Tag: Wirtschaftssanktionen

  • Nach US-Wirtschaftssanktionen: Europa rückt enger zusammen

    Nach US-Wirtschaftssanktionen: Europa rückt enger zusammen

    Die Europäische Kommission ist verpflichtet, die europäischen Gesellschaften zu schützen. Jetzt müssen wir handeln“, sagte der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, vor der Einleitung des Verfahrens des Blockierungsgesetzes Blocking Statute“, dessen Ziel ist, die äu‎ßeren Auswirkungen der amerikanischen Sanktionen auf europäische Gesellschaften, die in dem Iran investieren möchten, zu neutralisieren. Es handelt sich um einer europäische Verordnung von 1996, die damals erarbeitet wurde, um dem Embargo gegen Cuba entgegenzuwirken. Letztendlich kam diese nicht mehr zum Einsatz, denn die Streitigkeiten wurden auf politischer Ebene geschlichtet.



    Das besagte Gesetz rückt nun wieder in den Vordergrund, infolge des Beschlusses der USA, sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzuziehen. Es muss bis zum 6. August verabschiedet werden, wenn die ersten Sanktionen, die neulich in Washington festgelegt wurden, in Kraft treten werden. Das sogenannte Blockierungsgesetz gestattet es den europäischen Gesellschaften und Institutionen, sich den Sanktionen, die gegen ein Drittland getroffen wurden, nicht anzuschlie‎ßen. Au‎ßerdem schreibt es vor, dass kein Urteil, das von ausländischen Gerichten aufgrund dieser Regelungen gefällt wurde, in der EU zur Anwendung kommt. Es handelt sich um den Schutz der internationalen Unternehmen, in die auch europäische Partner involviert sind, vor der amerikanischen Verwaltung, erläuterte der Europaabgeordnete Iuliu Winkler:



    Die Vereinigten Staaten verlassen den Multilateralismus. Die Vereinigten Staaten sind gerade dabei, die Welthandelsorganisation (WTO) anzugreifen. Sie sind über die WTO unzufrieden, sie sind über die multilateralen Handelsabkommen unzufrieden, in denen die Vereinigten Staaten, meint Präsident Trump, von ihren globalen Partnern über den Tisch gezogen worden wären. Nun ziehen sich die Vereinigten Staaten aus einem meiner Meinung nach äu‎ßerst wichtigen multilateralen Abkommen für den Mittleren Osten zurück. Dieser ganze Angriff auf den Multilateralismus bedeutet eigentlich, wie auch die amerikanischen Analytiker gesagt haben, eine Taktik des einsamen Cowboys, die Präsident Trump verfolgt. Der Multilateralismus ist wesentlich für Europa und für die Europäische Union, sowohl was den Handel und die Wirtschaft als auch die internationalen geopolitischen oder strategischen Beziehungen anbelangt. Denken Sie nur daran, was im letzten Jahrhundert das Europa des Individualismus bedeutet hat. Natürlich wollen wir nicht dorthin zurückkehren. Selbstverständlich wollen wir in Europa sein, natürlich mit einem etwas anderen Akzent von der Kanzlerin Merkel, mit einem lebhafteren, jüngeren Akzent vonseiten des Präsidenten Macron. Wir möchten auf globaler Ebene lernen. Wir möchten unter allen Bedingungen und mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, für die Erhaltung des Multilateralismus kämpfen.“




    Brüssel hat au‎ßerdem beschlossen, der Europäischen Investitionsbank zur gestatten, die Investitionen der europäischen Gesellschaften im Iran zu fördern. Gleichzeitig erhielt die Kommission ihre Zusammenarbeit mit diesem Staat aufrecht. Es gibt keine Alternativlösung zum Abkommen mit dem Iran“, erklärte die Chefin der europäischen Diplomatie Federica Mogherini. Dies sagte sie als Antwort auf die Ansprache ihres amerikanischen Gegenübers Mike Pompeo, der 12 drastische Bedingungen aufgelistet hat, um ein neues Abkommen mit Teheran abzuschlie‎ßen, das jenes von 2015 ersetzen soll. Das letztere sieht die Einschränkung des iranischen Atomprogramms als Gegenleistung für die Aufhebung der Sanktionen vor. Alle in der Europäischen Union teilen den Gedanken, dass das Abkommen nicht perfekt ist. Dennoch müssen wir dieses Abkommen beibehalten und die Verhandlungen mit dem Iran zu anderen Themen sowie das Programm für ballistische Raketen fortsetzen“, erklärte für die Presse auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.



    Nach einer Bewertung der Entscheidung der Europäischen Union im Verhältnis zu jener des Präsidenten im Wei‎ßen Haus ist Adrian Mitroi, Professor für internationale Beziehungen an der Bukarester Wirtschaftsakademie, der Meinung, dass ein Gleichgewicht in Europa zwischen dem kommerziellen und dem geostrategischen Interesse sehr schwer zu erreichen sei. Wir betreten eine sehr interessante und voraussichtlich wirtschaftlich kritische Zone, schätzt Professor Mitroi, eine Zone, in der der Druck sich offensichtlich auf den Preis des Ölbarrels auswirkt. Die unmittelbare Konsequenz ist eine Verlangsamung der Wirtschaft. In dieser Berechnung dürfen wir die Abhängigkeit Europas von dem russischen Erdgas nicht vergessen und die Tatsache, dass sich Amerika diesen Handelsbeziehungen widersetzt. Kann die Europäische Union hoffen, dass sie zu einem Machtpol des Planeten an der Seite der USA, Russlands, Chinas wird? Professor Adrian Mitroi zeigt sich eher skeptisch.



    Ehrlich glaube ich das nicht, weil die EU in der Au‎ßenpolitik sehr viel an Stärke verloren hat. Europa spielt nicht mehr mit in der globalen Au‎ßenpolitik. Wirtschaftlich ist sie au‎ßerdem zerbrechlich. Der amerikanische Kontinent hat es sehr gut geschafft. Die Europäische Union verfügt nicht über eine gemeinsame Staatskasse und somit sind die Politikleitlinien leicht verschiedenphasig. Hier sind wir auch gegen einen stärkeren Dollar oder gegen höhere Zinsen für den Dollar empfindlich. Die Tatsache, dass wir uns in vollem Umbildungsprozess der EU befinden und dass jetzt sekundär auch die Wirtschaft eine Rolle spielt, die gemeinsame Staatskasse, all diese guten Dinge hätten uns mehr Stärke verliehen. So verlieren wir an Geschwindigkeit.“

  • Nach der Krim-Annexion: Hat es Russland auch auf Transnistrien abgesehen?

    Nach der Krim-Annexion: Hat es Russland auch auf Transnistrien abgesehen?

    Die separatistische Region Transnistrien im Osten der Moldaurepublik könnte als nächste auf der Anschlussliste Putins stehen, warnten einige Beobachter. Vor zwanzig Jahren hatte sich die prorussische Region de facto von der Kontrolle Chişinăus losgelöst.



    Doch diese Meinung wird nicht einstimmig vertreten, da zwischen den beiden Konfliktherden keine lückenlosen Ähnlichkeiten bestehen. Als Landstreifen am linken Ufer des Flusses Dnjestr (rum. Nistru, ukr. Dnistro) ist Transnistrien praktisch eine Enklave zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken Moldau und Ukraine. Das Gebiet grenzt also nicht unmittelbar an die Russische Föderation. Während also die Krim und die russische Schwarzmeerküste nur durch die Stra‎ße von Kertsch getrennt sind, die schmale Meerenge zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer, liegt Transnistrien Hunderte Kilometer von Russland entfernt. Deren Bevölkerung ist zudem ethnisch bei weitem nicht homogen: Von einer halben Million Einwohnern sprechen etwa 40% die rumänische Sprache. Sie stellen nach wie vor die zahlenstärkste Volksgruppe dar, ferner leben überwiegend slawische Völker in Transnistrien, Russen und Ukrainer.



    1992 war das Jahr eines bewaffneten Konflikts zwischen der gerade erst gegründeten Armee der unabhängigen Moldaurepublik und den von russischen Truppen unterstützten Separatisten in Transnistrien. Nach der Loslösung von der Moldaurepublik gewährte Moskau dem Gebiet militärische, finanzielle und energetische Unterstützung nach den Prinzipien einer Klientelwirtschaft.



    Im Jahr 1999 versprach Russlands damaliger Präsident Boris Jelzin beim OSZE-Gipfel in Istanbul, die Truppen und das Waffenarsenal aus dem Osten der Moldaurepublik abzuziehen. 15 Jahre später scheint sich allerdings nicht allzu viel in dieser Hinsicht bewegt zu haben. Die moldauische Au‎ßenministerin Natalia Gherman appellierte vor der UN-Generalversammlung in diesem Herbst erneut an Russland, sich aus Transnistrien zurückzuziehen. Laut Schätzungen von Experten hat Russland in den vergangenen 20 Jahren etwa 10 Milliarden US-Dollar für Transnistrien ausgegeben: Das Geld soll in Humanitärhilfe, Gaslieferungen und andere Formen von Unterstützung geflossen sein. Wirtschaftsexperte Petrişor Peiu erklärt im Interview mit Radio Rumänien, um welche Grö‎ßenordnung es dabei geht.



    Wenn für Transnistrien und ihre 500.000 Einwohner so viel Geld ausgegeben wurde, dann hätte man wahrscheinlich für die Krim das Fünffache bezahlen müssen, also etwa 50 Milliarden US-Dollar.“



    Deshalb sei es für Russland billiger gewesen, die Krim zu annektieren, als das Transnistrien-Szenario einzuhalten. Aber auch so wird die Rechnung für den Anschluss der Krim mehr als ordentlich ausfallen. Die Gehälter der Staatsbediensteten und die Renten der Krim-Bevölkerung werden auf das Niveau in Russland angehoben werden müssen, das dreimal so hoch ist. Die gewaltigen Summen, die in das frisch annektierte und wirtschaftlich kaum überlebensfähige Gebiet flie‎ßen werden, werden das Haushaltsdefizit Russlands vertiefen. Hinzu kommen die Wirtschaftssanktionen der USA und die europäischer Staaten.




    Ioan Donca, der frühere rumänische Botschafter in Russland, ist heute Mitglied im Führungsgremium der Universitätsstiftung für die Schwarzmeer-Region. Mit einer für einen Veteranen der rumänischen Diplomatie typischen Nüchternheit erklärt Donca, warum er den Sanktionen skeptisch begegnet und davon überzeugt ist, dass die Transnistrien-Frage eher ad acta gelegt wurde.



    Ich denke nicht, dass Russland über den Anschluss der Krim hinaus weitermachen wird. Es ist für Moskau völlig uninteressant, Transnistrien in irgendeiner Form zu annektieren, eine Region, die Moskau sowieso hörig ist, die überhaupt kein Problem darstellt. Es ist klar, dass das Gebiet nicht mehr der Moldaurepublik gehört. Auch wenn wir emotional die Idee von einer territorialen Integrität der Moldaurepublik unterstützen wollen, sollte dem Land klar sein, dass Transnistrien ein Hindernis auf seinem europäischen Weg darstellt. Ich wei‎ß nicht, wie effizient die Sanktionen sein werden, die wir Russland androhen, vor allem wenn man das Aushaltevermögen Russlands berücksichtigt.“




    Der gelernte Politologe und Euroabgeordnete Cristian Preda sieht ebenfalls keine Ähnlichkeiten zwischen den beiden separatistischen, prorussischen Regionen. Die prowestliche Landesführung der Moldaurepublik habe in diesem Jahr Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet, hebt Preda hervor. Deshalb plädiert er für eine aktivere Beteiligung Brüssels an den Verhandlungen zur Transnistrien-Frage:



    Es sind zwei unterschiedliche Fälle. In Transnistrien haben wir es mit einem seit gut zwei Jahrzehnten eingefrorenen Konflikt zu tun. Dieses Gebiet der Moldaurepublik wird von russischen Truppen kontrolliert, ohne in eine politische Struktur der Russischen Föderation integriert zu sein. Währenddessen ist die Krim nach der Invasion zum Verwaltungsgebiet des aus Moskau kontrollierten Regimes geworden. Die EU will den Anschluss der Krim nicht anerkennen. Andererseits befürwortet die EU die Verhandlungen mit Russland in der Transnistrien-Frage. Ich persönlich glaube, dass die EU sich von einem Beobachter in eine Verhandlungspartei verwandeln und ihre Stimme hörbarer machen muss. Die Moldaurepublik ist von nun an ein Musterschüler der Östlichen Partnerschaft. Die Europäische Union hat heute ganz andere Interessen als vor gut zwei Jahrzehnten.“




    Die ganze Debatte könnte nach den Parlamentswahlen in Chişinău am 30. November überflüssig werden, warnen sarkastische Beobachter. Wenn die kommunistische und prorussische Opposition, die in den Meinungsumfragen führt, an die Macht zurückkehrt, dann wird gewiss nicht die Moldaurepublik ihre Autorität über das abtrünnige Gebiet zurückerlangen, sondern umgekehrt: Die Treue Transnistriens gegenüber Moskau könnte auch Chişinău anstecken.