Tag: Warschauer Pakt

  • Rumänischer Rundfunk: Meilensteine der Geschichte

    Rumänischer Rundfunk: Meilensteine der Geschichte

    Seitdem hat Radio Rumänien alle Veränderungen mitgemacht, die die rumänische Gesellschaft infolge der gro‎ßen Ereignisse des 20. Jahrhunderts erlebt hat. Im Folgenden wollen wir heute einige historische Momente bei Radio Rumänien Revue passieren lassen.



    Am 23. August 1944 trat Rumänien dem Bündnis der Vereinten Nationen bei; es war ein Schritt, der den Zweiten Weltkrieg verkürzen und menschliche und materielle Verluste begrenzen sollte. Vasile Ionescu, der damalige Generalintendant von Radio Rumänien, war auch bei dem Treffen des Rates anwesend, den König Michael I. an jenem Abend einberufen hatte. Vasile Ionescu:



    Im Büro des Königs diskutierten die Ratsmitglieder am 23. August 1944 vier Stunden lang, von 18 Uhr bis 22 Uhr, über alle Vorbereitungen und Formalitäten für die Konsolidierung des Staatsstreichs, der bis zu jener Stunde nach der Verhaftung von Marschall Antonescu und seinen wichtigsten Mitarbeitern durchgeführt worden war. Die Mitarbeiter von Marschall Antonescu, die verhaftet wurden, waren der Vizepräsident des Ministerrates, Au‎ßenminister und Propagandaminister Mihai Antonescu, der Kriegsminister Constantin Pantazi, der Staatssekretär im Innenministerium und Generalinspekteur der Gendarmerie, General Piki Vasiliu, der Ex-Gouverneur von Transnistrien, Universitätsprofessor Gheorghe Alexianu und der ehemalige Regierungskommissar für jüdische Angelegenheiten I. Lecca.“




    1968 drangen Truppen aus den Ländern des Warschauer Pakts mit Ausnahme Rumäniens in die Tschechoslowakei ein, um die reformistische Politik von Alexander Dubček zu liquidieren. Ingenieur Ilie Drăgan gehörte zum technischen Team von Radio Rumänien, das die Rede von Nicolae Ceauşescu, in der er die bewaffnete Intervention verurteilte, live übertragen hat. Ilie Drăgan:



    1968 wurden wir dringend aufgefordert, zum Sitz der Rundfunkgesellschaft zu kommen. Wir kamen etwa eine Stunde früher an, und man sagte uns, dass wir sofort eine Live-Übertragung von einer Kundgebung auf dem Platz der Republik machen mussten. Ich fuhr schnellstens mit einem technischen Team dorthin. Ich erinnere mich, dass wir eine Übertragungsanlage in einem TV-Minibus hatten. Oben auf dem Wagen improvisierten wir einen Platz für den Reporter. Ich habe die ganze Übertragungsanlage unter sehr schwierigen Bedingungen aufgebaut, die Fahrt zum Platz der Republik war sehr schwierig, weil die Bevölkerung von Bukarest sich massiv auf diesem Platz versammelte. Ich erinnere mich, dass ich das Auto irgendwo um die Ecke zum Eingang C auf einer Grünfläche abgestellt hatte, direkt unter einem Fenster. Zusammen mit einigen Technikern von der Telefongesellschaft schafften wir es, schnell die Leitungen zu sichern, und eine Viertelstunde vor Beginn der Kundgebung standen wir in direkter Verbindung mit dem Sendestudio der Rundfunkgesellschaft.“




    Bei Radio Rumänien International wurden gro‎ße Momente der Weltgeschichte auf Tonband aufgenommen, Momente, die die politischen Barrieren überschritten haben. Die Mondlandung war einer dieser Momente. Sergiu Levescu, Rundfunkredakteur beim französischen Dienst von Radio Rumänien International, erinnerte sich deutlich an den 20. Juli 1969, den Tag, an dem die Besatzung von Apollo 11 auf den Mond landete. Sergiu Levescu:



    Ein gro‎ßartiger, nicht politischer Moment bei Radio Rumänien International war die Mondlandung am 20. Juli 1969, als Neil Armstrong als erster Mensch auf den Mond schritt. Wir hatten uns alle im Büro der Chefredakteurin Hortensia Roman versammelt, um die Liveübertragung im Radio zu hören. Armstrong war sehr aufgeregt: »Noch 100 Meter, noch 50 Meter… «, und als die Mondlandung gelang, haben wir alle vor Freude laut geschrien.“




    In einer Aufzeichnung von den Olympischen Spielen 1960 in Rom kommentierte der damalige Sportmoderator Ion Ghiţulescu den Moment, als die rumänische Hochspringerin Iolanda Balaş Olympiasiegerin wurde:



    Wieder einmal Ruhe auf dem Olympiastadion. Iolanda Balaş bereitet sich darauf vor, zum dritten Mal 1,85 Meter hoch zu springen. Sie nimmt ihren Anlauf, macht den Ansprung… und überquert die Latte! Wir werden an der Olympia-Preisverleihung im Hochsprung der Damen teilnehmen. An höchster Stelle auf dem Podest steht nun die rumänische Rekordträgerin, die emeritierte Meisterin des Sports, Iolanda Balaş. Für ihre Leistung, für ihre Bemühungen gratulieren wir Iolanda aus ganzem Herzen!“




    Die Dichterin Ana Blandiana war eine der ersten Intellektuellen, die in den turbulenten Tagen der rumänischen Revolution vom 22. Dezember 1989 im Rundfunk sprach:



    Freunde, ich bin gerade zum Radio gekommen. Ich kam direkt vom Palastplatz, wo ich mit Zehntausenden Menschen zusammen war, die nicht glauben konnten, dass sie den heutigen Tag erleben dürfen. Es ist sehr schwer zu glauben, dass wir nach so vielen Jahren der Unterdrückung durch unseren eigenen Willen und durch unsere eigenen Kräfte — nicht durch eine politische Vereinbarung, nicht mit Unterstützung anderer, die grö‎ßer und mächtiger sind als wir, sondern wir selbst, mit unserer Seelenkraft, an die wir nicht mehr glaubten, so etwas vollbringen konnten. Diejenige, die in Timişoara und in Bukarest dafür gestorben sind, haben uns auf einmal das Selbstvertrauen und die Macht wiedergegeben, unser Leben selbst zu bestimmen.“




    Am 1. Januar 2007 trat Rumänien der Europäischen Union bei, und wurde Mitglied im Club der entwickelten und zivilisierten Länder der Welt. Am 20. Dezember 2006 übertrug Radio Rumänien live die feierliche Sitzung des rumänischen Parlaments, die das Ereignis feierte. Dabei sprach der damalige Präsident Traian Băsescu:



    Einige kurze, prägnante Worte, die von au‎ßergewöhnlichem politischem Wert sind, werden von nun an in der Geschichte Rumäniens, aber auch in der Geschichte der Europäischen Union bleiben. Der Europäische Rat begrü‎ßt nachdrücklich den Beitritt Rumäniens und Bulgariens als Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit vollen Rechten ab 1. Januar 2007.“

  • Rumänisch-amerikanische Beziehungen nach 1945: zwischen Kaltem Krieg und Entspannung

    Rumänisch-amerikanische Beziehungen nach 1945: zwischen Kaltem Krieg und Entspannung

    Wegen der kommunistischen Ideologie waren Rumänien und die USA sogar Gegner, obwohl die beiden Länder niemals in der Geschichte eine Auseinandersetzung gehabt hatten. Die Gründung der zwei entgegengesetzten Militärblocks — die Nato und der Warschauer Pakt — führte zu einer zusätzlichen Anspannung der bilateralen Beziehungen, insbesondere in den 1950er Jahren, als sich der Stalinismus in den mittel- und osteuropäischen Ländern ausgeweitet hatte. Nichtsdestotrotz waren die Regierungen in Bukarest und Washington nach 1953, als sich die Politik Moskaus infolge des Todes von Stalin änderte, der Ansicht, dass sie ihre Beziehungen verbessern sollen.



    Der Diplomat Anton Moisescu wurde im Jahr 1954 zum Botschafter Rumäniens in den USA ernannt. In einem Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks eröffnete Moisescu, wie die allgemeine Atmosphäre war, als Rumänien und den USA die ersten schüchternen Versuche unternahmen, sich wieder näher zu kommen:



    Ich möchte erwähnen, dass zum Zeitpunkt, als ich in den USA als bevollmächtigter Minister akkreditiert wurde, eine recht schwierige Lage in der internationalen Politik herrschte. Die Beziehungen zwischen den beiden gro‎ßen Machtzentren, der Nato einerseits, geführt von den USA, und dem Warschauer Pakt andererseits, geführt von der Sowjetunion, waren sehr angespannt. Deshalb habe ich in den USA eine besonders schwierige Lage für die diplomatischen Missionen des sozialistischen Lagers vorgefunden. In erster Linie wurden den Diplomaten dieser Missionen besonders dramatische Einschränkungen auferlegt. Sie durften die Hauptstadt nicht ohne Sondergenehmigung vom State Department verlassen. Wir z.B. hatten als einzige die Erlaubnis, nach New York zu fahren, da ich auch Beobachter am Sitz der Vereinten Nationen war, wo wir noch nicht als Vollmitglieder aufgenommen worden waren.“




    Die Aktivitäten der rumänischen Mission in den USA waren sehr eingeschränkt, verglichen mit dem, was vor dem Krieg gewesen war. Die Entspannung der Beziehungen war das erste Ziel, das sich die Parteien vornahmen. Und diese Bemühung kam besonders von der amerikanischen Seite. Anton Moisescu erzählte über die Offenheit, mit der er von Präsident Eisenhower bei der Vorführung seines Akkreditierungsbriefes empfangen wurde.



    Das diplomatische Personal bestand — au‎ßer mir und den Ehefrauen — aus 7–8 Personen. Das militärische Personal bestand aus drei Personen: einem Oberst, einem Major und einem Hauptmann, die sich dort auch in Begleitung ihrer Frauen befanden. Der Rest war das für die Botschaft notwendige Verwaltungspersonal. All diese Menschen wuchsen zu einer Familie zusammen. Wir haben einige gemeinsame Ausflüge veranstaltet, an den Sonntagen gingen wir Angeln, verbrachten die Wochenenden gemeinsam. Unter diesen Voraussetzungen war es an der Zeit, die Akkreditierungsbriefe vorzulegen. Als ich die Akkreditierungsbriefe vorlegte, hatte ich eine besonders angenehme Überraschung, verglichen mit der allgemeinen Atmosphäre. Es war der Empfang beim US-Präsidenten Dwight Eisenhower, dem ehemaligen Oberbefehlshaber der Landung in der Normandie während des Kriegs und der Offensive der Alliierten gegen Nazi-Deutschland. Er hatte eine besonders höfliche, freundliche Haltung in unseren Gesprächen. Beide äu‎ßerten wir unseren Wunsch, die Beziehungen zwischen den USA und Rumänien zu vertiefen und uns gegenseitig besser kennenzulernen. Schlie‎ßlich lud mich der Präsident ein, die USA zu jederzeit und überall, wo ich wollte, zu besuchen, um Amerika besser kennenzulernen. Das widersetzte sich irgendwie den Allgemeinregeln, die den Diplomaten unserer Länder vorgeschrieben wurden.“




    Ein weiteres Ziel der rumänischen Botschaft in den USA war die Bespitzelung der rumänischen Gemeinschaft. Die rumänische Diaspora in den USA war überwiegend antikommunistisch eingestellt und hatte sich kritisch gegen das Bukarester Regime geäu‎ßert. Aber die emotionale Strategie der Botschaft, die uns Moisescu schildert, schaffte es, einige zu überzeugen, sich der Politik Bukarests zu nähern.



    Wir haben versucht, Beziehungen zu möglichst vielen Amerika-Rumänen zu knüpfen, obwohl sie sich uns gegenüber auch abschirmten. Eine engere Beziehung hatten wir zu der Redaktion der Zeitung »Der Amerika-Rumäne«. Die Redaktion hatte ihren Sitz in Detroit, einer Region mit vielen Rumänen. Ein Gro‎ßteil von ihnen waren bereits vor dem Krieg dorthin emigriert und arbeiteten insbesondere bei den Ford-Werken. Der Chefredakteur der Zeitung »Der Amerikarumäne« und seine Frau luden mich ein, sie zum amerikanischen Frauentag in Detroit zu besuchen, wo auch meine Frau eingeladen war. Wir haben bei diesem Anlass mehrere Städte besucht, aber unser wichtigster Aufenthalt war in Detroit. In Detroit haben wir in einem Raum rund 250 Personen, zumeist Familien getroffen. Die meisten von ihnen waren ältere Menschen, die Rumänien schon seit langem verlassen hatten, aber auch jüngere Leute. Ich habe ihnen einen Film vorgeführt, der das Leben in Rumänien zeigte. Der Film hie‎ß »Rumänen in Farben« und stellte Folkloreaspekte, besonders aus Siebenbürgen, der Moldau, aber auch aus anderen Regionen dar. Während der Vorführung waren die Zuschauer so beeindruckt, dass ich, als das Licht wieder angemacht wurde, feststellte, wie fast alle Tränen der Rührung in den Augen hatten. Es war ein sehr beeindruckender Augenblick und so entstand eine sehr starke Bindung. Ich habe diese Leute dann auch bei ihnen zuhause besucht, im Werk. Sie haben mich mit der Werkverwaltung in Kontakt gesetzt. So hatte ich die Gelegenheit, den ganzen Produktionsvorgang zu besichtigen und machte mir einen Eindruck über diese Technologie des Automobilbaus. Diese Erfahrung nutze ich dann bei unserem Automobilunternehmen bei meiner Rückkehr in die Heimat.“




    Die rumänisch-amerikanischen Beziehungen normalisierten sich erst nach 1989. Bis zu dem Zeitpunkt verzeichneten sie eine schwierige Entwicklung, die von einer beschränkten Zusammenarbeit Anfang der 1950er bis zu erneuten Auseinandersetzungen gegen Ende der 1980er Jahre reichte.

  • 50 Jahre seit dem Unabhängigkeitskurs der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR)

    50 Jahre seit dem Unabhängigkeitskurs der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR)

    Das Ende des Stalinismus führte nicht automatisch zum Wegfall der sowjetischen Untugenden. Die brutale Intervention gegen die ungarische Revolution von 1956, der Bau der Berliner Mauer 1961, die Kuba-Krise 1962 sowie die Unterdrückung des Prager Frühlings 1968 haben den kommunistischen Satelliten-Staaten der UdSSR eines gezeigt: Die Sowjetunion hatte nicht im Geringsten die Absicht, auf die Position des Anführers und Wegbereiters der weltweiten kommunistischen Bewegung zu verzichten. Vor diesem Hintergrund riskierte Rumänien, den eigenen Weg einzuschlagen.



    Schon die Rumänische Arbeiterpartei (PMR), die später in Rumänische Kommunistische Partei (PCR) umgetauft wurde, unternahm noch während der Amtszeit des ersten kommunistischen Präsidenten, Gheorghe Gheorghiu-Dej, erste Schritte zur Loslösung von der sowjetischen Obrigkeit. Zwischen dem 15. und dem 22. April 1964 erarbeitete die PMR-Vollversammlung die Erklärung über die Einstellung der Rumänischen Arbeiterpartei zu den Angelegenheiten der internationalen Kommunismus- und Arbeiterbewegung“. Mit diesem von der kommunistischen Landesführung in Rumänien verabschiedeten Akt wurde eine Reihe von Grundsätzen angenommen: die Einhaltung nationaler Souveränität und Unabhängigkeit, die Nichteinmischung in interne Angelegenheiten, gegenseitiger Respekt und die Anerkennung der nationalen, historischen Besonderheiten sowie das Recht einer jeden Partei, den eigenen Weg zum Kommunismus zu gehen. Damit wurde eine Neuorientierung der rumänischen Au‎ßenpolitik beschlossen, die von einigen Historikern als unabhängig von der Sowjetunion betrachtet wurde. Infolge der mutigen Resolution wurde der rumänische Präsident Dej als rebellisches Kind Osteuropas“ bezeichnet, ein Titel, den sein Nachfolger, Nicolae Ceauşescu, 1965 übernehmen sollte.



    US-Historiker Larry Watts glaubt, dass die angekündigte unabhängige Orientierung Rumäniens vor 50 Jahren noch früher begonnen hatte, gleich nach dem Tod Stalins.



    Ich bin der Meinung, dass damals nicht der Beginn einer neuen Politik angekündigt, sondern die internationale Gemeinschaft über eine bereits bewährte Politik informiert wurde. Sehr viele Leute im Westen, die an dieser Region interessiert waren, haben sich voll und ganz auf die wirtschaftlichen Aspekte der Erklärung konzentriert. Und es ist bekannt, dass es eben wegen der wirtschaftlichen Aspekte zu einer Reihe von Reibereien gekommen ist, auch innerhalb des Comecon (des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe — RGW), und dies nur wenige Stunden nach dem Tod Stalins. Die Haltung Rumäniens wurde insbesondere ab 1961 mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Und diese stand auch im Mittelpunkt fast aller Evaluationsberichte der Nachrichtenagenturen, etwa der amerikanischen Agenturen.“




    Larry Watts ist ferner der Auffassung, dass die Sicherheits- und Au‎ßenpolitik die rumänischen Kommunisten beschäftigt hat. Der Historiker zeigt im Interview mit Radio Rumänien auf, welche Abfolge von Ereignissen letztlich zum Versuch führte, die sowjetische Vormundschaft abzuschütteln.



    Ein Ereignis, das gro‎ßen Aufruhr verursachte, war die Erklärung von Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer aus dem Jahr 1964, in der es um die Krisen rund um den Bau der Berliner Mauer 1961 sowie um die Stationierung von Raketen auf Kuba ging. In beiden Fällen hatte Moskau alle nationalen Armeen des Warschauer Paktes in Alarmbereitschaft versetzt. Das geschah ohne Rücksprache mit den Parteiführungen aus den Satelliten-Staaten, mit Ausnahme von Rumänien. Und das war der Auslöser einer Erklärung über eine deutliche und nationale Unabhängigkeitspolitik Rumäniens. Noch gravierender war die Raketenkrise auf Kuba. Bis 1956 und sogar 1962 sa‎ß Rumänien im gleichen Boot wie die anderen Mitglieder des Warschauer Paktes — wobei alle Parteien die Institutionen und die Staatspolitik selbst gestalten wollten. Zum ersten Mal nach dem Tod Stalins war es möglich, all diese Beziehungen neu zu verhandeln. Bis dato war es nur eine Politik der Untergebenheit gewesen, jetzt sollte man näher an eine Gleichstellung rücken. Rumänien wollte, neben der gewonnenen Verantwortung, auch mehr Autorität bekommen.“




    Historiker Larry Wats wei‎ß auch, mit welchen Argumenten Präsident Dej die weltweite Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte.



    Die Raketenkrise auf Kuba war eine gro‎ße Offenbarung: Man wurde sich der Tatsache bewusst, dass die Sowjetunion imstande war, einen gro‎ßen Krieg zu verursachen, ja gar einen Atomkrieg, ohne Rücksprache mit ihren Alliierten. Im Jahr 1964 hob Gheorghiu-Dej bei den Gesprächen mit dem chinesischen Premierminister Zhou Enlai genau diese Tatsache hervor: Zum ersten Mal war man sich einig darüber, dass die Sowjets dies ohne jegliche Beratungen tun konnten. Und die Beratungen waren eben die Grundlage des Warschauer Paktes gewesen, der Grundsatz für die Paragraphen, mit denen auch Rumänien sich einverstanden erklärt hatte. Rumänien hatte darauf vertraut, dass der Pakt nicht irgendwie umgangen werden kann. Das Hauptproblem bestand jetzt darin, einen Weg zu finden, um der Sowjetunion die Möglichkeiten eines Atomkriegs einzuschränken. Zweitens hat man sich die Frage gestellt, wie die einseitige sowjetische Vorgehensweise einzuschränken war, ohne Rumänien in einen Krieg zu verwickeln, auch wenn nicht unbedingt in einen Atomkrieg. In einer ersten Stellungnahme nach der Erklärung von 1964 sagte Gheorghiu-Dej Folgendes: Die Antwort des Warschauer Paktes auf jegliche Nuklearbedrohung seitens der NATO und USA sollte nicht die Eskalation der Atombewaffnung, der Spannungen sein, es sollte keine Androhung eines Atomkriegs sein. Man müsse all diese Aktionen einschränken. Die von Rumänien gestellte Grundfrage bezog sich auf die Tatsache, dass der Warschauer Pakt und die NATO dieselben Realitäten teilten. Jegliche einseitige Aktion des einen oder anderen Lagers könnte die Realität aller Beteiligten verändern.“



    Die Politik der Distanzierung von der UdSSR sollte von Dejs Nachfolger, Nicolae Ceauşescu, fortgesetzt werden. Allerdings war Ende der 1970er Jahre allen klar geworden, dass die Befreiung von der Vormundschaft der Sowjetunion unter der Beibehaltung sowjetischer Prinzipien nicht von langer Dauer sein konnte.



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  • Rumäniens Staatschef besucht Israel

    Rumäniens Staatschef besucht Israel

    Rumäniens Staatschef Traian Băsescu hat eine offizielle Reise nach Israel unternommen. Am Montag wurde er von seinem israelischen Amtskollegen Shimon Peres empfangen. Zudem ist der rumänische Präsident mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu und dem Au‎ßenminister Avigdor Liberman zusammen gekommen. Laut dem Radio Rumänien-Korrespondenten in Jerusalem erklärte Traian Băsescu in seiner Rede, die ununterbrochenen rumänisch-israelischen diplomatischen Beziehungen, die seit 65 Jahren andauern, seinen ein Grund, stolz zu sein. 1967 hat Rumänien als einziges Land des Warschauer Paktes die diplomatischen Beziehungen zu Israel nicht abgebrochen. Rumänien sei auch an Israel gebunden, weil etwa 500.000 Israelis Rumänisch sprechen, fügte Rumäniens Staatschef hinzu. Viele dieser haben zum Aufbau Israels beigetragen und seien heute Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Israel.



    Shimon Peres erklärte, die derzeitigen israelisch-palästinensischen Friedensgespräche seien kritisch. Das Scheitern dieser Gespräche wäre eine Tragödie für den Nahen Osten, so Peres. Israels Präsident sprach auch über die Entwicklung Rumäniens. Die Rumänen hätten jetzt eine bessere Zukunft. Er gratulierte Rumänien zur Verbesserung der Wirtschaftslage und zum wichtigen Platz, den Rumänien innerhalb der EU und NATO einnehme.



    Traian Băsescu hat auch die Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust Yad Vashem“ besucht. In der Halle der Errinerung hat er einen Kranz niedergelegt und die ewige Flamme des Gedächtnisses gezündet. In Yad Vashem wurde zudem zwischen dem rumänischen Präsidialamt und Yad Vashem die Kooperations-Erklärung zur Bekämpfung der Diskriminierung, der Intoleranz und des Antisemitismus unterzeichnet.



    Der rumänische Staatschef wurde anschlie‎ßend vom orthodoxen Patriarchen von Jerusalem Theophilus III. empfangen. Traian Băsescu erhielt von diesem den Orden des Heligen Grabes. Die beiden besuchten anschlie‎ßend das Heilige Grab in der Jerusalemer Altstadt. Der rumänische Staatschef besuchte danach auch die Klagemauer, wo er, wie viele andere Gläubige, einen persönlichen Gebetszettel in die Mauerspalten steckte.

  • Rumänien und der Prager Frühling von 1968

    Rumänien und der Prager Frühling von 1968

    Es gibt Fotos, die zu universellen Symbolbildern eines bedeutenden Ereignisses werden und dadurch eine unveränderte Botschaft durch die Zeit transportieten. Die Fotos des tschechischen Fotografen Josef Koudelka bleiben die ausdrucksstärksten dieser Art und verflechten sich mit dem Prager Frühling, dem Versuch der Tschechoslowakei im Jahr 1968, die sowjetische Vorherrschaft abzuschütteln. Josef Koudelka hatte das gro‎ße Glück, sich im August 1968 auf den Stra‎ßen von Prag zu befinden und eine Fotokamera dabei zu haben. So ist es ihm gelungen, der Menschheit die Barbarei zu zeigen, mit der der Wunsch seiner Mitbürger nach Freiheit von der Sowjetunion unterdrückt wurde. Koudelka war gerade zwei Tage vor dem Eingriff der Truppen des Warschauer Pakts aus Rumänien zurückgekommen. Er schoss die Bilder, schmuggelte sie aus dem Land und publizierte diese in Frankreich im Jahr 1969.



    Rumänien hat am Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 nicht teilgenommen. Es verurteile diese Handlung als Angriff gegen ein sozialistisches Freundesland. Oberst Alexandru Oşca, Militärhistoriker, hat einige Bücher über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei und die Nichtbeteiligung Rumäniens geschrieben.



    Es war der grö‎ßte Einsatz zum Einmarsch in ein Land nach dem Zweiten Weltkrieg. Ceauşescu wurde weder eingeladen, sich daran zu beteiligen, noch darüber informiert. Die Führer der Länder kamen sechsmal auf höchster Ebene zusammen. Man kann nicht wissen, wie Ceauşescu reagiert hätte, hätte man ihn über eine Teilnahme Rumäniens gefragt. Was ist wohl in seinem Kopf vorgegangen, als er erfuhr, dass all seine Kameraden zusammenkommen und er nicht eingeladen wurde, besonders zu einem kommunistischen Konklave, von dem man genau wusste, wenn man nicht mit am Tisch sitzt, dann müsse man irgendwie gehen? Wenn einer nicht von alleine geht, dann wird einem geholfen, zu gehen.“



    Der Historiker Petre Otu, Leiter des Instituts für Politikstudien, Verteidigung und Militärgeschichte, hat die freigegebenen Unterlagen untersucht, aus denen sich ergibt, dass Nicolae Ceauşescu von der Kampagne des Warschauer Pakts gegen die Tschechoslowakei gewusst hat.



    Aus den Unterlagen, zu denen wir Zugang hatten, geht hervor: Er wusste scheinbar von dem Einmarsch. Eine der sehr verlässlichen Quellen war ein polnischer Offizier, dessen Familie sich 1939 in Rumänien zurückgezogen hatte, wo sie bis 1944 blieb. Der polnische Offizier ging auch auf das Militärgymnasium in Rumänien. Er gehörte zum Kommando des Warschauer Pakts. Der Berater der rumänischen Botschaft in Warschau war ein ehemaliger Gymnasiumskollege des polnischen Offiziers. Durch diese Verbindung hat man sehr genaue Informationen über die Vorbereitungen der Sowjets erhalten. Ceauşescu wurde von Ion Stănescu informiert, und als er nach Prag ging, ordnete er die Übersetzung der Nachricht von dem polnischen Offizier auch ins Tschechische an. In Prag übermittelte er die Nachricht an Dubček. Auf seinem Rückweg fragte Stănescu Ceauşescu, ob er Dubček etwas mitgeteilt hätte. Ceauşescu antwortete: ‚Ja, aber entweder der wei‎ß nichts oder er möchte nichts wissen.‘ Ceauşescu war mit der Reaktion Dubčeks unzufrieden.“



    Dennoch war die Beziehung zwischen Rumänien und der Tschechoslowakei bis 1968 nicht besonders eng. Im Jahr 1964, als der Walew-Plan erarbeitet wurde, wodurch man Rumänien die Rolle einer Agrarwirtschaft im sozialistischen Block zuweisen wollte, nutzte die Tschechoslowakei ihren Einfluss aus, um diesen durchzusetzen. Petre Otu schildert, wie sich die rumänisch-tschechoslowakische Beziehung im Zuge dieser Ereignisse entwickelt hat:



    Die Führer der Tschechoslowakei waren bis Juli zurückhaltend vor einer Zusammenarbeit mit Ceauşescu. Sie haben versucht, ihn zu umgehen, denn eine Verbindung zu Ceauşescu hätte für die Sowjets den Grund für einen Einmarsch liefern können. Nachdem sie erfahren haben, dass die Ereignisse sich überstürzen und dass die Sowjets ohnehin einen Einmarsch vorbereiten, wurden die Beziehungen wärmer. Ceauşescu reiste nach Prag und unterzeichnete das Abkommen zur gegenseitigen Unterstützung. Das führte zur Theorie, dass die Kleine Entente aus der Zwischenkriegszeit wiederhergestellt werde. Die Informationen aus den Geschichtsquellen bestätigen, dass die Sowjets jene Donaufreundschaft aufmerksam verfolgten. Laut diesen Informationen haben sich die Jugendkampfmannschaften und die Heimatgarden insgeheim vorbereitet, um am damaligen Nationalfeiertag Rumäniens am 23. August zu defilieren. Es war eine au‎ßerordentliche Anstrengung. Ceauşescu wusste von dem Einmarsch und bereitete sich insgeheim vor.“



    1968 hielten sich in Rumänien 8.000 tschechoslowakische Touristen auf. Weitere 400 hielten sich in Bulgarien auf, aber sie kamen nach Rumänien. Da sie nicht zurück in die Tschechoslowakei konnten, wurden sie in den Hotels des Nationalen Tourismusamtes (ONT) untergebracht. Sie bekamen auch Geld, bis sich die Lage etwas beruhigt hatte und sie wieder heimreisen konnten. Tomaš Vostry, Stellvertreter des tschechischen Botschafters in Bukarest, verbrachte seine Sommerferien 1968 als Kind an der rumänischen Riviera. Er erinnert sich heute noch daran:



    Leider haben wir diese sieben Tage nicht erlebt, als Koudelka diese Fotos geschossen hatte. Ich war einer jener Tschechen, die ihre Sommerferien in Mamaia, Rumänien, verbracht haben. Wir konnten das Flugzeug nach Prag am 22. August nicht mehr erreichen. Ich und meine Eltern haben den Zug zurück nach Hause erst am 22. September besteigen können. Wir haben diesen Abschnitt der Geschichte versäumt. Ich kann aber bestätigen, dass die tschechischen Touristen gut versorgt wurden. Ich war 1968 zehn Jahre alt und ich konnte Anfang September so manches beobachten und einiges verstehen. Man konnte noch viele Sowjettruppen in Prag sehen, als man zur Schule ging. Sie waren in den Parks von Prag, in den Wäldern rundherum, und die Menschen waren sehr aufgeregt. Am Herbstanfang begannen die Sowjettruppen sich langsam aus Prag zurückzuziehen.“



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