien?



    Es ist eine sehr schwierige Frage, weil es so viele Gründe gibt. Das erste Mal kam ich im Jahre 2000 mit einer Freundin nach Rumänien. Eigentlich wollte ich immer nach Rumänien kommen, aber ich konnte nicht sagen, warum. Es schien mir ein sehr romantisches und exotisches Land. Meine Mutter ist Pianistin und ich hörte sie viele Lieder von Bartók und Enescu spielen. Sie ist ein gro‎ßer Fan von Menuhin und Clara Haskil und von allen rumänischen Musikern und Komponisten von Rang. Ich wollte unbedingt das Land besuchen, aber um mich herum hörte ich nur: ‚Nein, nein, geh ja nicht nach Rumänien! Es ist ein kommunistisches Land, es ist gefährlich, und vielleicht kommst du nie wieder nach Hause, du sprichst die Sprache nicht usw.‘ Also habe ich bis zum Sturz des Kommunismus gewartet, und später, während ich in Paris lebte, traf ich eine sehr nette Dame, die meine Rumänisch-Lehrerin wurde, die mir so viel Rumänisch beigebracht hat, um nicht hilflos zu sein, wenn ich das Land besuche. Sobald ich auf dem Flughafen Otopeni ankam, habe ich, wie Papst Johannes Paul II., den Boden geküsst, mir kamen die Tränen, und ich wusste, dass ich nach Hause gekommen bin. Dann ging ich durch die Stra‎ßen, auf der Calea Victoriei (Siegesstra‎ße), auf dem Elizabeta-Boulevard, auf dem Ion-Ghica-Boulevard und ins Stadtzentrum, rund um die Universität herum und ich fühlte mich wirklich wie zu Hause. Ich habe mich nicht verirrt, ich wusste genau, was um die Ecke kommt. Ich war genau da, wo ich sein wollte. Das war mein erster Besuch und ich wusste von diesem Zeitpunkt an, dass ich eines Tages hier wohnen würde. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich zurückgekommen bin. Ich verbrachte hier ein Sabbatical, 2007–2008, musste aber wegen der Wirtschaftskrise wieder weg. Ich war jedoch entschlossen, nach Rumänien zurückzukehren, weil es mir gefehlt hat. Was mich hier hält? Es sind die Menschen, die warm und voller Humor sind, die gerne feiern. Ich liebe den Humor der Rumänen, die über sich selbst lachen können — was dem englischen Stil sehr ähnlich ist –, wir haben tatsächlich eine Menge Gemeinsamkeiten. Sie haben das schönste Land, das ich je gesehen habe, aber ich glaube nicht, dass die gesamte Bevölkerung das zu schätzen wei‎ß. Wenn ich jetzt Zeit hätte, würde ich reisen. Ich würde per Anhalter fahren, wie im Jahr 2003, als ich einmal sogar mit dem Karren fuhr. Es war gro‎ßartig! Ich mag hier auch die Musik, die Kultur, die rumänische Literatur, die Poesie und das Essen, natürlich! Ich denke, jedes Land hat seine eigene Energie, ein bestimmtes Energieniveau, und Rumänien hat meines. Was auch immer hier passiert, in all diesem Wahnsinn, es ist auch Teil von mir, in viel grö‎ßerem Ma‎ße als in Gro‎ßbritannien oder Frankreich, wo ich mein halbes Leben verbracht habe.“




    Sarah sah, wie sich Rumänien im Laufe der Zeit verändert hat, und die vergangenen Jahre halfen ihr, die rumänische Realität besser zu verstehen. Wir fragten sie, was sie ändern würde, was sie gerne verbessern würde in unserem Land.



    Ich wei‎ß nicht genau, denn es geht im Grunde genommen um Mentalität. Ich wei‎ß nicht, inwieweit dies möglich ist oder wie lange es dauern würde, etwas zu ändern. Ich würde jedoch gerne sehen, dass die Rumänen ihr Land ein bisschen mehr lieben und respektieren, dass sie nicht nur Fremden gegenüber Respekt entgegenbringen, sondern sich auch gegenseitig respektieren. Vielleicht geht nur hier in Bukarest so derb zu und in Siebenbürgen sind die Menschen netter. Ich wei‎ß es nicht. Ich würde gerne sehen, dass die Menschen ihr Erbe mehr respektieren und stärker protestieren, wenn ein Haus illegal über Nacht abgerissen wird, dass sie etwas gegen diese Graffiti tun, die die schönsten Fassaden verunstalten, dass sie wissen, wer die bedeutenden Gebäude in der Stadt gebaut hat und wer der jetzige Besitzer ist. Ich möchte die Rumänen neugieriger sehen, und die Neugierde lernt man in der Schule. Kinder sollten lernen, Fragen zu stellen, zu sagen, dass Sie mit etwas nicht einverstanden sind, zu debattieren, ohne zu schreien oder zu beleidigen, sie sollten aktiv und effektiv zuhören können. Ich bin sehr kritisch, und das ist nicht unbedingt gerecht, aber ich wünsche mir sehr, dass die Rumänen ihr Erbe und ihre Folklore schätzen und sich dessen, was sie haben, bewusst sind, denn es ist wirklich au‎ßergewöhnlich.“




    Sarah Grant hat sich hier ein Leben aufgebaut, hat Freunde und ist aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligt. Sie leistet Freiwilligenarbeit, hat einen Blog über Rumänien und wirbt für das Land. Wir fragten sie zum Schluss, ob sie hier langfristig leben möchte:



    Ich hoffe das sehr! Ich habe keine Absicht, von hier wegzugehen. Mir gefällt Rumänien so sehr, dass ich mich hier zu Hause fühle. Ich will überhaupt nicht weg von hier.“

  • Marc Areny: „Ich finde die Menschen hier echt unglaublich“

    Marc Areny: „Ich finde die Menschen hier echt unglaublich“

    Man könnte von Marc Areny annehmen, dass er aus einer anderen Welt kommt. Und gewisserma‎ßen tut er das ja auch. Halb Franzose, halb Katalane, spricht der junge Mann mit dem verschmitzten Lächeln ein drolliges Rumänisch. Heute wohnt er in der Autostadt Piteşti — doch er kam zuerst in Făgăraş an, wo er als Freiwilliger auf einer Farm arbeitete. Es sah aus wie in Frankreich vor 50 Jahren und gerade das fand Areny interessant. Die Menschen hier, sagte er, sind nicht nur offen, sondern auch vorurteilsfrei. Ihm kam Rumänien irgendwie spanisch vor — aber das Land ist einzigartig, findet er. Im Vergleich zu den Rumänen halten die Franzosen mehr Distanz.



    Nach dem Freiwilligendienst beschäftigte sich Marc Areny mit Fahrzeugen. Er wandelte einen Verbrennungsmotor in einen Elektrischen Motor um und meldete somit den ersten elektrischen Dacia Logan an. Jüngst gestaltete er auch den ersten präparierten Elektro-Rennwagen, der heute auch an Sportrennen teilnimmt. Wir sind alle verantwortlich für die Energiepreise, deshalb tankt er das Auto nur mit bereits verbranntem Speiseöl voll:



    Ich hatte einen alten Fiat Scudo und sammelte altes Bratöl von Restaurants. Das habe ich gefiltert und nach einigen Änderungen am Motor konnte ich im Sommer und Winter damit fahren. Sogar bis nach Rumänien bin ich damit gefahren, ich hatte einfach mehrere Flaschen Speiseöl im Kofferraum“.




    Von den Fahrkünsten der Mitbürger in seiner Wahlheimat ist der Franco-Katalane weniger angetan: Etwas ungehobelt seien die Fahrer hier, meint er. Zum Glück sind Verkehrsteilnehmer und Politiker, an denen er auch kein gutes Haar lässt, nicht ausschlaggebend für das Land generell:



    Rumänien ist ein sehr schönes und reiches Land — und der grö‎ßte Reichtum sind die Menschen. Für Touristen ist es vielleicht anders, aber wer hier lebt, spürt diese Energie, dieses unglaubliche Potenzial. Die Leute sind sehr erfinderisch, neugierig, gescheit, ein unglaubliches Volk. Keine Ahnung, wie andere Franzosen das bewerten, aber ich finde die Menschen hier echt unglaublich.“




    Schon seit sieben Jahren lebt Marc Areny hier in Rumänien — ausreichend Zeit, um das Land als echtes neues Zuhause zu betrachten.



    Es ist ein Gefühl, dass ich seit einigen Jahren erlebe. Wenn ich längere Zeit au‎ßerhalb von Rumänien verbringe, wie zum Beispiel zuletzt in Frankreich und in Spanien, dann überkommt mich ein Gefühl, wieder zuhause zu sein, wenn die Maschine in Bukarest landet. Das kann man nicht leugnen. Und ich will nicht nach Frankreich zurück — auch wenn ich wei‎ß, dass ich zurück dorthin kann, oder nach Spanien, wenn mein Geschäft nicht läuft. Nein, ich will nicht weg, Ich hoffe, es wird auch weiterhin klappen.“

  • Gianluca Dova: „Die Menschen denken ähnlich wie in Italien“

    Gianluca Dova: „Die Menschen denken ähnlich wie in Italien“

    Gianluca Dova kommt aus Italien, genauer aus Rom. Er zog nach Rumänien vor gut zwei Jahrzehnten, um das Familiengeschäft zu übernehmen. Seine Eltern hatten nämlich hierzulande ein IT-Unternehmen gegründet. Ursprünglich kam er nur für ein kurzes Projekt. Und dennoch blieb er hier für immer. Heute betrachtet Gianluca Dova Rumänien als sein Adoptivland. Bukarest ist derzeit sein Zuhause. Er wisse Rumänien hochzuschätzen, es habe vieles anzubieten, meint Gianluca Dova selbst. 1995, als er erstmals in Rumänien ankam, war er knappe 22 Jahre alt. Wieso er nach Rumänien kam und warum er hier blieb, erzählt Gianluca Dova:



    Meine Eltern betrieben ein IT-Unternehmen in Rumänien. Meine Mutter überredete mich, hierher zu kommen. Sie wollte, dass ich einigen Studentinnen während der Sommerferien bei einer Ferienarbeit helfe. Die Arbeit musste nämlich auf Italienisch verfasst werden. Die ursprüngliche Vereinbarung war, dass ich eine Woche in Rumänien bleibe. Dann reiste meine Mutter aber weg. Sie bat mich, sie für einen Monat im Unternehmen zu vertreten. Ich stimmte zu. Und zwischendurch sind 22 Jahre vergangen. Und ich bin immer noch hier. Ich wei‎ß nicht, wie lange ich noch bleibe, wahrscheinlich viele Jahre noch. Im Leben wei‎ß man nie mit Sicherheit, wie und was. Ich bin nach Rumänien gekommen, um zu arbeiten. Ich war sehr jung. In Rumänien hatte ich die Gelegenheit, mich beruflich weiterzuentwickeln, zu wachsen. Au‎ßerdem passte ich mich gut an Rumänien an, weil es hier ähnlich wie in Italien zugeht — die Menschen denken ähnlich wie in Italien, man erkennt die lateinische Herkunft. Ich bin mit 22 hierher gekommen, habe hier eine Familie gegründet. Ich habe zwei Kinder. Sie sind der Hauptgrund, weshalb ich da geblieben bin. Sie sind der Zweck meines Lebens. Ich bin glücklich hier, führe ein gutes Leben.“



    Rumänien ist für Gianluca Dova das zweite Zuhause. Wenn ihn Freunde und Verwandte in Italien zu Rumänien befragen, findet er nur gute Worte über das Land, in dem er seit 22 Jahren lebt:



    Als es Probleme in Italien mit den Rumänen gab, versuchte ich das schlechte Image, das sich damals gebildet hatte, abzuschwächen. Ich erklärte ihnen, es war eine politische Angelegenheit. Die Rumänen sind nicht so, wie sie oft beschrieben werden. Eine kleine Minderheit hatte einige Probleme, doch die meisten seien Menschen wie wir, die gerne arbeiten gehen — das erklärte ich ihnen. Die meisten Rumänen, die nach Italien zogen, passten sich gut an und blieben auch dort.“




    Das Unternehmen von Gianluca Dova beschäftigt mehr als 100 Leute in Rumänien. Die Arbeitnehmer in Rumänien seien in keiner Weise unterschiedlich zu den Arbeitnehmern in Italien, meint der italienische Geschäftsführer. Doch ziehe er es vor, mit Frauen zu arbeiten. Und das aus mehreren Gründen: Die Frauen in Rumänien hätten eine starke Persönlichkeit und seien pflichtbewusster als die Männer. Was die Mängel und Schwachpunkte Rumäniens betrifft, hält sich unser Gesprächspartner lieber zurück. Es wäre nämlich ungerecht, Rumänien irgendeinen Mangel vorzuwerfen, solange er in Italien die gleichen Probleme erkenne:



    Selbstverständlich gibt es auch viele Probleme und Mängel. Ich komme aber aus Italien und erkenne, dass es dort ähnlich zugeht. Korruption sollte überall blo‎ßgestellt werden, die gibt es nicht nur hierzulande. Daran muss weiterhin gearbeitet werden. In Rumänien muss sich die Mentalität der Menschen noch ändern. Doch wie gesagt — das muss auch in Italien geschehen. Um etwas in Bewegung zu setzen, muss die Änderung bei uns selbst beginnen. Die Rumänen müssen lernen, sich gegen ungerechte Handlungen zu wehren, sich für ihre Rechte einzusetzen. Als ich anfangs nach Rumänien kam, gab es keine Stra‎ßenproteste, ich hörte von keinem Streik. Ich führe ein Unternehmen, ich verstehe dass ein Streik nichts Positives ist. Allerdings bin ich der Meinung, dass sich die Menschen für ihre Rechte einsetzen, sich eine Änderung erkämpfen sollten. Wir müssen uns alle einbringen, damit eine Änderung erfolgt.“




    Gianluca Dova reist gerne. Au‎ßerdem ist er ein Stadtmensch. Er liebt das Stadtleben. In Rumänien hält er sich gerne in Braşov (dt. Kronstadt) auf. Was würde er mitnehmen, falls er Rumänien für eine längere Zeit verlie‎ße?



    Was ich an Rumänien besonders mag und gerne mitnehmen würde, kann nicht getragen werden. Hierzulande ist die Natur einfach wunderschön. Was ich mitnehmen würde, sind die schönen Momente mit meinen Kindern. Die habe ich immer dabei.“

  • Ein Chinese spielt Käpt’n Hook in Bukarest

    Ein Chinese spielt Käpt’n Hook in Bukarest

    Chinesen sind in Bukarest nicht gerade selten anzutreffen – sie betreiben Imbissbuden oder kleine Läden. In Bukarester Kulturbetrieben, wie die so genannte Komische Oper für Kinder, würde man weniger damit rechnen, ihnen über den Weg zu laufen. Fang Shuang nennt aber just dieses Ensembe sein berufliches Zuhause. Mit ihm unterhielt sich Roxana Vasile.



    Wer Fang Shuang anspricht, darf ruhig staunen – er redet wie ein waschechter Rumäne. In Bukarest ist er schon 2005 als 16jähriger Teenager aus dem Nordosten Chinas eingetroffen. Sein erstes Ziel war, sich mit der Landessprache vertraut zu machen.



    Ich muss zugeben, dass Rumänisch für Asiaten, für Chinesen, keine einfache Sprache ist. Als ich nach Rumänien kam, sprach ich kein Wort davon. Die Grammatik ist kompliziert. Mit der Aussprache ist es auch nicht einfach, aber ich habe es geschafft. Am meisten hatte ich mit dem R-Laut zu kämpfen, den es ja im Chinesischen nicht gibt, aber nach langer Mühe habe ich auch das hingekriegt“, erinnert sich Fang Shuang.




    Das rumänische R“ zu schaffen, das hatte nicht nur mit der richtigen Aussprache zu tun. Denn der junge Chinese ging schon auf die Musikakademie und musste dort bei den klassischen Gesangstunden das Italienische hinkriegen. Bis zuletzt gelang es ihm – die Liebe zur Musik und die Bewunderung für viele rumänische Musikkünstler halfen ihm dabei. Seine Eltern, die bereits 2003 hier eintrafen, hatten von der guten Qualität des Musikunterrichts in Rumänien erfahren und von Namen wie Ciprian Porumbescu, George Enescu, Angela Gheorghiu, Nicolae Herlea oder Mariana Nicolescu gehört. Am Anfang war es für Fang Shuang nicht leicht, dem Unterricht in einer neuen, zum Teil immer noch fremden Sprache zu folgen. Er studierte aber hartnäckig weiter, machte seinen Abschluss und landete einen Job als Baritonsänger an der Komischen Oper für Kinder in Bukarest. Die Arbeit macht ihm Spass:



    Bis jetzt habe ich an Premieren wie ‘Don Pasquale und ‘Hänsel und Gretel mitgewirkt. Jetzt ist ein Musical dran – Peter Pan, in dem ich den Part des Piraten Käpt´n Hook spiele. Diese Rollen entsprechen meinem persönlichen Charakter wirklich gar nicht, aber sie sind eine hohe Herausforderung für die Entwicklung meiner Sängerpersönlichkeit“, berichtet der junge Chinese.




    Nicht nur die ernste Musik liegt Fang Shuang – er mag auch Popmusik und das Rampenlicht des Fernsehens. Deshalb nahm er 2013 an der auch in Rumänien populären TV-Show X-Factor teil, in der Zuschauer gegeneinander antreten.



    Schon als kleines Kind habe ich gerne gesungen. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung von Opernmusik und spielte mit Popsongs herum. Das gefällt mir auch heute noch. Und weil ich von der Show gehört hatte, wollte ich mir diese Erfahrung nicht entgehen lassen – es ging mir weniger ums Finale oder Halbfinale, eher um das Erlebnis“, sagt Fang Shuang.




    Naturgemäß sind die meisten seiner Freunde, Kollegen und früheren Kommilitonen Rumänen. Mit ihnen war er früher unterwegs, geht aber auch heute noch auf Tournee durch das ganze Land, denn er hat Auftritte in Braşov (Kronstadt), Sibiu (Hermannstadt), Oradea (Großwardein) oder Baia Mare (Frauenbach). Und wenn er nicht gerade beruflich unterwegs ist, erforscht er seine rumänische Wahlheimat eben auf eigene Faust. Wo er in einigen Jahren sein wird, weiß er heute nicht. Eine Künstlerseele eben, die überall und nirgendwo richtig zuhause ist.

  • Mehrsprachigkeit zahlt sich aus: Marko Marković aus Serbien studiert in Temeswar

    Mehrsprachigkeit zahlt sich aus: Marko Marković aus Serbien studiert in Temeswar

    Marko Marković kam aus Serbien, um an der Temeswarer Universität internationale Beziehungen und Europawissenschaften zu studieren — in deutscher Sprache. Der Studiengang vermittelt volkswirtschaftliche, politik- und rechtswissenschaftliche Kompetenzen in Bezug auf die EU. Wir haben Marko Marković gefragt, warum er Rumänien gewählt hat und ob seine Erwartungen erfüllt wurden. Wir haben erfahren, dass Rumänien ihm nicht fremd war:



    Ich wurde im serbischen Banat geboren, in einem rumänischen Dorf in der Nähe von Zrenjanin. Deshalb kam ich auf die Idee, in Rumänien zu studieren. Anfangs wollte ich in Belgrad studieren, aber meine Freunde aus dem Dorf haben mir gesagt, ich könnte in deutscher Sprache in Rumänien studieren. Das Diplom, das ich in Rumänien bekommen werde, wird von der EU anerkannt. Es ist besser für mich und meine Zukunft, hier zu studieren. Es ist schon das zweite Semester und ich glaube, dass ich die beste Wahl getroffen habe. Ich wollte neue Menschen kennenlernen. Die Professoren sind begabt, nett und haben weite Kenntnisse. Sie haben mich dazu gebacht, darüber nachzudenken, was ich eigentlich tun will.“




    Wir haben versucht zu erfahren, welche Meinung Marko Marković über die kulturelle Annäherung zwischen Rumänen und Serben hat:



    Ich kenne nicht Vieles über die serbische und rumänische Kultur. Ich bin nicht in diesem Bereich tätig. Beide Kulturen teilen etwas ganz Interessantes und das sind die Krautwickel, rumänisch »sarmale« und serbisch »sarma« genannt. Ein rumänischer Student hat einmal über die rumänische Küche gesprochen und hat erklärt, was der Begriff »sarmale« bedeutet. Die Rumänen und Serben gleichen einander. Die Kulturen sind nicht so unterschiedlich. Hier sind die Leute genauso nett wie in Serbien. Ich fühle mich nicht wie zu Hause, doch der Unterschied ist nicht gro‎ß. Weil ich aus einem rumänischen Dorf komme, konnte ich mich schnell anpassen. Durch meine Adern flie‎ßt zwar kein rumänisches Blut, aber mein Nachbar hat mir Rumänisch beigebracht. Ich musste das Dorf verlassen, um mein Studium fortzusetzen und hatte dann nicht mehr den Anlass, Rumänisch zu sprechen.“




    Weiter haben wir Marko Marković gefragt, wie er sein Studium geplant hat und was für einen Beruf er ausüben will:



    Ich habe gedacht, die ersten drei Jahre hier zu beenden. Meinen Master will ich in Deutschland machen und dann einen Job finden. Ich lerne auch Niederländisch, vielleicht werde ich nach Holland fahren. Die Frage, was ich später tun will, ist schwierig. Wenn du den Leuten sagst, was du studierst, dann fragen sie dich: ‚Na, und was willst du mit deinem Studium weiter tun?‘ Ich antworte, mir schwebt Diplomatie vor. Ich will kein Politiker werden. Ich wünsche mir lieber einen Job als PR-Beauftragter in einem Unternehmen.“




    Die Rückkehr in das Heimatland scheint für einen Jugendlichen aus Mittel- und Osteuropa eine schwierige Wahl zu sein. Hören wir nun, was Marko dazu sagt:



    Es ist schwer für mich, nach Serbien zurückzukehren, weil ich mich diesem Land nicht so verbunden fühle. Ich bin nicht hundert prozentig Serbe. Ich bin teils Serbe, Kroate, Deutscher und Ungar. Weil auch die wirtschaftliche Lage nicht positiv ist, glaube ich, dass die Rückkehr keine Wahl für mich ist. Meine Generation soll fähig sein, etwas zu ändern. Ich glaube, wir müssen Serbien ändern, weil ich von dorther komme. Serbien gehört nicht der EU an. Vielleicht wird jemand aus meiner Generation Serbien helfen, der EU beizutreten.“