Tag: Widerstand

  • Dissidenten im kommunistischen Rumänien: Doina Cornea

    Dissidenten im kommunistischen Rumänien: Doina Cornea

    Zwischen 1945 und 1989 bezahlten die Frauen in Rumänien einen sehr hohen Preis für die Art und Weise, wie das Land nach Kriegsende regiert wurde. Intellektuelle und Arbeiterinnen, Bäuerinnen und Städterinnen, Frauen in Rumänien kämpften und starben im bewaffneten Widerstand, an der Seite ihrer Ehemänner. Andere wurden zu harten Jahren Gefängnis verurteilt, wo viele von ihnen ihr Ende fanden. Die Dissidentin Doina Cornea schloss sich Frauen wie Marina Chirca, Ana Simion, Maria Plop, Arlette Coposu, Ecaterina Bălăcioiu und vielen anderen an, die im Licht der Öffentlichkeit oder unbekannt ihren Widerstand gegen ein zutiefst unmenschliches Regime ausdrückten.



    1982, als sie 52 Jahre alt war, entschied sich Assistent-Professorin Doina Cornea, nicht mehr zu schweigen. Sie schrieb einen Brief an den Radiosender Freies Europa“, in dem sie die Missbräuche und die Führungspraxis der Kommunistischen Partei anprangerte. Cornea wurde 1996 vom rumänischen Rundfunkzentrum für Mündliche Geschichte interviewt und erinnerte sich, wie sich ihr Verhältnis zum kommunistischen Regime veränderte:



    Der erste Text war ein offener Brief an Mitmenschen, die nicht aufgehört hatten, zu denken. Er war in erster Linie an Lehrer gerichtet, die die moralische Verpflichtung haben, ihren Lernenden immer die Wahrheit zu sagen. Diese gro‎ße Lektion hatte ich während des stalinistischen Regimes von meinem ehemaligen Professor an der Fakultät für französische Philologie, Henri Chaquier, gelernt. Ich war so beeindruckt von dieser Idee, die er uns in Geist und Verstand einzupflanzen versuchte, denn es war die Zeit des schlimmsten Stalinismus in den 1950er Jahren. Ich fühlte immer, dass mich etwas dazu drängte, den Brief zu schreiben, sogar gegen meinen Willen. Aber ich wollte den Brief nicht unterschreiben. Ich schrieb ihn auf, meine Tochter nahm ihn mit, als sie zum ersten Mal nach ihrer Auswanderung nach Rumänien kam. Ich sagte damals: ‚Ich unterschreibe den Brief nicht und überlasse es den Redakteuren des Senders, wie sie mit ihm umgehen.‘ Ich zeichnete eine Linie nach dem Text ein, aber um sicherzustellen, dass es ein authentischer Text ist und nicht von jemandem im Namen eines anderen ‚erfunden‘ war, schrieb ich: ‚Für ein freies Europa, Doina Cornea, Assistent-Professorin an der Philologischen Fakultät‘.




    Cornea hatte Angst, zu ihrem Aufstand offen zu stehen, wie sie später oft gestand. Doch nachdem sie ihren Namen bei dem am meisten beschuldigten ausländischen Radiosender gehört hatte, gab es kein Zurück mehr. Es war eine Ehre, der sie nicht mehr absagen konnte:



    Ich war mit meinem Mann am Schwarzen Meer, im Dorf Vama Veche, aber er wusste nichts vom Text, er hatte keine Ahnung, dass ich einen Brief geschickt hatte. Ich hatte mein Radio dabei und obwohl ich Freies Europa nicht allzu oft hörte, bestand ich diesmal sehr darauf, das Radiogerät mitzunehmen. ‚Was ist in dich gefahren?‘, fragte er mich. Und ich sagte ihm, ich wolle einfach Radio Free Europe hören. Es gab zwei Betten in diesen Bauernzimmern; ich sa‎ß auf dem ersten Bett, mein Mann auf dem zweiten, und das Radio war am Fenster. Und als ich die Stimme im Radio hörte, die sagte: ‚Nennen wir die Autorin Doina Cornea‘, erstarrte ich. Ich sage Ihnen, ich hatte mehr Angst vor meinem Mann als vor den politischen Auswirkungen. Es gab eine stille Minute, ich erwartete, dass er mich anschreit. Er sagte nichts, als würde er den Atem anhalten. Und dann fing ich an: ‚Was tun wir jetzt?‘ — und er packte mich am Arm und sagte mir: ‚Wir gehen spazieren.‘“




    Cornea wurde dann in einer Sitzung im Kollektiv an ihrer Uni an den Pranger gestellt. Mit wenigen Ausnahmen vermieden es die Kollegen, sich mit ihr zu solidarisieren; einige versuchten, einen Weg zu finden, um ihr zu helfen, dem Zorn des Regimes zu entkommen.



    Es war eine schreckliche Sitzung, auch Rektor Vlad kam, der mir lieb ist und den ich als Kollegen auch heute nicht verachte. Ich verstand ja, wie das System funktioniert. Aber er hätte sich auch anders verhalten können. Aber er wollte, dass ich in dieser Sitzung Selbstkritik übe, was ich nicht gemacht habe. Und er fragte mich immer wieder: ‚Was hast du gegen Mircea Eliade? Warum sagst du, dass Intellektuelle lügen, dass Ökonomen falsche Statistiken liefern?‘ Ich hatte den Studenten gesagt, dass sie keine Gesellschaft, auch keine sozialistische oder kommunistische, auf einer Lüge aufbauen können. ‚Warum sagst du, dass Intellektuelle Feiglinge sind?‘, fragten sie mich. ‚Weil sie Feiglinge sind!‘, erwiderte ich. An einem gewissen Punkt war ich in Tränen ausgebrochen, weil der Leiter der Abteilung vorgeschlagen hatte, eine ärztliche Bescheinigung von der Psychiatrie einzuholen. Das hätte mir noch gefehlt, in die Psychiatrie zu kommen! Das hat mich sehr beleidigt. Dann brach ich in Tränen aus, aber Selbstkritik übte ich nicht.“




    Cornea wurde schlie‎ßlich entlassen, doch sie hielt fest an ihrer Kritik. Sie schrieb weiterhin Briefe an den Sender Freies Europa“ und solidarisierte sich mit dem Streik der Arbeiter im November 1987 in Braşov (Kronstadt). Im August 1988 wurde sie unter Hausarrest gestellt. Im Dezember 1989 kam sie durch den Umsturz wieder frei. Nach dem Umbruch zog sie sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurück, hin und wieder war sie mit Kritik an den postkommunistische Machthabern zu hören. Im Jahr 2016 erhielt Doina Cornea einen letzten Schicksalsschlag: ihre Tochter, Ariadna Combes, die die Worte ihrer Mutter in die freie Welt getragen hat, war im Alter von 62 Jahren in Frankreich aus dem Leben geschieden.

  • Nachrichten 04.05.2018

    Nachrichten 04.05.2018

    Bukarest: Professorin Doina Cornea war ein Symbol des Mutes und des antikommunistischen Widerstands in Rumänien, hat Präsident Klaus Iohannis am Freitag erklärt. Der rumänische Staatschef sprach der Familie von Doina Cornea sein tiefes Beileid aus. Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben ebenfalls ihrem Beileid zum Verlust einer der Schlüsselfiguren des antikommunistischen Widerstands Ausdruck verliehen. 1982 wurde Doina Cornea für ihre öffentliche Kritik gegen die Diktatur von Nicolae Ceauşescu bekannt. Ihre Meinungen wurden von internationalen Radiosendern mit Programmen in rumänischer Sprache ausgestrahlt. Infolgedessen wurde sie von der Universität entlassen, brutal verhört, unter Hausarrest gesetzt und von den Agenten der kommunistischen politischen Polizei Securitate geschlagen. Doina Cornea war ebenfalls eine der zentralen Figuren der antikommunistischen Revolution von Dezember 1989. Sie gilt ebenfalls als eine der ersten Persönlichkeiten, die nach der Wende gegen die Missbräuche der neuen postkommunistischen linksorientierten Regierung protestierte.



    Sofia: Präsident Klaus Johannis hat am Freitag am informellen Treffen der Staatschefs Bulgariens, Österreichs und Rumäniens teilgenommen. Für die Gespräche in der bulgarischen Donaustadt Russe kamen die Präsidenten der drei Länder zusammen, die dieses Jahr und im ersten Quartal des kommenden Jahres den Vorsitz im Rat der Europäischen Union aufeinanderfolgend inne haben. Im Mittelpunkt der Gespräche standen aktuelle europäische Themen. Diskutiert wurde ebenfalls über Lösungen zur Koordinierung und Zusammenarbeit während der drei EU-Ratspräsidentschaften. Im Anschlu‎ß nahm Präsident Iohannis zusammen mit seinen bulgarischen und österreichischen Amtskollegen, Rumen Radev und Alexander Van der Bellen an der Konferenz Nachhaltige Entwicklung der Donauregion und die Vernetzung zwischen den Regionen” teil. Die Europäische Union müsse stärker werden und die wirtschaftlichen Gefälle zwischen den einzelnen Staaten abbauen. Die Kraft der EU steht in Solidarität, im Zusammenhalt und in einer ambitionierten und innovativen Vision auf die Zukunft, was auch in den kommenden Jahren die Grundlage der Entwicklung der europäischen Staaten bilden soll, sagte Klaus Iohannis.



    Bukarest: Das Verfassungsgericht wird am 30. Mai die Verfassungsklage des Staatschefs Klaus Iohannis über die umstrittene Justizreform der sozial-liberalen Regierung diskutieren. Am Mittwoch hatte der rumänische Präsident angekündigt, das Gesetzespaket sowohl vom Verfassungsgericht als auch von der Venedig-Kommission prüfen zu lassen. Die vom Parlament verabschiedeten Änderungen der drei wesentlichen Justizgesetze würden weder den rechtsstaatlichen Anforderungen noch den Erwartungen der Bürger gerecht und hätten darüber hinaus unsere internationalen Partner des Landes tief beunruhigt, da sie die Unabhängigkeit der Justiz untergraben, sagte Präsident Iohannis.



    Rabat: Der rumänische Au‎ßenminister Teodor Melescanu ist am Freitag in Marokko mit hochrangigen Regierungs- und Parlamentsmitgliedern zu Gesprächen zusammen gekommen. Dabei erklärte Melescanu, dass Rumänien einen besonderen Wert auf die Neubelebung und Diversifizierung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten, insbesondere mit den traditionellen Partnern des Maghrebs, lege. Im Anschlu‎ß bezeichnete der rumänische Minister die bilateralen Beziehungen mit Marokko als ausgezeichnet. Diese basieren auf einer traditionellen Freundschaft, die seit mehr als einem halben Jahrhundert bestehe. Rumänien möchte auf allen Ebenen den bilateralen politischen Dialog fördern, fügte Au‎ßenminister Melescanu hinzu, der anschlie‎ßend auch die Entwicklung des bilateralen Handels in den letzten Jahren hervorhob. Marokko sei der wichtigste Handelspartner Rumäniens in Afrika und im Nahen Osten.



    Sport: Die rumänische Tennisspielerin Mihaela Buzărnescu (Platz 37 WTA) hat am Freitag den Einzug ins Finale des WTA-Turniers in Prag geschafft. Im Halbfinale des mit 226.750 Dollar dotierten Turniers setzte sich die Rumänin gegen die Italienerin Camila Giorgi durch. Im Finale trifft Buzărnescu am Samstag gegen die Weltranglistenzehnte Petra Kvitova. Die Tschechin, die als zweite Favoritin des Turniers gilt, setzte sich im Halbfinale gegen die Chinesin Shuai Zhang durch. Buzărnescu tritt im zweiten Finale ihrer Karriere nach dem Spiel von Hobart (Australien) an.

  • Nachrichten 30.05.2017

    Nachrichten 30.05.2017

    Der rumänische Staatspräsident, Klaus Iohannis, hat das Dekret zur Promulgierung des Gesetzes zum Festlegen des 14. Mai als nationalen Gedenktag zum Ehren der Märtyrer, die in den kommunistischen Gefängnissen gestorben sind, unterschrieben. In der Begründung des Gesetzes steht, dass in der Nacht vom 14. auf 15. Mai 1948 mehr als 10.000 junge Menschen verhaftet wurden. Anschlie‎ßend wurden sie verhört, verurteilt und in Strafanstalten gebracht. Aus Respekt für die Menschen, die in jenen historischen Zeiten den Mut zum Widerstand hatten, hat das Rumänische Parlament die moralische Pflicht, den 14. Mai zum nationalen Gedenktag für die Märtyrer der kommunistischen Gefängnisse zu erklären, steht im Begründungsschreiben. Das kommunistische Regime Rumäniens, das nach dem Zweiten Weltkrieg an die Macht kam und im Dezember 1989 gestürzt wurde, ist 2006 von den Bukarester Behörden offiziell verurteilt worden.



    Im rumänischen Luftverkehr herrscht langsam wieder Normalbetrieb – die rumänischen Fluglotsen haben ihren am Dienstagmorgen begonnen unbefristeten Generalstreik bereits nach vier Stunden ausgesetzt. Sie fordern einen neuen Tarifvertrag und mehr Personal. Am Montag war eine weitere Verhandlungsrunde mit der Geschäftführung der staatlichen Gesellschaft zur Verwaltung des Luftraums ROMATSA ergebnislos zu Ende gegangen. Verkehrsminister Răzvan Cuc verneinte eine Konkursgefahr bei der ROMATSA und kündigte eine neue Geschäftsstrategie an. Er warf den Streikenden vor, den Pfingsturlaub stören zu wollen. Rund 3000 Flüge überqueren täglich den rumänischen Luftraum; während ihres Streiks sind die Lotsen per Gesetz verpflichtet, nur ein Drittel der Flüge abzufertigen. Am Flughafen Otopeni wurden sechs Flüge von RyanAir gestrichen — darunter der Flug nach Berlin Schönefeld.



    Der parlamentarische Ausschuss für Arbeitsfragen in der Abegordnetenkammer wird seinen Bericht über den Gesetzentwurf zur einheitlichen Entlohnung der staatlichen Bediensteten vorlegen. Am Montag hatte der Ausschuss den Entwurf abschlie‎ßend diskutiert. Die Abgeordnetenkammer ist das Entscheidungsgremium im diesem Verfahren. Arbeitsministerin Lia Olguţa Vasilescu erklärte, dass die in der Eingangskammer verabschiedeten Änderungsanträge den Finanzierungsrahmen von sieben Milliarden Euro sprengen, der für die Lohnerhöhungen vorgesehen ist. Für weitere Erhöhungen stehe sie nicht bereit, sagte sie. Getragen wird das von den Parteien der Regierungskoalition – der sozialdemokratischen Partei sowie der Allianz der europäischen Liberalen und Demokraten – aber auch von dem Ungarnverband UDMR. Die Opposition kritisiert, dass die Auswirkungen auf den Haushalt sowie die Finanzierungsquellen für die Lohnerhöhungen nicht geklärt wurde.



    In Bukarest gehen die Anhörungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Präsidentenwahlen von 2009 weiter. Zum damaligen Zeitpunkt hatte sich der amtierende Staatschef Traian Băsescu als Kandidat der bürgerlichen Parteien gegen seinen sozialdemokratischen Kontrahenten Mircea Geoană durchgesetzt. Am Montag wurde Geoană zum zweiten Mal angehört. Er sagte dabei, dass ihm zwar Unregelmä‎ßigkeiten bei der Wahl im Ausland gemeldet wurden, dass es aber für eine Partei schwierig sei, über die Richtigkeit des Wahlgangs in den vielen Wahllokalen im Ausland wirksam zu wachen. Die Gründung des Untersuchungsausschüsses wurde infolge der Enthüllungen eines Journalisten beschlossen. Nach seinen Angaben sei der Wahlprozess von 2009 von hohen Staatsbeamten, einschlie‎ßlich einiger Leiter von Gesetzesvollzugsbehörden, beeinflusst worden.



    Die moldauische prowestliche Regierung hat beschlossen, 5 russische Diplomaten auszuweisen. Wer sie sind und welcher der Grund der Ausweisung ist, wurde nicht weiter ausgeführt, so Korrespondenten des rumänischen Rundfunks vor Ort. Russlands Vizeau‎ßenminister Grigori Karasin bezeichnete die Entscheidung als schwere Provokation und Schlag gegen die Akteure, die gegen die Normalisierung der bilateralen Verhältnisse eintreten. Auch der prorussische Staatspräsident Igor Dodon erklärte sich zutiefst empört und warf der Regierung vor, die geopolitischen Spiele der NATO mitzumachen und das Land in eine riskante Situation zu manövrieren. Die bilateralen Beziehungen gelten als angespannt, nachdem die Moldau ein Assoziierungabkommen mit der EU unterschrieben hat und Moskau anschlie‎ßend ein Handelsembargo gegen die Moldau einführte.



    Der rumänische Au‎ßenminister, Teodor Melescanu, hält sich zwischen 31. Mai — 03. Juni in New York auf, anlä‎ßlich der offizielllen Lancierung der Kampagne zur Förderung der Kandidatur Rumäniens für ein neues Mandat als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, in der Zeitspanne 2020-20121. Die Kampagne läuft unter dem Motto Rumänien — ein langfristiges Engagement für Frieden, Justiz und Entwicklung“, hie‎ß es vom Bukarester Au‎ßenministerium. Auf dem Besuchsprogramm steht auch ein Treffen mit dem UN-Generalsekretär, Antonio Guterres. 2006 stellte Rumänien seine Kandidatur für den Platz der Ostgruppe im UN-Sicherheitsrat. Die Wahl findet in Juni 2019 statt. Seit seinem Beitritt zur Organisation der Vereinten Nationen im Jahr 1955 hatte Rumänien vier Mandate als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, und zwar 1962, 1976-1977, 1990-1991 und 2004-2005.


  • Forschungsprojekt: Frauen in den kommunistischen Gefängnissen

    Forschungsprojekt: Frauen in den kommunistischen Gefängnissen

    Am antikommunistischen Widerstand in Rumänien nahmen auch zahlreiche Frauen teil, deren Geschichte wenig bekannt ist. Diese unterstützten entweder ihre Ehemänner, Brüder oder Väter, die Mitglieder der Widerstandsbewegung waren, oder sie schickten Botschaften in den Westen. Das Institut für die Aufklärung der kommunistischen Verbrechen und die Gedächtniskultur des Rumänischen Exils (IICCMER) hat sich in Zusammenarbeit mit der britischen Botschaft in Bukarest vorgenommen, die Geschichten der Frauen, die am Kampf gegen das illegitime, repressive und verbrecherische kommunistische Regime in Rumänien teilgenommen haben, ans Licht zu bringen. Die Untersuchung von alten Haft-Protokollen und Memoiren zeigen, dass diese Frauen in vielen Fällen in den kommunistischen Gefängnissen gestorben sind. Constantin Vasilescu, Forscher am IICCMER berichtet über die Bedeutung dieser Haft-Protokolle:



    Das Haft-Protokoll ist praktisch eine Art ‚Reisebericht‘, der jeden politischen Häftling während der Haft begleitete. In einem solchen Dokument waren die wichtigsten Daten eingetragen: Name und Vorname des Häftlings, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnsitz, Datum des Haftantritts, strafrechtliche Einordnung, die Haftanstalten, in denen er war, und andere Details, die für die Forscher sehr wichtig sind. Wir gingen von diesen Daten aus, um einerseits eine gültige quantitative Analyse durchzuführen und andererseits um einen soliden Überblick zu bekommen. Diese Dokumente können aber lückenhaft sein. Ein solches Dokument ist nicht unfehlbar, so wie die meisten Dokumente, die von der Securitate, der Sicherheitspolizei des Regimes, vor 1989 erstellt wurden. Die Haft-Protokolle können gegensätzliche, manchmal sogar falsche Angaben beinhalten, weil in vielen Fällen diejenigen, die sie erstellten, Auszubildende im Bereich der Repression waren. Das war Ausgangspunkt ihrer Ausbildung: die Erstellung des Haft-Protokolls eines ‚Volksfeindes‘.“




    In den Berichten, die vom Institut für die Aufklärung der kommunistischen Verbrechen erstellt wurden, erscheinen auch Informationen über die soziale Herkunft der verurteilten Frauen. Die meisten stammten aus ländlichen Gebieten und hatten die Grundschule oder Sekundärstufe abgeschlossen. Es gab sehr wenige verhaftete Frauen, die ein Gymnasium oder eine Hochschule absolviert hatten. 2.860 von 3.802 der weiblichen Gefangenen, deren Dokumente untersucht wurden, waren zu dem Zeitpunkt, als sie verhaftet wurden, keiner politischen Partei oder Organisation zugehörig. Wenige unterstützten die rechtsextreme Organisation Eiserne Garde, die historischen Parteien oder die deutsche Minderheit. Die meisten verhafteten Frauen kamen in einer ersten Phase in die Haftanstalt von Jilava, danach wurden sie weiter nach Mislea, Miercurea Ciuc, Bukarest, Arad und Oradea geschickt. Constantin Vasilescu berichtet weiter:



    Von den 76.000 Häftlingen, die von der Datenbank des Instituts erfasst wurden, sind 3.802 Frauen. Gegenüber der Männerzahl ist es eine kleine Zahl. Aus unserer Sicht bedeutet das aber ganz und gar nicht, dass die Frauen weniger mutig als die Männer im Kampf gegen den Totalitarismus waren oder dass sie in einem kleineren Ma‎ße bereit waren, sich zu opfern. Dieser Bericht ist in gro‎ßen Linien ein Spiegel der sozialen Realität von damals. Die Männer dominierten fast vollständig den Entscheidungsprozess und die Politik. Zudem zeigt diese Zahl nicht, dass die Frauen in dieser Periode weniger gelitten haben. Für fast jeden verurteilten Mann gab es eine Gro‎ßmutter, eine Mutter, eine Schwester, eine Freundin oder Ehefrau, die, alles Mögliche getan hat, um ihm zu helfen. Im Falle derer, die untergetaucht waren, insbesondere im Fall der Widerstandskämpfer, mussten die Frauen sich mit den Razzien der Sicherheitspolizei konfrontieren, sie erlitten willkürliche Gewalt. Nicht zuletzt möchte ich hervorheben, dass 3.802 keine endgültige Zahl ist, es stellt nur die bis jetzt dokumentierten Fälle dar.“




    Beginnend mit 1965 fanden die meisten politischen Verhaftungen unter dem Deckmantel des Strafgesetzes statt — den Polithäftlingen wurden angebliche Straftaten angehängt. Weiter gab es Zwangseinlieferungen in die Psychiatrie. Das war eine der brutalsten Unterdrückungsma‎ßnahmen des kommunistischen Regimes. Die Zahl der verurteilten Frauen wird mit dem Fortschritt der Forschungen wahrscheinlich steigen. Constantin Vasilescu über die Notwendigkeit eines umfangreichen Berichts:



    Das Endergebnis dieser Forschung wird ein Band über die in Rumänien inhaftierten Frauen sein. Wir hoffen, es noch in diesem Jahr zu veröffentlichen. Vorher soll noch eine einführende Studie veröffentlicht werden, weil die Bewertungs- und Synthese-Arbeit mindestens genauso wichtig ist. In dieser Studie soll die eingesetzte Methodik erklärt werden. Zudem sollen der gesetzliche Rahmen der Unterdrückung sowie wissenschaftliche Statistiken, die Frauen-Haftanstalten, individuelle Fälle und andere solche Daten präsentiert werden.“




    Die Zahl der vom kommunistischen Regime inhaftierten Frauen ist höchstwahrscheinlich höher. Viele Haft-Protokolle von der Strafvollzugsanstalt in Jilava nahe Bukarest müssen noch unter die Lupe genommen werden.

  • Corneliu Coposu, der Senior der rumänischen Demokratie nach der Wende

    Corneliu Coposu, der Senior der rumänischen Demokratie nach der Wende

    Beginnend mit 1947 hat das kommunistische Regime in Rumänien beinahe die gesamte politische, kulturelle und wirtschaftliche Elite des Landes verhaftet. Viele starben in den kommunistischen Gefängnissen, andere verblieben jahrelang in Haft. Corneliu Coposu verbrachte 17 Jahre im kommunistischen Kerker, nach der Wende baute er die Bauernpartei (PNŢ) wieder auf und leistete einen erheblichen Beitrag zur Demokratisierung des Landes. Doch Anerkennung erhielt er erst am Ende seines Lebens.



    Man sagt, das Wichtigste im Leben eines Menschen sei das, was er hinterlässt, sein Erbe. Dabei geht es nicht unbedingt um Sachen oder anfassbare Dinge, sondern mehr um symbolisches Erbe, um Verhalten, um Ratschläge für die Nachfolger und um Lebensstil. Corneliu Coposu ist am 11. November 1995 gestorben und für fast alle Rumänen ist er ein Märtyrer der Demokratie und ein Vorbild der Wiedergeburt nach der Wende von 1989, nach fast 50 Jahren Kommunismus.



    Er hinterlie‎ß ein riesiges symbolisches, politisches und religiöses Kapital. Corneliu Coposu war eine aufrichtige Person, die dem kommunistischen Regime physischen und psychischen Widerstand leistete. Viele andere verzichteten auf den Kampf oder arbeiteten mit dem Regime zusammen. Der Teufel in der Geschichte“, wie es der polnische Philosoph Leszek Kolakowski nannte, das Regime des roten Terrors, lie‎ß Corneliu Coposu bis zu seinem Fall 1989 nicht in Ruhe leben. Das Regime versuchte, ihn zur Kollaboration zu verlocken, seine Seele und seine Überzeugungen zu kaufen und ihn zu kompromittieren. Seinen eigenen Aussagen zufolge, die auch von den Dokumenten im Archiv der ehemaligen Sicherheitspolizei Securitate bestätigt wurden, wurde Corneliu Coposu nach seiner Haftentlassung weitere 27-mal für kurze Perioden verhaftet. Sein Haus wurde Dutzende Male durchsucht und mehr als 3000 persönliche Dokumente wurden dabei beschlagnahmt.



    Corneliu Coposu war der Mensch, um den 1989 ein paar Rumänen und anschlie‎ßend immer mehr sich vorgenommen haben, das politische, gesellschaftliche, kulturelle und geistige Gewebe der Rumänen, das von den Praktiken der kommunistischen Tyrannei stark verletzt worden war, wieder aufleben zu lassen. In den ersten Monaten des Jahres 1990 schien Coposu allein zu sein und von der Mehrheit abgelehnt zu werden. 1995, als er starb, hatte Coposu einen erheblichen Teil der Rumänen auf seiner Seite. Diese wünschten sich einen Wandel.



    Corneliu Coposu hat viel gelitten und das trug am meisten zur Änderung der Einstellung der Rumänen gegenüber ihm zwischen 1990 und 1995. Nach siebzehneinhalb Jahren Haft, von 1947 bis 1965, hat der Senior“, wie er genannt wurde, eine alte Weisheit bestätigt: dass die Wahrheit immer gewinnt. Corneliu Coposu bezeichnete sich jedoch nicht als alleinstehendes Beispiel. Er sagte immer, sein Vorbild sei das einer ganzen rumänischen Generation gewesen, die das Regime leider nicht überlebt habe, um zu erzählen.



    Corneliu Coposu wurde am 20. Mai 1914 im heutigen Landkreis Sălaj in der Familie eines griechisch-katholischen Priesters geboren. Er wurde Anwalt und promovierte an der Universität in Cluj (Klausenburg). Er war zudem der persönliche Sekretär von Iuliu Maniu, dem Vorsitzenden der Nationalen Bauernpartei PNȚ. Am 14. Juli 1947 wurde Coposu zusammen mit der ganzen Parteileitung infolge einer gestellten Aktion der kommunistischen Behörden verhaftet. Er wurde anfänglich zur lebenslänglichen Zwangsarbeit verurteilt. Er kam letzten Endes nach mehr als 17 Jahren raus. Neun Jahre verbrachte er in kompletter Isolation und verlernte fast das Sprechen. Ein Treffen mit ihm war für jeden ein Privileg. In einer Aufzeichnung erinnerte sich Corneliu Coposu an die Haftbedingungen im Gefängnis von Râmnicu Sărat:



    Das Gefängnis in Râmnicu Sărat hatte 34 Zellen, jeweils 16 im Erdgeschoss und im 1. Stock, die von einem Drahtnetz abgetrennt waren. Seitlich gab es noch 2 Zellen und weitere 4 Isolations-Zellen im Untergeschoss. Jede Zelle war 3 Meter lang und 2 Meter breit. Die Zellen waren wie ein Bienenstock aufgestellt, in 3 Metern Höhe gab es ein abgedecktes Fenster, 45 cm lang, 30 cm breit. Das Licht konnte nicht reinkommen. Eine 15 Watt-Glühbirne leuchtete ständig, wie in einer Gruft sah es aus. Heizung gab es keine, denn das Gefängnis wurde Anfang des Jahrhunderts, gegen 1900 gebaut. Die Wände waren dick. Ringsum gab es zwei sehr hohe, 5-6 Meter hohe Mauern, dazwischen einen Kontroll-Gang. An der zweiten Mauer waren auch die Wachtürme, in denen bewaffnete Soldaten standen.“




    Das totalitäre Regime betrachtete die Menschen nicht als menschliche Wesen mit Namen und Vornamen, sondern als Nummern. Corneliu Coposu erinnerte sich 1993 an das Leben im Gefängnis:



    Jeder Gefangene hatte eine Nummer, die der Zellen-Nummer entsprach, keiner hatte einen Namen, unsere Namen waren uns untereinander nicht bekannt. Da jeder Insasse allein war, war jedwedes Gespräch ausgeschlossen, und lange Zeit kommunizierte man mit den Insassen aus den anderen Zellen durch den Morse-Code, durch Schläge an die Wand, bis das System entdeckt und die Insassen sehr hart bestraft wurden. Nachher kommunizierte man durch Morse-Husten, was sehr anstrengend war, insbesondere weil wir alle sehr geschwächt waren. Ich war in der Zelle Nummer 1, darüber, in der Zelle 32, war Ion Mihalache, der mittels Morse am Anfang noch kontaktiert werden konnte. Nach 4-5 Jahren wurde sein Hörsinn schwächer und er reagierte nicht mehr auf die Schläge gegen die Wand.“




    Coposu wurde oftmals gefragt, ob er sein Leben anderes leben würde, wenn er zurück in die Vergangenheit gehen könnte. Seine Antwort war immer negativ. 1993 sagte er: Ich habe mein Gewissen selbst unter die Lupe genommen, habe alle Leiden verzeichnet und mich an alle Grausamkeiten während der Haft und der anschlie‎ßenden Jahren erinnert und ich glaube, ich würde heute nicht anders entscheiden. Mit geschlossenen Augen würde ich dasselbe Schicksal wählen. Wahrscheinlich haben wir alle ein Schicksal, das im Vornhinein entschieden ist. Ich bin kein Fatalist, würde ich aber die Wahl haben, würde ich das, was ich schon erlebt habe, gelassen wieder wählen.“

  • Hörerpostsendung 12.4.2015

    Hörerpostsendung 12.4.2015

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI. Heute am Ostersonntag in der Orthodoxen Kirche habe ich Antworten auf ein paar Hörerfragen, sodann werde ich einige Meinungen zu unserem Programm verlesen und zum Schluss gibt es auf Anregung eines Hörerfreunds ein bisschen Musik mit einem italienisch-rumänischen Jazz-Musiker.



    Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus) schrieb uns per E-Mail zu mehreren Themen:



    Besonders bedrückend war für mich der Bericht aus der Reihe Pro Memoria über die [kommunistische] Strafvollzugsanstalt [Jilava] bei Bukarest. Es ist leider so: Viele Gefängnisse und auch die Konzentrationslager wurden 1:1 in ihrer Nutzung von einer Diktatur in die andere übernommen. Bekommen die unter der Ceausescu-Diktatur Inhaftierten eigentlich in Rumänien eine Entschädigung oder eine Rente? Oder wurden sie zumindest rehabilitiert?



    In der Sendung Es grünt so grün“ berichteten Sie über die EU-Projekte, die gegen die Überschwemmungen helfen sollen. Das ist ja immer schön, wenn solche Projekte gestartet werden. Leider werden aber grundsätzliche Dinge immer wieder vergessen: Wir haben ein lange Geschichte und unsere Vorfahren haben bewusst auch schon viel gegen Hochwasser und Überschwemmung getan. Dies wird oft vergessen und es kommen da immer neu Experten, die mit dem EU-Geld viel Schaden anrichten. Aufforstung und Überschwemmungswiesen zulassen (und nicht bebauen, weil ja das Leben am Fluss so schön ist) — das sind die einfachsten Lösungen für diese Probleme. Die Sendung war wieder sehr interessant und regt zum Nachdenken an!



    Im März fand in Deutschland die Leipziger Buchmesse statt, das ist die zweitgrö‎ßte Buchmesse in unserem Land. Die Frankfurter Buchmesse konzentriert sich eher auf die Verlage, bei der Leipziger Buchmesse werden die Leserinnen und Leser in den Mittelpunkt gestellt. Mit einem gro‎ßen Leserfest begehen die Verlage mit den Lesern diese Messe. Dazu gehört natürlich auch der Buchpreis, der das wohl wichtigste Buch in diesem Frühjahr auszeichnet. Was ist denn in Rumänien derzeit in der Literatur in den Bestsellerlisten so angesagt? Welche Titel werden von den Menschen in Rumänien derzeit am meisten gelesen?




    Lieber Herr Winkler, danke für Ihre Zeilen. Mit der Wiederherstellung des Rechtsstaates und der Entschädigung der Menschen, denen Unrecht während des Kommunismus angetan wurde, hat es in Rumänien bekanntlich etwas gedauert — in den neunziger Jahren wurde die kommunistische (aber auch faschistische) Vergangenheit des Landes nur zögerlich aufgearbeitet, die junge Demokratie erhielt zahlreiche Rückschläge durch teilweise bis heute nicht ganz aufgeklärte Ereignisse wie etwa die wiederholten Einfälle der Bergarbeiter oder der interethnische Konflikt im März 1990 zwischen rumänisch- und ungarisch-stämmigen Menschen in der zentralsiebenbürgischen Stadt Târgu Mureş (Neumarkt am Mieresch). Eine stabile Demokratie wurde das Land erst ab den 2000er Jahren, manche sagen sogar erst ab Mitte der 2000er. Zwar gab es gleich nach dem Umbruch von 1989 Überlegungen, die ehemaligen Polit-Häftlinge zu entschädigen und die ehemaligen Folterer zur Verantwortung zu ziehen — in diesem Sinne wurde auch der Verband der ehemaligen Polit-Häftlinge gegründet und es wurden mehrere Regierungserlasse verabschiedet. Doch das mehrfach überarbeitete Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung der ehemals politisch Verfolgten stammt erst aus dem Jahr 2009, und mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ehemalige Folterer — sofern sie noch am Leben sind — hat man ebenfalls erst in den vergangenen Jahren begonnen. Über die Höhe der Entschädigungen und über etwaige Rückerstattungen von konfiszierten Besitztümern entscheiden allerdings Gerichte. Und — was ebenfalls typisch für Rumänien ist — es gibt immer noch kein Denkmal für die Opfer des Kommunismus und für die Widerstandskämpfer, weil man sich uneinig ist, wie ein solches Denkmal auszusehen hat und wo es am besten zu platzieren wäre. Zudem ist das im Falle der Widerstandskämpfer, die sich bis Ende der 1950er Jahre in den rumänischen Karpaten erbitterte Kämpfe mit den Securitate-Truppen lieferten, auch ein heikles Thema. Einige von den Widerstandkämpfern — und ich betone: einige — hatten während des Kriegs zumindest Sympathie für die faschistische Legionsbewegung gehegt. Somit wird das Thema auch politisch ausgeschlachtet. Linke Kreise meinen, die Widerstandskämpfer seien alle ein Faschistenpack gewesen, während Konservative eine Verschwörung der internationalen Linke gegen die Helden des antikommunistischen Widerstands wittern. Dass beide Ansichten verzerrt sind, liegt auf der Hand.




    Zum Thema Buchmarkt und Bestseller in Rumänien: Der rumänische Buchmarkt ist etwas atypisch und eine landesweit gültige Bestseller-Liste gibt es hier nicht, weil die Verlage nur selten und ungern Verkaufszahlen veröffentlichen. Einige Verlage haben auf ihrer Webseite zwar eine Bestseller-Rubrik, ich konnte mir aber beim besten Willen keinen Reim darauf machen, nach welchen Kriterien recht unterschiedliche Bücher und Genres ganz oben rangieren. Zudem haben Bücher in Rumänien generell weit niedrigere Auflagen, in der Sparte Belletristik hat kaum ein Buch eine Auflage von mehr als ein paar tausend Exemplaren — bei 10.000 spricht man schon von einem potenziellen Bestseller. Der rumänische Buchmarkt ist also eher klein und recht kompliziert. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Mediafax vom Dezember 2014 sagte der Leiter eines bekannten Verlags, dass der Buchmarkt in Rumänien bei ca. 19 Mio. Einwohnern Umsätze von 40-60 Mio. Euro erzielen würde, eine genaue Zahl kenne er nicht. Hingegen seien die Umsätze im Nachbarland Ungarn 4-5mal so hoch, wobei das Land nur 9 Mio. Einwohner hat. Der Verlagsleiter gibt die Schuld dafür dem Vertrieb, im ganzen Lande gebe es nur 260 Buchhandlungen und in einem Landeskreis soll es sogar nur eine einzige Buchhandlung geben. Die Verlage hätten sich daraufhin auf den verstärkten Vertrieb durch die gro‎ßen Hypermarkt-Ketten umorientiert, seitdem seien die Umsätze etwas gestiegen, doch genaue Zahlen konnte oder wollte der gute Mann im Interview nicht nennen. Generell wich er konkreten Fragen aus, sagte aber, dass er für 2015 eine bessere Konjunktur des rumänischen Buchmarktes erwarte.




    Wir bleiben beim Thema Buchmarkt, denn auch Johann Ruff (aus Mühlheim am Main, Hessen) hatte unlängst eine Frage dazu:



    Was kosten in Rumänien die Bücher? Gibt es auch eine sogenannte Buchpreisbindung?




    Vielen Dank für die Fragen, lieber Herr Ruff. Eine Buchpreisbindung gibt es in Rumänien nicht. Die Preise beginnen für Taschenbücher bei umgerechnet ca. 3 € (bei älteren Rest- oder Mängelexemplaren auch weniger) und können bis zu 25 € für Hardcover-Bücher erreichen, teure Kunst-Alben oder Fachbücher und Lexika kosten natürlich mehr.




    Unser Stammhörer Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) schrieb uns in seinem März-Brief u.a. folgendes:



    Danke für die Beantwortung meiner Zuschrift im Funkbriefkasten am 1.03. mit einer gro‎ßen Überraschung: schöne Bachklänge auf der Orgel der Schwarzen Kirche in Kronstadt. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut, zumal der Empfang während der Abendsendung sehr gut war.



    Auch beim heutigen Programm habe ich wieder Musik vermisst. Denn da wird ein bekannter Jazzmusiker vorgestellt, der bei der Bigband des rumänischen Rundfunks spielt, und man hört nichts von seiner Saxophonmusik bzw. von den Klängen der Bigband. Nun, vielleicht lag es auch daran, dass in der Sonntagsstra‎ße nur Fragmente von Programmen gebracht werden und deshalb für Musik in der Zusammenfassung keine Zeit war (was erneut Kritik an dem minutengenau getakteten starren Programmschema hervorruft). Schlie‎ßlich hörte man ja auch im abschlie‎ßenden Musikprogramm Klänge eines anderen Jazzmusikers.




    Lieber Herr Andorf, vielen Dank für Ihr Feedback zu unserem Programm. Ich muss Ihnen zustimmen: Unser Wochenendprogramm ist etwas wortlastig, denn da sind in 56 Minuten viele Beiträge unterzubringen, die an sich wortbeladen sind, beispielsweise am Sonntag der Funkbriefkasten zum einen, dessen Dauer von 12-16 Minuten ich innerhalb einer Stunde für angemessen halte, und die Sonntagsstra‎ße zum anderen, in der Fragmente aus allen Features der Woche zum Nachhören angeboten werden. Erst zum Schluss wird mit der Musik-Rubrik wieder etwas aufgelockert. Während der Woche ist es etwas lockerer, was allerdings nicht den Geschmack aller Hörer trifft. Ganz im Gegenteil zu Ihnen finden sich andere Hörer durch die eingestreuten Musiktitel zwischen den Wortbeiträgen wochentags an den sogenannten Dudelfunk“ erinnert. Man kann eben nicht alle zufriedenstellen, wir hoffen aber, dass für jeden etwas dabei ist.



    Den italienisch-stämmigen Saxophonisten Paolo Profeti haben wir in der Sendreihe Neue Heimat, neues Leben“ vorgestellt, wo wir eben Wahlrumänen oder sogen. Expatriates vorstellen, die in Rumänien für längere Zeit bleiben. Dass da ein paar Takte seiner Interpretationskunst gut gepasst hätten, will ich nicht bestreiten, aber vermutlich hatte man auf die Schnelle keine Zeit, nach einem entsprechenden Ton-Dokument zu suchen. Gerne hole ich das heute nach und generell erfülle ich auch Musikwünsche in dieser Sendung, allerdings muss ich dafür ein paar Minütchen aus der Gesamtzeit des Funkbriefkastens abzwacken, damit alles noch reinpasst.




    Zuvor jedoch möchte ich noch die Zuschrift eines unserer jüngeren Hörer verlesen. Daniel Kähler (aus Mönkeberg, Schleswig-Holstein) studiert noch, ist aber selber auch schon als Journalist und Radiomacher tätig und hinterlie‎ß uns folgende Botschaft im Internetformular:



    Ich freue mich, Ihnen nach langer Pause endlich mal wieder einen kleinen Empfangsbericht schicken zu können und finde es schön, mal wieder bei Ihnen reingehört zu haben! Weiterhin ist es schön, zu sehen bzw. zu hören, dass Sie weiterhin ein äu‎ßerst ausführliches Programm anbieten, auf Kurzwelle wie auch im Internet, als Audio wie auch als Text. Ich hoffe, dass sich das grundsätzlich nicht ändert, auch wenn es natürlich immer Anpassungen geben wird. Beim Wochenspiegel hatte ich den Eindruck, dass es vielleicht etwas viele Themen am Stück waren. Da es zudem viele “harte” Themen waren, könnte man den Wochenspiegel eventuell durch ein Musikstück zwischendurch auflockern, momentan gab es nur einen kurzen Trenner zwischen den Meldungen, der für meinen Geschmack ein wenig zu häufig zu hören war. Da nach dieser Sendereihe die Kulturchronik ausschlie‎ßlich aus einem Sprechertext bestand, wäre vielleicht auch zwischen den Rubriken ein Musiktitel schön gewesen. Denn inhaltlich sind Ihre Sendungen ja nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Nur für meine Ohren wäre es dann etwas angenehmer. 🙂 Positiv hervorheben möchte ich, dass sich Ihr Sender und Ihr Team auch auf verschiedenen sozialen Netzwerken bewegen. Das ist ein guter und wichtiger Schritt. Mit diesen Medien sollte man auch weiterhin versuchen zu experimentieren.




    Lieber Daniel (unter Radiokollegen darf man sich wohl duzen), danke für Dein Feedback. Solange es zu meinem Aufgabenbereich gehört, wird sich das multimediale Angebot auf unserer Webseite nicht ändern. Ich gebe auch Dir Recht, das Programm ist auch am Samstag etwas zu stramm und die Kulturchronik ist auch für meinen Geschmack nicht selten etwas trocken. Ich werde auch Deine Meinung an unsere Zentralredaktion weiterleiten. Ich wünsche Dir noch viel Erfolg im Studium und viel Spa‎ß beim Radio und an allem, was Du sonst noch gerne machst.



    Zum Schluss wie versprochen ein bisschen Jazzmusik, dafür muss ich aber heute die Posteingangsliste opfern. Dafür gibt’s nächsten Sonntag die Liste der Schreiber für zwei Wochen, was wiederum andere Hörer nicht mögen werden, die diese Liste ohnehin für überflüssig halten. Aber wie gesagt kann man nicht jedes Mal alle Hörer restlos zufriedenstellen.



    Hören Sie nun ein Fragment aus einer Komposition von und mit Paolo Profeti, dem italienischstämmigen Saxophonisten, der in Bukarest eine neue Heimat gefunden hat. Waiting for Bucharest“ hei‎ßt das Musikstück, es spielen Paolo Profeti & Romanian All Stars Quintett — das sind (nebst Profeti am Saxophon) Florian Radu (Posaune), Mircea Tiberian (Klavier), Michael Acker (Kontrabass) und Vlad Popescu (Schlagzeug). Die Aufzeichnung stammt vom City Jazz Fest in Bukarest am 29. Mai 2014.



    Sorin Georgescu sagt an dieser Stelle danke fürs Zuhören und überlässt Sie den jazzigen Tönen mit einem Touch von Bukarest.








    Audiobeitrag hören:




  • Widerstandsbewegungen im rumänischen Kommunismus

    Widerstandsbewegungen im rumänischen Kommunismus

    Eine dieser Bewegungen war das Unabhängige Rumänien“, die von der Jugendorganisation der Bauernpartei ins Leben gerufen wurde. Im Sommer 1947 war die gesamte Führung dieser Partei von den kommunistischen Behörden verhaftet worden. Man hatte den Spitzenpolitikern der Bauernpartei eine Falle gestellt, indem man diesen ein Flugzeug zur Verfügung stellte, um das Land zu verlassen. Dieser Fluchtversuch diente dann auch als Vorwand für die Verhaftung der demokratischen Opposition.



    Nistor Bădiceanu war nach der Wende Senator der Nationalen Christlich-Demokratischen Bauernpartei (PNȚCD) im rumänischen Parlament zwischen 1992 und 1996. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Bewegung Unabhängiges Rumänien“ im Jahr 1947. 1999 wurde er vom Zentrum für Mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks interviewt.



    Die Jugend der Bauernpartei hat versucht, sich im Untergrund zu organisieren. So wurden mehrere Organisationen gegründet, darunter Vlad Țepes, Vulturii — die Adler, Gruppe 4, Unabhängiges Rumänien. Wir haben uns gedacht, wir müssen uns vorbereiten, wir müssen den Kontakt aufrechterhalten, uns bewaffnen und irgendwann, in einem günstigen Moment, hofften wir auf einen Eingriff der Westmächte. Wir hätten dann einen Aufstand begonnen. Die Jugendlichen waren enthusiastisch, und nicht nur sie. Wir hatten noch Kontakt zu einer Reihe von ehemaligen Mitgliedern, zu Vorsitzenden und entschlossenen Aktivisten der Partei in der Provinz, insbesondere im Norden des Landeskreises Bihor, woher ich stammte. Ich habe alle auf die Risiken aufmerksam gemacht. Trotz unserer Begeisterung waren wir uns der Risiken bewusst. Wir wussten, mit wem es wir zu tun haben und kannten die Methoden, die die Kommunisten rücksichtslos einsetzten.“




    Nistor Bădiceanu hat auch über die Struktur der Gruppe berichtet sowie über das Leitbild der Organisation.



    Der Kern war aus 32-35 Mitgliedern gebildet. Ich wei‎ß auch nicht mehr, wie viele wir insgesamt waren, ein paar Hundert! Wir kannten uns nicht mehr alle untereinander. Jeder dritte rekrutierte weitere drei und so weiter. Im Fall einer Revolte hätten wir leicht eingreifen können. Die Mitglieder der Gruppe kamen aus dem gleichen Landeskreis im Norden und Zentrum, aus der Gegend um Oradea und Marghita, wo ich auch viele Bekannte hatte. Ihnen vertraute ich auch mehr. Wir kannten uns schon als Schüler, hatten gemeinsame Erinnerungen. Ich kannte ihre Einstellungen und ihre Überzeugungen. Man konnte nicht irgendjemanden ansprechen.“




    Innerhalb der Gruppe Unabhängiges Rumänien“ hatte Bădiceanu die Rolle des Agitators und des Impulsgebers inne.



    Ich war der ‚böse Anstifter‘, ich organisierte die Leute. Es kam nicht mehr in Frage, Konferenzen oder Kongresse zu organisieren und einen Anführer demokratisch zu wählen. Wir hatten ein paramilitärisches System. Wir bereiteten uns auf einen Kampf gegen die Staatsmacht vor. Das bezeichneten die Kommunisten als ‚Komplott gegen die soziale Ordnung‘. Dieser Tatbestand war im Strafgesetzbuch vorgesehen. Wir hatten auch Waffen, während des Krieges konnte man so was haben. Wir hatten auch einen Pferdewagen voller Handgranaten, Pistolen und Maschinenpistolen, das war kein Problem. Wir gingen durch die Dörfer, trafen die Leute, denen wir vertrauten, und sagten ihnen, was sie zu tun haben. Das Regime wurde immer strenger: Man hatte die Abgaben eingeführt, Weizen wurde übergeben, die Politik wurde immer repressiver.“




    Bădiceanu hatte die Absicht, eine Partisanen-Gruppe zu gründen, um sich ins Gebirge zurück zu ziehen und den Kampf fort zu setzen. Im antikommunistischen Widerstand wurden auch ehemalige Militärs der königlichen Armee, ehemalige Mitglieder der Eisernen Garde und enteignete Landwirte aktiv. Nach acht Monaten wurde aber die Bewegung Unabhängiges Rumänien“ aufgespürt. Die wichtigsten Mitglieder wurden verhaftet, nachdem ein neuer Rekrut sie verraten hatte.