Tag: Waisen

  • Nachrichten 21.09.2018

    Nachrichten 21.09.2018

    Bukarest: Der Chef der
    Sozialdemokratischen Partei Liviu
    Dragnea ist am Freitag im Amt bestätigt worden, nachdem er das Vertrauensvotum
    bei dem Treffen des Exekutivvorstands bekommen hat. Zu diesem Anlass erklärte Dragnea,
    im Oktober werde eine neue Sitzung der PSD-Führung
    stattfinden und dass eine Umbildung der Partei möglich sei. Die Führung der sozial-demokratischen
    Regierungspartei PSD kam zu Gesprächen zusammen, nachdem führende PSD-Politiker
    am Mittwoch in einem gemeinsamen Brief den Rücktritt von Liviu Dragnea als Parteichef
    und Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer verlangt hatten. Dragnea stelle wegen seiner Probleme mit der
    Justiz eine Belastung für die PSD dar, er führe die Partei unter Missachtung
    der Parteigremien, heißt es in dem in Bukarest veröffentlichten Schreiben. Zudem sei die PSD in den Umfragen stark
    gesunken. 2019 finden in Rumänien Präsidentschafts-und Europaparlament-Wahlen,
    2020 werden Lokal-und Parlamentswahlen geplant. Im besagten Brief verlangten
    zudem die führenden PSD-Politiker, dass die Premierin Viorica Dancilă, die
    ebenfalls das Amt der Exekutivpräsidentin der Partei bekleidet, die Führung der
    Partei interimistisch übernehme.



    Bukarest: Der Leiter und der Erstvorsitzende der rumänischen Gendarmerie Ionuţ Cătălin Sindile und Gheorghe Sebastian Cucoş wurden am Freitag wegen des gewalttätigen Einsatzes der Gendarmerie gegen die Demonstranten der regierungskritischen Proteste am 10. August unter Anklage gestellt. Die Staatsanwälte ermitteln gegen Ionuţ Cătălin Sindile und Gheorghe Sebastian Cucoş wegen Mitschuld am Amtsmissbrauch. Der Chef der Bukarester Gendarmerie Laurenţiu Cazan und der Chefkommissar der Polizei Mihai Dan Chirică, Staatssekräter im Innenministerium wurden von der Generalstaatsanwaltschaft als Tatverdächtige vorgeladen. Ebenfalls am Freitag haben die bedeutendsten Oppositionsparteien , die Nationalliberale Partei und die Partei Rettet Rumänien, den Rücktritt der vier Angeklagten und der Innenministerin Carmen Dan gefordert. Bei der regierungskritischen Demonstration am 10. August kam es zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen der Gendarmerie und Demonstranten. Die Ordnungskräfte haben Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt. Die Militärstaatsanwaltschaft hat infolgedessen ein Strafverfahren eingeleitet. 770 Menschen haben Anzeigen gegen die Gendarmerie erstattet. Neuerdings erklärte die Innenministerin Carmen Dan, dass die Demonstrantion erhebliche Risiken für die öffentliche Ordnung gebracht hätte. Den Einsatz der Polizei bezeichnete Dan als gesetzgemäß.




    Bukarest: Der Kinderschutz hat zusätzliche Finanzmittel zugeteilt bekommen, die Regierung hat zudem mehrere Maßnahmen zur Ermutigung der Adoption getroffen. Diese zielen darauf ab, die Bürokratie in dem Bereich abzubauen, das Adoptionsverfahren zu vereinfachen und die Gewährung des Status der Waisen als adoptionsfähige Kinder zu ermöglichen und zu beschleunigen. Finanzielle Hilfe für die Eltern werden zudem im neuen Verfahren vorgesehen. Die Bürokratie in diesem Bereich erschwert in Rumänien die Adoption, mit lediglich 800 Adoptionen im Jahr und knapp 55.000 Findelkindern belegt das Land europaweit einen der letzten Plätze in diesem Bereich.


    Bukarest: Die Union
    Rettet Rumänien hat am Freitag beim Parlament rund 450 Tausend Unterschriften für die
    Unterstützung der Initiative Ohne Straftäter in öffentlichen Ämtern abgelegt,
    so dass die Gesamtanzahl der Unterschriften auf 780 Tausend gestiegen ist. Laut
    einer Mittteilung der Union Rettet Rumänien, erfülle die Initiative die zwei vom Gesetz verlangten
    Bedingungen und zwar mehr als 500 Tausend gültige Unterschriften und wenigstens
    20 Tausend Unterschriften aus 21 Landkreisen.
    Die Initiative Ohne Straftäter in öffentlichen Ämtern schlägt vor, dass
    der Artikel 37 der Rumänischen Verfassung, der das Recht gewählt zu werden
    regelt, mit einem neuen Abschnitt ergänzt werde, sodass Strafverurteilten
    die Möglichkeit genommen wird, für öffentliche Ämter in der Lokalverwaltung,
    der Abgeordnetenkammer, dem Senat und sogar für die Staatspräsidentschaft zu
    kandidieren.



    Bukarest: Am Wochenende wird das 559. Jubiläum der rumänischen Hauptstadt gefeiert. Dieses Jahr steht die Feier im engen Zusammenhang mit dem 100. Jubiläum der Großen Vereinigung, als Rumänien zu einem einheitlichen Staat wurde. Das ganze Wochenende über treten renommierte Sänger und Bands in Bukarest auf: am Freitag der weltweit berühte rumänische Panflötist Gheorghe Zamfir, am Sonntag Rod Stewart. Am Freitag treten die besten Multimedia-Künstler um den großen Preis des internationalen jährlichen Wettbewerbs Imapp mit Laserprojektionen auf den Parlamentspalast an. Die Feier begann am Donnerstag mit der Wiedereröffnung der Brunnen auf dem Unirii-Platz durch eine symphonische und multimediale Show. Nach einem umfassenden Modernisierungprozess hat der Hauptbrunnen vier Wasser-Bildschirme“ erhalten, jeweils für die vier Himmelsrichtungen mit dem Ziel, eine große, in Europa einzigartige Multimedia-Plattform für Video- und Laserprojektionen mit dreidimensionalen Effekten zu schaffen. Ab dem 28. September bieten die Brunnen jeden Freitag-, Samstag- und Sonntagabend Multimediashows. Die Brunnen auf dem Uniriiplatz wurden in den späten 80er Jahren gebaut und zählen mit 1,4 km und einer Wasserfläche von 16.200 m² zu den längsten der Welt.

  • Genozid: Armenische Flüchtlinge in Rumänien

    Genozid: Armenische Flüchtlinge in Rumänien

    Das 20. Jahrhundert hat eine schockierende Eigenschaft: Es war das Jahrhundert der Genozide. Der erste Genozid von vielen noch grö‎ßeren war der vom Osmanischen Reich an den Armeniern verübte Völkermord, in dessen Verlauf 1,5 Millionen Armenier getötet wurden — also etwa die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe. Offizieller Beweggrund der Osmanischen Herrscher war es, dass die Armiener sich mit den russischen Streitkräften verbrüdert hätten. In Wahrheit handelte es sich jedoch um politische Motive, Nationalismus und eine Ideologie eines Wirtschafts-Panturkismus: Armenier und Griechen besa‎ßen Handelsunternehmen und Banken im Osmanischen Reich. Dazu kamen religiöse Gründe, denn die muslimischen religiösen Führer hatten den Ungläubigen den Heiligen Krieg erklärt.



    Alles begann mit einem Aufstand armenischer Männer, die zum Bau von Eisenbahnlinien gezwungen worden waren, bei dem sie verhungerten oder zu Tode geprügelt wurden. Am 24. April 1915 gab der Groswesir und Kommunikationsminister Talaat Pascha die Order aus, alle armenischstämmigen Familien zu deportieren. Den Glücklichen unter den Unglücklichen gelang es, sich zu retten. Manche von ihnen flüchteten auch nach Rumänien, wie der Historiker Eduard Antonian berichtet. Ihm zufolge begannen die armenischen Flüchtlingsströme nach Rumänien Ende des 19. Jahrhunderts, nach dem Genozid von 1895-96.



    Unter der Herrschaft von Sultan Abdul Hamid dem Zweiten, auch Roter Sultan genannt, wurden um die 350.000 Armenier ermordet. Damals floh ein wichtiger Teil der armenischen Bevölkerung aus dem Osmanischen Reich nach Rumänien. Heute sind etwa 10 Prozent der armenischen Gemeindemitglieder in Rumänien Nachfahren derer, die nach dem ersten Genozid hierher gekommen sind. Die ersten Flüchtlinge waren noch in einer relativ guten finanziellen Situation und konnten mit etwas Geld aus dem Osmanischen Reich fliehen. Sie haben Läden eröffnet und ihre Verbindungen mit der alten Gemeinde in Rumänien aufrecht erhalten. Sie haben ihr Leben weitergeführt und sich perfekt in die rumänische Gesellschaft integriert.“




    Doch wie gelang denjenigen, die es nach Rumänien geschafft haben, die Flucht? Eduard Antonian:



    Sie bekamen Hilfe. Ein Teil von ihnen sogar von der türkischen und arabischen Zivilbevölkerung. Andere hatten einfach Glück. Vielen gelang es, osmanische Herrscher zu bestechen, viele hatten Glück mit ausländischen Missionaren, weil die Amerikaner sich sehr eingebracht haben. Die USA waren damals ein neutrales Land. Sie hatten eine gut aufgestellte Botschaft, der Botschafter Henry Morgenthau brachte sich aktiv in die Hilfsaktionen für Armenier ein. Später hat er die Verbrechen gegen die Armenier in seinen Memoiren öffentlich verurteilt. Darüber hinaus gab es dänische oder deutsch-protestantische Missionare, die denjenigen halfen, die fliehen mussten.“




    Nach Schätzungen von Historikern haben etwa 20.000 Armenier einen Unterschlupf in Rumänien gefunden und Rückhalt in der armenischen Gemeinde hier erfahren — etwa ein Viertel davon Waisen. Sie kamen in mehreren Wellen, die meisten zu Beginn des Krieges. Eduard Antonian hat die Fluchtwege derjenigen nachgezeichnet, die in einer Welt aus Zerstörung und Tod einen sicheren Ort suchten.



    In Istanbul sind sie an Bord eines französischen Schiffs gegangen und sind so nach Constanţa gelangt. So haben es auch mein Urgro‎ßvater und seine Kinder gemacht. Auf diesem Dampfer befanden sich tausende Kinder, die im Zuge des Völkermords zu Waisen geworden waren. In Rumänien gab es eine armenische Gemeinde, die gut strukturiert und finanziell gut aufgestellt war. Es gab damals Berühmtheiten wie Krikor Zambaccian, Grigore Trancu-Iaşi, die Brüder Mansarian, die wichtigsten Getreidegro‎ßhändler Südosteuropas. Man muss sagen, dass die Armenische Union 1919 nur gegründet wurde, um den Flüchtlingen zu helfen. Der erste Präsident war Grigore Trancu-Iaşi. Die Ankunft der Flüchtlinge am Hafen von Constanţa hat alle entsetzt. Die Zeitung »Adevărul« hatte 1919 einen Korrespondenten in Istanbul und konnte über den Genozid berichten. Daher wusste die rumänische Öffentlichkeit, was mit den Armeniern im Osmanischen Reich geschah. Armenad Manisarian, der zweite Präsident der Armenischen Union, hat sich einmal mit Brătianu, dem rumänischen Premierminister, getroffen und hat ihn gefragt, was man mit all den armenischen Flüchtlingen tun könne. Brătianu fragte zurück, ob Manisarian in jedweder Hinsicht für die Flüchtlige garantieren könne. Er sagte ja. Und so gab der Premier grünes Licht dafür, dass sich alle Armenier hier niederlassen durften. Die Staatsbürgerschaft erhielten sie später. Die Flüchtlinge waren mit einem Nansen-Pass für Staatenlose hierher gekommen, der nur für eine Reise gültig war. Nach der Ankunft der Waisen hat sich die armenische Gemeinde zusammengetan und mehrere Hektar Land in Strunga, bei Iaşi gekauft. Dort haben sie ein Waisenhaus mit Lehrern gebaut, in dem die Waisen aufwachsen konnten. Sie lernten dort einen Beruf und konnten ihrem Leben einen Sinn geben, viele von ihnen wurden von anderen armenischen Familien in Rumänien adoptiert. Viele haben Läden eröffnet, so auch mein Gro‎ßvater, der eine Schusterwerkstatt in Bukarest aufgemacht hat.“




    Im Laufe der Zeit sind die Kriegstraumata verblasst, obwohl nichts vergessen ist. Eduard Antonian berichtet, dass die armenischen Flüchtlinge weiterhin zwischen schockierenden Erinnerungen und Hoffnungen leben.



    Die Armenier, die aus dem Osmanischen Reich geflohen sind, haben sich immer als osmanische Bürger verstanden. Sie waren gute Staatsbürger, zahlten Steuern, traten in die Armee ein, sprachen türkisch. Die Gemeindemitglieder haben mir erzählt, dass ihre Eltern, die vor dem Genozid geflohen sind, miteinander türkisch sprachen, wenn sie Geheimnisse vor ihren Kindern hatten. Leider haben sich einige von ihnen von der sowjetischen Propaganda hereinlegen lassen und sind wieder nach Armenien zurückgegangen. Sie sagten sich, dass sie jetzt ihr eigenes Land hätten. 1991, als Armenien sich unabhängig erklärt hat, sind einige der Kinder derjenigen, die ins sowjetische Armenien ausgewandert waren, wieder nach Rumänien zurückgekommen.“




    Die armenischen Flüchtlinge, die in Rumänien eine neue Heimat fanden, sind aus dem Osmanischen Reich geflohen, um die unbekannten Geschichten derjenigen zu erzählen, die 1915 in der anatolischen Wüste gestorben sind. Aber auch, um das Unmenschliche in etwas Menschliches zu verwandeln.